www.wikidata.de-de.nina.az
Die antagonistische Pleiotropie ist ein Erklarungsmodell fur das Altern von Organismen die sich geschlechtlich fortpflanzen Die Theorie wurde 1957 von dem US amerikanischen Evolutionsbiologen George C Williams aufgestellt Sie wird den evolutionaren Theorien des Alterns zugerechnet Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 2 Beispiele 3 Rezeption 4 Weiterfuhrende Literatur 5 EinzelnachweiseBeschreibung BearbeitenDie antagonistische Pleiotropie geht von zwei Annahmen aus Ein einzelnes Gen kann in einem Organismus mehrere Funktionen haben Pleiotropie Diese pleiotropen Funktionen konnen der Gesundheit eines Individuums entgegenwirkende antagonistische Auswirkungen haben 1 Die Hypothese besagt dass einige Gene in jungen Jahren vorteilhaft im Alter aber eher schadlich sind Solche Gene werden antagonistisch pleiotrope Gene genannt 2 3 Da die schadlichen Wirkungen dieser Gene erst im Alter nach der reproduktiven Phase auftreten haben sie nur eine geringe evolutionare Auswirkung Die Natur kann nicht direkt gegen ein Gen oder dessen Mutation selektieren die ein Individuum im Alter totet wenn dessen schadliche Wirkung erst nach Abschluss der reproduktiven Phase auftritt Schadliche Mutationen die erst im Alter ihre Wirkung zeigen konnten sich daher im Genom eines Organismus beliebig anhaufen Dies ware insbesondere dann der Fall wenn diese Mutationen dem Organismus in einem fruhen Lebensabschnitt Vorteile bezuglich seines Fortpflanzungserfolges verschaffen 4 Aus der antagonistischen Pleiotropie heraus abgeleitet ist die Vorhersage dass eine kunstliche Verkurzung der Reproduktionsphase zu einer kurzeren Lebensdauer und umgekehrt eine Verlangerung dieser Phase zu einer langeren Lebensdauer eines Organismus fuhrt 4 Williams postulierte weiter dass die naturliche Selektion ublicherweise in die reproduktionsfahige Jugend Energie investiert die dann im Alter fehlt Die Theorie der antagonistischen Pleiotropie wird aus diesem Grund im Englischen auch Pay Later Theory genannt 1 Die Ideen von Williams wurden 1994 von Brian Charlesworth in mathematische Modelle ubertragen 5 Beispiele BearbeitenEine Mutation die zu einer erhohten Produktion von Sexualhormonen fuhrt wurde den Sexualtrieb und die Libido des betroffenen Organismus erhohen Als Folge davon wurden die Reproduktionsbemuhungen und der Reproduktionserfolg steigen Letzteres ist ein klarer Selektionsvorteil der zu einer Weitergabe und Ausbreitung dieser Mutation fuhrt auch wenn dies zu einer deutlichen Steigerung der Rate hormonassoziierter Krebserkrankungen fuhrt beispielsweise Prostatakrebs bei Mannern und Brustkrebs bei Frauen 6 2 Ein anderes Beispiel ware eine Mutation in einem Gen das ein bestimmtes Enzym kodiert Durch die Mutation ware das Enzym Genprodukt nun in der Lage einen Nahrstoff den Zellen zuganglich zu machen den der Organismus bisher nicht nutzen konnte Dies ware ein eindeutiger Selektionsvorteil gegenuber Artgenossen die diesen Nahrstoff nicht verwerten konnen Dieser Vorteil wurde sich auch dann evolutionar durchsetzen wenn durch die Erschliessung dieses Nahrstoffes beispielsweise gleichzeitig toxische freie Radikale erzeugt wurden die den Organismus nachhaltig schadigen zu fruherer Alterung und im Alter zu einer hoheren Krebsrate fuhren wenn diese Ereignisse erst nach der Reproduktionsphase eintreten 4 Das Protein p53 wird von einem Tumorsuppressorgen TP53 kodiert Es sorgt dafur dass sich eine Zelle nur dann teilt wenn ihr Erbgut auch intakt ist Es verhindert so dass aus normalen Zellen Krebszellen entstehen Ein Defekt im TP53 Gen beispielsweise eine Punktmutation kann so dazu fuhren dass die betroffenen Patienten schon in fruhester Kindheit Tumoren entwickeln Dies ist beispielsweise beim Li Fraumeni Syndrom der Fall p53 tragt daher auch den Beinamen Wachter des Genoms 7 Aufgrund dieser Schutzwirkung sollte man erwarten dass eine erhohte Expression von p53 sich positiv auf einen Organismus auswirkt Dies ist jedoch nicht der Fall Mause mit einer erhohten p53 Expression erkranken zwar wie erwartet wesentlich seltener an Krebs 8 altern aber erheblich schneller als ihre normalen Artgenossen 9 10 Fur verschiedene Genotypen von TP53 beim Menschen wurden ahnliche Zusammenhange gefunden Menschen mit dem Prolin Prolin Genotyp haben gegenuber dem Arginin Arginin Genotyp eine hohere Lebenserwartung aber auch eine um den Faktor 2 5 erhohte Todesrate bezuglich Krebs 11 12 Beim Pro Pro Genotyp ist die Aminosaure Arginin in Position 72 des p53 Peptids gegen Prolin ausgetauscht 13 Wird im Modellorganismus Drosophila melanogaster die Expression von p53 herabgesetzt so erhoht sich die Lebensdauer dieser Taufliegen signifikant 14 Aufgrund dieser Eigenschaften wird p53 als pleiotropes Gen gesehen 15 Die Enzyme aus der Familie