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Das grune Paradoxon ist der Kurztitel eines 2008 erschienenen Buches des deutschen Okonomen Hans Werner Sinn 1 Sinn beschreibt darin seine These dass eine absehbar verscharfte Umweltpolitik wie eine angekundigte Enteignung der Besitzer fossiler Energietrager wirke Mittelbar wurden damit Ressourcenforderung und verbrauch und folglich der Ausstoss klimaschadlicher Gase beschleunigt und nicht wie beabsichtigt verringert 2012 erschienen eine vollstandig aktualisierte und uberarbeitete Taschenbuchausgabe 2 und die erste internationale Ausgabe 3 Weiter schreibt Sinn dass die Verringerung der Nachfrage nach z B fossilen Brennstoffen zu einer Erhohung der Nachfrage in jenen Staaten fuhre welche keine Emissionsverringerung durchsetzten Grund sei die angebotene Menge welche gleichbliebe Sinn fuhrt dies auf politische Instabilitaten in manchen olfordernden Landern und gleichbleibende Fordermengen seitens der OPEC zuruck Die Verringerung der Nachfrage senke den Preis fossiler Brennstoffe und ein verringerter Preis fuhre zu hoherem Konsum In diesem Sinne sei jede Emissionsreduktion eine indirekte Subvention von Verbrauchern 1 Inhaltsverzeichnis 1 Argumentation 1 1 Realisierbare Losungen 1 2 Ahnlich gelagerte Veroffentlichungen 2 Entwicklung 3 Rezensionen und offentliche Wahrnehmung 4 Siehe auch 5 BelegeArgumentation BearbeitenDie Begrundung des grunen Paradoxons beginnt mit der Feststellung dass jedes Kohlenstoffatom das in Form von Gas Kohle oder Ol aus der Erde geholt und verbrannt wird letzten Endes in die Atmosphare gelangt Hocheffektive Verbrennungsprozesse die sicherstellen dass kein Anteil des extrahierten Kohlenstoffs zu Russ wird verstarken die Bedeutung dieses Zusammenhangs Rund ein Viertel des in die Atmosphare ausgestossenen Kohlenstoffs verbleibt nahezu fur immer dort und tragt zum Treibhauseffekt bei der fur die Erderwarmung verantwortlich ist 4 5 6 Abgesehen von der Aufforstung und ahnlichen Massnahmen kann laut Sinn die Akkumulation von Kohlenstoff in der Atmosphare nur auf zweierlei Art reduziert werden Entweder wird weniger Kohlenstoff aus der Erde herausgeholt oder der Kohlenstoff wird nach der Energiegewinnung wieder dort hinein gesteckt Die Bemuhungen der Umweltpolitik stellen auf alternative CO2 freie Energiequellen und auf eine effizientere Energienutzung ab Laut Sinn befassen sie sich daher ausschliesslich mit der Nachfrageseite des Kohlenstoffmarktes und vernachlassigen das Angebot Trotz erheblicher Anstrengungen zur Reduktion der Nachfrage ist es bislang aber noch nicht zu einer Senkung der weltweit ausgestossenen Mengen an CO2 gekommen Der Ausstoss an CO2 steigt vielmehr unvermindert an 7 8 Ursachlich hierfur ist laut Sinn die Tatsache dass eine Umweltpolitik durch Ankundigung einer stufenweise Verscharfung ihrer Massnahmen uber die kommenden Jahrzehnte einen immer starker werdenden Druck auf die Preise ausubt Die Preise werden in der Gegenwart und in der Zukunft gegenuber dem Niveau das sie sonst gehabt hatten gedruckt aber in der Zukunft noch mehr als in der Gegenwart Dies senkt die Wertzuwachsrate der Lagerstatten fossiler Brennstoffe und erfullt die Besitzer dieser Lagerstatten mit Sorge Die Besitzer reagieren mit einer Beschleunigung ihrer Forderung um ihr Vermogen verstarkt in Finanzkapital umzuwandeln das hohere Renditen verspricht Das ist das grune Paradoxon Eine angekundigte Umweltpolitik die uber die Zeit immer gruner wird wirke wie eine angekundigte Enteignung und veranlasst die Besitzer fossiler Brennstoffe ihre Bestande 9 10 schneller auszubeuten wodurch der Klimawandel beschleunigt wird Lander die nicht an den Nachfragebeschrankungen teilnehmen hatten einen doppelten Vorteil Sie konnten nicht nur den Kohlenstoff verbrennen der von den grunen Landern eingespart wird leakage effect sondern zusatzlich die Kohlenstoffmengen die durch die angekundigte und erwartete Preisreduktion aufgrund der sukzessive gruner werdenden Politik neu auf den Markt kamen grunes Paradoxon 11 12 Wie Sinn betont ist es eine Voraussetzung fur das grune Paradoxon dass die Ressource knapp in dem Sinne ist dass der Preis immer uber den Stuckkosten der Extraktion und Exploration liegen wird Da neue Technologien im besten Fall ein perfektes Substitut fur Elektrizitat darstellen wurden aber nicht fur fossile Brennstoffe ist fur Sinn diese Voraussetzung