Die Schachweltmeisterschaft der Frauen 2017 wurde vom 10. Februar bis zum 5. März 2017 in der iranischen Hauptstadt Teheran im Hotel Espinas Palace als K.-o.-Turnier mit 64 Teilnehmerinnen ausgetragen. Das Turnier hätte ursprünglich im Oktober 2016 ausgetragen werden sollen, wurde jedoch von der FIDE auf 2017 verschoben, da kein Ausrichter gefunden werden konnte. Im September 2016 gab die FIDE bekannt, dass die Austragungsrechte dem einzigen Bewerber Iran zugesprochen worden seien.
Neue Weltmeisterin wurde Tan Zhongyi aus China mit einem Sieg von 3½:2½ Punkten im Finale über Anna Musytschuk.
Mehrere eigentlich teilnahmeberechtigte Spielerinnen traten nicht an, darunter die amtierende Weltmeisterin Hou Yifan und ihre Vorgängerin Marija Musytschuk.
Nicht teilnehmende Spielerinnen Bearbeiten
Boykott wegen des Austragungsortes Bearbeiten
Nach Bekanntwerden des Austragungsortes hatte die als amtierende US-Meisterin eigentlich teilnahmeberechtigte Nazi Paikidze gegen diese Entscheidung protestiert und bekanntgegeben, nicht an der WM teilnehmen zu wollen. Begründet hat sie dies unter anderem mit der Pflicht für Frauen im Iran, in der Öffentlichkeit ein Kopftuch zu tragen. Diesem Boykott hat sich die Weltmeisterin von 2014, Marija Musytschuk, angeschlossen. Mehrere andere Spielerinnen haben ebenfalls ihr Unbehagen ausgedrückt, wollen jedoch teilnehmen, darunter auch Elisabeth Pähtz.
Die mehrfache US-Meisterin Irina Krush hat ihre Absage mit einer Reisewarnung für Frauen in den Iran des US-Außenministeriums begründet.
Sonstige Gründe Bearbeiten
Die amtierende Weltmeisterin Hou Yifan hatte bereits früher bekanntgegeben, nicht mehr am Weltmeisterschaftszyklus teilnehmen zu wollen. Sie begründete dies mit ihrer Unzufriedenheit mit dem Austragungsmodus.
Die gegenwärtige Vierte der Weltrangliste, Humpy Koneru, hat ihre Teilnahme ohne Angabe von Gründen abgesagt.
Die Rumänin Cristina-Adela Foișor erlag drei Wochen vor Turnierbeginn einer Krebserkrankung, ihr Startplatz blieb daraufhin unbesetzt. Ihrer wurde mit einer Schweigeminute vor Beginn der ersten Runde gedacht, ihre Erstrundengegnerin kam kampflos weiter.
Teilnehmerinnen Bearbeiten
Die Startberechtigungen wurden anhand verschiedener Kriterien vergeben, die folgende Liste ist entsprechend unterteilt.
Halbfinalistinnen der letzten K.-o.-Weltmeisterschaft 2014 Bearbeiten
Die U-20 Weltmeisterinnen von 2014 und 2015 Bearbeiten
Die sechs Bestplatzierten in der Weltrangliste (durchschnittliche Wertung Februar 2015 bis Januar 2016) Bearbeiten
- Ju Wenjun ( Volksrepublik China)
- Anna Musytschuk ( Ukraine)
- Alexandra Kostenjuk ( Russland)
- Zhao Xue ( Volksrepublik China)
- Shen Yang ( Volksrepublik China)
- Anna Uschenina ( Ukraine)
Eigentlich waren nur fünf Spielerinnen vorgesehen, Anna Uschenina ist für Marija Musytschuk nachgerückt.
