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Entscheidung des BundesverfassungsgerichtsApotheken UrteilEntscheidungsdatum 11 Juni 1958Spruchkorper Erster SenatAktenzeichen 1 BvR 596 56Verfahrensart VerfassungsbeschwerdeEntscheidung UrteilFundstelle BVerfGE 7 377Angewandtes RechtArt 12 Abs 1 GGDas Apotheken Urteil ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerfG vom 11 Juni 1958 1 Es gilt in der deutschen Rechtswissenschaft als Grundsatzurteil zur Auslegung des in Art 12 Grundgesetz gewahrleisteten Grundrechts der Berufsfreiheit Der Erste Senat nahm hier erstmals und richtungsweisend zu den Schranken der Berufsfreiheit und der Geltung des rechtsstaatlichen Verhaltnismassigkeitsprinzips bei ihrer Anwendung Stellung Inhaltsverzeichnis 1 Sachverhalt 2 Zusammenfassung des Urteils 2 1 Das einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit 2 2 Die Drei Stufentheorie 3 Bedeutung und Folgen des Urteils 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Einzelnachweise 7 WeblinksSachverhalt BearbeitenIm Juli 1956 beantragte der approbierte Apotheker Karl Heinz Rober bei der Regierung von Oberbayern ihm die Betriebserlaubnis zur Eroffnung einer Apotheke in Traunreut zu erteilen Der Antrag wurde jedoch aufgrund des Art 3 Abs 1 des bayerischen Gesetzes uber das Apothekenwesen in der damals geltenden Fassung zuruckgewiesen 1 Fur eine neuzuerrichtende Apotheke darf die Betriebserlaubnis nur erteilt werden wenna die Errichtung der Apotheke zur Sicherung der Versorgung der Bevolkerung mit Arzneimitteln im offentlichen Interesse liegt undb anzunehmen ist dass ihre wirtschaftliche Grundlage gesichert ist und durch sie die wirtschaftliche Grundlage der benachbarten Apotheken nicht soweit beeintrachtigt wird dass die Voraussetzungen fur den ordnungsgemassen Apothekenbetrieb nicht mehr gewahrleistet sind Mit der Erlaubnis kann die Auflage verbunden werden die Apotheke im Interesse einer gleichmassigen Arzneiversorgung in einer bestimmten Lage zu errichten Art 3 Abs 1 des damaligen Bayerischen Apothekengesetzes In der Begrundung des ablehnenden Bescheides fuhrte die Regierung Oberbayern aus dass die Errichtung einer neuen Apotheke nicht im offentlichen Interesse liege da es in der damals etwa 6 000 Einwohner zahlenden Stadt bereits eine Apotheke gebe und diese vorhandene Apotheke zur Versorgung der Bevolkerung mit Arzneimitteln vollig ausreiche Ausserdem sei die wirtschaftliche Grundlage der neuen Apotheke nicht gesichert da eine Apotheke zur Sicherung ihrer Leistungsfahigkeit eine Zahl von etwa 7 000 Einwohnern benotige welche in Traunreut schon durch die bestehende Apotheke versorgt seien Zudem wurde durch die Neuzulassung auch die wirtschaftliche Grundlage der bereits bestehenden Apotheke so weit beeinflusst dass die Voraussetzungen fur einen ordnungsmassigen Apothekenbetrieb nicht mehr gewahrleistet seien Daneben wurde befurchtet dass die freie Konkurrenz die wirtschaftlich schlecht fundierten Apotheken zu einem leichtfertigen Medikamentenverkauf ohne arztliche Verschreibung verleiten konnte Gegen diesen Bescheid ging der Apotheker auf dem Rechtsweg vor und reichte schliesslich eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein Zusammenfassung des Urteils BearbeitenDas Bundesverfassungsgericht erklarte Art 3 Abs 1 des bayerischen Apothekengesetzes fur nichtig da darin ein Verstoss gegen die in Art 12 Abs 1 GG gewahrleistete Berufsfreiheit liege Die auf dieser Bestimmung beruhenden Bescheide der Regierung von Oberbayern verletzten daher das Grundrecht des Beschwerdefuhrers aus Art 12 Abs 1 GG und waren aufzuheben Das einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit Bearbeiten Gemass Art 12 Abs 1 Satz 2 GG kann die Berufsausubung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden Ausdrucklich lasst sich insofern in dem Wortlaut der Norm keine Einschrankungsmoglichkeit fur Eingriffe in die in Satz 1 gewahrleistete Freiheit der Berufswahl erkennen Obwohl der Wortlaut des Art 12 Abs 1 GG dabei eine Differenzierung zwischen der Berufswahl und der Berufsausubungsfreiheit nahelegte kam das Bundesverfassungsgericht zu der Ansicht dass die Berufswahl und der Berufsausubungsfreiheit nur zusammenhangende Elemente eines einheitlichen Grundrechts der Berufsfreiheit bilden zwischen denen nicht scharf getrennt werden konne Die Berufsfreiheit schutzt daher die Berufswahlfreiheit und die Berufsausubungsfreiheit als einheitliches Grundrecht Als Konsequenz dieser Auslegung ergab sich dass auch der Schranken und Regelungsvorbehalt