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Theoneste Bagosora 16 August 1941 in Giciye im Nordosten Ruandas 25 September 2021 in Koulikoro Mali 1 war ein ruandischer Militarangehoriger Oberst Bagosora zahlte zur Bevolkerungsgruppe der Hutu Er gilt als der fuhrende militarische Planer des Volkermords in Ruanda bei dem von April bis Juli 1994 circa 500 000 bis eine Million Menschen ermordet wurden 2 1996 wurde er verhaftet und am 14 Dezember 2011 vom Internationalen Strafgerichtshof fur Ruanda fur seine Rolle wahrend des Volkermordes abschliessend zu einer 35 Jahre dauernden Haft verurteilt Bagosora starb im September 2021 im Alter von 80 Jahren wahrend der Haft in einem malischen Krankenhaus 3 Inhaltsverzeichnis 1 Militarische Laufbahn 2 Planung und Vorbereitung des Volkermords 2 1 Drohender Machtverlust und Planung des Volkermords 2 2 Denkschrift zur Feinderklarung 2 3 Todeslisten und Verteilung von Waffen 2 4 Widerstand gegen das Arusha Abkommen 3 Fuhrende Position wahrend des Volkermords 3 1 Vorsitz des Krisenstabs 3 2 Ermordung von Regierungsmitgliedern und belgischen UNAMIR Soldaten 3 3 Etablierung einer Ubergangsregierung 3 4 Befehle zum Volkermord 4 Flucht und Prozess 5 Weblinks 6 AnmerkungenMilitarische Laufbahn BearbeitenNach dem Besuch von katholischen Missionsschulen 4 begann Bagosora eine militarische Ausbildung Er erhielt 1964 ein Diplom der Offiziersschule von Kigali und verliess sie im Rang eines Unterleutnants Als einer der ersten ruandischen Offiziere setzte er seine militarischen Studien in Frankreich und Belgien 5 fort Parallel zu seinen Ausbildungen in Europa wurde Bagosora im April 1967 zum Leutnant befordert Im Jahr 1970 stieg er in den Rang eines Hauptmanns auf Sieben Jahre spater avancierte er zum Major 1981 wurde Bagosora zum Oberstleutnant befordert Am 1 Oktober 1989 ernannte ihn das ruandische Militar zum Oberst 6 Bagosora war stellvertretender Kommandeur der Ecole Superieure Militaire in Kigali und Kommandeur der ostlich von Ruandas Hauptstadt gelegenen Kaserne von Kanombe bevor er im Juni 1992 zum Stabschef im Verteidigungsministerium ernannt wurde Nach seinem Ausscheiden aus dem Militardienst am 23 September 1993 diente Bagosora dem Verteidigungsminister weiterhin als Stabschef In dieser Position agierte er bis Mitte Juli 1994 August Bizimana der Verteidigungsminister Ruandas holte ihn wahrend des Volkermords am 21 Mai 1994 zuruck in den aktiven Militardienst 7 Planung und Vorbereitung des Volkermords BearbeitenDrohender Machtverlust und Planung des Volkermords Bearbeiten Bagosora gehorte zum inneren Kreis der politischen Elite des Landes um Prasident Juvenal Habyarimana mit dessen Frau Agathe er verwandt war Zu diesem Zirkel zahlten fast ausschliesslich Hutu die wie Habyarimana aus dem Norden oder Nordosten Ruandas stammten Bereits Ende der 80er Jahre setzten nationale und internationale Forderungen nach Demokratisierung und Pluralismus den Einparteienstaat Habyarimanas unter Druck Seit Oktober 1990 erhohte sich dieser Druck weil die Rebellentruppe Ruandische Patriotische Front RPF die sich vorzugsweise aus exilierten Tutsi zusammensetzte von Uganda aus wiederholt erfolgreiche Angriffe auf staatliche und militarische Einrichtungen Ruandas unternahm Wie andere radikale Hutu war auch Bagosora ein erklarter Gegner der ruandischen Tutsi Er hielt sie fur unrechtmassige Eindringlinge und fur Komplizen der Rebellenarmee Laut Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof fur Ruanda bildete er von Ende 1990 bis Mitte 1994 mit gleichgesinnten Radikalen eine kriminelle Vereinigung um einen Plan zur Vernichtung der Tutsi auszuarbeiten und umzusetzen sowie zugleich Hutu Oppositionelle zu beseitigen Auf diese Weise sollte die Macht des Zirkels um Habyarimana gewahrt bleiben Elemente dieses Plans waren die Forderung von ethnischer Gewalt und Hass die Aufstellung und die Ausbildung von Hutu