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Alfred Doren ursprunglich Alfred Jakob Doctor 15 Mai 1869 in Frankfurt am Main 28 Juli 1934 in Leipzig war ein deutscher Historiker und Professor mit dem Hauptforschungsgebiet der italienischen Wirtschafts und Kulturgeschichte Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Geschichtsauffassung und Rezeption 3 Werke 4 Literatur 4 1 Institutsgeschichte 5 Einzelnachweise 6 WeblinksLeben BearbeitenAm 15 Mai 1869 wurde Doren unter dem Namen Alfred Jakob Doctor geboren Er war der Sohn des judischen Kaufmanns Adolph Doctor und seiner Ehefrau Helene geb Weiller Der Familienname lasst vermuten dass die Vorfahren Adolph Doctors Arzte gewesen sind 1 Die Familie forderte Ausbildung und Bildung eine Haltung die in den starker assimilierten judischen Familien des 19 Jahrhunderts verbreitet war Doren studierte unter Anderung seines Namens ab Herbst 1887 mit Genehmigung der Philosophischen Fakultat der Universitat Leipzig um mogliche Irritationen mit dem akademischen Grad zu vermeiden In Bonn und Berlin ab 1889 studierte er unter anderem bei Karl Lamprecht Alfred Dove Henry Thode Hermann Usener die auch Dorens Freund Aby Warburg entscheidende Impulse gaben Heinrich von Treitschke Seine Facher waren Geschichte Geographie und Nationalokonomie Ausserdem belegte er Veranstaltungen bei dem Soziologen Hans Freyer Besonders beeinflusst wurde er von dem bedeutenden Nationalokonomen der Historischen Schule Gustav Schmoller bei dem er 1892 mit einer wirtschaftshistorischen Arbeit mit dem Titel Untersuchungen zur Geschichte der Kaufmannsgilden im Mittelalter 1892 in Berlin promoviert wurde Schmoller empfahl Doren fur einen mehrjahrigen Forschungsaufenthalt in Italien Dort begann er an den zweibandigen Studien aus der Florentiner Wirtschaftsgeschichte zu arbeiten die sein Hauptwerk wurden Sein zeitlicher Schwerpunkt liegt auf dem italienischen Mittelalter bzw der Renaissance Neben Robert Davidsohns vierbandiger Geschichte von Florenz ist Dorens Wirtschaftsgeschichte trotz aller Anfeindungen seiner zahlreichen Gegner wie etwa Walter Lenel oder Georg von Below ein Werk von grundlegender Bedeutung Ahnlich wie Davidsohn pflegte Doren zu Aby Warburg regen freundschaftlichen Kontakt und Austausch Nach seiner Ruckkehr nach Deutschland habilitierte sich Doren 1903 mit Deutsche Handwerker und Handwerkerbruderschaften im mittelalterlichen Italien in Leipzig 1908 wurde er zum ausserordentlichen Professor ernannt womit er nicht verbeamtet wurde Eine ordentliche Professur erlangte Doren nie Im Jahr 1897 heiratete er Annie Pietsch 2 eine Enkelin von Ludwig Pietsch Zu Beginn des Ersten Weltkrieges meldete sich Doren im Alter von 45 Jahren freiwillig zum Militardienst Das war unter den Leipziger Professoren keinesfalls eine Ausnahme Nach dem Tod Lamprechts im Jahre 1915 wurde Doren die kommissarische Leitung des Instituts fur Kultur und Universalgeschichte ubertragen 3 die dann Goetz ubernahm Dort gab er neben Vorlesungen zur Wirtschaft und Sozialgeschichte Ubungen zu den Utopien des 17 und 18 Jahrhunderts 4 Ende 1915 wurde Doren in die Politische Abteilung des Generalgouvernements Belgien berufen wo er sich an der Auswertung erbeuteter Akten aus belgischen Archiven beteiligte Daraus kam eine funfbandige Publikation Zur europaischen Politik 1897 1914 zustande Hierfur wurde er vom Sachsischen Ministerium fur das Wintersemester 1916 17 bis zum Wintersemester 