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Der Starstich auch Skleronyxis in Bezug auf die Luxation der Linse mit der durch die Sklera eingestochenen Starnadel als Depressio lentis Depression der Starlinse oder Reclinatio lentis 1 Couching ist das Hinunterstossen bzw Hinunterdrucken der Augenlinse mit einer Nadel in den Glaskorper auf den Boden des Augapfels 2 und war uber Jahrtausende eine einfache Operationsmethode zur Behandlung des Grauen Stars die seit dem Altertum bis ca 1800 angewandt wurde In manchen Regionen der Dritten Welt wird der Starstich in Ermangelung besserer Behandlungsmoglichkeiten wie der modernen Kataraktextraktion und medizinischer Versorgung noch heute durchgefuhrt 3 4 Starstich Katarakt Operation um 1746Starstich in einem mittelalterlichen Manuskript Inhaltsverzeichnis 1 Prinzip des Starstichs 2 Durchfuhrung 3 Geschichte 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweisePrinzip des Starstichs BearbeitenBeim Starstich wird mit einer sogenannten Starstichnadel in das Auge gestochen und die getrubte Augenlinse auf den Boden des Augapfels gedruckt Nach dieser auch Reclinatio lentis genannten Prozedur kann das Licht ohne Hindernis auf die Netzhaut fallen der Patient kann besser sehen wenngleich durch die fehlende Brechkraft der Linse in der Regel eine starke Ubersichtigkeit von etwa 19 00 Dioptrien die Folge ist nbsp CouchingNeben der Reclinatio lentis englisch Couching genannt gab es zur Operation des Grauen Stars auch das Aussaugen der Linse sowie die radikale Linsenextraktion 5 Durchfuhrung BearbeitenUber die Jahrtausende in denen der Starstich durchgefuhrt wurde hatten sich in Abhangigkeit von den anatomischen Kenntnissen auch die Techniken verandert Der Okulist von lateinisch oculus Auge ein in fruheren Zeiten augenheilkundlich tatiger Wundarzt auch Starstecher genannt und Patient sitzen sich bei der Reclinatio lentis dem ublicherweise angewandten Verfahren des Starstichs gegenuber Ein hinter dem Patienten stehender Helfer packt dessen Kopf und druckt ihn fest gegen seine Brust Der Starstecher sticht mit der Starstichnadel am Limbus seitlich der Regenbogenhaut Iris in den Augapfel hinein bewegt die scharfe Spitze von der Vorderkammer aus durch die Pupille nach hinten oben und durchtrennt die Zonulafasern Nun muss er die Linse oben mit der Nadel erfassen und auf den Grund des Glaskorpers hinabdrucken Um ein Wiederaufsteigen der Linse zu vermeiden halt der Operateur sie dort noch eine Weile fest Nach dem Eingriff wird ein Verband uber beide Augen gelegt um das Auge ruhigzustellen Die Linse konnte aber durchaus nach langerer Zeit wieder aufsteigen und so dem Patienten das Sehen erneut unmoglich machen 6 Oft handelte es sich bei solchen Okulisten um spezialisierte reisende Wundarzte die ihre Dienste auf Messen und Jahrmarkten anboten Einer der bekanntesten Okulisten ist Johann Andreas Eisenbarth dessen Wirken exemplarisch fur die Tatigkeit solcher Okulisten ist Das Herumreisen erweiterte nicht nur den Kreis der moglichen Patienten sondern schutzte den Operateur wohl auch vor der Reaktion von Patienten bei denen bei dieser Operationsmethode Komplikationen aufgetreten waren Opfer solcher Komplikationen wurden moglicherweise Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Handel die beide von demselben Okulisten John Taylor behandelt worden waren Handel brachte Taylors Heilkunst keine nachhaltige Besserung Er erblindete erneut Bach starb vier Monate nach zwei Augenoperationen ohne sich zwischendurch vollstandig erholt zu haben 7 Wie der weit umhergereiste Taylor war auch John Thomas Woolhouse ein am Starstich gut verdienender Gegner der damals sich etablierenden Lehrmeinung dass der Graue Star seine Ursache