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Die Hypothese der wachsenden Wissenskluft wurde erstmals 1970 von Phillip J Tichenor George A Donohue und Clarice N Olien in dem Artikel Mass Media Flow and Differential Growth in Knowledge in der Zeitschrift Public Opinion Quarterly als Knowledge Gap Hypothese beschrieben Die Hypothese der wachsenden Wissenskluft beschreibt die strukturelle Ungleichverteilung von Wissen das durch die Massenmedien transportiert wird Der Knowledge Gap Hypothese zufolge wachst die Wissenskluft zwischen Menschen mit hoherem und niedrigerem soziookonomischen Status schneller wenn der Informationsfluss der Massenmedien in der Gesellschaft oder einem anderen Sozialsystem wachst Der Input der Massenmedien in ein Sozialsystem lasst also das Wissen bildungsaffiner Bevolkerungssegmente schneller steigen als das bildungsferner Schichtsegmente Demnach haben ohnehin formal gebildete Menschen eine bessere Chance ihr Wissen zu vermehren als weniger gebildete Menschen Inhaltsverzeichnis 1 Wirkung der wachsenden Wissenskluft 2 Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung 3 Begrundungen und Reaktionen 4 Siehe auch 5 Literatur 6 WeblinksWirkung der wachsenden Wissenskluft BearbeitenDa die Massenmedien lange Zeit als grosste Chance der weltweiten Demokratisierung verstanden wurden stellte die Hypothese der standig wachsenden Wissenskluft das demokratische Grundprinzip der freien Information in Frage Eigentlich sollten durch die unabhangige Verbreitung von Informationen in der Bevolkerung die Mitglieder einer Gesellschaft zu mundigen Staatsburgern werden Dieser eher normative Anspruch des mundigen Staatsburgers kann aber durch die wachsende Wissenskluft zwischen statushoheren und statusniedrigeren Bevolkerungsgruppen nicht erreicht werden Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung BearbeitenDie Hypothese der Gap in Knowledge die also von der wachsenden Wissenskluft zwischen statusniedrigeren und hoheren Schichtsegmenten ausging beruhte auf verkurzten Kausalketten Demzufolge war anzunehmen dass es keine direkte Verbindung zwischen gesellschaftlichem Status und der erfolgreichen Informationsaneignung aus den Massenmedien gab Deshalb wurde die Hypothese nach nur drei Jahren von der Minnesotagruppe modifiziert Sie stellten fest dass das Anwachsen einer Wissenskluft nicht nur vom soziookonomischen Status sondern auch von der Art des betreffenden Themas abhangt Handelt es sich um blosses Faktenwissen das in den Massenmedien thematisiert wird kommt es zu einer sukzessiven also allmahlichen Annaherung bildungsfernerer Bevolkerungsteile an bildungsaffinere Da auch diese Modifikation nicht ausreichend war um eine wachsende Wissenskluft zuverlassig zu prognostizieren wurde die Knowledge Gap Hypothese durch James S Ettema und Gerald F Kliene 1977 abermals modifiziert In einem Artikel der Fachzeitschrift Communication Research veroffentlichten sie die Konkurrenzhypothese In dieser Hypothese bezogen die Autoren erstmals die Motivation zur Aneignung von Medieninhalten mit ein Sie stellten fest dass die Entstehung von Wissenskluften nicht nur von der Art des Themas abhangt sondern auch vom Grad der Motivation zur inhaltlichen Aneignung Man durfe also nicht von Defiziten in der Medienaneignung ausgehen sondern eher von Differenzen Mit der zunehmenden Digitalisierung der Massenmedien am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts differenzierte sich aus der eher allgemeinen Diskussion um die unterschiedliche Aneignung von Medieninhalten die Diskussion um den Digital Divide heraus Der Digital Divide ist also nicht als weitere Modifikation der Knowledge Gap Hypothese zu verstehen sondern als Erganzung und Ausweitung Die digitale Abspaltung meint multidimensionale Exklusionsmechanismen die unter anderem durch Defizite oder genauer durch Differenzen im Um und Zugang zu neuen Medien entstehen Der Digital Divide wird als eines der grossten Strukturprobleme der postindustriellen Wissensgesellschaft gesehen Begrundungen und Reaktionen BearbeitenIn der Regel wird von den Anhangern