1917 18 beurlaubt 5 Dort war er an der Edition von belgischen Akten schrieb auch Denkschriften u a wie Die wirtschaftliche Expansion Belgiens in Ostasien Die Edition lag 1918 vor blieb jedoch aus diplomatischen Erwagungen heraus unter Verschluss Nur in einer Skizze zu Leopold II Belgien in einer 1928 erschienenen Festschrift fur Erich Brandenburg kam er auf das Thema noch einmal zuruck Hier aber ging es um Belgiens Kolonialpolitik in Afrika was zur Grundung des Staates Kongo fuhrte 6 Nach Kriegsende wirkte Doren zeitweise in Berlin bis er 1923 auf das Extraordinariat fur Wirtschaftsgeschichte der Universitat Leipzig berufen wurde Dieses wurde erst neu begrundet 1926 bezeichnete er in einem Gratulationsbrief zum sechzigsten Geburtstag seines Freundes Warburg diesen als einen der grossten Aktivposten auf der gewiss nicht armen Habenseite seines Lebens 7 Nach einem Jahrzehnt Lehr und Forschungstatigkeit war er einer der ersten Leipziger Hochschullehrer die aufgrund ihrer judischen Abstammung von den Nationalsozialisten im Herbst 1933 entlassen wurden Mit seiner Entlassung und der von Walter Goetz war zugleich das Ende einer jahrzehntelangen Forschungstradition der italienischen Renaissance in Leipzig verbunden An diese mit Georg Voigt begonnene Tradition wurde nie wieder angeknupft Von Dorens 1934 in Jena erschienener Italienischen Wirtschaftsgeschichte bekam der Verfasser nur noch die ersten Druckfahnen zu Gesicht das fertige Werk jedoch nicht mehr 8 Immerhin erschien dieses Werk 1936 in einer von G Luzzatto ins Italienische ubersetzten Ausgabe Daruber hinaus war Doren an den von Goetz herausgegebenen Propylaen Weltgeschichte beteiligt Doren war nicht nur als Historiker von Bedeutung er war offenbar auch Anhanger der Ex Librisbewegung Geschichtsauffassung und Rezeption BearbeitenIn seinem Geschichtswerk zeigen sich neben dem unverkennbaren Einflussen seines Lehrers Lamprecht und denen Davidsohns die von Aby Warburg 9 So kam es auch vor dass er sich mit kunsthistorischen Themen auseinandersetzte wie etwa der Baugeschichte des Florentiner Domes Auch in seinem Geschichtswerk zeigen sich Verflechtungen zwischen historischen und zeitgenossischen Idealen Orientiert sich das historische Idealbild des Zeitalters der Renaissance und des Renaissancemenschen bei Goetz an Franz von Assisi bzw Dante bei Alfred von Martin an Coluccio Salutati bei Hans Baron an Leonardo Bruni macht hier Doren etwas Neues Er hat nicht eine konkrete historische Person die er in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellt sondern einen ganz bestimmten Typus des Renaissancemenschen den Kaufmann In gewisser Weise ist seine Wirtschaftsgeschichte der italienischen Renaissance die sehr vom Einfluss Jacob Burckhardts und seinen Vorstellungen von der italienischen Gesellschaft der Renaissance gepragt ist eher eine Kulturgeschichte der Wirtschaft Doren vertrat daruber hinaus die Ansicht dass die Renaissance eine genuine Leistung der Italiener sei wenn er auch den Einfluss anderer Kulturen anerkannte Italien wurde gleichsam von ihm zum Ursprungsland des Kapitalismus gemacht Das und sein Kapitalismusbegriff der sich von dem von Karl Marx deutlich unterschied stiess vielfach auf Kritik 10 Zu den Kritikern zahlten u a Georg von Below und Walter Lenel Doren trat zudem zeitgenossischen Tendenzen entgegen die die Renaissance als eine germanische Schopfung umzuinterpretieren suchten Tendenzen in die so