in der Augenlinse hat 8 Durch das Tragen von Brillen nach der Staroperation konnte das Sehen verbessert werden So empfahl Herman Boerhaave den Staroperierten das Tragen von Convexglasern 9 Allgemein waren die Ergebnisse dieses groben Eingriffs schlecht und sind es noch heute die Quoten von Entzundungen Sekundarerkrankungen Glaukom Rezidiven die Linse geriet wieder in die Gesichtslinie und vollstandiger Erblindung sind nach wie vor sehr hoch 4 Geschichte BearbeitenStarstiche sind bereits aus babylonischer Zeit bekannt Schon damals wurde ein spitzer Gegenstand in den Glaskorper hineingestossen Man verhalf Erblindeten so zu neuer Sehkraft wenngleich infolge haufiger Infektionen viele Menschen in der Folgezeit vollends erblindeten und bisweilen auch verstarben Hinweise auf diese Art der Therapie finden sich auch im Codex Hammurapi 215 Wenn ein Arzt einen Mann mit einem bronzenen Instrument von einer schweren Wunde geheilt oder das Fleckchen im Auge eines Mannes mit dem bronzenen Instrument geoffnet und das Auge des Mannes geheilt hat sind ihm dafur zehn Schekel Silber zu bezahlen Warum der Starstich vor allem durch wandernde Heiler durchgefuhrt wurde verdeutlicht im Zusammenhang mit dem hohen Erblindungsrisiko die kurz danach aufgefuhrte Verfugung 218 Wenn der Arzt einen freien Mann mit einem bronzenen Instrument an einer schweren Wunde behandelt und sterben lasst und wenn er das Fleckchen im Auge des Mannes mit dem Instrument aus Bronze geoffnet aber das Auge des Mannes zerstort hat wird man seine Hande abschlagen Diese Textstellen des Codex Hammurapi um 1700 v Chr belegen dass es sich beim Verhaltnis zwischen Arzt und Patient bereits um ein Vertragsverhaltnis gehandelt hat Sie belegen aber auch dass das Gesellschaftssystem der Babylonier je nach Rechtsstellung seiner Mitglieder unterschiedliche Vertragsverpflichtungen oder Sanktionen bei Vertragsbruchen vorsah So mussten beispielsweise fur einen Starstich an einem Sklaven lediglich zwei Schekel Silber bezahlt werden also nur ein Funftel des Preises fur den Starstich an seinem Herrn Die Behandlung des Sklaven hatte sein Herr zu bezahlen 10 In Griechenland war die Niederdruckung des Stars eine Zerstuckelung der Linse wurde nur selten durchgefuhrt sicher schon in klassischer Zeit bekannt Eine Starextraktion soll Rhazes zufolge Antyllos im 2 Jahrhundert n Chr vorgenommen haben 11 Die wohl alteste belegte Beschreibung des Starstichs wie er von Aulus Cornelius Celsus Galenos Paulos von Aigina und anderen Medizinschriftstellern der Antike geschildert wurde in der griechischen Antike ist im Ophthalmikos einem von Arzt Demosthenes Philalethes im 1 Jahrhundert n Chr verfassten Lehrbuch der Augenheilkunde enthalten 12 Auch der byzantinische Chirurg Heliodoros soll gemass Oreibasios im 2 Jahrhundert n Chr einen solchen Starstich vorgenommen haben 13 Die Durchfuhrung des Starstichs in Indien erwahnte bereits Sushruta Ausfuhrlicher beschrieben wird die Methode bei Vagbhata Im alten China ist der Starstich nicht belegt 14 Der Starstich wurde im 18 Jahrhundert so 1746 durch Jacques Daviel 15 von der Linsenextraktion verdrangt Heutzutage ist der Starstich kaum noch verbreitet und spielt nur noch in wenigen Entwicklungslandern eine Rolle 16 In einigen Landern Schwarzafrikas oder landlichen Gebieten Indiens ist der Starstich durch traditionelle Heiler bis heute weit verbreitet wobei nicht nur die schlechte Zuganglichkeit zu modernen Augenkliniken sondern auch ein traditionelles Misstrauen gegenuber westlicher Medizin eine Rolle spielt Wissenschaftliche Studien aus den fruhen 2000er Jahren haben gezeigt dass traditionelle Starstiche keinen langfristigen Vorteil fur die Patienten bringen und Komplikationsraten