51 Spielerinnen aus Kontinental- und Zonenmeisterschaften Bearbeiten
Europa Bearbeiten
- Walentina Gunina ( Russland)
- Salome Melia ( Georgien)
- Natalja Schukowa ( Ukraine)
- Nana Dsagnidze ( Georgien)
- Nino Baziaschwili ( Georgien)
- Lela Dschawachischwili ( Georgien)
- Antoaneta Stefanowa ( Bulgarien)
- Monika Soćko ( Polen)
- Nino Churzidse ( Georgien)
- Alina Kaschlinskaja ( Russland)
- Elina Danieljan ( Armenien)
- Anastassija Bodnaruk ( Russland)
- Lilit Mkrttschjan ( Armenien)
- Marina Netschajewa ( Russland)
- Olga Girja ( Russland)
- Inna Gaponenko ( Ukraine)
- Jekaterina Kowalewskaja ( Russland)
- Bela Chotenaschwili ( Georgien)
- Elisabeth Pähtz ( Deutschland)
- Darja Tscharotschkina ( Russland)
- Anastassija Sawina ( Russland)
- Hoàng Thanh Trang ( Ungarn)
- Sopiko Guramischwili ( Georgien)
- Ekaterina Atalık ( Türkei)
- Olga Zimina ( Italien)
- Nastassja Sjasjulkina ( Belarus)
- Sopio Gwetadse ( Georgien)
Cristina-Adela Foișor, die aufgrund ihres Ergebnisses bei der Frauen-Europameisterschaft 2014 qualifiziert war, ist am 21. Januar 2017 verstorben. Gemäß den FIDE-Regularien rückt keine Spielerin nach, da die Paarungen schon feststehen.
Asien und Ozeanien Bearbeiten
- Irine Kharisma Sukandar ( Indonesien)
- Mitra Hejazipour ( Iran)
- Zhu Chen ( Katar)
- Akter Liza Shamima ( Bangladesch)
- Phạm Lê Thảo Nguyên ( Vietnam)
- Dinara Saduakasowa ( Kasachstan)
- Tan Zhongyi ( Volksrepublik China)
- Zhai Mo ( Volksrepublik China)
- Ni Shiqun ( Volksrepublik China)
- Huang Qian (Volksrepublik China)
- Nancy Lane ( Australien)
- Padmini Rout ( Indien)
Amerika Bearbeiten
- Maritza Arribas Robaina ( Kuba)
- Kateřina Němcová ( Vereinigte Staaten)
- Viktorija Ni ( Vereinigte Staaten)
- Sabina-Francesca Foișor ( Vereinigte Staaten)
- Qiyu Zhou ( Kanada)
- Yaniet Marrero Lopez ( Kuba)
- Deysi Cori ( Peru)
- Ayelen Martinez ( Argentinien)
Afrika Bearbeiten
- Mona Khaled ( Ägypten)
- Amina Mezioud ( Algerien)
- Sabrina Latreche ( Algerien)
Nominiert durch den FIDE-Präsidenten Bearbeiten
Austragungsmodus Bearbeiten
Das Turnier wurde in sechs Runden ausgetragen, wobei in den Runden 1–5 je zwei Spielerinnen zwei Partien gegeneinander spielten. Die Zeitkontrolle betrug 90 Minuten für die ersten 40 Züge und dann 30 Minuten für den Rest des Spiels mit einer Zeitgutschrift von 30 Sekunden pro Zug ab Zug 1. Sollte ein Match in einem Unentschieden enden, wurden zwei Partien Schnellschach über 25 Minuten plus 10 Sekunden Zeitgutschrift pro Zug (25/10) ausgetragen. Sollte das Match immer noch unentschieden stehen, folgten 2 Schnellschachpartien (10/10), brachten auch diese keine Entscheidung, wurde das Match um zwei Partien Blitzschach (5/3) verlängert. Im Falle, dass das Match dann immer noch nicht entschieden ist, entschied ein „Armageddon“-Spiel. Hier wählte die Gewinnerin des Losentscheides, ob sie mit Weiß oder Schwarz spielen will; Weiß erhielt 5 Minuten Bedenkzeit, Schwarz 4 Minuten, ab dem 61. Zug gab es 3 Sekunden Zeitgutschrift pro Zug. Im Falle eines Unentschiedens gewann die Schwarzspielerin dieser Partie das Match.
In der sechsten Runde wurden vier lange Partien gespielt. Siegerin war, wer zuerst 2,5 Punkte erreichte. Die Regeln für den Tiebreak entsprachen denen der ersten fünf Runden.
Hauptschiedsrichterin des Turniers wurde Anastasija Sarokina aus Australien.
Verlauf Bearbeiten
Aufgrund von iranischen Gesetzen, die auf Gebote der im Iran vorherrschenden Religion Islam gründen, trugen alle Spielerinnen eine Haarbedeckung. Im Spielsaal waren während des Turniers Fotos aller Spielerinnen angebracht, auf denen sie ebenfalls eine solche Bekleidung trugen.
Während der ersten Runde traten Probleme mit dem Ventilationssystem auf, wodurch die Luft im Turniersaal warm und stickig wurde.