genannte volkische Gesichtspunkte einflossen 11 Vor diesem Hintergrund fand sein Werk vor allem in Amerika Anerkennung wohin ohnehin viele judische Mediavisten ins Exil gingen Wohl der einzige namhafte Wissenschaftler der seinem Werk in dieser Zeit positiv gegenuberstand und sich damit in eine gewisse Aussenseiterrolle brachte war Walter Goetz Er verteidigte ebenfalls die Vorreiterrolle Italiens an der Renaissance Was fur Goetz hervorzuheben ist entgegen dem allgemeinen Trend zitierte er auch judische Autoren wie z B Dorens Freund Davidsohn in einem Beitrag uber die Entstehung der italienischen Kommunen im Mittelalter vom 5 Oktober 1940 12 Auch Dorens italienische Wirtschaftsgeschichte wird zitiert 13 Starkere Anerkennung fand er auch in Italien wie bereits an den italienischen Nekrologen u a von Gino Luzzatto und Armando Sapori zu sehen ist In Deutschland hingegen war fur eine Erinnerung an Doren insgesamt nur wenig Raum vorhanden und Interesse was zur Bedeutung seines Werkes im starken Kontrast steht In Deutschland gibt vor dem in vieler Beziehung weiterfuhrenden Abschnitt in dem Buch von Perdita Ladwig und dem Lebensbild von Gerald Diesener und Jaroslav Kudrna nur wenig Substantielles zu seiner Person 14 Das liegt nicht nur an seiner Herkunft sondern dass das Interesse an der italienischen Renaissance in Deutschland insgesamt sehr abgenommen hatte Auch Georg Voigt der fur die italienische Humanismusforschung gewissermassen neben Jacob Burckhardt grundlegende Bedeutung hatte erging es insgesamt nicht besser Er war jedoch nicht judischer Herkunft Uber den Verbleib des Nachlasses der zunachst an seine Witwe ging ist nichts weiter bekannt Werke BearbeitenUntersuchungen zur Geschichte der Kaufmannsgilden des Mittelalters Ein Beitrag zur Wirtschafts Social und Verfassungsgeschichte der mittelalterlichen Stadte Leipzig 1893 MDZ Munchen Zum Bau der Florentiner Domkuppel Berlin Stuttgart 1898 Entwicklung und Organisation der Florentiner Zunfte im 13 und 14 Jahrhundert Schmollers Forschungen Bd XV Leipzig 1897 Internet Archive Die Florentiner Wollentuchindustrie vom vierzehnten bis zum sechzehnten Jahrhundert Studien aus der Florentiner Wirtschaftsgeschichte Bd I Stuttgart 1901 Internet Archive Deutsche Handwerker und Handwerkerbruderschaften im mittelalterlichen Italien Berlin 1903 Internet Archive Das Aktenbuch fur Ghibertis Matthaus Statue an Or S Michele zu Florenz Hrsg vom Deutschen kunsthistorischen Institut zu Florenz Bd I Berlin 1906 Studien aus der Florentiner Wirtschaftsgeschichte Bd 2 Das Florentiner Zunftwesen vom vierzehnten bis zum sechzehnten Jahrhundert Stuttgart Berlin Cotta 1908 Internet Archive Die Chronik des Salimbene von Parma nach der Ausgabe der MGH bearbeitet von Alfred Doren 2 Bde Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit 93 Leipzig 1914 Karl Lamprechts Geschichtstheorie und die Kunstgeschichte In Zeitschrift fur Asthetik und allgemeine Kunstwissenschaft 11 1916 353 389 Iwan Turgenjew an Ludwig Pietsch Briefe aus den Jahren 1864 1883 Herausgegeben von Alfred Doren Berlin Propylaen Verlag 1923 Fortuna im Mittelalter und in der Renaissance Vortrage der Bibliothek Warburg II 1922 1923 1 Teil S 72 144 20 Abb Wunschraume und Wunschzeiten In Fritz Saxl Hrsg Vortrage der Bibliothek Warburg 1924 1925 Leipzig Berlin 1927 158 205 Alessandra Macinghi negli Strozzi Lettere di una Gentildonna fiorentina del secolo XV ai figliuoli esuli hrsgg von