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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig Weitere Bedeutungen sind unter Stabkarte Begriffsklarung aufgefuhrt Eine Stabkarte ist ein Navigationsinstrument das im Bereich der Marshallinseln in Mikronesien benutzt wurde Stabkarten dienten vor der Fahrt als Gedachtnisstutze und Orientierungshilfe uber die zwischen den Atollen anzutreffenden Wellenformationen Wind und Wasserstromungen Auf See wurden Stabkarten nicht verwendet Stabkarte im Uberseemuseum BremenEine Stabkarte ist im unteren Teil des Siegels der Marshallinseln dargestellt Inhaltsverzeichnis 1 Gestaltung 2 Arten von Stabkarten 3 Funktionsweise 4 Navigation auf den Marshallinseln 5 Geschichte 6 Wiederbelebung 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseGestaltung BearbeitenEine Stabkarte besteht aus einem Gitterwerk aus Kokosblattrippen die mit Kokosschnuren verbunden sind Bei den Ubersichtskarten sind kleine Kaurischnecken an die Stabe gebunden die die Atolle reprasentieren Arten von Stabkarten BearbeitenEs gab drei Arten von Stabkarten 1 rebbelib Ubersichtskarten die grosse Teile der Inselketten abdeckten meddo Karten uber die Lage bestimmter Inseln und der zwischen ihnen anzutreffenden Eigenheiten der See 2 mattang abstrakte Karten ohne Bezug auf konkrete Inseln die der Ausbildung dienten Funktionsweise BearbeitenDie Stabkarten wurden nicht auf See sondern nur an Land fur die Ausbildung der Navigatoren und als deren Gedachtnisstutze verwendet Sie sind keine Seekarten im westlichen Sinn Sie dienten nicht der Bestimmung der gegenwartigen Position sondern sollten dem Navigator zeigen wie er sein Ziel erreichen kann Sie zeigen mit kleineren und gebogenen Staben die Dunungen um die Inseln wie sie von den Inseln gebogen abgelenkt und reflektiert werden Kabbelungen d h durch das Aufeinandertreffen verschiedener Dunungen verursachte Bereiche unruhiger See und mit langeren Staben die Fahrtrichtung zu den mit den Muscheln markierten Inseln an Die Stabkarte liess sich in vollem Umfang nur von dem interpretieren der sie angefertigt hatte bzw in sie eingewiesen worden war Navigation auf den Marshallinseln BearbeitenNavigation war in den Marshallinseln wie allgemein in Ozeanien einigen wenigen besonders ausgebildeten und gepruften Navigatoren vorbehalten die ihre von Kindheit an erfahrenen und erlernten Kenntnisse wie ein grosses Geheimnis huteten und nur an ihre Schuler weitergaben Fahrten zu anderen Atollen wurden daher in Gruppen von mehreren Schiffen unternommen die vom Inselkonig gefuhrt wurden der oft selbst Navigator war oder sich von einem Navigator assistieren liess Wahrend die Navigation in den weiter westlich gelegenen Karolinen und die polynesische Navigation zu einem erheblichen Teil von den mundlich uberlieferten umfangreichen astronomischen Kenntnissen bestimmt wurde 3 beruhte die Navigation zwischen den Atollen der Marshallinseln in erster Linie auf der Kenntnis der dort anzutreffenden gleichbleibenden Dunungen die zwar durch die von ortlichen Winden und Sturmen erzeugten Wellen uberlagert aber in der Regel nicht vollstandig verdeckt werden Die Navigatoren hatten wenigstens zehn Ausdrucke um die Besonderheiten einer Dunung zu kennzeichnen Ihre Kunst bestand darin die jeweilige Dunung zu erkennen bzw aus den Bewegungen ihrer Schiffe zu erfuhlen und daraus Schlusse uber den einzuschlagenden Kurs abzuleiten Dieser Kurs bestand nicht notwendigerweise in einer geraden Linie zwischen A und B sondern war von der Dunung bestimmt z B von der Notwendigkeit immer auf dem Grat zweier sich uberschneidender Dunungen entlangzufahren um das Ziel direkt zu erreichen Auch wer vom Kurs abgekommen und zeitweise die Orientierung verloren hatte konnte aufgrund dieser Kenntnisse und der Beobachtung der ortlichen Verhaltnisse meist wieder auf den richtigen Weg kommen Geschichte Bearbeiten nbsp Auslegerkanu der Marshallinseln ca 1883Europaische Seefahrer waren schon fruh von den nautischen Fahigkeiten der ozeanischen Bevolkerung beeindruckt So liess sich James Cook auf seiner ersten Sudseereise von dem Tahitianer Tupaia uber die polynesische Inselwelt informieren und bezuglich der Kurse seiner weiteren Reise beraten Allerdings versuchte lange Zeit niemand die Grundlagen dieser Kenntnisse zu erforschen Die