erfullt Die Preise fur Kohle und Erdol sind heute um ein Vielfaches hoher als die Summe aus Extraktions und Explorationskosten und sie werden es auch bleiben Zwar wird der Ubergang zu schwerer erreichbaren Bestanden die Extraktionskosten laufend erhohen doch wird die Verknappung der Bodenschatze auch deren Preise steigern Solange die Bodenschatze selbst einen Wert behalten kann es nie passieren dass die Preise die Extraktionskosten nicht mehr decken Marginale grune Nachfragepolitiken seien deshalb ausserstande den Ressourcenabbau dadurch zu senken dass sie die Preise unter die Kosten senken Realisierbare Losungen Bearbeiten Eine effektive Klimapolitik musse zwangslaufig die bisher vernachlassigte Angebotsseite des Kohlenstoffmarktes zusatzlich zur Nachfrageseite in den Blick nehmen Eine mogliche Losung zur Erreichung dieses Ziels besteht nach Sinn in der Erhebung einer Quellensteuer auf die Kapitalertrage die die Ressourcenbesitzer auf Finanzanlagen erzielen Eine solche Steuer nimmt ihnen die Lust am Fordern der Bodenschatze Eine andere Losung besteht in der Einfuhrung eines luckenlosen globalen Emissionshandelsystems das den weltweiten Verbrauch fossiler Brennstoffe wirksam beschrankt und dadurch die gewunschte Reduktion in der Kohlenstoffforderung erzwingt Ahnlich gelagerte Veroffentlichungen Bearbeiten Sinns Thesen wurden zuweilen mit dem ahnlich gelagerten Befund aber unterschiedlichen Schlussfolgerungen des Schweizer Autors Marcel Hanggi 13 verglichen der im Unterschied zu Sinn dem politisch linken Lager zugeordnet wird In Frankreich wurde Christian Gerondeau 2009 mit einer ahnlich gelagerten Buchveroffentlichung bekannt Demnach wurden die zuganglichen Ol und Kohlevorkommen vollig unabhangig von Verbrauchseinschrankung einzelner auf jeden Fall verbraucht da im Verzichtsfall etwa der EU andere Lander wie China und Indien verstarkt auf die verbleibenden Ressourcen zugriffen 14 Entwicklung Bearbeiten Das grune Paradoxon baut auf Sinns fruheren Untersuchungen zu Angebotsreaktionen von Besitzern naturlicher Ressourcen auf angekundigte Preisanderungen auf 15 16 Sinn hatte seine Ideen zum grunen Paradoxon vorab detailliert in einigen wissenschaftlichen Artikeln 17 18 seiner Thunen Vorlesung 2007 19 20 wahrend der Jahrestagung des Vereins fur Socialpolitik seiner Presidential Address bei der Welttagung des International Institute of Public Finance in Warwick 2007 und in zwei Working Papers 21 22 vorgestellt Rezensionen und offentliche Wahrnehmung BearbeitenHans Werner Sinns Buch Das grune Paradoxon Pladoyer fur eine illusionsfreie Klimapolitik erreichte in der FAZ Rubrik Die besten Wirtschaftsbucher des Jahres 2008 den vierten Platz 23 Sinns Buch sei eine klare Analyse der Umweltproblematik und Umweltpolitik so die FAZ 24 Die TAZ schreibt dass Sinns okonomische Diskussion vielschichtiger sei als das was etwa die Atomkraftlobby sonst biete Das sollen die grunen Energiepolitiker jetzt erst einmal kontern 25 Die NZZ empfiehlt das Buch jedem Burger zur Lekture Es ermogliche wie wenige Publikationen eine eigene und unabhangige Urteilsbildung und stehe damit in bester Tradition der Aufklarung 26 Wahrend Dirk Maxeiner im Deutschlandradio attestiert dass wer Hans Werner Sinns Buch durchgelesen hat nicht unbedingt um eine Perspektive reicher aber mit Sicherheit um ein paar Illusionen armer sei 27 kritisiert Johannes Kaiser dass Sinn allzu oft Halbwahrheiten liebe und populistische Stimmungsmache betreibe 28 Die Suddeutsche Zeitung schreibt Sinn zerlege mit wohl gewahlten Worten jegliche Ansatze um Klimaprobleme zu losen Seine Vorschlage seien allerdings kaum praktikabel fur die aktuellen Energieprobleme boten sie keine Perspektive 29 Die Wirtschaftswoche urteilt Sinns Analyse der Umweltpolitik sei exzellent und treffe den Nerv der Debatte Doch auf der Suche nach Alternativen stosse auch er an Grenzen 30 Der Deutschlandfunk kritisierte das Buch fur das darin konstruierte Paradoxon und kommentiert Sinns Losung eines weltweiten Klimaabkommens mit den Worten Mit dramatischen Worten und nach falschen Argumenten kommt Hans Werner Sinn zu einem richtigen Ergebnis bloss mit fast 20 Jahren Verspatung 13 Marcel Hanggi meint in der WOZ dass Sinn den Nagel auf den Kopf treffe und man ihn ohne falsche Angste lesen sollte 31 Siehe auch BearbeitenJevons ParadoxonBelege Bearbeiten a b Das grune Paradoxon Pladoyer fur