den gesamten Berufsbereich erfasst Anders als der Wortlaut auf den ersten Blick annehmen liesse konnen also auch Eingriffe in die Berufswahlfreiheit durch den Gesetzesvorbehalt gerechtfertigt sein Die Drei Stufentheorie Bearbeiten Als Massstab fur die Beurteilung der Vereinbarkeit von berufsbezogenen Regelungen mit der Berufsfreiheit hat der Erste Senat die sog Dreistufentheorie entwickelt Eingriffe in die Berufsfreiheit sind demnach in drei Stufen zu differenzieren Sie konnen reine Berufsausubungsregelungen 1 Stufe subjektive Zulassungsbeschrankungen 2 Stufe oder objektive Zulassungsbeschrankungen 3 Stufe darstellen Die Anforderungen an die Rechtfertigung des Eingriffs hangen von der jeweiligen Stufe ab Als Berufsausubungsregelungen bezeichnet man inhaltliche Regelungen bezuglich der Art und Weise der Berufsausubung Wie Sie sind gerechtfertigt soweit vernunftige Erwagungen des Gemeinwohls sie zweckmassig erscheinen lassen Die Regelung subjektiver Voraussetzungen der Berufsaufnahme sieht das Bundesverfassungsgericht als einen Teil der rechtlichen Ordnung eines Berufsbildes an Eine solche Beschrankung legitimiere sich schon daher dass viele Berufe bestimmte nur durch theoretische und praktische Schulung erwerbbare technische Kenntnisse und Fertigkeiten im weiteren Sinn erfordern und dass die Ausubung dieser Berufe ohne solche Kenntnisse entweder unmoglich oder unsachgemass ware oder aber Schaden ja Gefahren fur die Allgemeinheit mit sich bringen wurde Daher sind derartige sog subjektive Zulassungsbedingungen zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsguter zulassig An objektive Zulassungsbedingungen stellte jedoch das Bundesverfassungsgericht nochmals hohere Anforderungen Da diese Beschrankungen von den personlichen Eigenschaften des Grundrechtsinhabers unabhangig sind und ihre Erfullung dem Einzelnen schlechthin entzogen ist sind an sie strengste Anforderungen zu stellen Sie sind nur zulassig sofern sie zur Abwehr nachweisbarer oder hochstwahrscheinlicher schwerer Gefahren fur ein uberragend wichtiges Gemeinschaftsgut zwingend geboten sind Aus Grunden der Verhaltnismassigkeit muss der Gesetzgeber die Eingriffe in die Berufsfreiheit jeweils auf der Stufe vornehmen die den geringsten Eingriff in die Freiheit der Berufswahl mit sich bringt und darf die nachste Stufe erst dann betreten wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit dargetan werden kann dass die befurchteten Gefahren mit verfassungsmassigen Mitteln der vorausgehenden Stufe nicht wirksam bekampft werden konnen Die zur Prufung stehende Norm des Art 3 Abs 1 des bayerischen Apothekengesetzes sah das Bundesverfassungsgericht als eine objektive Berufszulassungsregelung an die den Voraussetzungen der Dreistufentheorie nicht entspricht Die Volksgesundheit ware zwar im Prinzip ein uberragend wichtiges Gemeinschaftsgut welches die Einfuhrung objektiver Zulassungsregelungen rechtfertigen konnte Das Bundesverfassungsgericht musste die Frage ob es bei Wegfall der Niederlassungsbeschrankungen des bayerischen Apothekengesetzes zu einer unbegrenzten Vermehrung der Apotheken und zu einem ruinosen Konkurrenzkampf mit den damit verbundenen Gefahren fur die Volksgesundheit kommen konnte jedoch nach ausgiebiger Diskussion verneinen Bedeutung und Folgen des Urteils BearbeitenDas Ergebnis des Apothekenurteils ist aus heutiger Sicht kaum anzuzweifeln Auch die dargelegte Dreistufentheorie wurde von der deutschen Staatsrechtslehre im Wesentlichen akzeptiert obgleich ein Teil der Lehre auch Art 12 GG immer noch an dem Prufungsschema misst das auch fur die anderen Grundrechte verwandt wird Das Apothekenurteil pragte trotzdem wesentlich die Auslegung des Grundrechts der Berufsfreiheit Siehe auch BearbeitenListe von Fallbeispielen in der RechtswissenschaftLiteratur BearbeitenBeate Schulte zu Sodingen BVerfGE 7 377 Apothekenurteil Das Grundrecht der Berufsfreiheit und die Entwicklung der Drei Stufentheorie In Jorg Menzel Hrsg Verfassungsrechtsprechung Hundert Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in Retrospektive Mohr Siebeck Tubingen 2000 ISBN 3 16 147315 9 S 108 112 Jorg Lucke Die Berufsfreiheit C F Muller Heidelberg 1994 ISBN 3 8114 2594 3 Timo Hebeler 50 Jahre Apotheken Urteil des Bundesverfassungsgerichts Was ist geblieben Juristische Arbeitsblatter JA 2008 413Einzelnachweise Bearbeiten BVerfGE 7 377 ff Az 1 BvR 596 56 Weblinks BearbeitenVolltext des Urteils als SeitenversionBitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Apotheken Urteil amp oldid 237802291