www.wikidata.de-de.nina.az
Antonio Francesco Riccoboni 1707 in Mantua Italien 1772 in Paris Frankreich war ein italienisch franzosischer Schauspieler Dramatiker und Schauspieltheoretiker Watteau Italienische Schauspieler um 1720 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Theatersituation in Frankreich wahrend des 18 Jahrhunderts 3 Schauspieltheorie 4 Kontext und Kritik 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben BearbeitenRiccoboni wurde als Sohn des Schauspielers Theaterautors und Historikers Ludovico Riccoboni geboren Sein Vater war mit dem Versuch im eigenen Lande gescheitert die im 16 und 17 Jahrhundert etablierte Theatergattung Commedia dell arte deren Hauptaugenmerk der Realismus war durch das dramatische Theater zu ersetzen Es folgte ein Umzug nach Frankreich gemeinsam mit dem Sohn wo Ludovico Riccoboni zunachst von 1716 bis 1729 die italienische Schauspielertruppe des Herzog von Orleans im Hotel de Bourgogne leitete Von 1726 bis 1750 gehorte auch Francesco Riccoboni als Schauspieler zum Theatre Italien in Paris Wahrend dieser Zeit verfasste er das Werk Die Schauspielkunst das 1750 veroffentlicht wurde als er aus gesundheitlichen Grunden die Theaterarbeit aufgeben musste 1 Zu seiner Zeit als Ensemblemitglied wurde nach und nach eine Realismus Debatte im Theater losgetreten die nicht zuletzt auf Vertreter wie Moliere und Michel Baron zuruckzufuhren war Die Debatte uber Realismus umschloss gleichzeitig auch einen beginnenden und sichtbaren Klassenkampf der Kunste dessen Conclusio sich mehrheitlich daraus erschloss dass die herrschende Kunst die Kunst der herrschenden Klasse ist Francesco Riccoboni beteiligte sich an dieser Auseinandersetzung im franzosischen Theater nur als Aussenseiter da er als Mitglied des Italienischen Theaters kaum etwas mit den Darstellungsmethoden des Theatre Francais zu tun hatte Die Methoden des italienischen Theaters waren zu dieser Zeit als grob naturalistisch verschrien und mussten sich nicht an die klassizistischen Konventionen und Regeln halten Riccobonis Schauspieltheorie bekraftigt diese Tatsache 2 Sein Werk welches von Gotthold Ephraim Lessing ubersetzt wurde wurde im vierten Stuck der von Lessing gemeinsam mit seinem Vater Christlob Mylius 1750 in Stuttgart herausgegebene Zeitschrift Beitrage zur Historie und Aufnahme des Theaters veroffentlicht Lessing sah in Riccobonis Schrift den idealen Leitfaden fur die Weiterentwicklung der realistischen Methode an den deutschen Theatern Dezidiert weist er auf vier Punkte hin die ihm in der Arbeit Riccobonis und im Zusammenhang mit ihr wichtig erscheinen die Kritik an dem herrschenden deklamatorischen Stil des franzosischen Theaters Die Vorurteilslosigkeit gegenuber der verbreiteten Handwerkelei der Schauspieler Die grundsatzliche Einstellung zu dem Verhaltnis von Empfindung und Darstellung Den Nutzen fur die Entwicklung des Theaters besonders naturlich des deutschen fur das er Die Schauspielkunst ubersetzt 3 Riccobonis Uberlegungen flossen auch in Lessings eigene Auseinandersetzungen zum Thema Schauspiel ein wie etwa in Hamburgische Dramaturgien 4 Theatersituation in Frankreich wahrend des 18 Jahrhunderts Bearbeiten In der ersten Halfte des 18 Jahrhunderts wird in Frankreich von verschiedenen Seiten der herrschende klassizistische Stil des absolutistischen Theaters in Frage gestellt 5 Die Franzosische Tragodie angefangen bei Pierre Corneille bis hin zu Voltaire hatte ihre zentralen Eigenschaften in der genauen Widerspiegelung der Wirklichkeit des franzosischen Hofes und im exakten Ausdruck