Cesare Guasti Florenz 1877 dt Alessandra Macinghi negli Strozzi Briefe Hg und eingeleitet von Alfred Doren Jena 1927 Staat und Personlichkeit Erich Brandenburg zum 60 Geburtstag Dargebracht von Alfred Doren Paul Kirn Johannes Kuhn u a Leipzig 1928 Storia economica dell Italia nel Medio evo Traduzione dal tedesco di Gino Luzzatto Padua 1936 Literatur BearbeitenGerald Diesener Jaroslav Kudrna Alfred Doren 1869 1934 ein Historiker am Institut fur Kultur und Universalgeschichte In Gerald Diesener Hrsg Karl Lamprecht weiterdenken Universal und Kulturgeschichte heute Beitrage zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung 3 Leipzig 1993 60 85 Karl Lamprecht Vortrag 1992 auch als Separatdruck Perdita Ladwig Das Renaissancebild deutscher Historiker 1898 1933 Frankfurt M New York Campus Verlag 2004 ISBN 978 3 593 37467 3 S 34 114 Das wirtschaftliche Fundament der Renaissance Alfred Doren 1869 1934 Ronald Lambrecht Politische Entlassungen in der NS Zeit Vierundvierzig biographische Skizzen von Hochschullehrern der Universitat Leipzig Leipzig 2006 S 52 55 Ulrike Gatke Heckmann Die Universitat Leipzig im Ersten Weltkrieg In Sachsens Landesuniversitat in Monarchie Republik und Diktatur Beitrage zur Geschichte der Universitat Leipzig vom Kaiserreich bis zur Auflosung des Landes Sachsen Hrsg von Ulrich von Hehl Leipzig 2005 S 145 168 Hier S 149 Anm 33 Gino Luzzatto Doren Alfred In Enciclopedia italiana Treccani XIII 1932 161 Armando Sapori Alfredo Doren Florenz 1935 Alfred Doren Storia economica dell Italia nel Medio evo Traduzione dal tedesco di Gino Luzzatto Padua 1936 Con un cenno necrologico dell autore a cura di Armando Sapori Padua 1937 Doren Alfred In Lexikon deutsch judischer Autoren Band 6 Dore Fein Hrsg vom Archiv Bibliographia Judaica Saur Munchen 1998 ISBN 3 598 22686 1 S 3f Institutsgeschichte Bearbeiten Matthias Middell Das Leipziger Institut fur Kultur und Universalgeschichte 1890 1990 3 Bde Leipzig 2004 Einzelnachweise Bearbeiten Ladwig S 35 Anm 6 Heiratsregister Standesamt Berlin 3 Nr 876 1897 Middell Weltgeschichtsschreibung Band 1 S 240 Middell Weltgeschichtsschreibung Band 1 S 238 Gatke Heckmann S 149 Anm 33 Diesener Kudrna S 68 Zitiert nach Perdita Ladwig Das Renaissancebild deutscher Historiker 1898 1933 S 34 Ladwig S 362 Ladwig S 35 ff Ladwig S 69 ff Ladwig S 60 So z B Walter Goetz Die Entstehung der italienischen Kommunen im fruhen Mittelalter Sitzungsberichte der Phil hist Kl der Bayerischen Akad der Wissenschaften zu Munchen Munchen 1944 Hft 1 S 64 Anm 1 und ofter So z B Walter Goetz Die Entstehung der italienischen Kommunen im fruhen Mittelalter Sitzungsberichte der Phil hist Kl der Bayerischen Akad der Wissenschaften zu Munchen Munchen 1944 Hft 1 S 45 Anm 2 und ofter So z B Ernst Werner Alfred Doren 1869 1934 In Autorenkollektiv Bedeutende Gelehrte in Leipzig Bd 1 Leipzig 209 219 Weblinks BearbeitenAlfred Doren im Professorenkatalog der Universitat Leipzig Alfred Doren auf der Seite Juden in Sachsen Memento vom 21 April 2009 im Internet Archive Normdaten Person GND 119472821 lobid OGND AKS LCCN n85356339 VIAF 34536984 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Doren AlfredALTERNATIVNAMEN Doctor Alfred JakobKURZBESCHREIBUNG deutscher Historiker und HochschullehrerGEBURTSDATUM 15 Mai 1869GEBURTSORT Frankfurt am MainSTERBEDATUM 28 Juli 1934STERBEORT Leipzig Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Alfred Doren amp oldid 222016304