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Der Turing Mechanismus ist ein von dem britischen Mathematiker Alan Turing einem der einflussreichsten Theoretiker der fruhen Informatik beschriebener Mechanismus wie Reaktions Diffusions Systeme spontan Strukturen bilden konnen Dieser Prozess steht auch noch heute im Mittelpunkt vieler chemisch biologischer Strukturbildungstheorien er kann zum Beispiel die Morphogenese von farbigen Mustern auf dem Fell von Tieren wie Zebra Giraffe oder Kudu erklaren Turing hatte sich von 1952 bis zu seinem fruhen Tod im Jahre 1954 mit Problemen der Theoretischen Biologie beschaftigt In seiner 1952 veroffentlichten Arbeit zum Thema The Chemical Basis of Morphogenesis wurde dieser heute als Turing Mechanismus bekannte Prozess erstmals beschrieben 1 Spatere Arbeiten Turings unter anderem uber die Bedeutung der Fibonacci Zahlen fur die morphologische Struktur von Pflanzen blieben unveroffentlicht Wegen Turings fruherer Mitarbeit an nachrichtendienstlichen Projekten wie der Dechiffrierung des Enigma Codes wurden seine gesammelten Werke erst 1992 zur Veroffentlichung freigegeben Inhaltsverzeichnis 1 Turing Modell fur zwei Chemikalien 1 1 Lineare Stabilitat des homogenen Systems 1 2 Instabilitat raumlicher Storungen 1 3 Musterbildung 2 Siehe auch 3 Literatur 4 EinzelnachweiseTuring Modell fur zwei Chemikalien BearbeitenEin Turing Modell fur zwei Chemikalien ist in dimensionsloser Form zum Beispiel gegeben durch das System von partiellen Differenzialgleichungen u t D u g f u v v t d D v g g u v auf B R n displaystyle left begin matrix u t amp amp Delta u gamma f u v v t amp amp d Delta v gamma g u v end matrix right mbox auf B subseteq mathbb R n nbsp mit Neumann Randbedingungen n u n v 0 auf B displaystyle n cdot nabla u n cdot nabla v 0 mbox auf partial B nbsp und den Anfangsdaten u t 0 u 0 displaystyle u t 0 u 0 nbsp v t 0 v 0 displaystyle v t 0 v 0 nbsp Der Vektor n displaystyle n nbsp ist der aussere Einheitsnormalvektor an B displaystyle partial B nbsp die Konstante d displaystyle d nbsp beschreibt das Verhaltnis der Diffusionskoeffizienten der zwei Substanzen u displaystyle u nbsp ist die Konzentration der aktivierenden Substanz Aktivator und v displaystyle v nbsp ist die Konzentration der deaktivierenden Substanz Deaktivator oder Inhibitor Die Konstante g displaystyle gamma nbsp kann als Grosse des Gebiets B displaystyle B nbsp eine gewisse Potenz davon abhangig von der Dimension n displaystyle n nbsp oder als relative Starke der Reaktionsterme im Vergleich zu den Diffusionseffekten interpretiert werden Die zentrale Idee der Turing Instabilitat besteht darin ein raumlich homogenes linear stabiles System zu betrachten das im inhomogenen Fall wenn sich Diffusion beschrieben durch geeignet gewahlte Diffusionskoeffizienten auswirkt d h d 1 displaystyle d neq 1 nbsp instabil ist diffusionsgetriebene Instabilitat Dieses Konzept war neuartig da Diffusion auf dem Gebiet der partiellen Differenzialgleichungen im Allgemeinen als stabilisierender Faktor aufgefasst wird Es basiert darauf dass der Inhibitor schneller diffundiert als der Aktivator Zuerst einmal entsteht dort wo sich viel Aktivatorsubstanz befindet auch viel Inhibitor Dies fuhrt allerdings nicht zum Verschwinden der Aktivatorsubstanz da sich der Inhibitor aufgrund der schnellen Diffusion rasch verfluchtigt Vor allem in Modellkonfigurationen auf beschranktem Gebiet mit verschwindender Neumann Randbedingung entstehen vergleichsweise hohe Inhibitorkonzentrationen an solchen abgelegenen Punkten des Gebiets wo sich wenig Aktivator befindet Dort konnen sie namlich die Zunahme der Aktivatorsubstanz erfolgreich unterbinden An diesem Punkt zeigt sich dass Modelle auf unbeschranktem Gebiet ein qualitativ anderes Verhalten zeigen da die Inhibitorsubstanz tendenziell nach Unendlich abdiffundiert Fur die spezielle Wahl B 0 L displaystyle B 0 L nbsp mit L gt 0 displaystyle L gt 0 nbsp bestimmen wir den Turing Raum d h die Menge an Parameterwerten fur die wir Turing Instabilitat beobachten konnen Lineare Stabilitat des homogenen Systems Bearbeiten Sei u 0 v 0 displaystyle u 0 v 0 nbsp ein stationarer Zustand d h f u 0 v 0 g u 0 v 0 0 displaystyle f u 0 v 0 g u 0 v 0 0 nbsp dann ist das obige System in Abwesenheit von Diffusionseffekten linear stabil an diesem