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Die Stadthallen in Schwerin am Marienplatz waren ein zwischen 1909 und 1910 im Jugendstil errichtetes Saalbauwerk mit Gastronomiebetrieb das spater erweitert wurde Bis auf die historische Jugendstilfassade und das Foyer wurde der Gebaudekomplex fur den Neubau eines Einkaufszentrums am 24 25 Januar 1997 abgerissen Erhaltene Fassade der Stadthallen als Bestandteil des Schlossparkcenters 2008 Erhaltene Fassade Ausschnitt Inhaltsverzeichnis 1 Architektur 2 Geschichte 3 Quellen 4 EinzelnachweiseArchitektur BearbeitenDie Stadthallen waren ein aus Backstein gemauerter Massivbau mit Jugendstilfassade Die Architektur des kompakten hohen und extrovertierten Gebaudes zeigt einen vom Jugendstil beeinflussten Neoklassizismus Bei der Fassadengestaltung orientierte sich der Architekt moglicherweise an dem 1859 erbauten und 1907 abgebrochenen Lubecker Casino Theater Die Idee erste Zeichnungen und der verwirklichte Entwurf fur den Bau der Stadthallen stammten vom Bauherrn Johannes Durkop die Ausfuhrung lag in den Handen des Lubecker Architekten Rudolf Wilkens Wilkens entwarf die Fassade als Portalarchitektur im neoklassizistischen Stil mit reichem Jugendstildekor gegliedert in figurlichen und plastischen Fries Schmuckelementen und vier Halbsaulen mit jeweils verzierten Kapitellen Diese Saulengestaltung mit dem besonders ausgeformten oberen Abschluss fand sich im gesamten Gebaude wieder zum Beispiel im Foyer und im Jugendstilsaal An der Fassade sind Tanzszenen von griechischen Musen mit Satyr in Gestalt des sinnlichen Verfuhrers dargestellt Eine weitere bildliche Darstellung der Verfuhrung von Musen insbesondere durch die Kunst der Musik gab es auch als Wandgemalde im grossen Festsaal uber dem Buhnenbau Im Erdgeschoss befanden sich das prunkvoll mit Stuck und Vergoldungen und in seinen Dimensionen grosszugig gestaltete Foyer im Art deco Stil ein Kino und ein Kabarett mit Restaurants Zwei breite Treppen mit zum Teil vergoldeten neobarocken Gelandern fuhrten zum Obergeschoss mit grosszugig dimensionierten stuckverzierten Foyer Empore und zu den Festsalen Uber ein schlichtes Vereinszimmer erreichte man den kleinen Neurokkoko Saal und gelangte von dort zum grossen Festsaal mit Galerie eigenem Buhnenhaus und Nebenraumen Der grosse Festsaal besass eine kassettierte Stuckdecke und hatte eine Grundflache von 520 m bei einer Hohe von 9 m Die weit ausragende Galerie und die Balkone boten weitere 315 m Nutzflache Fur Veranstaltungen in den Stadthallen stand eine Flache von insgesamt rund 3000 Quadratmeter zur Verfugung Geschichte BearbeitenEinst befand sich auf dem Gelande die Papierhandlung Burmester sowie seit 1900 die Gaststatte Marien Halle Dieses Vergnugungslokal ubernahm 1903 der Dirigent Komponist und Schankwirt August Lau 27 November 1865 in Parchim 16 Marz 1939 in Schwerin als Conzerthaus Flora In dem Restaurant wurde Theater gespielt und Lau betrieb dort auch einen Konzert und Tanzsaal 1904 wurden dort mit dem Bioskop die ersten lebenden Photographien gezeigt Fur den Kaufpreis von 240 000 Mark ubernahm der Lubecker Gaststatteninhaber Johannes Durkop 1905 das Haus am Marienplatz Am 28 Mai 1909 brannte das Gebaude ab Durkop beauftragte bereits nach dem 31 Juli 1909 den Lubecker Architekten Rudolf Wilkens mit dem Neubau der Stadthallen an gleicher Stelle 1 Der Grundstein wurde noch im selben Jahr gelegt