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Die Anorexia Nervosa Genetics Initiative ANGI ist eine grossangelegte internationale Studie zur Untersuchung der Genetik von Essstorungen Cynthia Bulik von der University of North Carolina in Chapel Hill leitete die ANGI mit Mitarbeitern des Karolinska Institute in Stockholm Schweden der Universitat Aarhus Danemark und des Berghofer Queensland Institute for Medical Research in Brisbane Australien unterstutzt von der University of Otago in Christchurch Neuseeland 1 2 ANGI ist ein globales Projekt zur Identifizierung genetischer Veranderungen die zur lebensbedrohlichen Krankheit Anorexia nervosa AN beitragen 1 Das Ergebnis von ANGI mit dem Titel Genome wide Association Study Identifies Eight Risk Loci and Implicates Metabo Psychiatric Origins for Anorexia Nervosa wurde 2019 in der Fachzeitschrift Nature Genetics veroffentlicht 3 Inhaltsverzeichnis 1 Studieninhalt 2 Ergebnis 3 Anwerbung der Versuchsteilnehmer 4 Nachste Schritte 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseStudieninhalt BearbeitenANGI ist eine Initiative der Klarman Family Foundation 4 Die Arbeit begann im Januar 2013 An den vier ANGI Standorten Chapel Hill Aarhus Stockholm und Brisbane wurde DNA Proben von 13 363 Personen die irgendwann in ihrem Leben an AN erkrankt waren sowie von Kontrollpersonen die hinsichtlich ihrer Abstammung und ihrer geografischen Lage ahnlich waren miteinander verglichen 1 Zusatzlich wurden alle ANGI Proben mit anderen Proben kombiniert die im Rahmen der Arbeitsgruppe fur Essstorungen des Psychiatric Genomics Consortium PGC ED verfugbar waren Es wurde eine genomweite Assoziationsstudie GWAS durchgefuhrt in der das gesamte Genom von 16 992 Personen mit AN und 55 525 Kontrollpersonen aus 17 Landern in den USA Australasien und Europa verglichen wurde 1 GWAS ist eine investigative Studie d h man stellt keine vorherigen Vermutungen daruber an wonach man im Genom sucht sondern man lasst das Genom fur sich selbst sprechen Bei GWAS wird das gesamte Genom auf uber eine Million genetische Marker untersucht und die Genome von Tausenden Zehntausenden und sogar Hunderttausenden von Fallen bei ANGI sind das Menschen mit Anorexia nervosa mit den Genomen von ebenso vielen Kontrollpersonen verglichen GWAS sind die bevorzugte Methode zur Untersuchung der genetischen Grundlagen psychiatrischer Storungen 1 Ergebnis BearbeitenANGI kam zu der Erkenntnis dass acht Regionen im Genom identifiziert wurden die signifikant mit AN assoziiert sind und zwar auf den Chromosomen nachstgelegenes Gen 1 PTB2 2 ASB3 ERLEC1 3 FOXP1 und NSUN3 5 CHD10 10 MGMT und 11 CADM1 Es ist davon auszugehen dass bei Vergrosserung der Stichprobengrosse weitere Gene gefunden werden wie es bei anderen psychiatrischen Erkrankungen der Fall war 1 Die Bedeutung der Ergebnisse dieser Studie liegt nicht alleine in der Identifizierung von Genorten an sich sondern in dem Muster der genetischen Korrelationen die man mit anderen Merkmalen und Storungen beobachtet hat Genetische Korrelationen zeigen Zusammenhange zwischen Merkmalen auf 1 Die genetische Grundlage der AN uberschneidet sich mit anderen psychiatrischen Storungen wie Zwangsstorungen Depressionen Angststorungen und Schizophrenie Genetische Faktoren die mit AN assoziiert sind beeinflussen auch die korperliche Aktivitat was erklaren konnte warum Patienten mit AN oft einen grossen Bewegungsdrang haben Die genetischen Grundlagen der AN uberschneiden sich mit Stoffwechsel einschliesslich Blutzucker Lipid und anthropometrischen Merkmalen und die Studie zeigt dass dies nicht auf