Milizen der Kauf und die Verteilung von Waffen an Hutus sowie die Anfertigung von umfangreichen Todeslisten 8 Denkschrift zur Feinderklarung Bearbeiten nbsp Auszug aus dem Terminkalender von Bagosora Februar 1992 Hier skizzierte er Elemente eines Programms fur zivile Selbstverteidigung 9 Am 4 Dezember 1991 setzte Habyarimana eine Militarkommission ein die eine Denkschrift ausarbeiten sollte Die Leitfrage dabei war Was muss unternommen werden um den Feind in militarischer medialer und politischer Hinsicht zu besiegen Bagosora ubernahm den Vorsitz dieser Kommission 10 Der entscheidende Teil der Denkschrift wurde ab September 1992 innerhalb der ruandischen Armee gezielt und breit gestreut Die entscheidenden Passagen des Memorandums fanden sich im September 1992 auch auf Flugblattern einer radikalen Hutu Partei Nach diesen Passagen setzte sich der Hauptfeind aus folgenden Gruppen zusammen Tutsi Fluchtlinge Mitglieder der ugandischen Armee in Ruanda lebende Tutsi Hutu die mit dem Habyarimana Regime unzufrieden sind Arbeitslose innerhalb und ausserhalb Ruandas Auslander die mit Tutsi Frauen verheiratet sind in der Region lebende Angehorige nilohamitischer Volker Kriminelle Jeder der den Hauptfeind in irgendeiner Weise unterstutzt wurde ferner als sekundarer Feind definiert In der Denkschrift wurde unterstellt der Feind habe bereits einflussreiche Positionen in Politik und Verwaltung inne Im Dokument wurden uberdies mehrere bekannte Personen namentlich als Feinde bezeichnet Gemass der Anklage gegen Bagosora haben der Inhalt und die Verwendung des Memorandums durch die Armeefuhrung zu ethnischem Hass und Gewalt aufgerufen und ihn gefordert Von Oktober 1990 bis April 1994 wurden Tutsi und Hutu Oppositionelle immer wieder Opfer von Gewalt und Massakern die als Rache fur militarische Erfolge der RPF deklariert wurden Die Behorden forderten diese Gewaltakte oder nahmen sie hin Die Tater wurden nie bestraft Diese Uberfalle bei denen etwa 2 000 Tutsi und etliche Hutu niedergemetzelt wurden waren Vorlaufer des Volkermords von 1994 11 Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen soll sich Bagosora an fuhrender Stelle an der Zusammenstellung und Lenkung von Todesschwadronen beteiligt haben 12 Todeslisten und Verteilung von Waffen Bearbeiten 1992 wies Bagosora Generalstabsmitglieder an Listen uber Feinde und deren Unterstutzer zu erstellen Diese Listen wurden angefertigt und im Anschluss regelmassig aktualisiert Sie wurden wahrend des Volkermords unter anderem von den Milizen wie der Interahamwe benutzt Bagosora wirkte an der Bewaffnung von Milizen und ausgewahlten Zivilisten mit die spater am Volkermord direkt beteiligt waren Diese Mithilfe bei der Bewaffnung nicht militarischer Personengruppen bezog sich beispielsweise im Februar 1993 auf seine Heimat Giciye Widerstand gegen das Arusha Abkommen Bearbeiten Bagosora nahm an Verhandlungen im Rahmen des Arusha Abkommens teil Allerdings opponierte er scharf gegen jedes Zugestandnis an die RPF Er verliess schliesslich den Verhandlungstisch in Richtung Ruanda mit den Worten er werde die Apokalypse vorbereiten Mehrfach sprach Bagosora vor Zeugen davon die Losung der Konflikte liege in solch einer Apokalypse bei der alle Tutsi vernichtet wurden erst anschliessend sei mit einem dauerhaften Frieden zu rechnen Noch wenige Tage vor dem Beginn des Volkermords am 6 April 1994 wiederholte Bagosora nur in der Vernichtung der Tutsi liege die Losung fur die Krise des Landes 13 Fuhrende Position wahrend des Volkermords BearbeitenVorsitz des Krisenstabs Bearbeiten Nach dem Abschuss des Flugzeugs von Prasident Habyarimana am Abend des 6 April 1994 nutzte Bagosora die Abwesenheit von anderen fuhrenden Militars der ruandischen Armee um sich als Chef eines Krisenstabes aus ranghohen Offizieren zu installieren Bagosora strebte in dieser Situation auch die Ubernahme der politischen Macht an was von der