www.wikidata.de-de.nina.az
Als Skriptorium von Qumran werden die freigelegten Reste eines Gebaudes Locus 30 der Ausgrabungsstatte Khirbet Qumran am Toten Meer bezeichnet Den Begriff pragte der Ausgraber Roland de Vaux und erweckte damit moglicherweise irrefuhrende Assoziationen an Skriptorien innerhalb von christlichen Klostern Die fruhere Bedeutung des ausgegrabenen Gebaudes wird bis heute kontrovers diskutiert Mit dem Rest der Siedlung wurde auch das sogenannte Skriptorium im Jahr 68 n Chr von der romischen Legio X Fretensis zerstort Rekonstruktionszeichnung der Siedlung Khirbet Qumran im Museum vor Ort In zentraler Lage rot hervorgehoben das Skriptorium Locus 30 Inhaltsverzeichnis 1 Chronologie der Ausgrabung 2 Das Gebaude 3 Die Gipsmobel aus dem Obergeschoss 4 Die Tintenfasser aus Locus 30 4 1 Exkurs Untersuchung der Tinte von 1QHa 4 2 Mit Qumran in Verbindung gebrachte Tintenfasser und Schreibgerate 5 Interpretationen des Obergeschosses 5 1 Skriptorium 5 2 Nebenraum der Bibliothek 5 3 Speiseraum 6 Literatur 7 EinzelnachweiseChronologie der Ausgrabung Bearbeiten nbsp Das Ausgraberteam von links nach rechts Roland de Vaux Jozef Tadeusz Milik Gerald Lankester Harding 1952 Die archaologische Grabung in Khirbet Qumran zu der das Skriptorium von Qumran gehort stand immer im Schatten der Erforschung der Felshohlen in der naheren Umgebung in denen zwischen 1947 und 1956 die Schriftrollen vom Toten Meer gefunden wurden Khirbet Qumran wurde unter Leitung von Roland de Vaux in funf Kampagnen untersucht 1 24 November bis Dezember 1951 Beginn der archaologischen Arbeiten 9 Februar bis 4 April 1953 Zweite Kampagne 15 Februar bis 15 April 1954 Dritte Kampagne 2 Februar bis 6 April 1955 Vierte Kampagne 18 Februar bis 28 Marz 1956 Funfte KampagneDas Gebaude BearbeitenDas Gebaude in dem sich das Skriptorium von Qumran befand war ursprunglich zweigeschossig und hatte eine Grundflache von etwa 13 4 Metern Davon sind nur die Mauern im Erdgeschoss erhalten Seine Lage am zentralen Innenhof die Grosse und die gute Bauausfuhrung weisen darauf hin dass dieses Gebaude in der Qumran Siedlung eine wichtige Rolle spielte Das Obergeschoss war uber zwei Treppen zu erreichen von denen eine aus hasmonaischer die zweite aus herodianischer Zeit stammte 2 Beim Einsturz des oberen Stockwerks hatte sich das Erdgeschoss mit Schutt gefullt Skriptorium von Qumran Locus 30 nbsp Freigelegte Baureste von Locus 30 im Erdgeschoss das eine lange schmale Halle war nbsp Rekonstruktionszeichnung des Locus 30 rot Die Gipsmobel aus dem Obergeschoss Bearbeiten nbsp Verputztes Element KhQ 967 aus dem Obergeschoss Qumran Park Exhibition Dabei durfte es sich um eine Replik handeln denn die Originale der Gipsmobel befinden sich in Amman 3 Mit dem Begriff verputzte Elemente beschrieb Roland de Vaux in seinen Grabungstagebuchern lange schmale Objekte aus dem Obergeschoss die aus mit Gips verputzten Lehmziegel Fragmenten im Schutt zusammengesetzt werden konnten Das grosste Exemplar KhQ 967 ist etwa funf Meter lang und 50 Zentimeter hoch die Vorderseite ist eingewolbt die Hinterseite gerade aber nur roh bearbeitet Die Oberseite ist 40 cm breit die Basis dieses seltsamen Mobels aber nur 18 cm Das heisst auf diesem tischartigen Gipsmobel konnte niemand sitzen oder liegen ohne dass es zusammengebrochen ware 4 Ein ebenso langes bankartiges Element KhQ 968 