genetische Effekte zuruckzufuhren ist die den BMI beeinflussen Dieses Korrelationsmuster lasst die Schlussfolgerung zu dass AN als metabolisch psychiatrische Storung verstanden werden kann und dass es wichtig sei sowohl metabolische als auch psychologische Risikofaktoren zu berucksichtigen wenn neue Wege zur Behandlung von AN erforscht werden 1 Eventuell ist ein gestorter Stoffwechsel der Grund dafur dass Menschen mit AN uberhaupt so viel Gewicht verlieren konnen wahrend es fur die Mehrheit der Menschen auf der Welt so schwierig ist Gewicht zu verlieren Hungern und Gewichtsverlust fuhlen sich fur Menschen die genetisch fur AN gefahrdet sind anders an Wahrend diese Erfahrungen fur die meisten Menschen zutiefst unangenehm sind gaben viele Menschen mit AN an dass Hungern und geringes Gewicht mit weniger Angsten verbunden sind und sie sich korperlich besser fuhlen Manche Patienten sagten sogar dass sie sich schlechter fuhlen wenn sie an Gewicht zunehmen Vielleicht konnten durch ein besseres Verstandnis der metabolischen Aspekte der Krankheit wirksamere Interventionen entwickelt werden die fur die Patienten akzeptabel sind und eine dauerhafte Wirkung haben 1 Die Ergebnisse legen einen Zusammenhang mit dem Stoffwechsel nahe und konnten auch erklaren wie wichtig eine angemessene Ernahrung bei der Behandlung von AN ist Bei der familienbasierten Therapie FBT von Jugendlichen mit Anorexie liegt der Schwerpunkt stark auf der Ernahrung Wenn die Patienten noch mit Untergewicht aus der Klinik entlassen werden ist die Ruckfallquote hoch 1 Einer der Grunde dafur ist vielleicht dass der Stoffwechsel keine Gelegenheit bekommt sich nach langerer Dysregulation wieder zu erholen 1 ANGI sei ein wichtiger Anfang aber die Stichprobengrosse ist immer noch klein Die Studie welche sich mit Depressionen befasst hat uber 250 000 Teilnehmer und diejenige welche sich mit Grosse und Gewicht befasst hat uber 750 000 1 Die leitende statistische Analystin Hunna Watson erklarte Diese Arbeit war auf einen weltweiten Einsatz von Wissenschaftlern und der gesamten Gemeinschaft angewiesen um diese neuen Erkenntnisse zu gewinnen Das ultimative Ziel ist es die Ursachen von AN zu erfassen damit die verheerenden personlichen und familiaren Folgen dieser Krankheit eines Tages abgewendet werden konnen 2 Anwerbung der Versuchsteilnehmer BearbeitenDas ANGI Team entwickelte eine mehrgleisige Rekrutierungsstrategie die Forscher Kliniker Journalisten Blogger Interessengruppen und Familienmitglieder einbezog und die Studie uber die traditionellen Medien soziale Medien Blogs und andere Kanale bekannt machte Jedes Mal wenn die Kampagne gestartet wurde gab es einen enormen Anstieg der Teilnehmerzahlen wobei Hunderte von Personen die Webseite besuchten um an der Umfrage teilzunehmen und sich fur ANGI anzumelden 2 Die Arbeit in Danemark unterscheidet sich von den anderen Standorten durch die vorhandene nationale Ressource die den Bluttropfen aus dem Fersenstich bei der Geburt speichert In vielen Landern wird bei der Geburt eines Babys ein kleiner Stich in die Ferse gemacht Phenylketonurie PKU Test um festzustellen ob das Neugeborene das Enzym besitzt welches zur Verwertung von Phenylalanin benotigt wird Phenylalanin ist eine Aminosaure die fur normales Wachstum und normale Entwicklung benotigt wird Bei fruhzeitiger Erkennung kann eine phenylalaninarme Diat die Folgen der PKU fur die neurologische Entwicklung verhindern In den meisten Landern werden diese Blutproben nach Abschluss des Tests einfach weggeworfen in Danemark werden sie unter kontrollierten Bedingungen gelagert so dass GWAS