stationaren Zustand wenn gilt f u g v lt 0 displaystyle f u g v lt 0 nbsp und f u g v f v g u gt 0 displaystyle f u g v f v g u gt 0 nbsp was gleichbedeutend damit ist dass die Realteile der Eigenwerte der Jacobi Matrix alle negativ sind wobei wir hier und im Folgenden die partiellen Ableitungen von f displaystyle f nbsp und g displaystyle g nbsp am stationaren Zustand auswerten Instabilitat raumlicher Storungen Bearbeiten Es sei W k r displaystyle W k r nbsp eine Losung des Eigenwertproblems D W k k 2 W 0 displaystyle Delta W k k 2 W 0 nbsp d h W k r cos n p L r displaystyle W k r propto cos left frac n pi L r right nbsp wobei n Z displaystyle n in mathbb Z nbsp und k n p L displaystyle k frac n pi L nbsp ist die sog Wellenzahl Mit dem Ansatz w r t k c k exp l k t W k r displaystyle w r t sum k c k exp lambda k t W k r nbsp zeigt sich dass das System linear instabil ist falls ℜ l k gt 0 displaystyle Re lambda k gt 0 nbsp fur ein k 0 displaystyle k neq 0 nbsp gilt Der Ausdruck l k displaystyle lambda k nbsp wird Dispersionsrelation genannt und nimmt nur dann positive Werte an wenn gilt d f u g v gt 0 displaystyle df u g v gt 0 nbsp und d f u g v 2 4 d f u g v f v g u gt 0 displaystyle df u g v 2 4d f u g v f v g u gt 0 nbsp Aus der ersten Ungleichung ergibt sich insbesondere d gt 1 displaystyle d gt 1 nbsp Abhangig von der konkreten Wahl der Parameter hat das folgende Intervall von Wellenzahlen positiven Realteil g d f u g v d f u g v 2 4 d det A 2 d lt k 2 lt g d f u g v d f u g v 2 4 d det A 2 d displaystyle gamma frac df u g v sqrt df u g v 2 4d det A 2d lt k 2 lt gamma frac df u g v sqrt df u g v 2 4d det A 2d nbsp wobei A f u f v g u g v displaystyle A begin pmatrix f u amp f v g u amp g v end pmatrix nbsp Man beachte dass g L 2 displaystyle gamma propto L 2 nbsp Das oben genannte Intervall heisst instabiles Intervall Die Amplituden der diesen Wellenzahlen entsprechenden Wellenlangen nehmen im Laufe der Zeit zu wahrend andere Wellenlangen gedampft werden Diese instabilen Mode beschreiben die verstarkten Muster Da k displaystyle k nbsp nur diskrete Werte annimmt gibt es nur eine endliche Zahl an verstarkten Wellenlangen Beispiele fur geeignete Reaktionsterme sind f u v a b u u 2 v displaystyle f u v a bu frac u 2 v nbsp und g u v u 2 v displaystyle g u v u 2 v nbsp Gierer Meinhardt 1972 sowie f u v a u h u v displaystyle f u v a u h u v nbsp und g u v a b v h u v displaystyle g u v alpha b v h u v nbsp wobei h u v r u v 1 u K u 2 displaystyle h u v frac rho uv 1 u Ku 2 nbsp Thomas 1975 Die Konstanten a displaystyle a nbsp b displaystyle b nbsp a displaystyle alpha nbsp r displaystyle rho nbsp und K displaystyle K nbsp sind positive Parameter die geeignet gewahlt werden mussen damit das System die obigen Voraussetzungen erfullt Musterbildung Bearbeiten Unbeschrankte Gebiete B displaystyle B nbsp entsprechen Modellen die fur Situationen relevant sind in denen der Embryo weit grosser ist als die Grossenordnung der auszubildenden Muster und daher der Rand des Gebiets nichts zur Bevorzugung bestimmter Wellenlangen beitragen kann Die Analysis ist in diesem Fall etwas einfacher Im Allgemeinen gibt es keine endliche Zahl verstarkter Wellenlangen sondern eine gewisse Wellenzahl die den grossten Eigenwert aufweist und deren Muster letztlich ausgebildet wird Falls das Gebiet B displaystyle B nbsp grosser wird im Laufe der Zeit zum Beispiel dann wenn der Embryo wachst dann nimmt der Wert g displaystyle gamma nbsp zu und an gewissen Bifurkationspunkten werden aus verstarkten Moden gedampfte d h sie fallen aus dem instabilen Intervall oder hohere Wellenzahlen die bisher noch stabil waren werden instabil Dieser Prozess wird Moden Selektion genannt und erklart die komplexe Entwicklung von Mustern wahrend der Morphogenese Siehe auch BearbeitenKunstliches Leben Autoregulatorische Modelle in der ExtremitatenentwicklungLiteratur BearbeitenJ D Murray Mathematical Biology Band 2 Spatial Models and Biomedical Applications 3rd edition Springer New York NY u a 2003 ISBN 0 387 95228 4 Interdisciplinary applied mathematics 18 Einzelnachweise Bearbeiten Alan Turing The chemical basis of morphogenesis PDF 1 2 MB Phil Trans R Soc London B 237 S 37 72 1952 Originalartikel Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Turing Mechanismus amp oldid 224326981