seiner Leidenschaften Interessen Ideale und Vorstellungen von der richtigen Einrichtung der Welt Die Schauspieler sind franzosische Hoflinge aus dem 17 und 18 Jahrhundert sprechen die Sprache des Hofes und benehmen sich nach den Regeln der hofischen Sitte Diese geschaffenen Konventionen und Regeln zeigen sehr eindringlich die schauspielerische Abhangigkeit von der Etikette die Herrschaft der Regeln der Courtoisie auf dem Theater 6 Die Etikette verdeutlicht auch dass das Theater nicht als selbststandige Institution bestand sondern integraler Bestandteil des absolutistischen Hofes war Ein Beispiel dafur ist die Tatsache dass Schauspieler hier nicht gegendert da zu jener Zeit Frauen den Beruf des Schauspielers nicht ausfuhren durften auf der Buhne sich nicht ihrem Partner zuwenden durfen da er sonst dem Konig den Rucken zukehre Diese Forderung Dramatiker und Schauspieler mussten die Natur nachahmen hatte auch zur Folge dass die Natur mit der hofischen Sitte ubereinstimme 7 Die Ruhrung der Zuschauer ist der Zweck der Tragodie und von der ganzen Forderung nach Natur bleibt nichts ubrig als dass der Schauspieler selbst geruhrt sein musse um das Publikum zu ruhren Natur heisst dann nur noch Ubereinstimmung mit der Rolle von vornherein nicht durch das schauspielerische Handeln 8 Auch der klassizistische Stil der franzosischen Schauspielkunst erlebte wenn auch in kleinem Ausmass kunstlerischen Widerstand Moliere zeigte mit Stucken wie Impromptu de Versailles ernste Uberlegungen zur realistischen Menschendarstellung Kern dieses Stils war die Darstellung typischer Zuge des gesellschaftlichen Lebens 9 War zu Anfang aufgrund mangelnder individueller schauspielerischer Leistungen der realistische Stil Molieres auf die Komodie beschrankt versuchte es sein Schuler Michel Baron 1653 1729 als erster mit den klassizistischen Konventionen zu brechen und die Realismustheorie seines Lehrers auch auf die Tragodie umzumunzen 10 Schauspieltheorie BearbeitenIn seinem 1750 veroffentlichten Text Die Schauspielkunst formuliert Francesco Riccoboni drei Grundsatze des Schauspiels Man muss allezeit die Natur nachahmen 11 Das Gezwungene ist der grosste von allen Fehlern ob es gleich der gemeinste ist 11 Der Geschmack allein muss uns in den engen Grenzen der Wahrheit erhalten 11 Auch wenn Riccoboni immer wieder betont dass der Ausdruck naturlich sein solle entspricht das Verstandnis Riccobonis von einer Nachahmung der Natur nicht einer moglichst realistischen Abbildung der Wirklichkeit sondern einer kunstlerischen Formung dessen Der Ausdruck muss naturlich sein wenn man ruhren wolle so musse man zwei Finger breit uber das Naturliche gehen sobald man aber dieses Mass nur um eine Linie uberschreite so werde das Spiel alsbald ubertrieben und unangenehm 12 Das Gezwungene von dem Riccoboni schreibt resultiert aus der Orientierung der Schauspieler an der hofischen Etikette im franzosischen Klassizismus Daher empfiehlt Riccoboni Schauspielern den Pobel als Vorbild fur die Darstellung von Emotionen zu sehen da dieser Gefuhle ohne gesellschaftlichen Zwang ausdrucken konne Die dargestellten Emotionen sollen laut Riccoboni von den Schauspielern allerdings nicht selbst durchlebt werden Stattdessen solle man von seiner Seele allezeit Meister bleiben 13 damit man verschiedene Rollen spielen konne Begrundet wird das damit dass die Dauer einer Theaterauffuhrung zu kurz ware um alle Gefuhlszustande einer Figur real durchleben zu konnen Die Empfindungen uber die Riccoboni in seinem Text spricht definiert er wie folgt Die Bewegungen welche