und der Bau im Mai 1910 fertig gestellt Das mit zwei grossen Eingangsportalen versehene Gebaude eroffnete am 31 Juli 1910 Ein Jahr spater bekamen die Stadthallen elektrische Beleuchtung spater sogar ein eigenes Orchester Ihren ersten Hohepunkt erlebten die Stadthallen mit der III Mecklenburgischen Gewerbeausstellung die vom 21 Mai bis 15 August 1911 in Schwerin stattfand und viele auswartige Besucher anzog Fur seinen Sohn Willy Durkop 1900 1979 erwarb Stadthallen Inhaber Johannes Durkop 1919 die Schweriner Apollo Lichtspiele die dieser nach komplettem Umbau ab 1929 als Schauburg betrieb Eine Erweiterung des Jugendstilsaales erfolgte um 1920 mit dem Anbau eines kleinen Gesellschaftssaals dessen Wande Decke und Buhne im Neo Rokokostil dekoriert wurden Er konnte als Restaurant oder als Kino mit 200 Sitzplatzen genutzt werden 1921 1922 wurde die von Architekt Willy Taebel entworfene Faundiele mit einem zusatzlichen Eingang im Erdgeschoss eingebaut Ein dritter Festsaal mit ca 700 Quadratmeter Flache fur rund 500 Personen mit entsprechenden Nebenraumen wurde 1927 1928 nach den Planen des Architekten Erich Bentrup in die erste Etage gebaut Seine expressionistische Innenarchitektur und Buhnendekoration zeigte Stilmerkmale des Art deco Ebenfalls von Bentrup entworfen entstand unter diesem dritten Saal eine Garage mit 40 Garagenboxen einer Reparaturwerkstatt und vier Zapfsaulen Die Bauarbeiten fuhrte das Schweriner Baugeschaft Otto Glatz aus die Eisenkonstruktion erstellte die Firma Klingenbiel nbsp Fassade mit der Aufschrift Dom Oficerov Haus der Offiziere August Jorg 9 Juni 1886 in Lubeck 5 Juli 1967 in Schwerin zog 1890 mit seiner Familie von Lubeck nach Schwerin und heiratete am 12 September 1919 Durkops alteste Tochter Clara Der Pachter und Gastwirt der Stadthallen beschreibt in seinen Anfang der 1950er Jahre verfassten Lebenserinnerungen die Stadthallen als den Ort fur Konzerte Maskenballe Modeschauen Versammlungen und grossen Bankette 2 Die Schweriner Stadthallen hatten einst ein Fassungsvermogen von bis zu 2500 Personen In dem damals sehr bekannten Versammlungs und Konzertlokal fand unter anderem eine Hauptversammlung anlasslich des 56 Bezirksverbandstages der Schweriner Zunfte und Friseurinnungen sowie der Modekommission beider Mecklenburg Lander statt datiert auf den 3 und 4 Juni 1934 3 Von 1942 an bis zum Kriegsende 1945 dienten die Stadthallen als Hilfslazarett Die Rote Armee beschlagnahmte am 1 Oktober 1945 die Stadthallen und nutzte sie als Haus der Offiziere Im Erdgeschoss gab es eine offentliche Gaststatte die von der einheimischen Bevolkerung offenbar kaum genutzt wurde Von den Schwerinern haufiger frequentiert war dagegen das im Haus untergebrachte magazin ein Geschaft fur die vorrangige Versorgung der sowjetischen Armeeangehorigen und deren Familien In diesem Kulturhaus wurden neben anderen politischen Veranstaltungen auch Begegnungen zwischen deutschen und sowjetischen Militarangehorigen sowie FDJ und Komsomol Gruppen organisiert Am 7 8 Dezember 1957 fand die III Landjugendkonferenz der DDR mit fast 1000 Teilnehmern in den Stadthallen statt 4 Fur den DEFA Film Aus meiner Kindheit uber Ernst Thalmann wurden 1974 in den Stadthallen Szenen der Gewerkschaftsversammlung gedreht Beim Abzug der sowjetischen Armee aus der DDR im Jahr 1993 wurde das Haus geschlossen und an die Alteigentumer zuruckgegeben Diese vermieteten das ehemalige