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Die Ausschreitungen von Hoyerswerda waren mehrere rassistisch motivierte Ubergriffe in der sachsischen Stadt Hoyerswerda zwischen dem 17 und 23 September 1991 Dabei wurden ein Wohnheim fur Vertragsarbeiter sowie ein Fluchtlingswohnheim angegriffen Teilweise standen bis zu 500 Personen 1 vor den Heimen und beteiligten sich an den Angriffen Die Polizei war nicht gewillt die Angriffe zu stoppen Die deutschen Medien berichteten umfangreich uber die Ereignisse Die Ausschreitungen von Hoyerswerda bildeten den Auftakt zu einer Serie auslanderfeindlicher Ausschreitungen zu Anfang der 1990er Jahre in Deutschland Inhaltsverzeichnis 1 Verlauf 1 1 Angriffe auf das Vertragsarbeiterwohnheim 1 2 Angriffe auf das Fluchtlingswohnheim 2 Folgen 3 Weitere Anschlage gegen Auslander 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseVerlauf BearbeitenAngriffe auf das Vertragsarbeiterwohnheim Bearbeiten Am 17 September 1991 griffen mindestens acht uberwiegend jugendliche Neonazis auf dem Marktplatz von Hoyerswerda vietnamesische Handler an Die Betroffenen fluchteten daraufhin in ein Wohnheim fur Vertragsarbeiter 2 Das elfstockige Gebaude in der Albert Schweitzer Strasse war Wohnstatte fur ca 120 Vertragsarbeiter vorwiegend fur die damalige Lausitzer Braunkohle AG aus Mosambik und Vietnam deren Arbeitsvertrage mit der Lausitzer Braunkohle AG zum Ende September bzw Ende Dezember 1991 gekundigt worden waren Innerhalb weniger Stunden fanden sich drei bis vier Dutzend junge Neonazis vor dem Gebaude ein und begannen Parolen zu rufen und Steine zu werfen Die Bewohner begannen sich daraufhin teilweise unter Gewaltanwendung zu verteidigen Nach fruhestens zwei Stunden traf die Polizei ein und riegelte das Gebaude ab Am Abend des 18 September griffen mehrere Dutzend Neonazis das Wohnheim mit Steinen und Molotow Cocktails an Anwohner gesellten sich hinzu und sahen entweder tatenlos zu oder klatschten Beifall Die Polizei griff kaum ein Unter den Angreifern befanden sich auch viele Kollegen der Vertragsarbeiter aus dem Braunkohletagebau Schliesslich wurden die Vertragsarbeiter evakuiert 60 Personen wurden am 20 September unter Polizeibegleitung mit Bussen aus Hoyerswerda gebracht Fast alle Vertragsarbeiter wurden direkt nach Frankfurt am Main oder Berlin transportiert und von dort aus abgeschoben 3 Angriffe auf das Fluchtlingswohnheim Bearbeiten Nach den Angriffen auf das Vertragsarbeiterwohnheim kam es auch zu Angriffen auf ein Fluchtlingswohnheim in der Thomas Muntzer Strasse in dem seit dem Fruhsommer 1991 ca 240 Fluchtlinge u a aus Vietnam Rumanien Ghana dem Iran und Bangladesch untergebracht waren Schon in den Wochen zuvor waren sie immer wieder von Neonazis angegriffen worden Am 20 September kam das Landratsamt Hoyerswerda zu folgender Lageeinschatzung Es besteht einheitliche Auffassung dazu dass eine endgultige Problemlosung nur durch Ausreise der Auslander geschaffen werden kann 3 Am Abend des 20 Septembers zogen Neonazis und Sympathisanten vor das Fluchtlingsheim und bewarfen es mit Steinen und Molotow Cocktails Auslander wurden daraufhin von Neonazis auch korperlich angegriffen wozu ein Mob aus Anwohnern und Sympathisanten die Gewalttater durch Zurufe und Applaus weiter anheizte Ein kleinerer Anteil der anwesenden Burger aus der Nachbarschaft versuchte beschwichtigend auf den Mob einzuwirken blieb aber ahnlich wie die Polizei weitgehend erfolglos 4 Am Morgen des 21 September wurden die Fluchtlinge unter SEK Begleitung mit Bussen auf Unterkunfte im Umland verteilt Die meisten von ihnen fluchteten in Eigeninitiative nach Berlin und Niedersachsen weiter 3 In Berlin wurde ein Teil von ihnen in einer Kirchgemeinde aufgenommen Spater wurden ausserdem die Technische Universitat Berlin sowie das Berliner Rathaus besetzt Der damalige