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Das Wangerooger Friesisch war ein Dialekt der ostfriesischen Sprache der vereinzelt noch bis etwa 1930 auf der Nordseeinsel Wangerooge und bis 1950 auf dem Festland gesprochen wurde Inhaltsverzeichnis 1 Klassifikation 2 Geschichte 3 Sprachliche Merkmale 4 Literatur 5 EinzelnachweiseKlassifikation BearbeitenDas Wangerooger Friesisch gehorte zur weserfriesischen Dialektgruppe des Ostfriesischen die im Osten der ostfriesischen Halbinsel im ehemaligen Rustringen und im Land Wursten verbreitet war Das Wangeroogische war der letzte Vertreter dieser Dialekte Geschichte BearbeitenAus altfriesischer Zeit sind keine schriftlichen Zeugnisse von der Insel Wangerooge erhalten Es existieren jedoch mit den beiden so genannten Rustringer Handschriften aus der Zeit um 1300 das Asegabuch und ein weiterer Rechtstext zwei Texte aus dem weserfriesischen Dialektgebiet deren sprachliche Form dem Altwangeroogischen wahrscheinlich sehr ahnlich war 1 Im 19 Jahrhundert war die ostfriesische Sprache schon seit Generationen nahezu vollstandig durch niedersachsische Mundarten ersetzt worden Lediglich in zwei abgelegenen Gebieten im Land Oldenburg hatten sich Dialekte der Sprache halten konnen Diese waren das Saterland wo der ortliche Dialekt bis heute lebendig ist und die Insel Wangerooge Fur die Wangerooger war ihr Dialekt in der ersten Halfte des 19 Jahrhunderts noch Alltagssprache Erst durch die Sturmflutkatastrophe des Winters 1854 55 wurde die kleine aber bis dahin stabile Wangerooger Sprachgemeinschaft ernsthaft gefahrdet Die meisten Insulaner zogen nach der Flut in den Ort Varel am Jadebusen und grundeten dort die Siedlung Neu Wangerooge Bei der Neubesiedlung der Insel wenige Jahre spater kehrten die ehemaligen Bewohner nicht nach Wangerooge zuruck Durch die Teilung der Sprachgemeinschaft war das Wangeroogische langfristig nicht mehr uberlebensfahig Jedoch konnte sich die Mundart noch einige Jahrzehnte auf der Insel und sogar noch etwas langer auf dem Festland halten Auf Wangerooge verstarb der letzte Sprecher um 1930 in Varel starben 1950 schliesslich die beiden letzten Muttersprachler des Wangerooger Friesischen Damit gilt die Sprache als ausgestorben Der Jurist und Laiensprachforscher Heinrich Georg Ehrentraut 1798 1866 aus Jever fertigte noch vor der Sturmflutkatastrophe umfangreiche Aufzeichnungen des Wangerooger Friesischen an und gab die Erkenntnisse seiner Forschungen in der von ihm gegrundeten Reihe Friesisches Archiv heraus In den 1990er Jahren wurden im Archiv des Mariengymnasiums in Jever schliesslich noch umfangreiche unveroffentlichte wangeroogische Aufzeichnungen Ehrentrauts entdeckt und herausgegeben Das Wangerooger Friesisch ist damit umfangreich dokumentiert Der Hallenser Germanistikprofessor und Mundartforscher Otto Bremer reiste 1898 nach Wangerooge und Neu Wangerooge um die Sprache zu studieren 2 Im Jahre 1924 zeichnete er Sprachbeispiele des damals bereits vom Aussterben bedrohten Dialekts auf Phonographenwalzen auf In seinem letzten Willen wunschte Bremer dass diese auf Schellackplatten uberspielt wurden was sein Nachfolger Richard Wittsack auch umsetzte Sie sind heute Teil des Schallarchivs der Abteilung Sprechwissenschaft und Phonetik der Martin Luther Universitat Halle Wittenberg 3 Wittsack publizierte zudem auf Grundlage der Phonogramme 1938 eine kurze Schrift uber das Wangerooger Friesisch mit Beitragen von Dietrich Gerhardt und Edgar Fuhrhop 4 Sprachliche Merkmale BearbeitenDas Friesische der