noch Jahrzehnte spater an ihnen durchgefuhrt werden konnen Ausserdem konnte wegen des guten Gesundheitsregisters des Landes jeder identifiziert werden bei dem zu irgendeinem Zeitpunkt eine AN diagnostiziert worden ist So konnten die Blutproben derjenigen bei denen AN diagnostiziert wurde zusammen mit den nach Geschlecht und Geburtsjahr identifizierten Kontrollpersonen die nie an der Krankheit litten entnommen werden Mit dieser Strategie hat Danemark Proben von 5019 Personen mit AN beigesteuert und damit den grossten Beitrag zur ANGI Stichprobe geleistet 2 Bei einer internationalen Studie wie ANGI mussen internationale Gesetze beachtet werden In einigen Landern kann alles online erledigt werden Einverstandniserklarungen Screening Rekrutierung wahrend in anderen Landern ein telefonischer Kontakt mit dem Forschungspersonal zu einem bestimmten Zeitpunkt des Prozesses erforderlich war Das Recruiting lief online reibungsloser ab 2 Bei der ANGI musste den Teilnehmern noch Blut abgenommen werden was den Aufwand fur die Genotypisierung erhohte Dies stellte vor allem in den USA wo die Moglichkeiten der Blutentnahme begrenzt sind eine Hurde dar Dank des technologischen Fortschritts liefern auch Speichelproben qualitativ hochwertige DNA Dies vereinfacht die Vorgehensweisen in zukunftigen Studien 2 Nachste Schritte BearbeitenDas Psychiatric Genomics Consortium PGC hat sich das Ziel gesetzt fur alle wichtigen psychiatrischen Storungen eine Stichprobengrosse von 100 000 zu erreichen Neben AN auch fur Bulimia nervosa Binge Eating Disorder vermeidend restriktive Ernahrungsstorung ARFID und atypischen Anorexia nervosa alle Symptome der Anorexia nervosa aber kein niedriges Korpergewicht 5 Ziel fur das PGC ist es nicht grosse Proben zu sammeln und Loci im Genom zu identifizieren die mit verschiedenen Krankheitszustanden in Verbindung stehen Die eigentliche Frage lautet Wie kommt man von einer GWAS zur funktionellen Biologie und schliesslich zur Umsetzung der Erkenntnisse in die Klinik 5 Auf Grundlage der Identifikation der 8 Loci kann zukunftig der genetische Risiko Score einer Person berechnet werden Somit kann zu Beginn der Krankheit der Schweregrad prognostiziert werden so dass spezifische Strategien angewendet werden konnen um die Entwicklung eines chronischen oder schweren Verlaufs abzumildern Des Weiteren konnen Neurowissenschaftler mit einer grosseren Stichprobengrosse Zelltypen ausfindig machen die bei AN gestort oder dysfunktional sind um Therapeutika zu identifizieren oder zu entwickeln die direkt auf die Biologie der Krankheit abzielen Das ist besonders wichtig fur AN weil es keine wirksamen Medikamente zur Behandlung der Krankheit gibt 5 Die ANGI Ergebnisse sagen noch nichts uber die Stoffwechselkomponente der AN aus Dieses Thema muss noch erforscht werden Die Ergebnisse bieten jedoch einige wichtige Anregungen fur die Behandlung So konzentrieren sich beispielsweise viele Massnahmen auf die Bedeutung der Wiederherstellung und Aufrechterhaltung eines gesunden Gewichts als Eckpfeiler der Genesung Die familienbasierte Therapie FBT und die kognitiv behaviorale Therapie CBT E konzentrieren sich auf die Bedeutung der Wiederherstellung des Gewichts und der Normalisierung des Essverhaltens Doch aus verschiedenen Grunden bleiben viele Behandlungen hinter diesen Zielen zuruck Bulik wirft auf Basis der ANGI Ergebnisse die Frage auf ob eine zu kurze Behandlungsdauer unweigerlich zum Scheitern der Behandlung oder zu einem Ruckfall fuhren muss weil sie dem Stoffwechsel keine Gelegenheit geben sich auszugleichen oder neu einzustellen 6 Die Folgestudie