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Der Begriff des Wohnkomplexes wurde in der DDR 1950 aus der Sowjetunion ubernommen Punkt 10 der 16 Grundsatze des Stadtebaus Davon abgeleitet wurde der Begriff des Komplexen Wohnungsbaus Rostock 1955 Architekten mit Bebauungsplan Inhaltsverzeichnis 1 Bedeutung in den 16 Grundsatzen des Stadtebaus 2 Spatere Verwendung des Begriffs 3 Umsetzung des Konzeptes in der DDR 4 Kritik 5 Varia 6 Quellen 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseBedeutung in den 16 Grundsatzen des Stadtebaus Bearbeiten nbsp Eisenhuttenstadt 1956 Wohnhauser nbsp Eisenhuttenstadt Wohnkomplex II Saarlouiser Strasse 2020 In der schon vor dem Zweiten Weltkrieg in der Sowjetunion entwickelten Konzeption des sozialistischen Wohnkomplexes war der Wohnkomplex grosser als ein Wohnbezirk und kleiner als ein Wohngebiet Thomas Topfstedt 1988 Im Vergleich zu der vom Nachbarschaftsgedanken ausgehenden Wohnzelle war der Wohnkomplex weitaus enger mit der Gesamtstruktur der Stadt verbunden da er als kleinste stadtebauliche Planungseinheit zugleich einen integralen Bestandteil der Stadtkomposition bilden sollte 1 Junghanns Boesler Gunther 1954 Der Wohnkomplex ist als die entscheidend neue Gestaltungseinheit aufzufassen die es ermoglichen soll einerseits die Wohngebiete aufzulockern und maximal zu durchgrunen gut besonnte Wohnungen in ruhiger Lage zu schaffen andererseits die offentlichen Einrichtungen zweckmassig zu verteilen und die Wege zu ihnen kurz zu halten also gesundes Wohnen mit den besten Moglichkeiten zu aktiver Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben zu verbinden Die Bebauung an den Randstrassen des Wohnkomplexes ist deshalb auf die Gesamtkomposition der Stadt abzustimmen und muss durch sorgfaltige Verteilung offentlicher Bauten und architektonisch betonter Wohnblocks eine rhythmische Folge von stadtebaulichen Schwerpunkten ergeben die den Betrachter unbewusst zum Bezirkszentrum und von dort zum Stadtzentrum leiten In dieser Hinsicht bietet die historische Stadtbaukunst wertvolle Anregungen 2 Erstmalig bei der Planung von Eisenhuttenstadt angewendet wurde das Wohnkomplexschema das in Anpassung an die konkreten stadtstrukturellen und topographischen Bedingungen eine den jeweiligen Standorten entsprechende Modifizierung erfuhr u a auch den Stadterweiterungen von Lauchhammer Ludwigsfelde und Calbe Saale zugrunde gelegt Des Weiteren entstanden nach dieser Konzeption grosse Teile der Dresdner Sudvorstadt und der Wohngebiete Sangerhausen West Wismar Vorwendorf und Rostock Reutershagen I Spatere Verwendung des Begriffs Bearbeiten nbsp Leipzig Grosszschocher Wohnblocke 1967 nbsp Erster WBS 70 Block der DDR Neubrandenburg 1973 Mit der Abkehr vom sozialistischen Klassizismus die durch die programmatische Rede Chrustschows auf der Allunionskonferenz der Bauschaffenden Moskau 1954 eingeleitet wurde veranderte sich wie Thomas Topfstedt herausgearbeitet hat auch der Inhalt der Begrifflichkeit Wohnkomplex Mit pomposen Fassaden und Innenraumgestaltungen der Gesellschaftsbauten und reprasentativen Wohnensembles die mit einer Vernachlassigung okonomischer und bautechnischer Erfordernisse einherging sollte nun Schluss sein Diese mit wirtschaftlichen und auch asthetischen