am geschwindesten in der Seele entstehen wozu die Uberlegung nichts beitragt und die sich unsrer augenblicklich fast wider unseren Willen bemachtigen sind die einzigen welche man mit dem Namen Empfindungen beleben sollte 14 Dabei unterscheidet Riccoboni zwischen zwei Hauptempfindungen und zwar die zartlichen Empfindungen deren Quelle die Liebe ist und die heftigen Empfindungen deren Quelle der Zorn ist Aus diesen beiden Hauptempfindungen konne man alle anderen Empfindungen ableiten Von diesen Grunduberlegungen ausgehend formuliert Riccoboni Anleitungen fur Schauspieler z B wie sie zartliche oder wutende Szenen spielen sollen Alles andere was nicht aus diesen beiden Quellen entspringt kann dann auch nicht als Emotion definiert werden Er gibt hier die Beispiele von Freude Traurigkeit und Furcht an und schlussfolgert dass diese blosse Eindrucke seien 15 Ausserdem fordert Riccoboni die Aufhebung der Trennung zwischen Komodie und Tragodie in Hinblick auf die Art des Schauspiels auch die Komodie solle ernst zu nehmen gespielt werden wahrend es auch komische Elemente in einer Tragodie geben solle Kontext und Kritik BearbeitenAusgehend von der schematischen Einteilung der Schauspielstile nach Gerda Baumbach ist Riccobonis Vorstellung eines Schauspielideals dem Veristischen Schauspielstil zuzuordnen Die Schauspieltheorie Riccobonis muss aus gegenwartiger Sicht unter Miteinbezug des historischen Kontexts rezipiert werden Mitte des 18 Jahrhunderts war an Frankreichs Theatern Klassizismus vorherrschend der aber zunehmend in Frage gestellt wurde Riccoboni selbst war Schauspieler am Italienischen Theater dessen Darstellungsmethoden nicht dem konventionellen Theater der damaligen Zeit entsprach sondern als frei vom Zwang der klassizistischen Konventionen und Regeln 16 galt Riccoboni kritisiert in seinem Text explizit den zur damaligen Zeit in Frankreich vorherrschenden rhetorischen Schauspielstil und kehrt auch dem in Italien durch die Commedia dell Arte weit verbreiteten Comodiantischen Schauspiel den Rucken zu Seine Kritik am rhetorischen Schauspielstil begrundet Riccoboni damit dass dieser unnaturlich sei und zudem zu sehr am hofischen Zeremoniell orientiert Die Ablehnung von beziehungsweise die Ignoranz gegenuber comodiantischem Schauspiel ist dem Zeitgeist des 18 Jahrhunderts zuzuschreiben Das Menschenbild der Aufklarung ergebe sich schliesslich aus seiner Abgrenzung zum Tier und dem Fokus auf Vernunft beides wird im comodiantischen Schauspiel ad absurdum gefuhrt Aus gegenwartiger Sicht sind einige Punkte in Riccobonis Schauspieltheorie kritisch zu sehen Allen voran ist seine burgerlich konservative Einstellung bei der Darstellung von Emotionen zu nennen Diese sollen namlich immer trotz Riccobonis Forderung nach Naturlichkeit bzw kunstlerischer Interpretation der Wirklichkeit zuruckhaltend und sittsam sein Die Darstellung von Zartlichkeit jeglicher Natur darf laut Riccoboni nicht ins Unanstandige abdriften vor allem bei weiblichen Darstellerinnen Riccobonis Forderung nach einer innerlichen Abgrenzung der Schauspieler gegenuber den Emotionen die sie darstellen sollen wurden bereits im 18 Jahrhundert gegenteilige Theorien entgegengesetzt Exemplarisch kann hier das Traktat L Acteur 17 von Pierre Remond de Sainte Albine genannt werden Sainte Albine fordert dass Schauspieler Gefuhlszustande immer durchleben mussen da sie ansonsten reine Deklamatoren waren Die unterschiedlichen Vorstellungen von Schauspiel bei Sainte Albine und Riccoboni werden auch unter den Schlagworten heisser und kalter Schauspieler