Mehrheit des Krisenstabs jedoch abgelehnt wurde Er weigerte sich mehrfach die Premierministerin Agathe Uwilingiyimana zu konsultieren welche nach dem Tod des Prasidenten das hochste Staatsamt bekleidete Ermordung von Regierungsmitgliedern und belgischen UNAMIR Soldaten Bearbeiten In den Stunden der Etablierung des Krisenstabs unter Bagosora wurde Agathe Uwilingiyimana von Militarangehorigen ermordet Auch weitere Regierungsmitglieder wurden in diesen ersten Stunden des Volkermords getotet Zu den ersten Opfern gehorten ebenfalls zehn belgische Soldaten die zum Kontingent der UN Friedenstruppe UNAMIR zahlten Sie wurden bei ihrem Versuch die Premierministerin zu schutzen umgebracht Bagosora war zur Tatzeit in unmittelbarer Nahe des Tatorts und wusste von der Gefahrdung der Belgier schritt aber nicht ein Der Mord an den belgischen Soldaten fuhrte zum raschen Ruckzug fast der gesamten UNAMIR Mission aus Ruanda Etablierung einer Ubergangsregierung Bearbeiten Am Morgen des 8 April 1994 versammelte Bagosora eine ausgewahlte Gruppe von Politikern um sich um eine Ubergangsregierung bilden und einen Staatsprasidenten ernennen zu lassen Die Ubergangsregierung setzte sich aus Personen zusammen die allesamt zu den radikalen Hutus und den Habyarimana Anhangern gehorten Zum Staatsprasidenten wurde Theodore Sindikubwabo ernannt Mit diesen Entscheidungen wurde das Arusha Abkommen hinfallig das eine Teilung der politischen und militarischen Macht zwischen den Habyarimana Anhangern den Hutu Oppositionellen und der RPF vorgesehen hatte Die Ubergangsregierung setzte die vorhandenen Plane zur Durchfuhrung des Volkermords an den Tutsi und zur Eliminierung der Hutu Oppositionellen um Befehle zum Volkermord Bearbeiten Bagosora erteilte laut der Anklage Befehle zum Volkermord wusste von seiner Durchfuhrung und lehnte jedes Einschreiten gegen diese Taten ab Direkte Befehle zur Ausubung des Volkermords erhielten die Prasidentengarde die Parakommandos sowie das Aufklarungsbataillon durch Bagosora Auch soll er personlich der Interahamwe in Remera einem Ort im Westen Ruandas den Auftrag zum Beginn des Mordens erteilt haben Am 7 April 1994 rief er die Burger Ruandas ausserdem uber das Radio dazu auf in ihren Hausern zu bleiben Dieser Aufruf hat den Anklagebehorden zufolge die Ermordung der Personen erleichtert die auf den vorbereiteten Todeslisten gefuhrt wurden Am 11 April 1994 war Bagosora nach Zeugenaussagen vor Ort als die Interahamwe und Einheiten der ruandischen Armee gemeinsam die Ecole Technique Officielle in Kigali umstellten um Tutsi die sich dorthin gefluchtet hatten herauszuholen Eine grossere Gruppe dieser Tutsi wurde zu einem Fussmarsch gezwungen und dabei massakriert Flucht und Prozess BearbeitenNach dem Sieg der Rebellenarmee RPF fluchtete Bagosora im Juli 1994 ausser Landes Zunachst setzte er sich nach Zaire heute Demokratische Republik Kongo ab Dort sorgte er fur die Beschaffung von Waffen fur die nach Zaire geflohenen Hutu Milizen die eine Ruckeroberung Ruandas anstrebten Die Waffen sollen laut einem Bericht der Vereinten Nationen aus Sudafrika uber die Seychellen nach Goma einer Grossstadt Zaires an der Grenze zu Ruanda geliefert worden sein 14 1995 siedelte sich Bagosora in Kamerun an Am 9 Marz 1996 wurde er in Yaounde der Hauptstadt Kameruns festgenommen und am 23 Januar 1997 nach Arusha Tansania verbracht Die Anklage warf Bagosora in zwolf Anklagepunkten Volkermord Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schwere Kriegsverbrechen vor Ab Anfang April 2002 wurden Bagosora und drei weiteren fuhrenden Militars Gratien Kabaligi Anatole Nsengiyumva und Aloys Ntabakuze vor der 1 Kammer des Internationalen Strafgerichtshofs fur Ruanda der Prozess gemacht In allen Anklagepunkten erklarte sich Bagosora fur nicht schuldig Zudem bestritt er dass in Ruanda ein Volkermord stattgefunden habe Nach insgesamt 408 Verhandlungstagen wurde