Regierende Burgermeister Berlins Eberhard Diepgen CDU sagte daraufhin Hilfe fur diejenigen Fluchtlinge zu die nachweisen konnten dass sie angegriffen wurden 5 Folgen BearbeitenBei den Ausschreitungen wurden 32 Menschen verletzt Es gab 82 vorlaufige Festnahmen allerdings wurden von den Verdachtigen nur vier Personen verurteilt 3 Am folgenden Wochenende kam es zu 78 rassistischen Uberfallen im Bundesgebiet 6 Am 27 September 1991 fand in Hoyerswerda eine antifaschistische Demonstration gegen die Ausschreitungen mit 4 000 bis 5 000 Teilnehmern statt 7 Auf die Angriffe von Hoyerswerda folgten weitere Angriffe auf Fluchtlingsheime in Deutschland darunter im Jahr 1991 in Thiendorf Sachsen mit acht Verletzten sowie Brandanschlage in Freital Sachsen Bredenbeck Niedersachsen Munster Nordrhein Westfalen March Baden Wurttemberg und Tambach Dietharz Thuringen 3 In der Nacht zum 11 Oktober 1992 wurde die Aushilfskellnerin Waltraud Scheffler bei einem Uberfall auf ein Lokal in Geierswalde bei Hoyerswerda so schwer verletzt dass sie 13 Tage spater starb Scheffler hatte versucht auf die mit Sieg Heil Rufen eindringenden Skinheads einzureden worauf ihr von einem dieser ein Schlag mit einer Holzlatte auf den Kopf zugefugt worden war 8 Am 19 Februar 1993 kam es in Hoyerswerda zu einem weiteren Todesopfer rechtsextremer Gewalt als der 22 jahrige Mike Zerna bei einem Uberfall von rechtsextremen Skinheads auf Jugendliche vor dem Jugendklub Nachtasyl zusammengeschlagen wurde Die Angreifer darunter drei wegen fremdenfeindlicher Gewalttaten Vorbestrafte prugelten auf Konzertbesucher und den Fahrer und Techniker der christlichen Gothic Metal Band Necromance aus Spremberg ein und kippten anschliessend ein Auto auf den am Boden liegenden Zerna der sechs Tage spater seinen Verletzungen erlag Nach Ansicht des Landgerichts Bautzen trugen Polizei und Sanitater eine Mitverantwortung fur dessen Tod da sie erst eine Stunde nach dem Uberfall am Tatort eintrafen 8 Im Anschluss an die Ausschreitungen wurde Hoyerswerda in Anlehnung an den NS Begriff judenfrei von Neonazis als erste auslanderfreie Stadt bezeichnet Dieser Begriff wurde zum Synonym fur die Ausschreitungen von Hoyerswerda sowie 1991 das erste Unwort des Jahres das die Gesellschaft fur deutsche Sprache gewahlt hatte Die Stadt bemuhte sich das Bild in der Offentlichkeit positiv zu beeinflussen und gegen Neonazismus vorzugehen Im Jahr 2006 verkundete der damalige Oberburgermeister Horst Dieter Brahmig als Reaktion auf eine antirassistische Demonstration zum 15 Jahrestag des Pogroms von Hoyerswerda Die Erinnerung an diese 15 Jahre behalten wir Hoyerswerdaer uns selbst vor Am selben Tag wurde im Stadtpark eine Gedenkstele mit der Inschrift Im Gedenken an die extremistischen Ausschreitungen von September 1991 eingeweiht die heute die Aufschrift tragt Hoyerswerda vergisst nicht Wir erinnern 1 Zivilgesellschaftliche Initiativen wie die Kulturfabrik Hoyerswerda oder die RAA Hoyerswerda engagieren sich beispielsweise mit dem Projekt Mitwisser gesucht dafur Jugendliche uber die Ausschreitungen aufzuklaren 9 10 nbsp DenkmalIm Erscheinungsbild Hoyerswerdas hat die Prasenz rechtsradikaler Jugendlicher zwar abgenommen 9 nach wie vor gilt die Stadt jedoch als Zentrum rechtsradikaler Gruppierungen und Aktivitaten 11 beispielsweise wurde durch die NPD im Jahr 2006 dort der neue Kreisverband Kamenz Hoyerswerda gegrundet die zugehorige Jugendorganisation JN gehort zu den aktivsten in Sachsen 12 Die ortsansassige JN organisierte im Jahr 2006 einen Gedenkmarsch mit 200 Teilnehmern die den 15 Jahrestag der Ausschreitungen feierten Die Polizei nahm mehr als 50 Gegendemonstranten vorubergehend fest 13 Derartige Gedenkmarsche wurden auch in anderen Stadten durchgefuhrt Bei Filmaufnahmen fur das WDR Magazin Cosmo TV anlasslich des 20 Jahrestags der Ausschreitungen