Kino und Cabaret an einen Discounter das restliche Gebaude stand leer Die Eigentumer entwickelten mit dem Landesamt fur Denkmalpflege und der Stadt Schwerin Nutzungskonzepte Sie wollten die Stadthallen nach einer Sanierung in ein Einkaufs und Kulturzentrum umwandeln Als Mitte der 1990er Jahre die Absicht bekannt wurde die Stadthallen fur den Neubau eines Einkaufszentrums abzubrechen wurden diese Plane von verschiedenen Seiten kritisiert Fur den Erhalt der Stadthallen als Baudenkmal Raumkunst und Geschichtszeugnis setzten sich unter anderen der Schweriner Architekt Bernd Klinghammer und der Denkmalpfleger und spatere Stadtarchivar Jorg Moll ein die vor einem unersetzlichen Verlust fur die Denkmallandschaft Mecklenburg Vorpommerns warnten Die Stadtvertretung der Stadt Schwerin beschloss am 25 Oktober 1996 auf Antrag der Stadtverwaltung den Abriss der Stadthallen Haus der Offiziere am Marienplatz fur den Bau des Einkaufszentrums Eine im Jahr 1996 ins Leben gerufene Burgerinitiative Denkmal Stadthallen versuchte einen Burgerentscheid zu erreichen Die Unterschriftenlisten erfassten bis zum 13 Januar 1997 1500 Unterschriften Den Abriss fur den Neubau eines Einkaufszentrums befurworteten in Hinblick auf Konjunkturforderung und Stadtmodernisierung Schweriner Stadtvertreter der Kommunal und Landespolitik darunter auch die damalige Landesministerin fur Bau Landesentwicklung und Umwelt Barbel Nehring Kleedehn Als Ergebnis der Bemuhungen um den Erhalt der Stadthallen blieb am Ende die Integration der historischen Jugendstilfassade ein neubarockes Foyer Gelander die Foyers im Erd und Obergeschoss die Empore sowie Deckenstuck ruckwirkend an den ECE Anbau Am 24 Januar 1997 begann der Abriss der Stadthallen Festsale der Bau des Einkaufszentrums Schlossparkcenter erfolgte unmittelbar im Anschluss von 1997 bis 1998 Quellen BearbeitenHistorisches Museum Hrsg Dagmar Weitbrecht Alte Schweriner Gaststatten amp Kneipen Zu ihrer Geschichte und Kultur Schwerin 1989 Gruss aus Schwerin Bildpostkarten um 1900 Koehler amp Amelang Berlin Leipzig 1991 ISBN 3 7338 0068 0 S 88 Schweriner Geschichten Konzerthaus Flora 1904 Inhaber Musikdirektor und Gastwirt August Lau Ruhberg Kunze SVZ D 38 85 5000 1527 II 16 8 S 22 Landesamt fur Kultur und Denkmalschutz Hrsg Bernd Klinghammer Die Schweriner Stadthallen Dem ehemaligen grossten Vergnugungstempel in Mecklenburg droht der Abriss In Denkmalschutz und Denkmalpflege in Mecklenburg Vorpommern Heft 3 1996 S 64 66 Denkmalpfleger aus Stadt und Land und ein Gross Investor ringen um den Abriss der Stadthallen In Schweriner Volkszeitung vom 28 August 1996 Stadt legt Zeitplan fur ECE Bau vor Dezernent Stadthallen durfen Projekt nicht gefahrden In Schweriner Volkszeitung vom 1 Oktober 1996 PDS Fur Stadthallen notfalls ein Ausgleich In Schweriner Volkszeitung vom 5 Oktober 1996 Bernd Klinghammer Den Schweriner Stadthallen droht der Abriss In Deutsches Architektenblatt Jahrgang 1996 Heft 11 S 688 f Tagliche Mahnwache soll die Stadthallen vor dem Abriss retten Burgerinitiative meint Historische Stadthallen lassen sich in den ECE integrieren In Schweriner Volkszeitung vom 3 Dezember 1996 Demo zum Erhalt der Stadthallen In Schweriner Volkszeitung Nr 10 52 vom 13 Januar 1997 S 12 Dieser Spatenstich verandert die Schweriner Innenstadt Startschuss fur Schlossparkcenter am Marienplatz Einkaufen und Erleben ab Ende 1998 In Schweriner Volkszeitung