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Die Stuttgarter Stadt Glocke war eine Zeitung die von 1844 bis 1848 als Tag und Nachtblatt in Stuttgart erschien Kopfzeile der Stuttgarter Stadt Glocke Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Nachwirkung 3 Kritik 4 Sonstiges 5 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenAm 22 Dezember 1844 kam das erste Exemplar der Stuttgarter Stadt Glocke die taglich ausser montags erscheinen sollte heraus Sie erreichte schon nach dem ersten Monat eine Auflage von uber 1000 Exemplaren Verleger war der Stadtrat und Buchdrucker Johann Gottlieb Munder 1802 1870 Die Stuttgarter Stadt Glocke verbreitete Fortsetzungsgeschichten historischen und vaterlandischen Inhalts angekundigt als Sagen oder Erzahlungen die mundlich oder schriftlich von fruheren Generationen uberliefert worden seien Tatsachlich waren die Texte jedoch frei erfunden was der Leserschaft indes offenbar nicht immer klar war Der fiktive Held der ersten Serie war Anton Webercus ein angeblich mehr als hundertjahriger Mann der in Tagebuchform die Sittengeschichte des 18 Jahrhunderts niedergeschrieben haben sollte Webercus der angeblich an einem 1 April beim Abzahlen von 500 Wascheklammern verstarb fand 1896 Eingang in die Allgemeine Deutsche Biographie 1 In den weiteren Erzahlungen wurden nach und nach alle wichtigen Epochen der wurttembergischen Geschichte bearbeitet Die Handlungsorte bezogen sich meist auf bekannte Stellen in und um Stuttgart Bis heute ist die Frage um den oder die Autoren der Geschichten nicht abschliessend geklart Als erster Autor behauptete 1886 der Heimatforscher und Literaturhistoriker Julius Hartmann 1836 1916 nach zuverlassiger Mitteilung sei nicht der Buchdrucker Johann Gottlieb Munder sondern sein Bruder Friedrich geb in Stuttgart 1799 als Pfarrer in Eltingen 1851 der Verfasser Hartmann bezog sich mit dieser Angabe generell auf die von ihm so bezeichneten Sagen aus der Stadt Glocke 2 Spater ubernahmen andere Autoren die Mitteilung So wurde beispielsweise auch die Sage vom Postmichel dem Pfarrer Wilhelm Friedrich Munder zugeschrieben obwohl es dafur keinen Beleg gibt Sie erschien in Fortsetzung unter dem Titel Das Steinkreuz auf der Esslinger Steige bei Stuttgart in den Nummern 55 bis 68 im Marz 1845 und erneut in dem ebenfalls von Munder herausgegebenen Band Die Glocke von 1849 Zweifelhaft wird diese Zuschreibung weil Johann Gottlieb Munder 1844 eine Gedichtsammlung unter dem Titel Poetische Versuche eines Buchdruckers in seinen Feierstunden herausbrachte in der neben dem Postmichelthema auch weitere Stoffe die spater in der Stuttgarter Stadt Glocke bearbeitet wurden auftauchen 3 Moglicherweise war also der Verleger selbst wie Klaus Graf vermutet der Verfasser der Fortsetzungsgeschichten Auf Julius Hartmann geht ebenso die Vermutung zuruck Johann Gottlieb Munder sei 1849 oder 1850 nach Amerika gegangen Tatsachlich wanderte Munder 1854 mit drei seiner Kinder aus 4 Er starb am 9 November 1870 in Baltimore 5 Nachwirkung Bearbeiten nbsp Relief auf dem Esslinger Postmichelbrunnen Der kopflose ReiterNicht nur die hohen Auflagen und der Eintrag des fiktiven Herrn Webercus in der ADB zeugen von der regen Aufnahme der Stuttgarter Stadt Glocke beim Publikum Eduard Morike etwa berief sich in seinem 1853 erschienenen Stuttgarter Hutzelmannlein auf eine angebliche Esslinger Hauschronik Diese Quelle war aber ebenfalls eine Erfindung der Stadt Glocke Worter wie Morgenatz oder Wiegentag die Morike unter Berufung auf die Marchthalersche Hauschronik verwendet gehen also offenbar auf einen der beiden Bruder Munder zuruck 6 1849 kam das historische Unterhaltungsbuch Die Glocke bei Munder heraus seine letzte Publikation in der zahlreiche Erzahlungen aus der vormaligen Stadt Glocke erneut erschienen Wurttemberg wie es war und ist ein Serientitel aber ursprunglich ein Volksbuch aus den Jahren 1854 55 das in den folgenden Jahrzehnten von verschiedenen Verlagen und Herausgebern standig erweitert wurde enthielt wiederum etliche dieser Erzahlungen Auch der ehemalige Fourier und Sekretar Friedrich Nick ubernahm 1875 in seinem Stuttgarter Chronik und Sagenbuch sic mehrere der Munderschen Texte wortwortlich Wilhelm Seytter verwendete sie in Unser Stuttgart 1904 erneut ebenso tauchten sie im Sagenband der Wurttembergischen Volksbucher des Lehrer Unterstutzungs Vereins 1905 wieder auf Hedwig Lohss griff mit ihren 1936 und 1960 erschienenen Alt