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Als Reichskammergerichtsvisitation bezeichnet man die jahrlich vorgesehene Evaluierung des Reichskammergerichtes durch Vertreter der Reichsstande und des Kaisers Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Zusammensetzung der Visitationskommission 3 Ablauf der Visitationen 4 Literatur 5 AnmerkungenGeschichte BearbeitenBereits bei der Grundung des Reichskammergerichtes wurde die Notwendigkeit der Uberprufung der Arbeit des Gerichtes gesehen und man ubertrug diese Aufgabe dem Reichsregiment und nach dessen Ende dem Reichstag Auf dem Reichstag von Konstanz im Jahr 1507 wurde beschlossen dass am Ende eines jeden Jahres eine Rechnungsprufung in Bezug auf die Finanzierung des Gerichtes stattfinden sollte Die Kommission anfangs bestehend aus dem Konig einem Kurfursten und einem Fursten bzw deren Raten wurde erstmals in den Beschlussen des Reichstag von 1521 mit dem Namen Visitation bezeichnet Wichtigste Aufgabe dieser Kommission war die Sicherung der Finanzierung des Gerichtes und das keiserlich cammergericht an personen vom obristen biss zum undertsen und sonst in allen andern mengein und gebrechen zu visitiren und zum besten ihres gutbedunckens zu corrigiren und reformiren Reichskammergerichtsordnung 1555 Teil l L 2 1 Grundlage der Visitation war die Befragung der zu visitierenden Personen und Erforschung von Mangeln und Problemen und die Abstellung dieser im gemeinsamen Konsens Rechtsgrundlagen der Visitationen waren die Reichskammergerichtsordnung von 1555 der Jungste Reichsabschied von 1654 und seit Kaiser Karl VII die entsprechenden Wahlkapitulationen 2 und weitere Reichsgesetze Unterschieden wurden die Visitation in ordentliche und ausserordentliche wobei die Zusammensetzung der ordentlichen Visitationen den Vorgaben der Reichsgesetze entsprach Ausserordentliche Visitationen wurden durch den Reichstag beschlossen und die Zusammensetzung konnte durch den Reichstag frei gewahlt werden Die erste Visitation fand im Jahr 1507 statt 3 Im weiteren Verlauf des 16 Jahrhunderts fanden Visitation dann regelmassig statt Neben der Uberfrachtung der Aufgaben der Visitationen fuhrten auch religiose Differenzen dazu dass die ordentlichen Visitationen im Jahr 1588 endeten 4 Seitdem wurden Visitationen nur noch sporadisch durchgefuhrt Im 18 Jahrhundert wurden insgesamt nur zwei Visitationen in den Jahren von 1708 bis 1713 Erste Wetzlarer Visitation und von 1767 bis 1776 Zweite Wetzlarer Visitation durchgefuhrt Diese letzte Visitation wurde gleichwohl nach uber 1000 Sitzungen ohne einen Beschluss beziehungsweise Abschied aufgelost 5 Die Zweite Wetzlarer Visitation war Teil des grossangelegten Reformprogramms Joseph II das u a das Ziel hatte die Reichsinstitutionen zukunftsfahig zu gestalten und speziell die seit dem Siebenjahrigen Krieg zugespitzte Krise der Reichsjustiz zu beenden 6 Neben der eigentlichen Uberwachungsfunktion hatten die Visitationen auch eine rechtsprechende Funktion Denn neben dem Rekurs zum Reichstag war es seit 1530 den Reichsstanden und seit 1570 jeder Partei moglich sich bei einer Visitation zu beschweren wenn ihnen das Gericht ohngebuhrlich begegnet were 7 Das heisst die Visitation musste auch die in Revision gegangenen Prozesse abarbeiten was die Visitationen stark verzogerte und ein weiterer Grund fur das Ende der ordentlichen Visitationen war 5 Zusammensetzung der Visitationskommission BearbeitenDie Visitatoren waren die Vertreter verschiedener Reichsstande und reprasentierten in der Visitationskommission das gesamte