Argumenten geubte Kritik an den bis dahin in der Sowjetunion und der DDR gultigen baukunstlerischen Gestaltungsgrundsatzen der Architektur und des Stadtebaus wurde in der DDR in einer Broschure unter dem Titel Besser billiger und schneller bauen 3 veroffentlicht 1955 In der Folge wurden erhebliche Anstrengungen unternommen den Wohnungsbau auf industrielle Bauweisen umzustellen Seit etwa der Mitte der 1960er Jahre konnten die Grossplattenbauweise und die Skelettmontagebauweise kombiniert sowohl im Wohnungs als auch im Gesellschaftsbau Anwendung finden An der Deutschen Bauakademie wurde 1969 die daraufhin im komplexen Wohnungsbau profilbestimmende Wohnungsbauserie 70 WBS 70 entwickelt Der Begriff Wohnkomplex in der Definition der Deutschen Bauakademie von 1960 Das Wohngebiet einer Stadt gliedert sich nach stadtebaulich architektonischen Einheiten die verschiedene Stufen der Versorgung und Betreuung der Bevolkerung umfassen Dabei gehen wir vom Prinzip der maximalen Annaherung der Gemeinschaftseinrichtungen an die Wohnungen vom Prinzip der Wirtschaftlichkeit und von unseren okonomischen Moglichkeiten aus Entsprechend unseren bisherigen Erfahrungen und gestutzt auf die Erfahrungen des Stadtebaus in der UdSSR schlagen wir vor die Grossenordnung der stadtebaulich architektonischen Einheiten wie folgt festzulegen Die kleinste Planungseinheit bildet die Wohngruppe deren Grosse durch eine Einwohnerzahl von 1000 bis 3000 Personen bestimmt wird Die Wohngruppen werden zu Wohnkomplexen zusammengefasst die 6 000 bis 12 000 Einwohner umfassen Die Wohnkomplexe werden zu Wohnbezirken mit einer Einwohnerzahl von 30 000 bis 60 000 zusammengeschlossen die die grosste stadtebauliche Einheit des Wohngebietes einer Stadt bilden Die jeweils zugehorigen Gemeinschaftseinrichtungen mussen in ihrer Kapazitat ihrer Art und ihrer Ausstattung der Grosse und dem Charakter der Wohngruppen Wohnkomplexe und Wohnbezirke entsprechen Fur eine engere Verbindung zwischen den Wohnungen und den Gemeinschaftseinrichtungen der Wohngruppen mussen neue Gebaudetypen entwickelt werden die vor einer allgemeinen Anwendung experimentell erprobt werden sollten Dazu gehoren die Entwicklung von Grosswohnhausern mit Gemeinschaftseinrichtungen sowie die Entwicklung von mehrgeschossigen Wohnhausern mit Kleinstwohnungen 4 Umsetzung des Konzeptes in der DDR Bearbeiten nbsp Halle Neustadt Wohnkomplex I 1974 Mit dem Bau von Grosssiedlungen wie beispielsweise Halle Neustadt Halle Silberhohe Leipzig Grunau Gera Lusan Dresden Gorbitz Rostock Lutten Klein Rostock Lichtenhagen Janschwalde Ost Hoyerswerda Berlin Marzahn oder Berlin Hellersdorf sollte das Konzept dann so umgesetzt werden dass es in einem Wohnkomplex neben den Wohnungen auch die wie folgt definierte benotigte Infrastruktur geben sollte Einkaufsmoglichkeiten fur den taglichen Bedarf in der DDR als Kaufhalle heute als Supermarkt bezeichnet Kinderkrippe und Kindergarten sogenannte Kinderkombinationen Poliklinik heute Arztehaus mit Praxen aller Fachrichtungen Rontgenabteilung und Apotheke und Schulen Grund und Oberschule Jeder Wohnkomplex kann wie eine eigenstandige abgeschlossene Wohnstadt funktionieren Die grossen Verkehrsachsen fuhren aussen um die Wohnkomplexe herum Diese werden durch Stichstrassen in die