ist sehr niedrig und schmal Von zwei weiteren tischartigen Gipsmobeln und einer bankartigen Struktur fand man Fragmente KhQ 969 971 Ausserdem gehort zu den Funden aus dem Obergeschoss eine Art umrandetes Gipstablett mit zwei runden Vertiefungen KhQ 966 Weitere Kleinfunde aus Locus 30 waren eine Bronzenadel ein eiserner Schlussel ein Siegel aus Kalkstein einige Munzen und Haushaltgeschirr in geringer Menge 5 Die Tintenfasser aus Locus 30 BearbeitenUnter dem Schutt des Obergeschosses fand man ein Tintenfass aus Ton und eines aus Bronze KhQ 463 und 473 ein drittes Tintenfass ebenfalls aus Ton wurde im Nachbarraum Locus 31 geborgen Yizhar Hirschfeld argumentierte Fur sich genommen hatte man die Tintenfasser der Halle im Erdgeschoss nicht dem Obergeschoss zugeordnet 6 auch seien Tintenfasser im Fundgut heute nicht mehr singular anders als es dem Team um de Vaux erscheinen musste Im etwa zeitgenossischen Haus der Familie Qathros in Jerusalem beispielsweise fand man auch zwei Tintenfasser 6 Da er die Qumran Siedlung als Landgut interpretierte vermutete Hirschfeld dass im Erdgeschoss von Locus 30 die Verwaltung des Guts ihren Ort hatte wozu Schreibarbeiten gehorten Mit der Mehrheit der Forscher halt Daniel Stokl Ben Ezra den Fund von mehreren Tintenfassern fur selten und aussagekraftig Die lokale Zubereitung der Tusche der Hymnenrolle 1QHa belegt dass ein Teil der in Hohle 1 gefundenen Rollen in Qumran geschrieben worden ist Auch aus den Tintenfassern konnen wir schliessen dass in Qumran Schreibaktivitaten stattgefunden haben Ob dies mit den Installationen in L ocus 30 geschah muss offenbleiben 7 Exkurs Untersuchung der Tinte von 1QHa Bearbeiten Einen bemerkenswerten Ansatz verfolgte ein Team um Ira Rabin und Oliver Hahn Bundesanstalt fur Materialforschung und prufung Berlin Man machte sich den Umstand zunutze dass die in Qumran ubliche Russtinte erst kurz vor dem Gebrauch mit Wasser angeruhrt wurde Das Team unterzog die Hymnenrolle einer Rontgenfluoreszenzanalyse und fand in der Tinte Brom zu Chlor Konzentrationen die fur das Wasser des Toten Meeres charakteristisch sind 8 Damit ist praktisch bewiesen dass diese Rolle in Qumran geschrieben wurde Mit Qumran in Verbindung gebrachte Tintenfasser und Schreibgerate Bearbeiten Das Jordan Archaeological Museum in Amman prasentierte 1997 in einer Ausstellung die beiden Tintenfasser die de Vaux seinerzeit in Locus 30 gefunden hatte 9 Zwei keramische Tintenfasser aus dem Skriptorium befinden sich heute im Israel Museum in Jerusalem Sie sehen einander sehr ahnlich haben eine zylindrische Form sind 6 cm hoch und haben einen Durchmesser von 4 5 cm 10 Das gleiche Museum besitzt zwei weitere Tintenfasser aus Qumran eines davon aus Ton 6 4 cm hoch und mit einem Durchmesser von 3 1 cm Es ist also etwas schmaler als die beiden anderen und hat einen restaurierten Henkel 11 Das andere Tintenfass ist aus Holz gedrechselt und 6 cm hoch 12 Insgesamt sind bis heute neun Tintenfasser bekannt Eines davon stammt aus Ain Feshkha bei dreien ist unklar ob sie uberhaupt auf dem Gelande von Qumran gefunden wurden 6 Wie viele Qumran Fragmente gelangten diese drei namlich uber den Bethlehemer Mittelsmann Kando in den Antikenhandel Ein Exemplar erwarb John Marco Allegro im Jahr 1953 es gelangte uber Privatsammler in die Schoyen Collection MS 1655 2 ein 8 cm hohes Bronzegefass in Gestalt eines