behandelt wobei der heisse Schauspieler dem Konzept des Gefuhlsschauspielers von Sainte Albine entspricht und kalter Schauspieler auf das Schauspielkonzept von Riccoboni verweist Literatur BearbeitenGerda Baumbach Schauspieler Historische Anthropologie des Akteurs Univ Verlag Leipzig 2012 ISBN 978 3 86583 611 3 Klaus L Berghahn Hrsg Gotthold Ephraim Lessing Hamburgische Dramaturgie Philipp Reclam jun Stuttgart 1981 ISBN 3 598 51659 2 Gotthold Ephraim Lessing Auszug aus dem Schauspieler des Herrn Remond von Saint Albine In Julius Petersen Hrsg Gotthold Ephraim Lessing Werke Zwolfter Teil Georg Olms Verlag Hildesheim New York 1970 Einleitung In Gerhard Piens Die Schauspielkunst Henschel Berlin 1954 Francois Riccoboni Die Schauspielkunst ubersetzt von G E Lessing Henschel Berlin 1954 Orig L Art du Theatre Leonardo Spinelli Riccoboni Francesco Antonio Valentino In Raffaele Romanelli Hrsg Dizionario Biografico degli Italiani DBI Band 87 Renzi Robortello Istituto della Enciclopedia Italiana Rom 2016 Weblinks BearbeitenFrancesco Riccoboni 1707 1772 Biographie Nicht mehr online verfugbar In schauspiel in deutschland de Archiviert vom Original am 14 Oktober 2008 abgerufen am 25 Juli 2020 Einzelnachweise Bearbeiten Vgl Piens Gerhard Einleitung in Die Schauspielkunst Hg Gerhard Piens Berlin Henschel 1954 S 7 f Vgl Piens Gerhard Einleitung in Die Schauspielkunst Hg Gerhard Piens Berlin Henschel 1954 S 12 f Piens Gerhard Einleitung in Die Schauspielkunst Hg Gerhard Piens Berlin Henschel 1954 S 6 f Lessing Gotthold Ephraim Hamburgische Dramaturgie Hg Klaus L Berghahn Stuttgart Philipp Reclam jun 1981 Piens Gerhard Einleitung in Die Schauspielkunst Hg Gerhard Piens Berlin Henschel 1954 S 8 f Piens Gerhard Einleitung in Die Schauspielkunst Hg Gerhard Piens Berlin Henschel 1954 S 8 Vgl Piens Gerhard Einleitung in Die Schauspielkunst Hg Gerhard Piens Berlin Henschel 1954 S 8 Piens Gerhard Einleitung in Die Schauspielkunst Hg Gerhard Piens Berlin Henschel 1954 S 11 Piens Gerhard Einleitung in Die Schauspielkunst Hg Gerhard Piens Berlin Henschel 1954 S 11 Vgl Piens Gerhard Einleitung in Die Schauspielkunst Hg Gerhard Piens Berlin Henschel 1954 S 12 a b c Riccoboni Francois Die Schauspielkunst ubersetzt von G E Lessing Berlin Henschel 1954 Orig L Art du Theatre S 110 Riccoboni Francois Die Schauspielkunst ubersetzt von G E Lessing Berlin Henschel 1954 Orig L Art du Theatre S 76 Riccoboni Francois Die Schauspielkunst ubersetzt von G E Lessing Berlin Henschel 1954 Orig L Art du Theatre S 76 Riccoboni Francois Die Schauspielkunst ubersetzt von G E Lessing Berlin Henschel 1954 Orig L Art du Theatre S 78 Riccoboni Francois Die Schauspielkunst ubersetzt von G E Lessing Berlin Henschel 1954 Orig L Art du Theatre S 78 Piens Gerhard Einleitung in Die Schauspielkunst Hg Gerhard Piens Berlin Henschel 1954 Lessing Gotthold Ephraim Auszug aus dem Schauspieler des Herrn Remond von Saint Albine in Lessing Gotthold Ephraim Werke Zwolfter Teil Hg Julius Petersen Hildesheim New York Georg Olms Verl 1970 Normdaten Person GND 10423525X lobid OGND AKS LCCN no93009443 VIAF 41850266 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Riccoboni Antonio FrancescoALTERNATIVNAMEN Riccoboni Francois Riccoboni Francesco Antonio Valentino Ricoboni Antoine Francois LelioKURZBESCHREIBUNG italienisch franzosischer Schauspieler Dramatiker und SchauspieltheoretikerGEBURTSDATUM 1707GEBURTSORT Mantua ItalienSTERBEDATUM 1772STERBEORT Paris Frankreich Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Antonio Francesco Riccoboni amp oldid 203121980