1. Runde Bearbeiten
2. Runde Bearbeiten
Ju Wenjun | 1½ | ½ | Zhu Chen |
Anastassija Bodnaruk | 0 | 2 | Olga Girja |
Zhao Xue | 1½ | 2½ | Padmini Rout |
Tan Zhongyi | 4½ † | 4½ | Anna Uschenina |
D. Harika | 2½ | 1½ | Dinara Saduakasowa |
Natalija Buksa | 3½ | 4½ | Sopiko Guramischwili |
Nana Dsagnidze | 2 | 0 | Olga Zimina |
Shen Yang | 1½ | ½ | Anastassija Sawina |
Anna Musytschuk | 1½ | ½ | Alina Kaschlinskaja |
Alexandra Gorjatschkina | ½ | 1½ | Phạm Lê Thảo Nguyên |
Antoaneta Stefanowa | 2½ | 1½ | Salome Melia |
Nino Baziaschwili | 4 | 5 | Nino Churzidse |
Alexandra Kostenjuk | 2½ | 1½ | Inna Gaponenko |
Elisabeth Pähtz | 1 | 3 | Pia Cramling |
Walentina Gunina | 0 | 2 | Ni Shiqun |
Natalia Pogonina | 3½ | 2½ | Huang Qian |
† Armageddon-Partie, Remis mit Schwarz
3. Runde Bearbeiten
Ju Wenjun | 3½ | 2½ | Olga Girja |
Padmini Rout | 2½ | 3½ | Tan Zhongyi |
D. Harika | 3½ | 2½ | Sopiko Guramischwili |
Nana Dsagnidze | 1½ | ½ | Shen Yang |
Anna Musytschuk | 2 | 0 | Phạm Lê Thảo Nguyên |
Antoaneta Stefanowa | 1½ | ½ | Nino Churzidse |
Alexandra Kostenjuk | 4 | 2 | Pia Cramling |
Ni Shiqun | 1½ | ½ | Natalia Pogonina |
Viertelfinale Bearbeiten
Ju Wenjun | ½ | 1½ | Tan Zhongyi |
D. Harika | 2½ | 1½ | Nana Dsagnidze |
Anna Musytschuk | 1½ | ½ | Antoaneta Stefanowa |
Alexandra Kostenjuk | 1½ | ½ | Ni Shiqun |
Halbfinale Bearbeiten
Finale Bearbeiten
Anna Musytschuk war zum Zeitpunkt des Matches amtierende Blitz- und Schnellschachweltmeisterin der Frauen. Sie erreichte das Finale, ohne einen Tiebreak spielen zu müssen, mit einer Wertung von 9:1 in den klassischen Partien. Tan Zhongyi hingegen spielte zwei Armageddon-Partien, eine unter anderem im Halbfinale.
Das Finale begann am 27. Februar und bestand aus vier klassischen Partien. Nach 2 Remispartien und je einem Sieg mit Weiß war der Stand 2 – 2. Im Tiebreak am 3. März endete die erste Partie mit einem Remis; in der zweiten Schnellschach-Partie führte Tan Zhongyi nach einem groben Fehler ihrer Gegnerin (siehe Diagramm) die Entscheidung herbei.
Partien Bearbeiten
1. Partie Bearbeiten
a | b | c | d | e | f | g | h | ||
8 | 8 | ||||||||
7 | 7 | ||||||||
6 | 6 | ||||||||
5 | 5 | ||||||||
4 | 4 | ||||||||
3 | 3 | ||||||||
2 | 2 | ||||||||
1 | 1 | ||||||||
a | b | c | d | e | f | g | h |
2. Partie Bearbeiten
a | b | c | d | e | f | g | h | ||
8 | 8 | ||||||||
7 | 7 | ||||||||
6 | 6 | ||||||||
5 | 5 | ||||||||
4 | 4 | ||||||||
3 | 3 | ||||||||
2 | 2 | ||||||||
1 | 1 | ||||||||
a | b | c | d | e | f | g | h |
3. Partie Bearbeiten
a | b | c | d | e | f | g | h | ||
8 | 8 | ||||||||
7 | 7 | ||||||||
6 | 6 | ||||||||
5 | 5 | ||||||||
4 | 4 | ||||||||
3 | 3 | ||||||||
2 | 2 | ||||||||
1 | 1 | ||||||||
a | b | c | d | e | f | g | h |
4. Partie Bearbeiten
a | b | c | d | e | f | g | h | ||
8 | 8 | ||||||||
7 | 7 | ||||||||
6 | 6 | ||||||||
5 | 5 | ||||||||
4 | 4 | ||||||||
3 | 3 | ||||||||
2 | 2 | ||||||||
1 | 1 | ||||||||
a | b | c | d | e | f | g | h |
1. Schnellschach-Partie Bearbeiten
1. Schnellschach-Partie
a | b | c | d | e | f | g | h | ||
8 | 8 | ||||||||
7 | 7 | ||||||||
6 | 6 | ||||||||
5 | 5 | ||||||||
4 | 4 | ||||||||
3 | 3 | ||||||||
2 | 2 | ||||||||
1 | 1 | ||||||||
a | b | c | d | e | f | g | h |
2. Schnellschach-Partie Bearbeiten
2. Schnellschach-Partie
a | b | c | d | e | f | g | h | ||
8 | 8 | ||||||||
7 | 7 | ||||||||
6 | 6 | ||||||||
5 | 5 | ||||||||
4 | 4 | ||||||||
3 | 3 | ||||||||
2 | 2 | ||||||||
1 | 1 | ||||||||
a | b | c | d | e | f | g | h |
In dieser Stellung spielte Musytschuk 39. … Kh6??, was ihrer Gegnerin Matt in spätestens 11 Zügen ermöglichte. Nach 40. g4 f6 41. Dxf6 Ta5 42. h4 gab Musytschuk auf, da sie in spätestens 3 Zügen matt gesetzt würde.
