Die Weiße Frau von Bernstein ist eine gespenstische Erscheinung auf der Burg Bernstein, über die seit dem 19. Jahrhundert wiederholt berichtet wurde.
Sagen Bearbeiten
Ein Buch von Erwemweig (1927) und eine Sagensammlung aus dem Burgenland (1931) geben an, dass die Weiße Frau von Bernstein seit 1859 beobachtet wurde. Im Jahr 1912 habe sie sich bei einem Fackelzug der Dorffeuerwehr vor der Familie des Schlossherrn und vielen Dorfbewohnern gezeigt. Knapp vor dem Ersten Weltkrieg soll sie oft erschienen sein und dann für längere Zeit zum letzten Mal im Jahre 1921. Die zierliche Frauengestalt mit wallendem Haar schmiegt die gefalteten Hände an die linke Wange und blickt traurig ins Leere. Sie trägt eine „párta“, einen diademartigen ungarischen Kopfschmuck, und ein weißer Schleier hüllt die ganze Erscheinung ein. Einige behaupteten, sie verdecke mit ihren Händen eine Halswunde oder den Griff eines Stiletts, das aus ihrem Hals hervorrage. Angeblich bittet die weiße Frau die Lebenden mit winkenden Gebärden, ihr zu folgen. Sie soll – meist in den Abendstunden – an verschiedenen Stellen des Schlosses erscheinen und gleichsam über die Treppen schweben. Zuletzt gelangt sie in die Kapelle, kniet betend vor dem Altar nieder und verschwindet sodann. Manchmal soll sie aus einem Saalfenster in den Schlosshof hinab geblickt haben.
Eine weitere Sage will den Ursprung des Spuks mit einem Mordgeschehen erklären: Danach hatte die Burg Bernstein im 16. Jahrhundert einen Schlossherrn aus dem Adelsgeschlecht der Iločki (ungarisch: Újlaki). Dieser hatte eine Italienerin zur Frau – was vielleicht die kleine Gestalt des Gespenstes erklärt – und überraschte diese einmal bei einem Seitensprung mit einem italienischen Geliebten aus ihrer Jugendzeit. Dem stieß er dafür einen Dolch ins Herz, während er seine untreue Frau in den viele Klafter tiefen Brunnen der Burg werfen oder im Rundturm an der nördlichen Basteiecke des Schlosses einmauern ließ.
Nach Erwemweig soll die Weiße Frau Katharina geheißen haben und wurde deshalb im Volksmund von Bernstein auch „Böse Kathl“ genannt. Eine Schriftstellerin brachte 1912 für sie den Namen Catalina Giovanna Frescobaldi auf, der seitdem gern übernommen wurde, so später bei Grabinski (1953) oder Mackay (2010). In einer alten Chronik ist jedoch nur die Rede davon, dass eine Catalina Giovanna Frescobaldi aus Florenz um 1485 einen ungarischen Edelmann geheiratet habe, aber seine Identifikation mit Lorenz von Ujlak auf Schloss Bernstein ist reine Spekulation. Zwar hieß Ujlaks Frau tatsächlich Katharina, stammte aber aus dem oberungarischen Geschlecht der Pongrácz von Szent-Miklós und überlebte ihren Mann.
Untersuchung von 1929 Bearbeiten
Der Verleger und Gemeinderat Johannes Illig (1865–1935) aus Göppingen publizierte 1929 eine ernsthafte parapsychologische Untersuchung über die Weiße Frau von Bernstein, für welche er die bei Erwemweig abgedruckten zahlreichen Berichte und Zeugenaussagen auswertete. In Illigs Aufsatz sind auch drei Fotos der Weißen Frau abgedruckt. Zwei andere Fotos der Weißen Frau von 1913 wurden ursprünglich von Erwemweig publiziert und sind heute auch im Buch von Bieberger et al. sowie in einem Aufsatz von Zahlner abgedruckt, zeigen aber aufgrund der damaligen unausgereiften Fototechnik wenig Details außer einem hellen Umriss.
Nach Erwemweig und Illig stammen die ersten Berichte über die Weiße Frau von 1899/1900. Nur vom Hörensagen heißt es, dass sich die Weiße Frau bereits in den Kriegsjahren 1859, 1864 und 1866 öfters im Schloss gezeigt habe. Als typisches Beispiel für eine Sichtung der Weißen Frau kurz vor dem Ersten Weltkrieg sei aus dem Bericht der Baronin R. H. zitiert, die am 16. Juni 1912 die Weiße Frau gesehen hatte:
Nach Illig handelte es sich bei der Weißen Frau von Bernstein um echten und zwar um sogenannten ortsgebundenen Spuk. Illig resümiert:
Als Reaktion auf Illigs Untersuchungen verfasste der General Josef Peter in demselben Jahr 1929 einen ergänzenden Bericht über die Weiße Frau von Bernstein; auch er ging von echtem Spuk aus. Vereinzelte spätere Sichtungen der Weißen Frau werden bis ins Jahr 1990 berichtet.