Korbchens mit zwei Henkeln im Inneren befanden sich Tintenreste 13 Ira Rabin untersuchte 2016 diese Substanz Es war schwarze Tinte auf Karbonbasis mit einem proteinhaltigen Bindemittel Eine solche Tinte wurde bisher nicht in den Schriftrollen vom Toten Meer nachgewiesen Kandos Angabe es handele sich um einen Oberflachenfund aus Qumran ist wohl unzutreffend 14 Ein weiteres angeblich aus Qumran stammendes keramisches Tintenfass das Kando auf den Markt brachte wurde der University of Southern California geschenkt Kando soll auch zwei Exemplare des Qumran Stylus MS 5095 3 auf den Markt gebracht haben Es sind die einzigen Schreibgerate bei denen bisher ein Bezug zu Qumran behauptet wurde Sie sind 8 6 cm lang aus der Rippe eines Palmblatts hergestellt und haben Tintenanhaftungen Angeblich stammen sie aus Hohle 11 15 Sie wurden von einer Schweizer Privatsammlung erworben und befinden sich heute in der Schoyen Collection 16 Interpretationen des Obergeschosses BearbeitenSkriptorium Bearbeiten nbsp Statuette eines Schreibers Agypten 332 30 v Chr Metropolitan Museum of Art Ein Beispiel fur die antike Korperhaltung beim Schreiben Roland de Vaux interpretierte die Gipsmobel des Obergeschosses als Einrichtung einer Schreibstube und vermutete dass die in den nahegelegenen Hohlen gefundenen Schriftrollen vom Toten Meer hier geschrieben worden seien Diese Deutung hat ein Problem Antike Schreiber schrieben im Schneidersitz auf den Knien 17 Auf der niedrigen Bank im Schneidersitz hockend und ein auf dem Tisch liegendes Blatt beschreibend hatte der antike Schreiber eine fur ihn sehr unpraktische Haltung eingenommen Davon abgesehen ist das Schreiben an Tischen erst Jahrhunderte spater bezeugt und fur Qumran anachronistisch Die einzelnen Pergamentblatter wurden liniert beschrieben und erst in einem letzten Schritt zu einer Rolle aneinandergenaht Die Blattgrosse variiert bei den Schriftrollen vom Toten Meer zwischen 21 und 90 cm 18 Die von Bruce Metzger vorgeschlagene Alternative dass die Schreiber auf dem Tisch gesessen hatten und die Bank ihnen als eine Art Fussbank gedient hatte scheitert an der Instabilitat des grossen Gipsmobels Kenneth Clark liess die Schreiber von Qumran auf der niedrigen Bank im Schneidersitz Platz nehmen und identifizierte den Tisch als Ablageplatz fur ihr Material Nebenraum der Bibliothek Bearbeiten nbsp Eine Torarolle wird geoffnet um darin eine bestimmte Stelle zu finden Dies geschieht nicht freihandig sondern auf einem Tisch So stellte sich Stegemann die Benutzung der langen Tische im sogenannten Skriptorium vor Auch fur Hartmut Stegemann war Qumran ein Zentrum der Schriftrollenproduktion allerdings sah er im Obergeschoss von Locus 30 keine Schreibwerkstatt Er stellte die Hypothese auf dass die langen Gipstische dazu dienten die kostbaren Schriftrollen zu offnen und Textstellen darin zu suchen ohne die Rollen zu beschadigen Dann erst seien sie an Kopisten oder Leser ausgegeben worden Bei der Ruckgabe rollte ein Bibliothekar der Siedlung das Pergament auf dem Tisch wieder zusammen bevor er es im Regal deponierte Speiseraum Bearbeiten Die Interpretation als klassisches Triclinium Pauline Donceel Voute scheitert daran dass die Banke als Liegesofas viel zu schmal sind wie Ronny Reich nachgewiesen hat Doch hatten mehrere Personen auf den Banken im Schneidersitz Platz nehmen und an den Tischen