vor dem ehemaligen Gastarbeiterwohnheim kam es dort wiederum zu Pobeleien und Beleidigungen gegenuber ehemals Betroffenen 14 15 Weitere Anschlage gegen Auslander BearbeitenSiehe auch Fluchtlingsfeindliche Angriffe in der Bundesrepublik Deutschland und Liste fluchtlingsfeindlicher Angriffe in Deutschland Ausschreitungen in Rostock Lichtenhagen 22 und 26 August 1992 Mordanschlag von Molln 23 November 1992 Mordanschlag von Solingen 29 Mai 1993Literatur BearbeitenDetlef Pollack Die auslanderfeindlichen Ausschreitungen in Hoyerswerda vor zehn Jahren Berliner Debatte INITIAL Nr 16 2005 S 15 32 David Begrich Hoyerswerda und Lichtenhagen Urszenen rassistischer Gewalt in Ostdeutschland In Heike Kleffner Anna Spangenberg Hrsg Generation Hoyerswerda Das Netzwerk militanter Neonazis in Brandenburg be bra Berlin 2016 ISBN 978 3 89809 127 5 S 32 44 Christoph Wowtscherk Was wird wenn die Zeitbombe hochgeht Eine sozialgeschichtliche Analyse der fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Hoyerswerda im September 1991 Berichte und Studien des Hannah Arendt Instituts fur Totalitarismusforschung Nr 66 V amp R unipress Gottingen 2014 ISBN 978 3 8471 0324 0 Jagdzeit in Sachsen In Der Spiegel Nr 40 1991 online Weblinks BearbeitenWebdokumentation uber Ursachen Ablauf und Folgen ARD Bericht auf YouTube Der Tag der Schande fur Hoyerswerda NZZ Online vom 11 Februar 2005 Rassismus ist hier Alltag Wie geht die Stadt 20 Jahre danach mit ihrer Geschichte um Wir haben Angst um unser Leben dradio de vom 17 September 2011 WDR Bericht Cosmo TV auf YouTube vom 22 September 2012 abgerufen am 17 April 2015Einzelnachweise Bearbeiten a b Gastbeitrag der Initiative Pogrom 91 Fehlende Aufarbeitung In Antifaschistisches Infoblatt Nr 92 Berlin 15 September 2011 abgerufen am 18 September 2013 Fluchtlinge kehren zuruck nach Hoyerswerda fr online de vom 3 Februar 2014 a b c d e Funf Tage im September 1991 In Antifaschistisches Infoblatt Nr 92 Berlin 15 September 2011 abgerufen am 18 September 2013 Jeder ist ein Auslander irgendwo auf der Welt wasistwas de abgerufen am 9 Dezember 2011 Link 1 2 Vorlage Toter Link www wasistwas de Seite nicht mehr abrufbar festgestellt im Marz 2018 Suche in Webarchiven Was wollen die schon wieder hier Interview mit ehemaligen Vertragsarbeitern aus Hoyerswerda im September 2011 In Antifaschistisches Infoblatt Nr 92 Berlin 15 September 2011 abgerufen am 18 September 2013 Christian Fuchs John Goetz Die Zelle Rechter Teror in Deutschland Rowohlt Reinbek bei Hamburg 2012 S 54 Nicht wegschauen hinsehen oder hingehen In Antifaschistisches Infoblatt Nr 92 Berlin 15 September 2011 Abgerufen am 18 September 2013 a b Frank Jansen Johannes Radke Heike Kleffner Toralf Staud Todlicher Hass 137 Todesopfer rechter Gewalt In Der Tagesspiegel 31 Mai 2012 abgerufen am 18 September 2013 a b Simone Rafael Klimawandel in Hoyerswerda Wie eine aktive Zivilgesellschaft um die Kinder ihrer Stadt kampft Bundeszentrale fur Politische Bildung 6 Juli 2007 abgerufen am 18 September 2013 Rupert von Plottnitz Mutmacher Kulturfabrik Hoyerswerda und die RAA Hoyerswerda In Mut gegen rechte Gewalt 6 November 2012 Lara Fritzsche Nur weg Ronny und Monique wollten ihre Heimatstadt Hoyerswerda nicht den Nazis uberlassen und wurden deshalb selbst Ziel von Bedrohung und Hetze Suddeutsche Zeitung 16 Oktober 2013 abgerufen am 17 Oktober 2013 Rechtsextreme sind in Hoyerswerda aktiv In Lausitzer Rundschau 13 Juli 2007 abgerufen am 18 September 2013 redok de Memento vom 30 November 2013 im Internet Archive Ghanaer nach 20 Jahren erneut angepobelt In Lausitzer Rundschau 13 September 2011 abgerufen am 18 September 2013 WDR Cosmo TV 20 Jahre Hoyerswerda Was hat sich seitdem verandert vom 18 September 2011 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ausschreitungen in Hoyerswerda amp oldid 236296489