der Prozess Anfang Juni 2007 abgeschlossen 15 Am 18 Dezember 2008 wurde Bagosora schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt 16 In der Berufung wurde die Haftstrafe auf 35 Jahre reduziert 17 Weblinks BearbeitenErstinstanzliches Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs fur Ruanda gegen Theoneste Bogosora et al vom 18 Dezember 2008 englisch PDF Datei 3 3 MB Berufungsurteil des Internationalen Strafgerichtshofs fur Ruanda gegen Theoneste Bogosora et al vom 14 Dezember 2011 englisch PDF Datei 1 7 MB Trial Watch Theoneste Bagosora Fallinformationen in der Datenbank TRIAL Watch Stefan Ehlert Planer der Apokalypse In Berliner Zeitung 2 April 2002 abgerufen am 9 Juni 2015 Christoph Link Schlusselfigur des Volkermords In Der Tagesspiegel 2 April 2002 abgerufen am 9 Juni 2015 Arne Perras Die Apokalypse vorbereitet In Suddeutsche Zeitung 7 April 2004 abgerufen am 9 Juni 2015 Einbettung der Biografie Bagosoras und seiner mutmasslichen Taten in eine Uberblicksdarstellung zum Volkermord in Ruanda auf der englischsprachigen Website www moreorless au com Abruf am 21 November 2007 Anmerkungen Bearbeiten Muere a los 80 anos Theoneste Bagosora el cerebro del genocidio ruandes In Swissinfo 25 September 2021 abgerufen am 25 September 2021 spanisch Die Zahl der Volkermordopfer schwankt in der Literatur und der Berichterstattung Am haufigsten ist die Angabe 800 000 bis eine Million Gelegentlich wird auch von mehr als einer Million Toten gesprochen Alison Des Forges gibt in ihrer Studie die im Auftrag von Human Rights Watch entstand eine vorsichtigere Schatzung ab Sie nennt eine Zahl von ca 500 000 Toten Auch sie geht jedoch davon aus dass ca dreiviertel aller Tutsi umgebracht wurden Rwanda genocide kingpin Theoneste Bagosora dies in prison In BBC News 26 September 2021 abgerufen am 8 April 2022 englisch Biedere Fassade In Der Spiegel Nr 27 1996 S 120 online Die Angabe zu Belgien stammt aus Biedere Fassade In Der Spiegel Nr 27 1996 S 120 online Siehe erstinstanzliches Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs fur Ruanda gegen Bagosora et al vom 18 Dezember 2008 Abschnitt 45 Zu den Posten die Bagosora wahrend seiner Karriere bekleidete vgl das erstinstanzliche Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs fur Ruanda gegen Bagosora et al vom 18 Dezember 2008 Abschnitt 46 50 Anklage gegen Bagosora Seite 18 Memento vom 3 Januar 2014 im Internet Archive PDF Alison Des Forges Kein Zeuge darf uberleben Der Genozid in Ruanda Hamburger Edition Hamburg 2002 ISBN 3 930908 80 8 S 143 Vgl zu Bagosora als dem Kommissionsvorsitzendem die Anklage gegen Bagosora Seite 19 Memento vom 3 Januar 2014 im Internet Archive Dort auch die zitierte Leitfrage fur die Kommission Zu den Inhalten der Denkschrift und ihren Wirkungen siehe Alison Des Forges Kein Zeuge darf uberleben S 91 93 Alison Des Forges Kein Zeuge darf uberleben S 119 Siehe Colonel Apocalypse in Time europaische Ausgabe vom 10 Juni 1996 Anklage gegen Bagosora Seite 21 Memento vom 3 Januar 2014 im Internet Archive Biedere Fassade In Der Spiegel Nr 27 1996 S 120 online Rwanda Bagosora Case Lawyers Close Arguments Meldung in The Times Kigali vom 5 Juni 2007 Lebenslanglich fur Massenmord an Tutsis Meldung der Zeitung Die Welt vom 18 Dezember 2008 Rwanda genocide Bagosora s life sentence reduced Abruf am 18 Dezember 2011 nbsp Dieser Artikel wurde am 1 Juli 2007 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Normdaten Person LCCN no2016072529 VIAF 38146635716641982771 Wikipedia Personensuche Kein GND Personendatensatz Letzte Uberprufung 26 September 2021 PersonendatenNAME Bagosora TheonesteKURZBESCHREIBUNG ruandischer Oberst militarischer Planer des Volkermords in RuandaGEBURTSDATUM 16 August 1941GEBURTSORT Giciye RuandaSTERBEDATUM 25 September 2021STERBEORT Koulikoro Mali Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Theoneste Bagosora amp oldid 237361302