Existenz von Stabkarten wurde erstmals 1862 von einem ortlichen Missionar mitgeteilt ohne allerdings ihren Sinn erlautern zu konnen Erst Korvettenkapitan Winkler der mit der Bussard 1896 und 1897 die Marshallinseln besuchte bemuhte sich die Hintergrunde der Stabkarten in Erfahrung zu bringen und veroffentlichte den ersten grundlegenden Bericht uber ihren Inhalt und die ihnen zugrundeliegende Navigation Er stiess dabei zunachst auf die strengen Geheimhaltungsregeln Nahere Informationen konnte er erst durch die Unterstutzung des Kapitans Kessler erlangen der seit Jahren in dem Gebiet tatig war die Sprache beherrschte mit den ortlichen Stammesfuhrern befreundet war und mit einem sogar ein Bruderverhaltnis hatte Da dieser seinem Bruder nichts abschlagen durfte gab er seine Kenntnisse preis Erst aufgrund dieser Verbindung gelang es Winkler Navigatoren zu weiteren Auskunften zu bewegen Winkler warnte schon damals dass nur noch wenige Menschen daruber Auskunft geben konnten da die Marshall Insulaner grossere Fahrten bereits in Booten europaischer Bauart nach dem Kompass und dem Log und den vom Deutschen Reich herausgegebenen Seekarten durchfuhrten die alten Kenntnisse aber nicht mehr gelehrt wurden und rasch in Vergessenheit gerieten Im Lauf des 20 Jahrhunderts setzte sich der Trend verstarkt fort Die einheimischen handwerklich gebauten Boote wurden von westlichen Schiffen verdrangt und kaum jemand wollte noch die Muhen einer langen traditionellen nautischen Ausbildung auf sich nehmen Die der Stabkarte zugrundeliegenden Kenntnisse sind deshalb weitgehend verloren gegangen Heute werden Stabkarten praktisch nur noch zum Verkauf an Touristen angefertigt Wiederbelebung BearbeitenBen Finney wollte Ende der 1950er Jahre als Anthropologie Student an der University of Hawaiʻi die damals verbreitete Theorie widerlegen dass Polynesien mit den von der einheimischen Bevolkerung verwendeten Booten und ihren unzureichenden Navigationsmethoden nicht gezielt besiedelt werden konnte 4 Seine Aktivitaten fuhrten 1973 zur Grundung der Polynesian Voyaging Society die die Hōkuleʻa baute eine Replik traditioneller polynesischer Zweimast Segelkatamarane Die Hōkuleʻa fuhr 1976 nur mit polynesischen Navigationsmethoden von Hawaii nach Tahiti 5 Dies war nur moglich weil Mau Piailug ein Navigator von der Insel Satawal in den Karolinen als einziger der sechs noch lebenden Navigatoren bereit war seine Kenntnisse und Fahigkeiten entgegen den traditionellen Geheimhaltungsregeln fur die Reise zur Verfugung zu stellen und dabei weitere Personen einzuweisen Dazu gehorte Nainoa Thompson der als sein Schuler auf einigen der weiteren Reisen der Hōkuleʻa navigierte und 2007 zusammen mit vier anderen Hawaiianern von Mau Piailug auf Satawi zum Navigator ernannt wurde Am Bau des Schiffes und an seiner ersten Reise war auch David Henry Lewis beteiligt ein in Rarotonga aufgewachsener Segler Abenteurer Mediziner Erforscher polynesischer Seefahrtsmethoden und Autor des 1972 erstmals veroffentlichten Buches We the Navigators der Mau Piailug mit dem sudlichen Sternenhimmel vertraut machen konnte Seit 1976 hat die Hōkuleʻa zahlreiche ausgedehnte Reisen in Polynesien und im weiteren Pazifik bis an die US Westkuste und nach Japan durchgefuhrt Dabei besuchte sie 2007 auch Satawal und Majuro in den Marshallinseln Seit 2014 ist die Hōkuleʻa auf einer grossen Reise die sie westwarts einmal um die Welt fuhren soll 6 Auf den Marshallinseln war das abgelegene Rongelap Atoll der letzte Ort gewesen an dem Navigatoren ausgebildet und ernannt wurden bis 1954 die amerikanischen Wasserstoffbombenversuche auf dem benachbarten Bikini Atoll dem ein Ende setzten Korent Joel der spater Frachtschiffkapitan wurde war dort als Junge ausgebildet worden konnte aber seine Prufung deshalb nicht mehr ablegen Nachdem der letzte Navigator der Marshallinseln 2003 verstorben war wurde Korent Joel ausnahmsweise erlaubt seine Kenntnisse an seinen jungeren Vetter Alson Kelen weiterzugeben und ihn auszubilden Dieser hatte 1986 als Schuler in Honolulu die Ruckkehr der Hōkuleʻa aus Neuseeland erlebt Beide traumten davon das Segeln auf den Marshallinseln in ahnlicher Weise wiederzubeleben um dadurch das Wissen um die Wellennavigation uberliefern zu konnen und baten Ben Finney um Rat Da dieser kurz vor der Emeritierung