vom 16 Januar 1997 S 13 Die Goldenen 20 er Jahre Erinnerungen von August Jorg Pachter und Wirt der Stadthallen Schwerin In Schweriner Volkszeitung vom 11 September 2009 Beilage Mecklenburg Magazin Nr 37 Landesbibliothek Mecklenburg Vorpommern Stiftung Mecklenburg 1978 105 Seite 12 Schwerin Stadthallen Sale Inhaber August Jorg Das bestbekannte Versammlungs und Konzert Lokal Schwerin Deutsches Architektenblatt 28 1996 7 12 Grundriss der Schweriner Stadthallen Art Deco und Jugendstil sowie Neo Rokokosaal Foyer Marc Peschkke Baustile in Deutschland Jugendstil Merian Kompass ISBN 3 7742 0784 4 Udo Brinker Chronik der Stadt Schwerin Eroffnung der Stadthallen produktionsburo Tinus Schwerin 2011 ISBN 978 3 9814380 2 4 Wilhelm Jesse Geschichte der Stadt Schwerin Band II 1920 Seite 565 21 Mai 1911 15 August 1911 III Mecklenburgische Gewerbeausstellung in Schwerin Der Kleine Brockhaus Eberhard Brockhaus Wiesbaden 1949 Expressionismus S 342 Jugendstil S 592 Meyers Lexikon Bibliographisches Institut Leipzig 1973 Verlagslizenz Nr 433 130 73 Jugendstil S 331 Irene Henselmann Hermann Henselmann Das grosse Buch vom Bauen Berlin Possneck 1976 Lizenz Nr 304 270 517 78 35 Jugendstil Expressionismus S 109 110 Francis D K Ching Bilderlexikon der Architektur Campus Verlag Frankfurt New York Jugendstil abstrakter Expressionismus Artdeco Seite 104 105 Aus dem Englischen von Herbert Allgeier Burogemeinschaft Markgrafen und Andreas Pohlmann 1995 96 ISBN 3 593 35579 5 Horst Zanger Die Blutezeit der Stadthallen Teil 1 Schweriner Express 17 Dezember 2016 S 9 Herbert Hunger Lexikon der griechischen und romischen Mythologie Rowohlt Verlag Wien 1969 ISBN 3 499 16178 8 Seite 50 262 Lexikon der bildenden Kunste Fachbegriffe der Baukunst Plastik Malerei Grafik und des Kunsthandwerks Rowohlt Verlag 1971 ISBN 3 499 16142 7 Jugendstil S 143 144 August Lau zum 150 Geburtstag Ein Mann macht Furore Schweriner Volkszeitung 27 November 2015 Hans Joachim Falk Hans Werner Figura Die ehemaligen Stadthallen In Auf den Spuren der Schweriner Gastronomiegeschichte 2 Auflage Verlag Redieck amp Schade GmbH Rostock 2016 1 Auflage ISBN 978 3 942673 75 4 S 51 56 Kleines Lexikon A Z Verlag Enzyklopadie Leipzig 1959 Lektorat A M Uhlmann Jugendstil S 454 Raumkunst S 779 Rokoko S 805 Manfred Krieck Schwerin Geschichte der Stadt in Wort und Bild Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1985 Lizenz Nr 206 435 10 85 Stadthallen Jugendstilsaal Abb S 187 Landjugendkonferenz in Schwerin Einzelnachweise Bearbeiten Schwerin Katasteramt Grundbuch Nr 10750 Mit Schreibmaschine geschriebenes zweibandiges Manuskript Gastronomisches Allerlei die Geschichte der Stadthallen Ein dritter Band den er 1959 verfasste befindet sich im Privatbesitz einer Gastwirtsfamilie Erinnerungen an die Stadthallen svz de 7 November 2016 Stadthallen Schwerin Manuskript Niederschrift Festansprache Hauptversammlung 56 Bezirksverbandstagung beider Mecklenburg 3 4 Juni 1934 Landeshauptarchiv Schwerin Akte Bestand 10 1 1 6 Zunfte Friseurinnungen Seite 1 42 und Modekommissionsbericht 4 Juni 1934 Seite I V III Landjugendkonferenz der DDR in Schwerin Tagungsort mit Stadthallen Schweriner Volkszeitung 07 08 Dezember 1957 Nr 285 12 Jahrgang Photographie Info Stadtarchiv Schwerin 53 628193 11 410672 Koordinaten 53 37 41 5 N 11 24 38 4 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Stadthallen Schwerin amp oldid 238984825