eine illusionsfreie Klimapolitik Econ Verlag 2008 ISBN 978 3 430 20062 2 Das grune Paradoxon Pladoyer fur eine illusionsfreie Klimapolitik Ullstein Taschenbuch 2012 ISBN 978 3 548 37396 6 The Green Paradox A Supply Side Approach to Global Warming The MIT Press 2012 ISBN 978 0 262 01668 1 D Archer Fate of Fossil Fuel CO2 in Geologic Time In Journal of Geophysical Research 110 2005 S 5 11 D Archer V Brovkin Millennial Atmospheric Lifetime of Anthropogenic CO2 Climate Change mimeo 2006 G Hoos R Voss K Hasselmann E Meier Reimer F Joos A Nonlinear Impulse Response Model of the Coupled Carbon Cycle Climate System NICCS In Climate Dynamics 18 2001 S 189 202 International Energy Agency IEA IEA Database CO2 Emissions from Fuel Combustion 2007 Accessible online at www sourceoecd org Netherlands Environmental Assessment Agency Global CO2 Emissions Increase Continued in 2007 Bilthoven June 13 2008 Accessible online at Archivierte Kopie Memento des Originals vom 10 Februar 2009 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www mnp nl N V Long Resource Extraction under the Uncertainty about Possible Nationalization In Journal of Economic Theory 10 1975 S 42 53 K A Konrad T E Olson R Schob Resource Extraction and the Threat of Possible Expropriation The Role of Swiss Bank Accounts In Journal of Environmental Economics and Management 26 1994 S 149 162 S Felder T F Rutherford Unilateral CO2 Reductions and Carbon Leakage The Consequences of International Trade in Oil and Basic Materials In Journal of Environmental Economics and Management 25 1993 S 162 176 J M Burniaux J Oliveira Martins Carbon Emission Leakages A General Equilibrium View OECD Working Paper No 242 2000 a b Ressentiments und Halbwahrheiten Im Deutschlandfunk 1 Dezember 2008 Christian Gerondeau CO2 un mythe planetaire Les editions du Toucan Paris 2009 ISBN 978 2 8100 0246 7 H W Sinn Absatzsteuern Olforderung und das Allmendeproblem Sales Taxes Oil Extraction and the Common Pool Problem in H Siebert ed Reaktionen auf Energiepreisanderungen Lang Frankfurt and Bern 1982 S 83 103 N V Long H W Sinn Surprise Price Shifts Tax Changes and the Supply Behaviour of Resource Extracting Firms Australian Economic Papers 24 1985 S 278 289 H W Sinn Public Policies against Global Warming A Supply Side Approach International Tax and Public Finance 15 2008 S 360 394 H W Sinn Das grune Paradoxon Warum man das Angebot bei der Klimapolitik nicht vergessen darf In Perspektiven der Wirtschaftspolitik 9 2008 S 109 142 Archivierte Kopie Memento des Originals vom 27 Februar 2021 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www cesifo group de Hans Werner Sinn Das grune Paradoxon Warum man das Angebot bei der Klimapolitik nicht vergessen darf Ifo Working Paper No 54 PDF 687 kB ifo Institut fur Wirtschaftsforschung an der Ludwig Maximilians Universitat Munchen und Lehrstuhl fur Finanzwissenschaft Januar 2008 abgerufen am 21 Juni 2009 deutsch H W Sinn Public Policies against Global Warming CESifo Working Paper No 2087 August 2007 Archivierte Kopie Memento des Originals vom 17 Februar 2012 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www cesifo group de H W Sinn Pareto Optimality in the Extraction of Fossil Fuels and the Greenhouse Effect A Note CESifo Working Paper No 2083 August 2007 Archivierte Kopie Memento des Originals vom 18 Dezember 2018 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www cesifo group de Die besten Wirtschaftsbucher des Jahres 2008 In FAZ 21 Dezember 2008 Wie ein Geisterfahrer In FAZ 5 Januar 2009 Grun ist nicht immer grun In TAZ 4 April 2009 Wider die grunen Illusionen der Klimapolitik In NZZ 10 Dezember 2008 Eine Provokation fur Klimaschutzer In Lesart Deutschlandradio am 30 November 2008 Egoismus als Ausweg aus der Klimakrise In Radiofeuilleton Deutschlandradio am 11 November 2008 Gefuhlsgrun in der Klimafalle Memento des Originals vom 14 August 2009 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www sueddeutsche de In Suddeutsche Zeitung 14 Oktober 2008 Verlorene Welt Hans Werner Sinn Der Prasident des ifo Instituts warnt vor blindem Oko Aktionismus In Wirtschaftswoche 3 November 2008 Nr 45 S 16 Das grune Paradoxon Pladoyer fur ein Stuck Kommunismus In Die Wochenzeitung 5 Marz 2009 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Das grune Paradoxon Pladoyer fur eine illusionsfreie Klimapolitik amp oldid 232609425