essen konnen Vergleichbare Speiseraume gab es in unterirdischen kappadozischen Stadten Allerdings sind diese aus viel spaterer Zeit und aus einer ganz anderen Region 4 Literatur BearbeitenRoland de Vaux Archaeology and the Dead Sea Scrolls The Schweich Lectures of the British Academy 1959 Rev ed London 1973 Bruce M Metzger The Furniture in the Scriptorium at Qumran In Revue de Qumran 1 1958 59 S 509 515 Kenneth W Clark The Posture of the Ancient Scribe In Biblical Archaeologist 26 1963 S 63 72 Ronny Reich A Note on the Function of Room 30 the Scriptorium at Khirbet Qumran In Journal of Jewish Studies 46 1995 S 157 160 Hartmut Stegemann Die Essener Qumran Johannes der Taufer und Jesus Herder 10 Auflage Freiburg im Breisgau 2007 Yizhar Hirschfeld Qumran die ganze Wahrheit Die Funde der Archaologie neu bewertet Originaltitel Qumran in Context Reassessing the Archaeological Evidence Gutersloh 2006 S 139 143 Emanuel Tov The Copying of a Biblical Scroll online mit eigener Seitenzahlung In Hebrew Bible Greek Bible and Qumran Collected Essays Mohr Siebeck Tubingen 2008 Ira Rabin Oliver Hahn Timo Wolff Admir Masic Gisela Weinberg On the Origin of the Ink of the Thanksgiving Scroll 1QHodayota In Dead Sea Discoveries 16 1 2009 S 97 106 Abstract online Ira Rabin Ink Sample from Inkwell MS 1655 2 In Torleif Elgvin Michael Langlois Kipp Davis Gleanings from the Caves Dead Sea Scrolls and Artefacts from the Schoyen Collection Bloomsbury London 2016 S 463 464 Kaare Lund Rasmussen Anna Lluveras Tenorio Ilaria Bonaduce Maria Perla Colombini Leila Birolo Eugenio Galano Angela Amoresano Greg Doudna Andrew D Bond Vincenzo Palleschi Giulia Lorenzetti Stefano Legnaioli Johannes van der Plicht Jan Gunneweg The constituents of the ink from a Qumran inkwell new prospects for provenancing the ink on the Dead Sea Scrolls In Journal of Archaeological Science 39 2012 S 2956 2968 online Daniel Stokl Ben Ezra Qumran Die Texte vom Toten Meer und das antike Judentum UTB 4681 Mohr Siebeck Tubingen 2016 ISBN 9783825246815 S 112 114 Einzelnachweise Bearbeiten Martin Peilstocker Qumran Eine Chronologie der Ereignisse In Welt und Umwelt der Bibel Nr 87 Januar 2018 S 10 13 Yizhar Hirschfeld Qumran S 139 Othmar Keel Max Kuchler Orte und Landschaften der Bibel Ein Handbuch und Studien Reisefuhrer zum Heiligen Land Band 2 Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1982 S 469 a b Daniel Stokl Ben Ezra Qumran S 114 Catherine M Murphy Wealth in the Dead Sea Scrolls and in the Qumran Community Brill 2001 S 300 a b c Yizhar Hirschfeld Qumran S 142 Daniel Stokl Ben Ezra Qumran S 141 142 Daniel Stokl Ben Ezra Qumran S 60 Publikation der Ergebnisse der Tintenanalyse 2009 siehe Literatur Emanuel Tov The Copying of a Biblical Scroll S 13 Inkwells from the scriptorium Abgerufen am 11 Februar 2018 Explore the Collection Inkwell Abgerufen am 11 Februar 2018 Explore the Collection Inkwell Abgerufen am 11 Februar 2018 Qumran Inkwell Abgerufen am 11 Februar 2018 Ira Rabin Ink Sample from Inkwell MS 1655 2 S 464 Daniel Stolk Ben Ezra Qumran S 35 The Only Surviving Qumran Stylus Abgerufen am 11 Februar 2018 Emanuel Tov The Copying of a Biblical Scroll S 14 Emanuel Tov The Copying of a Biblical Scroll S 5 31 741667 35 459167 Koordinaten 31 44 30 N 35 27 33 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Skriptorium von Qumran amp oldid 228243945