ist die Eating Disorders Genetics Initiative EDGI 6 EDGI wird die grosste genetische Studie zu Essstorungen sein die jemals durchgefuhrt wurde und sie wird zum ersten Mal untersuchen wie die Gene in Verbindung mit dem personlichen Umfeld bzw der Biographie das Risiko fur die Entwicklung einer Essstorung beeinflussen konnen Sie baut damit auf ANGI auf und erweitert die Erforschung der Genetik auf alle drei der wichtigsten Essstorungen Anorexia nervosa AN Bulimia nervosa BN und Binge Eating Disorder BED 7 8 9 Die Studie wurde im Juni 2020 gestartet das Ende ist fur Juli 2023 geplant Stand August 2022 Es sollen insgesamt 16 000 neue Probanden eingeschlossen werden davon 1 500 als Kontrolle also ohne bekannte Essstorung Zusammen mit den vorhandenen Proben der Arbeitsgruppe fur Essstorungen des Psychiatric Genomics Consortium PGC ED wird dies das Analyseset der genomweiten Assoziationsstudie GWAS definieren In Summe AN 22 000 BN 7000 BED 6000 und Kontrollen 100 000 7 Ziel ist es dass EDGI umsetzbare Ergebnisse liefert die in klinisch bedeutsame Erkenntnisse umgewandelt werden konnen So soll u a EDGI Antwort geben ob man 1 auf der Grundlage der Genetik vorhersagen kann wer ein Risiko hat eine AN BN oder BED zu entwickeln und 2 ob auf Grundlage neuer Informationen uber den Genotyp optimale Interventionen moglich werden d h Medikamente entwickelt oder neu ausgerichtet werden konnen um den lebensbedrohlichen Verlauf aufzuhalten oder umzukehren 7 Die nationalen und internationalen Daten und Proben werden dabei fur Forscher auf der ganzen Welt erstellt die diese fur die Verfolgung verwandter Forschungsfragen nutzen konnen liberal data and analysis sharing principles 7 Weblinks BearbeitenANGI Webseite Beate Herpertz Dahlmann Neue Wege aus der Magersucht EDGI WebseiteEinzelnachweise Bearbeiten a b c d e f g h i j k l cbulik Anorexia Nervosa Genetics Initiative ANGI Part 1 The Results In Exchanges 15 Juli 2019 abgerufen am 15 Oktober 2022 englisch a b c d e f cbulik Anorexia Nervosa Genetics Initiative ANGI Part 2 The Process In Exchanges 15 Juli 2019 abgerufen am 15 Oktober 2022 englisch Hunna J Watson Zeynep Yilmaz Laura M Thornton Christopher Hubel Jonathan R I Coleman Genome wide association study identifies eight risk loci and implicates metabo psychiatric origins for anorexia nervosa In Nature Genetics Band 51 Nr 8 August 2019 ISSN 1546 1718 S 1207 1214 doi 10 1038 s41588 019 0439 2 PMID 31308545 PMC 6779477 freier Volltext Medical amp Scientific Research The Klarman Family Foundation Abgerufen am 15 Oktober 2022 a b c cbulik The Future of Genetic Research on Eating Disorders ANGI Part 3 An Interview with Patrick Sullivan MD FRANZCP In Exchanges 15 Juli 2019 abgerufen am 15 Oktober 2022 englisch a b cbulik Personal Reflections and What the ANGI Results Mean for Patients Families and Clinicians Today Part 4 In Exchanges 15 Juli 2019 abgerufen am 15 Oktober 2022 englisch a b c d Bulik C M Thornton L M Parker R et al The Eating Disorders Genetics Initiative EDGI study protocol In BMC Psychiatry Band 21 Nr 1 4 Mai 2021 ISSN 1471 244X S 234 doi 10 1186 s12888 021 03212 3 PMID 33947359 PMC 8097919 freier Volltext Eating Disorders Genetics Initiative EDGI THE UNIVERSITY of NORTH CAROLINA at CHAPEL HILL abgerufen am 26 November 2022 amerikanisches Englisch University of North Carolina Chapel Hill Eating Disorders Genetics Initiative EDGI NCT04378101 clinicaltrials gov 15 August 2022 clinicaltrials gov abgerufen am 24 November 2022 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Anorexia Nervosa Genetics Initiative amp oldid 234893085