Literatur Bearbeiten
- W. Erwemweig (d. i. Anton von Gyömörey): Schloss Bernstein im Burgenland. Fragmente aus Vergangenheit und Gegenwart. Mit Illustrationen und Kartenskizzen von Ferd. Pittoni-Dannenfeldt. Bernstein 1927. Darin S. 51–83 zur Weißen Frau.
- Johannes Illig: Die „Weiße Frau“ auf Schloß Bernstein im Burgenland, in: Zeitschrift für Parapsychologie, 4. Jahrgang 1929 (= Psychische Studien, Jahrgang 56), 2. Heft, S. 49–75 online
- Josef Peter: Die weiße Frau von Schloß Bernstein im Burgenland, in: Zeitschrift für Parapsychologie, 4. Jahrgang 1929 (= Psychische Studien, Jahrgang 56), 8. Heft, S. 453–456 online
- Bruno Grabinski: Die Weiße Frau auf Schloß Bernstein, in: Zentralblatt für Okkultismus 24 (1930/31), S. 224–227 online
- Ernst Joseph Görlich: Die weiße Frau von Bernstein, in: Glaube und Erkenntnis 4/1952, S. 12–14 online
- Christof Bieberger, Alexandra Gruber, Johannes Herberstein, Gabriele Hasmann: Geisterschlösser in Österreich. Wien: Ueberreuter 2004, ISBN 3-8000-7062-6, darin S. 21–43: »Schlosshansel« und »Böse Kathl«: Schloss Bernstein, Burgenland. Leseprobe der ersten Seiten
Weblinks Bearbeiten
Anmerkungen Bearbeiten
- Erwemweig, Schloss Bernstein, S. 52f. Vgl. auch Bieberger, Geisterschlösser in Österreich, S. 33.
- Erwemweig, Schloss Bernstein, S. 54. Anton Mailly, Adolf Pfarr und Ernst Löger (Hgg.): Sagen aus dem Burgenland, Wien und Leipzig 1931, Nr. 4, Seite 18. Zitiert nach [1]
- Erwemweig, Schloss Bernstein, S. 71f. Vgl. Helene Erdödy: Fast hundert Jahre Lebenserinnerungen, Zürich-Leipzig-Wien 1929, S. 187f. Zitiert nach [2]
- Erwemweig, Schloss Bernstein, S. 52, 71.
- Erwemweig, Schloss Bernstein, S. 80.
- Bruno Grabinski: Spuk und Geistererscheinungen. 4. Aufl. Graz 1953, S. 334 und 364ff.
- Renate Mackay: Das mittlere Burgenland. The middle Burgenland. Neckenmarkt 2010, S. 105
- Erwemweig, Schloss Bernstein, S. 80f.
- Zu Johannes Illig vgl. [3] mit Abbildung einer Portraitmedaille
- Illig, Die „Weiße Frau“, S. 59, 61–65. Zum Foto der Weißen Frau von Bernstein vgl. auch Emil Mattiesen, Das persönliche Überleben des Todes, Bd. 3, 1939 (Nachdruck Berlin–New York 1987), S. 29–32.
- Erwemweig, Schloss Bernstein, Bildtafel nach S. 60. Bieberger, Geisterschlösser in Österreich, S. 39, 41. Prof. Ferdinand Zahler: Zeichen und Erscheinungen von „drüben“?, in: Grenzgebiete der Wissenschaft 61 (2012) 2, S. 155–175, hier S. 162 online
- Erwemweig, Schloss Bernstein, S. 52. Illig, Die „Weiße Frau“, S. 51. Bei den Kriegen handelt es sich um den Sardinischen Krieg 1859, den Deutsch-Dänischen Krieg 1864 und den Deutschen Krieg 1866.
- Erwemweig, Schloss Bernstein, S. 58f. Illig, Die „Weiße Frau“, S. 54.
- Illig, Die „Weiße Frau“, S. 60.
- Illig, Die „Weiße Frau“, S. 61f., 66, 73.
- Bieberger, Geisterschlösser in Österreich, S. 42f.