hoch sind Literatur BearbeitenRichard Greff Rembrandts Darstellungen der Tobiasheilung nebst Beitragen zur Geschichte des Starstichs Eine kulturhistorische Studie Stuttgart 1907 Klaus Jacob Der Starstich in Athiopien In Klinische Monatsblatter fur Augenheilkunde Bd 162 Heft 3 1973 ISSN 0023 2165 S 407 411 Frank Krogmann Staroperation In Werner E Gerabek u a Hrsg Enzyklopadie Medizingeschichte De Gruyter Berlin New York 2005 ISBN 3 11 015714 4 S 1356 f Christian Probst Fahrende Heiler und Heilmittelhandler Medizin von Marktplatz und Landstrasse Rosenheimer Verlagshaus Rosenheim 1992 ISBN 3 475 52719 7 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Starstich Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten Carl Hans Sasse Geschichte der Augenheilkunde in kurzer Zusammenfassung mit mehreren Abbildung und einer Geschichtstabelle Bucherei des Augenarztes Heft 18 Ferdinand Enke Stuttgart 1947 S 60 Gundolf Keil blutken bloedekijn Anmerkungen zur Atiologie der Hyposphagma Genese im Pommersfelder schlesischen Augenbuchlein 1 Drittel des 15 Jahrhunderts Mit einer Ubersicht uber die augenheilkundlichen Texte des deutschen Mittelalters In Fachprosaforschung Grenzuberschreitungen Band 8 9 2012 2013 S 7 175 hier S 11 f mit Anm 41 und Anm 49 S 24 mit Anm 167 und S 65 mit Anm 514 Insuccessful couching auf der Webseite der University of Iowa Health Care Ophthalmology amp Visual Sciences a b M A Isawumi O U Kolawole and M B Hassan Couching Techniques for Cataract Treatment in Osogbo South West Nigeria In Ghana Medical Journal Bd 47 Nr 2 Juni 2013 S 64 69 PMC 3743109 freier Volltext Gundolf Keil Karen Aydin Starstich In Mamoun Fansa u a Hrsg Ex oriente lux Wege zur neuzeitlichen Wissenschaft Begleitband zur Sonderausstellung im Augusteum Oldenburg Mainz Oldenburg 2009 Schriftenreihe des Landesmuseums fur Natur und Mensch Band 70 S 435 442 und 495 526 Christian Probst Fahrende Heiler und Heilmittelhandler Medizin von Marktplatz und Landstrasse 1992 S 39 f Richard H C Zegers The Eyes of Johann Sebastian Bach In Archives of Ophthalmology Band 123 Nr 10 2005 S 1427 1430 doi 10 1001 archopht 123 10 1427 Carl Hans Sasse Geschichte der Augenheilkunde in kurzer Zusammenfassung mit mehreren Abbildung und einer Geschichtstabelle Bucherei des Augenarztes Heft 18 Ferdinand Enke Stuttgart 1947 S 37 f Carl Hans Sasse Geschichte der Augenheilkunde in kurzer Zusammenfassung mit mehreren Abbildung und einer Geschichtstabelle 1947 S 38 Wolfgang U Eckart Geschichte der Medizin 1 Aufl 1990 S 19 20 2 Aufl 1994 S 19 20 3 Aufl 1998 S 23 24 4 Aufl 2001 S 23 24 jeweils Springer Verlag Berlin Heidelberg New York Carl Hans Sasse Geschichte der Augenheilkunde in kurzer Zusammenfassung mit mehreren Abbildung und einer Geschichtstabelle Bucherei des Augenarztes Heft 18 Ferdinand Enke Stuttgart 1947 S 26 Wolfgang Wegner Demosthenes Philalethes In Werner E Gerabek Bernhard D Haage Gundolf Keil Wolfgang Wegner Hrsg Enzyklopadie Medizingeschichte De Gruyter Berlin New York 2005 ISBN 3 11 015714 4 S 292 f Wolfgang Uwe Eckart Byzanz Huter des Wissens In Medizin im Mittelalter Zwischen Erfahrungswissen Magie und Religion Spektrum der Wissenschaften Spezial Archaologie Geschichte Kultur Band 2 19 2019 S 20 27 hier S 22 Carl Hans Sasse Geschichte der Augenheilkunde in kurzer Zusammenfassung mit mehreren Abbildung und einer Geschichtstabelle Bucherei des Augenarztes Heft 18 Ferdinand Enke Stuttgart 1947 S 14 und 16 Paul Diepgen Heinz Goerke Aschoff Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin 7 neubearbeitete Auflage Springer Berlin Gottingen Heidelberg 1960 S 34 Couching Abgerufen am 8 Oktober 2019 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Starstich amp oldid 232783631