Reich Die Kommissare des Kaisers vertraten diesen und waren damit Trager der kaiserlichen Autoritat Sie erhielten genaue Instruktionen vom Kaiser die genaue Handlungsanweisungen enthielten und ihre Entscheidungsfreiheit beschrieben Als kaiserliche Kommissare wurden Landvogte Mitglieder der erblandischen Regierungen konigliche Hofrate und Geheime Rate sowie Mitglieder des Hofstaates aber auch Angehorige des Reichskammergerichts herangezogen Entscheidend hierbei waren ihre juristischen Qualifikationen und Erfahrungen mit Visitationen Es lasst sich feststellen dass es sich immer um eine hochadelige weltliche oder geistliche Personlichkeit und ein bis zwei burgerliche Juristen handelte 8 Die Reichsstande die zur Visitation abgeordnet waren waren dazu verpflichtet gemeinsam eine Delegation zu entsenden die aus reichsstandischen Subdelegierten die paritatisch aus beiden Religionen besetzt waren einem Sekretar und einem Kanzlisten bestand An der letzten Visitation von 1767 bis 1776 waren 70 Reichsstande beteiligt die insgesamt 24 Delegierte entsandten 9 Ablauf der Visitationen BearbeitenVor Beginn der Visitation erliess der Mainzer Erzbischof in seiner Funktion als Reichserzkanzler Ladungen an die Reichsstande Und vor oder wahrend der Visitation verschickte dieser als Memoriale bezeichnete Bitten an den Kammerrichter ihm Unterlagen wie z B Statistiken vorzubereiten und zu bestimmten Vorgangen am Reichskammergericht Stellung zu beziehen Darin enthalten sind auch Mahnungen beschlossene Vorgaben aus vorhergehenden Visitationsabschieden umzusetzen Von den Reichsstanden wurden Vollmachten ausgestellt dass die von ihnen bestimmten Kommissare und Visitatoren berechtigt sind an der Visitation teilzunehmen Diese Vollmachten wurden durch die vom Mainzer Erzbischof bestimmten Visitatoren genau gepruft Der Auftrag sah dazu vor dass alle am Gericht tatigen Personen vom Reichskammergerichtsboten bis zum Kammerrichter geheim zu haltende Befragungen unterzogen werden sollten um Probleme insbesondere im Hinblick auf die Amtsfuhrung der Assessoren identifizieren zu konnen Zusatzlich zu diesen Befragungen gab es Beratungen der Visitationsdelegierten untereinander Diese Beratungen wurden in der Regel dreimal pro Woche abgehalten Die Delegierten gaben dabei ihre Voten in standisch hierarchischer Ordnung nach dem Konsensprinzip ab 9 Die Ergebnisse der Visitationen wurden in sogenannten Visitationsabschieden niedergelegt Diese Abschiede wurden dem Reichstag vorgelegt der uber diese weiter zu beraten hatte In einigen Jahren wurden keine Abschiede verfasst sondern die Visitation nur in Memoralien festgehalten Die aus den Abschieden bzw Memoralien abgeleiteten Reichsabschiede galten als verbindlich Literatur BearbeitenAnette Baumann Korruption und Visitation am Reichskammergericht im 18 Jahrhundert eine vorlaufige Bilanz In Gesellschaft fur Reichskammergerichtsforschung Hrsg Schriftenreihe der Gesellschaft fur Reichskammergerichtsforschung Heft 41 Wetzlar 2012 core ac uk PDF Anette Baumann Visitationen am Reichskammergericht Bibliothek Altes Reich Band 24 De Gruyter Oldenbourg 2018 ISBN 978 3 11 057116 5 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Alexander Denzler Uber den Schriftalltag im 18 Jahrhundert Die Visitation des Reichskammergerichts von 1767 bis 1776 Bohlau Koln Weimar 2016 ISBN 978 3 412 22533 9 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Anmerkungen Bearbeiten zitiert nach Baumann Korruption und Visitation am Reichskammergericht S 27 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