Preisgeld Bearbeiten
Das Preisgeld betrug insgesamt 450.000 US-Dollar und wurde nach folgendem Schlüssel aufgeteilt:
- Die 32 Verliererinnen der ersten Runde erhielten je 3750 US-Dollar.
- Die 16 Verliererinnen der zweiten Runde erhielten je 5500 US-Dollar.
- Die acht Verliererinnen der dritten Runde erhielten je 8000 US-Dollar.
- Die vier Verliererinnen der vierten Runde erhielten je 12.000 US-Dollar.
- Die beiden Verliererinnen des Halbfinales erhielten je 20.000 US-Dollar.
- Die Vize-Weltmeisterin erhielt 30.000 US-Dollar.
- Die Weltmeisterin erhielt 60.000 US-Dollar.
Das Preisgeld sollte von der iranischen Schachföderation als Ausrichter zur Verfügung gestellt werden. Da bisher keine Zahlungen eingingen, wurde der ganze Anteil aus FIDE-Mitteln bezahlt.
Für Reisekosten, Unterkunft und Verpflegung waren die Spielerinnen selbst verantwortlich.
Weblinks Bearbeiten
- Offizielle Homepage der Weltmeisterschaft auf FIDE (englisch) mit sämtlichen Paarungen aller Runden des KO-Turnieres
- FIDE Women’s World Chess Championship 2017 Live-Videostream, Paarungen, Ergebnisse und Partien auf fide.com (englisch)
- Women's World Championship Knockout Tournament (2017) – alle Partien bei: chessgames.com
Berichte namhafter Zeitungen zum Kopftuchzwang:
- Schach-Spielerinnen wollen WM in Iran wegen Kopftuchzwang boykottieren Süddeutsche Zeitung
- Wer sich nicht verschleiert, darf nicht ans Brett Die Welt
- Kopftuchzwang im Iran, Schachspielerinnen drohen mit WM-Boykott Berliner Zeitung
- Women’s World Championship 2017: Who plays, who doesn't? Chess News
Einzelnachweise Bearbeiten
- Jessica Chasmar: Champion U.S. chess player protests Iran World Championship over hijab. The Washington Times, 5. Oktober 2016, abgerufen am 17. Januar 2017 (englisch).
- Maria Muzychuk not to participate in Women’s World Chess Championship in Iran. Ukrinform, 9. Januar 2017, abgerufen am 17. Januar 2017 (englisch).
- Participants of the World Women’s Championship 2017. FIDE, 11. Januar 2017, abgerufen am 17. Januar 2017 (englisch).
- Regulations for the Women’s World Chess Championship Cycle. (PDF) Punkt 3.3.4. FIDE, abgerufen am 22. Januar 2017 (englisch).
- Regulations for the Women’s World Chess Championship Cycle. (PDF) FIDE, S. 4–5, abgerufen am 17. Januar 2017 (englisch).
- Adrian Michaltschischin: Titelkampf mit Nebengeräuschen. Schach 03/2017, S. 43–46.
- Regulations for the Women’s World Chess Championship Cycle. (PDF) FIDE, S. 5, abgerufen am 17. Januar 2017 (englisch).
- fide.com
- Player’s Contract for Participation in the 2017 Women’s World Chess Championship. (PDF) FIDE, S. 2, abgerufen am 17. Januar 2017 (englisch).