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Die prozessuale Tat ist ein Begriff des deutschen Strafprozessrechts Sie wird in der Rechtswissenschaft definiert als einheitlicher geschichtlicher Vorgang der sich von anderen gleichartigen Vorgangen unterscheidet Im Rahmen des Strafprozesses ist zu prufen ob der Angeklagte im Rahmen dieses vom Gericht festzustellenden Sachverhalts einen Straftatbestand verwirklicht hat Zur prozessualen Tat gehort das ganze Verhalten des Taters soweit es nach naturlicher Betrachtungsweise einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt 1 2 Die prozessuale Tat wird in der Regel durch Tatort Tatzeit und das Tatbild umgrenzt und insbesondere durch das Taterverhalten sowie die ihm innewohnende Angriffsrichtung und durch das Tatopfer bestimmt 3 Inhaltsverzeichnis 1 Bedeutung 1 1 Sperrwirkung 1 2 Begrenzung des Prozessstoffs 2 EinzelnachweiseBedeutung BearbeitenSperrwirkung Bearbeiten 264 der Strafprozessordnung StPO normiert die Kognitionspflicht und besagt dass Gegenstand der Urteilsfindung die in der Anklage bezeichnete Tat ist wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt Die gesetzliche Regelung definiert also den Tatbegriff nicht sondern setzt ihn voraus Dabei ist der Tatbegriff in der Strafprozessordnung identisch mit demjenigen in Art 103 Abs 3 GG welcher verbietet dass jemand aufgrund derselben Tat mehrfach bestraft wird ne bis in idem 4 Durch die Beurteilung welchen Umfang die einem Verfahren zu Grunde liegende prozessuale Tat hat wird also auch der Umfang der Rechtskraft einer Entscheidung uber diese Tat einschliesslich der Frage in welchem Masse durch die Entscheidung ein Strafklageverbrauch eingetreten ist bestimmt 5 Das gilt nicht nur fur eine erneute Strafverfolgung in derselben Strafrechtsordnung sondern mit Art 54 des Schengener Durchfuhrungsubereinkommens SDU wurde dieses Verfolgungshindernis zunachst fur den Schengen Raum mit einer grenzuberschreitenden Wirkung versehen und wenige Jahre spater mit dem Vertrag von Amsterdam als Bestandteil des Schengen Besitzstandes in das Unionsrecht uberfuhrt 6 Begrenzung des Prozessstoffs Bearbeiten Daruber hinaus bestimmt die prozessuale Tat wie sie im Eroffnungsbeschluss des Hauptverfahrens Niederschlag gefunden hat den Prozessstoff des gerichtlichen Verfahrens Der Austausch einer prozessualen Tat durch eine andere ist nicht moglich vielmehr bedarf es einer Nachtragsanklage in der die andere prozessuale Tat bezeichnet ist Dagegen konnen sachliche Veranderungen derselben prozessualen Tat im Prozess berucksichtigt werden wenn dem Angeklagten ein entsprechender rechtlicher Hinweis erteilt wird Entsprechendes gilt in einem Disziplinarverfahren wegen eines Dienstvergehens So sieht 67 Abs 1 SachsDO vor 7 dass zum Gegenstand der Urteilsfindung nur die Anschuldigungspunkte gemacht werden konnen die in der Anschuldigungsschrift und ihren Nachtragen dem Beamten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden 8 Die Abgrenzung ist im Einzelfall nicht immer einfach dieselbe prozessuale Tat ist gegeben wenn sich in der Hauptverhandlung herausstellt dass der Uberfall nicht am 4 Oktober sondern am 6 Oktober stattgefunden hat Von einer anderen prozessualen Tat wird man hingegen ausgehen mussen wenn der Tater nicht am 4 Oktober das Mobelgeschaft des A sondern am 6 Oktober die Tankstelle des B uberfallen hat Die prozessuale Tat dient so der Rechtsklarheit durch Eingrenzung des Verhandlungsstoffs und damit der effektiven Strafverteidigung des Angeklagten dem Schutz des Angeklagten vor Mehrfachverurteilung aber auch der Verfahrenskonzentration Trotz der sich durch die gesamte StPO ziehenden Bedeutung des Tatbegriffs ist es Rechtsprechung und juristischen Fachliteratur bisher nicht gelungen der prozessualen Tat in sachlicher Richtung feste und vorherbestimmbare Konturen zu verleihen Gesicherte Erkenntnis durfte nur sein dass es sich bei dem Tatbegriff um einen Lebenssachverhalt handelt der unabhangig ist vom konkreten Erkenntnisstand der Ermittlungsbehorden und deren rechtlicher Qualifikation Nicht entscheidend ist also wie Staatsanwaltschaft und Gericht das Verhalten des Angeklagten rechtlich qualifizieren und auch nicht ob ihnen alle Geschehensmodalitaten bei Anklageerhebung bekannt waren oder bekannt hatten sein konnen Der Umfang der angeklagten Tat wird allein nach objektiven Kriterien bestimmt Der Bundesgerichtshof hat daher in standiger Rechtsprechung die prozessuale Tat als geschichtliches Vorkommnis definiert das nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet der bei getrennter Wurdigung und Aburteilung unnaturlich aufgespalten wurde und dabei immer wieder herausgestellt dass eine abstrakt generalisierende Betrachtungsweise nicht moglich ist Der Tatbegriff konne nur von Fall zu Fall bestimmt werden wobei es auf den sachlichen nicht den zeitlichen Zusammenhang ankomme 1 2 Zur Bestimmung ob ein bestimmtes strafrechtlich relevantes Verhalten eine prozessuale Tat bildet kann man sich zunachst am materiellen Tatbegriff orientieren Bei Tateinheit liegt in den meisten Fallen auch eine prozessuale Tat vor Dagegen konnen im Verhaltnis der Tatmehrheit stehende Taten dennoch einen einheitlichen Lebensvorgang und somit eine prozessuale Tat darstellen Einzelnachweise Bearbeiten a b BGHSt 23 141 145 a b BGHSt 35 60 62 BGH Urteil vom 30 September 2020 5 StR 99 20 Rz 17 vgl BVerfG Beschluss vom 8 Januar 1981 2 BvR 873 80 Rz 11 ff Urs Kindhauser Kay Schumann Strafprozessrecht 5 Auflage Nomos Baden Baden 2019 ISBN 978 3 8487 3865 6 25 Rn 5 11 Martin Bose Entscheidungsbesprechung EuGH 4 Kammer Urteil vom 5 Juni 2014 C 398 12 M ZJS 2016 S 245 250 Disziplinarordnung fur den Freistaat Sachsen vom 28 Februar 1994 SachsGVBl S 333 das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 25 August 2003 SachsGVBl S 330 geandert worden ist vgl Sachsisches OVG Urteil vom 19 Oktober 2009 D 6 A 399 08 S 8 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Prozessuale Tat amp oldid 234464973