der Wissensklufthypothese eine negative Haltung bezuglich der Potenziale einer Wissensgesellschaft eingenommen Es wird bezweifelt dass die technologische Entwicklung dem Wachsen der Wissenskluft entgegenwirken kann Menschen mit hoherem soziookonomischen Status haben Tichenor et al 1970 S 162 zufolge tendenziell hohere Kommunikationsfahigkeiten Aus besserer formaler Bildung folgen bessere Lese und Verstandnisfertigkeiten Vorwissen Aus hoherer Bildung sowie haufigerer und somit geubterer Mediennutzung folgt eine Sensibilitat fur die Relevanz verschiedener Medieninhalte soziale Kontakte Aus hoherer Bildung und besserem Einkommen folgt ein breiteres Spektrum an Aktivitaten und somit eine Anbindung an mehr soziale Bezugsgruppen Dadurch wird die interpersonale Kommunikation also auch die Diskussion uber Medieninhalte gefordert selektiven Umgang Der Stand der eigenen Bildung korreliert mit der Mediennutzung Das Aufnehmen und Behalten von Medieninhalten ist bei formal hoher gebildeten Menschen tendenziell besser als bei bildungsferneren Bevolkerungssegmenten Vorteile in Bezug auf die Struktur des Mediensystems Printmedien enthalten qualitatsvollere und hintergrundigere Informationen die durch das Lesen auch besser behalten werden als beispielsweise Nachrichten im TV Diese Medien orientieren sich von Sprache Duktus und Auftreten an den soziookonomisch Bessergestellten Anhanger der Wissensklufthypothese in der Wissenschaft stammen vor allem aus dem padagogischen und sozialwissenschaftlichen Lager und haben ein kritisches Verstandnis uber die Folgen neuer Medien auf die Gesellschaft Kritiker der Wissensklufthypothese bestreiten die politische Redlichkeit der Wissenskluftargumentation Sie stammen vor allem aus dem techno liberalen Lager Andre Rebentisch und andere und werfen der Hypothese vor eine Adaption der marxistischen Verelendungstheorie zu sein Im Unterschied werde lediglich statt Kapital Wissen akkumuliert Mit der Wissensklufthypothese wurden die Verfechter lediglich ihre Eigeninteressen vertreten beispielsweise nutzen erhohte Bildungsausgaben den Padagogen Statt uber strukturelle Fragen zu sprechen und technologische Rahmen zu schaffen folgen teure Programme die am Einzelnen ansetzen als Losungsansatze Aus Sicht der Kritiker sei das Ressourcenverschwendung Ferner sehen die Kritiker die Wissensklufthypothese in der Kontinuitat eines aristokratischen Verstandnisses mit welchem dem Pobel demokratische Rechte bis ins 19 Jahrhundert verweigert werden konnten Zwar werde von Verfechtern der Wissensklufthypothese die Uberwindung angestrebt aber es bleibe ein immanentes Werturteil das die Hypothese unwissenschaftlich mache zumal die empirische Untermauerung hauptsachlich durch Querschnittuntersuchungen aufgebaute wurde wahrend methodisch zur Feststellung einer wachsenden Wissenskluft eher Langsschnittstudien notig waren Trotzdem fand die These in der Wissenschaft einige Beachtung und intensive Beforschung Von politischer Seite wurde die Wissenskluft durch die Technologieinitiative D21 der sozialdemokratischen Bundesregierung aufgegriffen Siehe auch BearbeitenDigitale KluftLiteratur BearbeitenHeinz Bonfadelli Die Wissenskluftperspektive Massenmedien und gesellschaftliche Information Forschungsfeld Kommunikation Bd 5 UVK Medien Olschlager Konstanz 1994 ISBN 3 88295 195 8 Zugleich Zurich Universitat Habilitations Schrift 1992 1993 Phillip J Tichenor George A Donohue Clarice N Olien Mass Media Flow and Differential Growth in Knowledge In The Public Opinion Quarterly Bd 34 Nr 2 Summer 1970 ISSN 0033 362X S 159 170 Werner Wirth Von der Information zum Wissen Die Rolle der Rezeption fur die Entstehung von Wissensunterschieden Ein Beitrag zur Wissenskluftforschung Studien zur Kommunikationswissenschaft Bd 23 Westdeutscher Verlag Opladen 1997 ISBN 3 531 12944 9 Weblinks BearbeitenHannes Jahnert Die Knowledge Gap Hypothese PDF Datei 135 kB Uni Bielefeld Die Wissensklufthypothese Forschungsprojekt The changing knowledge divide in the global economy Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wissenskluft amp oldid 203759590