der DUOX dual oxidase und NOX NADPH Oxidasen erzeugen in Korperzellen schadliche reaktive Sauerstoffspezies die mit als Ursache fur eine Reihe von Krankheiten 16 mit late onset gesehen werden Der evolutionare Vorteil den diese Enzyme in jungen Jahren dem Organismus bieten kehrt sich im Alter offensichtlich zum Negativen und ist ein Beispiel fur antagonistische Pleiotropie 17 Rezeption BearbeitenEine Reihe von Laborversuchen konnte die wesentlichen Aussagen der Theorie der antagonistischen Pleiotropie stutzen 18 Aus der Vielzahl von Theorien zum Altern stellt die antagonistische Pleiotropie nach Ansicht von fuhrenden Biogerontologen einen der wichtigsten evolutionaren Mechanismen dar mit dem das Altern von Organismen und ihr naturlicher Tod erklart werden kann 19 Weiterfuhrende Literatur BearbeitenF Rodier Two faces of p53 aging and tumor suppression In Nucleic Acids Res 35 2007 S 7475 7484 PMID 17942417 Review PMC 2190721 freier Volltext D van Heemst u a Ageing or cancer a review on the role of caretakers and gatekeepers In Eur J Cancer 43 2007 S 2144 2152 PMID 17764928 Review A Aranda Anzaldo und M A Dent Reassessing the role of p53 in cancer and ageing from an evolutionary perspective In Mech Ageing Dev 128 2007 S 293 302 PMID 17291568 Review K A Hughes und R M Reynolds Evolutionary and mechanistic theories of aging In Annu Rev Entomol 50 2005 S 421 445 PMID 15355246 Review D E Promislow Protein networks pleiotropy and the evolution of senescence In Proc Biol Sci 271 2004 S 1225 1234 PMID 15306346 PMC 1691725 freier Volltext K A Hughes u a A test of evolutionary theories of aging In PNAS 99 2002 S 14286 14291 PMID 12386342 PMC 137876 freier Volltext M Rose und B Charlesworth A test of evolutionary theories of senescence In Nature 287 1980 S 141 142 PMID 6776406 Einzelnachweise Bearbeiten a b J A Blackburn C N Dulmus Herausgeber Handbook of Gerontology Evidence Based Approaches to Theory Practice and Policy Verlag Wiley 2007 ISBN 978 0 471 77170 8 S 46 47 a b P Ljubuncic und A Z Reznick The evolutionary theories of aging revisited a mini review In Gerontology 55 2009 S 205 216 PMID 19202326 Review G C Williams Pleiotropy natural selection and the evolution of senescence In Evolution 11 1957 S 398 411 a b c T Schmidt u a Physiologische Potentiale der Langlebigkeit und Gesundheit im evolutionsbiologischen und kulturellen Kontext Grundvoraussetzungen fur ein produktives Leben Memento vom 12 Januar 2012 im Internet Archive In Produktives Leben im Alter M Baltes und L Montada Hrsg Campus Verlag 1996 ISBN 3 593 35456 X S 69 130 B Charlesworth Evolution in Age Structured Populations Cambridge University Press 1994 ISBN 0 521 45967 2 C Lopez Otin und E P Diamandis Breast and prostate cancer an analysis of common epidemiology genetic and biochemical features Memento des Originals vom 25 August 2010 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot edrv endojournals org In Endocr Rev 19 1998 S 365 396 PMID 9715372 Review D P Lane Cancer p53 guardian of the genome In Nature 358 1992 S 15 16 PMID 1614522 S D Tyner u a p53 mutant mice that display early ageing associated phenotypes In Nature 415 2002 S 45 53 PMID 11780111 G Ferbeyre und S W Lowe Ageing The price of tumour suppression In Nature 415 2002 S 26 27 PMID 11780097 J Campisi Cancer and ageing rival demons In Nat Rev Cancer 3 2003 S 339 349 PMID 12724732 D van Heemst u a Variation in the human TP53 gene affects old age survival and cancer mortality In Exp Gerontol 40 2005 S 11 15 PMID 15732191 Review L A Donehower p53 guardian AND suppressor of longevity In Exp Gerontol 40 2005 S 7 9 PMID 15664727 Review P Dumont u a The codon 72 polymorphic variants of p53 have markedly different apoptotic potential In Nat Genet 33 2003 S 357 365 PMID 12567188 J H Bauer u a Neuronal expression of p53 dominant negative proteins in adult Drosophila melanogaster extends life span In Curr Biol 15 2005 S 2063 2088 PMID 16303568 E Ungewitter und H Scrable Antagonistic pleiotropy and p53 In Mech Ageing Dev 130 2009 S 10 17 PMID 18639575 Review J D Lambeth Nox enzymes ROS and chronic disease an example of antagonistic pleiotropy In Free radical biology amp medicine Band 43 Nummer 3 August 2007 S 332 347 doi 10 1016 j freeradbiomed 2007 03 027 PMID 17602948 PMC 2013737 freier Volltext Tabelle J D Lambeth Nox enzymes ROS and chronic disease an example of antagonistic pleiotropy In Free Radic Biol Med 43 2007 S 332 347 PMID 17602948 PMC 2013737 freier Volltext L Partridge und D Gems Mechanisms of ageing Public or private In Nature Reviews Genetics 3 2002 S 165 175 PMID 11972154 S Knell und M Weber Menschliches Leben Verlag DeGruyter 2009 ISBN 978 3 11 021983 8 S 63 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Antagonistische Pleiotropie amp oldid 237704299