Stuttgarter Sagen und Geschichten vorwiegend auf Nick zuruck Karl Gerok wiederum verwendete etliche Stoffe aus der Stuttgarter Stadt Glocke fur seine Gedichte 7 Die grosste Bekanntheit erreichte wohl die angebliche Sage vom Postmichel 1916 wurde in Esslingen der durch eine Stiftung finanzierte Postmichelbrunnen aufgestellt zu dessen Gunsten extra ein Vorgangerbrunnen transloziert werden musste Die Sage vom unschuldig hingerichteten Postmichel der nach seinem Tod dem Scharfrichter und dem wahren Morder des Amandus Marchthaler als kopfloser Reiter erscheint wird auf den Reliefs des Brunnentroges veranschaulicht 8 Kritik BearbeitenIm 20 Jahrhundert wurde an der Verbreitung unechter Sagen heftige Kritik geubt Bei Friedrich Nick etwa erscheint eine Erzahlung uber einen angeblichen Moritzturm der Stuttgarter Leonhardskirche der uberhaupt nicht existiert Erfunden wurde er weil in den Annales Suevici des Martin Crusius die hier offenbar als einzige Quelle herhalten mussten ein Eintrag uber den Augsburger Moritzturm durch ein Versehen des Druckers in den Abschnitt uber Stuttgart geraten war Daher wurde fur Nicks Buch der Titel Stuttgarter Lugen Chronik vorgeschlagen Der Esslinger Stadtarchivar Paul Eberhardt bezeichnete vielleicht erzurnt uber den Postmichel Kult in seiner Stadt Munder abwertend als Sagenfabrikant 9 Als Bearbeiter und Herausgeber fingierte Johann Gottlieb Munder auch eine angeblich von Poggio Bracciolini verfasste Kurze Todesgeschichte des Joh Huss 10 Auch dies ist eine der Stadt Glocke Falschungen 11 Ein Hoax den man schwer erledigen kann A Hoax Hard to Kill urteilte Richard G Salomon 1956 12 Auf der anderen Seite gehorte J G Munder nicht nur als Stadtrat und zeitweiser Vorsteher der Stuttgarter Buchdrucker zur liberalen Opposition des Vormarz 13 Das Wurzburger Journal veroffentlichte im Marz 1849 eine Korrespondenz aus Stuttgart in der Munder als Demokratischer Hauptschreier und Generalschimpfer bezeichnet wurde 14 Sonstiges BearbeitenUngeklart ist der Zusammenhang von Munders Namensgebungen fur seine Publikationen Stuttgarter Stadt Glocke und Die Glocke mit der im Herbst 1843 gegrundeten Stuttgarter literarisch kunstlerischen Gesellschaft Die Glocke Einzelnachweise Bearbeiten In einem Korrekturhinweis gab Julius Hartmann 1910 an der Name Webercus laute richtig Weberous der Mann sei jedoch aus der ADB zu streichen da er vom Bruder des Verlegers einem Pfarrer erfunden worden sei Dessen Vornamen gab Hartmann mit Wolf Friedrich an Der richtige Name war jedoch Wilhelm Friedrich Munder vg etwa die Unterlagen des Landesarchivs Munder war nacheinander Pfarrer in Ochsenwang Dorrenzimmern Ganzlosen und Eltingen Julius Hartmann Chronik der Stadt Stuttgart Sechshundert Jahre nach der ersten denkwurdigen Nennung der Stadt 1286 Stuttgart 1886 S VIII und S 2 Online 1 Klaus Graf Sagen rund um Stuttgart Braun Verlag 1995 ISBN 3 7650 8145 0 S 56 Erstmals erwahnte der deutsch amerikanische Historiker Richard Georg Salomon im Jahre 1956 diese poetischen Versuche Munders Auswanderung aus Sudwestdeutschland Eingabe Johann Gottlieb Munder J G Munder in der Datenbank Find a Grave abgerufen am 27 Juni 2022 englisch Graf S 58 Graf S 59 Andrea Steudle u a Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland Kulturdenkmale in Baden Wurttemberg Band 1 2 1 Stadt Esslingen am Neckar Ostfildern 2009 ISBN 978 3 7995 0834 6 S 101 und 113 f Graf S 60 http books google de books id e NeAAAAcAAJ das ist ein Reutlinger Nachdruck Das Original von Johann Gottlieb Munder Pogius Florentinus Zuerst gezeigt von Josua Eiselein https books google de books id bzw4AAAAYAAJ amp pg PA44 Zuletzt http www rd nl opinie verslag poggius over concilie van constanz fictie 1 649793 Angezweifelt von einem anderen niederlandischen Theologen http www rd nl opinie poggius brieven te gemakkelijk weggezet als fictie 1 649792 JSTOR 750249 lizenzpflichtig Vgl z B die Schriften von Raimund Waibel uber Fruhliberalismus und Gemeindewahlen in Wurttemberg 1992 Sabine Lang uber die politische Offentlichkeit im modernen Staat 2001 Karin Rabenstein Kiermaier uber Conrad Haussmanns Leben und Werk 1993 u a m Wurzburger Journal Nr 54 vom 3 Marz 1849 Online 2 Der Artikel unterstellt eine bislang nicht nachgewiesene Unterschlagung Munders mit anvertrautem Gut und seine Absicht schon zu dieser Zeit nach Amerika auszuwandern Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Stuttgarter Stadt Glocke amp oldid 235580499