Wohnkomplexe hinein erschlossen Nur der offentliche Personennahverkehr ist als Durchgangsverkehr zugelassen Die Wohnkomplexe I bis III in Neuruppin gelten als Musterbeispiel dieser DDR Wohn und Siedlungsgebiete Kritik Bearbeiten nbsp Neubaugebiet Gera Lusan bei der Friedensfahrt 1987Sowohl in der BRD als auch in der DDR gab es bereits zur Entstehungszeit Kritik an Monotonie und Ununterscheidbarkeit der Wohnkomplexe quer durch die ganze DDR Wie Topfstedt 1988 bemerkte waren Unterschiede nur durch Topographie und Sonderfaktoren gegeben Der architektonische und baukulturelle Gestaltungsspielraum war gering die raumliche Wirkung zerfasert im Vergleich zum traditionellen Bauen Die Gesellschaftsbauten heute wurde man sagen die soziale Infrastruktur waren oftmals zum Zeitpunkt des Wohnungsbezugs noch nicht fertig Nach der Wiedervereinigung wurde ein Forderprogramm zur Weiterentwicklung der Grosssiedlungen abgekurzt WENG aufgelegt Damit wurden Verbesserungen im Wohnumfeld und Gesellschaftsbauten finanziert Die Konzeption der Wohnkomplexe entsprach der Charta von Athen nach der die stadtebaulichen Funktionen Wohnen und Arbeiten raumlich klar zu trennen waren Die Arbeitsplatze lagen abgesehen von einigen Dienstleistungsfunktionen medizinische Einrichtungen Schulen Handel ausserhalb der Wohngebiete Das Konzept entspricht nicht der nutzungsgemischten Stadt der kurzen Wege der heute massgeblichen Leipzig Charta auch wenn der Vorrang des offentlichen Verkehrs und die Berucksichtigung der sozialen Infrastruktur bei der Planung ein Stuck weit in diese Richtung weisen Varia BearbeitenIn dem Roman Die Architekten 5 setzt sich der ostdeutsche Autor Stefan Heym mit der Wende in der Architektur Abkehr vom sozialistischen Klassizismus und der unzureichenden Aufarbeitung des Stalinismus in der DDR auseinander Der sowjetische Film Ironie des Schicksals aus dem Jahre 1975 der alljahrlich zu Silvester gezeigt wird und Kultstatus geniesst ist eine Parodie auf die Wohnkomplexe die im ganzen Land gleich aussahen so wie auch die einzelnen Hauser die Wohnungen und deren Inneneinrichtungen Quellen BearbeitenThomas Topfstedt Stadtebau in der DDR 1955 1971 Leipzig 1988 ISBN 3 363 00364 1 Thomas Hoscislawski Bauen zwischen Macht und Ohnmacht Architektur und Stadtebau in der DDR Berlin 1991 ISBN 3 345 00537 9Weblinks BearbeitenErlauterung eines Wohnkomplexes aus Sozialistisches Wohnkonzept und Wohnungsbau in der DDR von Matthias Hunger Der Traum von der Platte Kunstgebilde aus DDR TagenEinzelnachweise Bearbeiten Thomas Topfstedt Stadtebau in der DDR 1955 1971 E A Seemann Verlag Leipzig 1988 ISBN 3 363 00364 1 S 158 Junghanns K Boesler F Gunther R Der Wohnkomplex als Planungselement im Stadtebau Berlin 1954 S 11 und 29 Besser billiger und schneller bauen Berlin 1955 Thesen zur 1 Theoretischen Konferenz der Deutschen Bauakademie In Deutsche Architektur Sonderbeilage Band 9 Heft 10 1960 S 2 f Stefan Heym The architects Northwestern University Press Evanston Illinois 2005 ISBN 978 1 907970 13 9 Entstanden ca 1963 1966 bis 2005 als englischer Originaltext unveroffentlicht Dt Titel Stefan Heym Die Architekten Roman C Bertelsmann Munchen 2000 ISBN 3 570 00441 4 dd Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wohnkomplex amp oldid 238465960