stand schlug er seinem Doktoranden Joseph Genz vor den Kontakt mit Korent Joel aufzunehmen 7 Nach langer Vorbereitung gelang es Genz die Mittel einzuwerben um die Fahrt eines nur mit Wellennavigation gesteuerten traditionellen Segelbootes von einem nachfolgenden Motorschiff wissenschaftlich dokumentieren zu lassen Korent Joel konnte die Reise wegen einer Beinverletzung nicht unternehmen und empfahl deshalb Alson Kelen der inzwischen in Majuro eine kleine gemeinnutzige Schule gegrundet hatte um Jugendliche der Marshallinseln in traditionellem Bootsbau und Segeln zu unterrichten 8 Schliesslich fuhr Alson Kelen 2015 mit dem in seiner Schule gebauten Auslegerkanu Jitdam Kapeel von Majuro aus nachts und in einem starker gewordenen Wind zu dem 70 Seemeilen 130 km entfernten Aur Atoll gefolgt von einem Motorschiff mit dem Anthropologen Genz John Huth einem auf elektromagnetische Wellen spezialisierten Harvard Physiker und Gerbrant van Vledder Ozeanograph an der Technischen Universitat Delft dem niederlandischen Zentrum fur Wellenkunde Nach der zielsicheren Ankunft auf Aur wurden sie mit einem grossen Empfang begrusst bei dem der Dorfalteste betonte dass die Kinder noch nie ein Segelkanu gesehen hatten und die Inselbewohner ihren Bau wieder lernen wollten da sie kaum in der Lage waren das Benzin fur eine Fahrt nach Majuro zu bezahlen Alson Kelen fuhrte auch die nachtliche Ruckfahrt nach Majuro problemlos und zielsicher durch Die spatere Auswertung der Daten ergab dass er auf beiden Strecken nicht geradeaus gefahren war sondern trotz Wind und ortlichen Wellen exakt den Biegungen der Dunung zwischen den Inseln gefolgt war 7 Literatur BearbeitenKorvettenkapitan Winkler Ueber die in fruheren Zeiten in den Marschall Inseln gebrauchten Seekarten mit einigen Notizen uber die Seefahrt der Marschall Insulaner im Allgemeinen In Marine Rundschau Hefte 7 bis 12 Juli bis Dezember 1898 S 1418 1439 digital S 620 642 Memento im Internet Archive Augustin Kramer Hawaii Ostmikronesien und Samoa meine zweite Sudseereise 1897 1899 zum Studium der Atolle und ihrer Bewohner Verlag von Strecker amp Schroder Stuttgart 1906 S 419 427 Memento im Internet Archive A Schuck Die Stabkarten der Marshallinsulaner Kommissionsverlag von H O Persiehl Hamburg 1902 Ben Finney Nautical Cartography and Traditional Navigation in Oceania In David Woodward G Malcolm Lewis The History of Cartography 2 3 Cartography in the Traditional African American Arctic Australian and Pacific Societies 1998 S 443 492 Digitalisat auf press uchicago edu David Lewis We the Navigators The Ancient Art of Landfinding in the Pacific 2 Auflage University of Hawaii Press Honolulu 1994 ISBN 0 8248 1582 3 auszugsweises Digitalisat auf Google Books Kim Tingley The Secrets of the Wave Pilots Artikel vom 17 Marz 2016 in The New York Times MagazineWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Stabkarten Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Micronesian stick charts auf Jane s Oceania rebbelib Stabkarte auf der Website der Library of Congress meddo Stabkarte uber den Bereich um Kwajalein 164 170 O 4 12 N 660 km 880 km auf der Website der Library of Congress mattang Stabkarte auf der Website der Library of CongressEinzelnachweise Bearbeiten Korvettenkapitan Winklers ausfuhrlicher Artikel in der Marine Rundschau von 1898 gilt auch heute noch als die grundlegende Beschreibung der Stabkarten und der ihnen zugrundeliegenden Navigationstechnik somit ist er auch die Grundlage fur diesen Artikel Die gezeigte Stabkarte im Uberseemuseum Bremen wird in Winklers Artikel Karte V um 90 nach links gedreht dargestellt und erlautert Zu den unterschiedlichen Navigationstechniken vgl Ben Finney Nautical Cartography and Traditional Navigation in Oceania Ben Finney Professor Emeritus Memento des Originals vom 2 Oktober 2016 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot anthropology hawaii edu auf der Website der University of Hawaiʻi at Manoa Department of Anthropology Hōkuleʻa auf der Website der Polynesian Voyaging Society Hōkuleʻa 2016 an der Ostkuste der USA a b Kim Tingley The Secrets of the Wave Pilots Artikel vom 17 Marz 2016 in The New York Times Magazine Waan Aelon in Majel Canoes of The Marshall Islands Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Stabkarte amp oldid 238699025