Insel Wangerooge wies einige Besonderheiten auf die zum Teil wahrscheinlich typische Erscheinungen fur ost oder weserfriesische Dialekte im Allgemeinen waren teilweise aber auch wohl spezielle Eigenheiten der Inselmundart darstellten Zu Ehrentrauts Zeiten waren zum Beispiel ungewohnlicherweise noch die Reibelaute 8 und d th Laut sehr gebrauchlich Auch der wahrscheinlich fur das gesamte Weserfriesische typische und ansonsten fur westgermanische Sprachen untypische Erhalt voller Nebensilben nach kurzen Stammvokalen ist im Wangeroogischen deutlich sichtbar z B schupu Schiffe Ebenfalls bemerkenswert waren die im Germanischen seltene Konsonantengemination und der ungewohnliche auch wortubergreifende Einschub von r zwischen den Dentalen t und d z B settert statt settet setzt Das Verbalsystem war durch den Zusammenfall der beiden altfriesischen schwachen Verbklassen bei gleichzeitiger Inkorporation der Infinitivendung i in den Wortstamm ehemaliger kurzstammiger Verben gekennzeichnet Dies ist gut an Nominalisierungen der Verben zu erkennen so wird aus dem Verb spiilii spielen der spiiliider Spieler Weiterhin war das Wangeroogische neben dem ebenfalls bereits ausgestorbenen nordfriesischen Dialekt der Sudergoesharde die einzige moderne friesische Mundart in der sich die einheitliche Endung t im Prasens Plural erhalten hatte 5 Literatur BearbeitenTemmo Bosse Wangeroogische i Verben Betrachtungen zum Verbsystem des ausgestorbenen ostfriesischen Dialekts der Insel Wangerooge In Us Wurk 61 2012 S 125 141 Heinrich Georg Ehrentraut Mittheilungen aus der Sprache der Wangeroger In Friesisches Archiv I 1849 S 3 109 und S 338 416 Friesisches Archiv II 1854 S 1 84 Heinrich Georg Ehrentraut Mittheilungen aus der Sprache der Wangeroger der Nachlass von H G Ehrentraut betreffend den ostfriesischen Dialekt der Insel Wangerooge aus dem Archiv des Mariengymnasiums Jever Nachtrag und Erganzung der Mittheilungen von H G Ehrentraut im Friesischen Archiv von 1847 49 und 1854 Bearbeitet und herausgegeben von Arjen P Versloot Ljouwert Fryske Akademy und Aurich Ostfriesische Landschaft 1996 ISBN 90 6171 834 1 Jarich Hoekstra R ynfoeging yn it Wangereagersk In Us Wurk 47 1998 S 25 48 Ernst Lofstedt 1932 Zur Lautgeschichte der Mundart von Wangeroog In Ernst Lofstedt Zwei Beitrage zur friesischen Sprachgeschichte Lund 1932 S 3 33 Arjen Versloot Das Wangeroogische In Horst H Munske Hrsg Handbuch des Friesischen Niemeyer Tubingen 2001 S 423 429 Richard Wittsack Hrsg Wangerooger Friesisch Studienergebnisse an Hand der Wangerooger Phonogramme der Phonetischen Sammlung der Universitat Halle Buchdruckerei der Hallischen Nachrichten Halle Saale 1938 Einzelnachweise Bearbeiten Arjen Versloot Das Wangeroogische In Horst H Munske Hrsg Handbuch des Friesischen Niemeyer Tubingen 2001 S 423 Hans Joachim Solms Bremer Otto In Christoph Konig Hrsg Internationales Germanistenlexikon 1800 1950 Band 1 Walter de Gruyter Berlin New York 2003 S 268 Schallarchiv Phonetik Martin Luther Universitat Halle Wittenberg Abteilung Sprechwissenschaft und Phonetik Andre Huttner Otto Bremer als Phonetiker Ein Beitrag zur sprechwissenschaftlichen Fachgeschichte In Ursula Hirschfeld u a Otto Bremer Wegbereiter der sprechwissenschaftlichen Phonetik an der Universitat Halle Frank amp Timme Berlin 2016 S 61 145 auf S 118 119 Arjen Versloot Das Wangeroogische In Horst H Munske Hrsg Handbuch des Friesischen Niemeyer Tubingen 2001 S 428 429 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Wangerooger Friesisch amp oldid 215792555