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Beim Plasmanitrieren und nitrocarburieren wird in einer ionisierten Gasatmosphare gezielt Stickstoff in die Randzone von Eisenbasislegierungen oder anderen Legierungen die Nitridbildner enthalten eindiffundiert Das Plasmanitrierverfahren wird angewandt um Funktionsflachen eine hohere Oberflachenharte zu vermitteln damit diese einen erhohten Widerstand gegen abrasiven adhasiven und korrosiven Verschleiss bekommen Auf der linken Seite sieht man die beglimmte Innenanode Sie dient dazu in grossen Plasmanitrieranlagen eine gleichmassige Plasmadichte zu erzeugen Rechts steht ein Werkstuck welches plasmanitriert wird Entlang der Bauteilkonturen erkennt man den fur das Verfahren charakteristischen Plasmasaum Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Funktionsweise 3 Prozesstechnik 4 Prozessbeschreibung 5 Schichtaufbau 5 1 Verbindungsschicht 5 2 Diffusionszone 5 3 Erganzende Prozessschritte 6 Anlagenaufbau 7 Eigenschaften 7 1 Verzuge 7 2 Umweltaspekt 7 3 Maskierung 7 4 Investitionskosten 7 5 Chargierung 8 Materialien und Anwendungsgebiete 9 Siehe auch 10 Quellen 11 Weblinks 12 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenHistorische Funde beweisen dass bereits vor Christus wenn auch nur auf naturlichem Wege nitriert bzw nitrocarburiert wurde In China wurden carbonitrierte Werkstucke aus der Zeit um 100 vor Christus gefunden Eisensaulen stabe mit Stickstoffgradienten naturliche Nitrierung an der Oberflache gibt es in Indien seit 415 nach Christus Zu Beginn des 20 Jahrhunderts erstellte Adolph Machlet in den USA die ersten Arbeiten uber die Gasnitrierung erste Patente 1908 1 Es folgte Adolf Fry in Deutschland mit Untersuchungen uber den Einfluss und die Rolle des Stickstoffs auf Legierungselemente Patent aus 1921 2 Die Salzbadnitrierung erlangte in den 1920er Jahren immer mehr Anerkennung nachdem Hermann Schlosser aus den USA erste Erfahrungen mit cyanidhaltigen Salzschmelzen fur verschleissfeste Oberflachen nach Europa bringt Klockner Ionon GmbH startete 1932 mit ihren ersten Plasmanitrieranlagen Im Jahr 1944 1945 fanden bereits militarische Anwendungen Gefallen daran Nitrierung von Geschutzrohren Die industrielle Akzeptanz stieg in den 1970er Jahren in Europa Die Warmwand Technologie wurde in den 1980er Jahren entwickelt Alternative Verfahren wie plasma immersion ion implantation oder Aktiv Gitter wurden in den 1990er Jahren entwickelt Heute wird die Plasmanitriertechnologie weltweit akzeptiert Funktionsweise BearbeitenDas Verfahren arbeitet mit einem Stickstoff Wasserstoff Gasgemisch als Nitriermedium das in einen Vakuumofen bei einem Unterdruck von 50 Pa bis 600 Pa mittels einer stromstarken Glimmentladung ionisiert wird Wegen der hohen energetischen Wirkung des Plasmas kann die Arbeitstemperatur beim Plasmanitrieren gegenuber dem Salzbad und dem Gasnitrieren erheblich abgesenkt werden so dass dieses Verfahren auch bei verzugsempfindlichen Werkstoffen und Bauteilen eingesetzt werden kann Der typische Arbeitsbereich beim Plasmanitrieren von Eisenlegierungen liegt zwischen 350 C und 600 C Ubersteigt nach Einschalten die Hochspannung die zwischen Ofenwand und Charge angelegt wird einen kritischen Wert zundet eine Glimmentladung Das Plasma bewirkt dass an der Oberflache diffusionsfahiger Stickstoff gebildet wird der dann bei hinreichend hoher Bauteiltemperatur und einer entsprechend langen Behandlungszeit bei bestimmten Stahlen bis zu 0 8 mm tief in die Randzone eindiffundieren kann Je nach Prozessfuhrung wird eine reine Diffusionsschicht oder bei Uberschreiten der Loslichkeitsgrenze zusatzlich eine g Fe4N oder e Fe2 3CxNy Eisennitridphase von 2 µm bis 20 µm Dicke aufgebaut Wahrend die erzielbare Randharte im Wesentlichen von der Stahlsorte bestimmt wird werden die Dicken der erzeugten Schichten zusatzlich durch die Behandlungstemperatur die Behandlungszeiten und das Stickstoffangebot im Prozessgas beeinflusst Prozesstechnik BearbeitenUm eine kontrollierte und gezielte Oberflachenveredelung mit Hilfe einer Plasmabehandlung gewahrleisten zu konnen ist es erforderlich den Behandlungsprozess unter definierten Bedingungen durchzufuhren Die Prozessablaufe werden durch den Einsatz modernster Prozess und Regeltechnik vollautomatisch abgearbeitet so dass an den Operator keine besonderen Anforderungen gestellt werden Moderne Anlagen werden mit PC Steuerung und Feldbussystemen ausgerustet Ist und Sollwerte werden in schematischen Darstellungen visualisiert und dokumentiert Ebenso werden die Funktionsstellungen relevanter Stellgrossen ubersichtlich dargestellt Wichtige Funktionen der Plasmaofen wie Druckschalter Ventilstellungen fur Evakuieren und Behandeln Bereitstellung von Kuhlwasser als auch Betrieb des Vakuumpumpstands werden uberwacht und visualisiert Die Prozessgaszusammensetzung wird uber elektronisch geregelte Massflow Controller gesteuert Der Druck im Reaktionsraum wird uber Druckmessgerate erfasst und die Druckeinstellung erfolgt uber Regelventile in der Saugleitung oder durch drehzahlgeregelte Walzkolbenpumpen Die Plasmaparameter Pulshohe Dauer und Taktfrequenz sind in den Behandlungsablaufen frei einstellbar Zur Unterdruckung der Lichtbogen werden Ausschaltzeiten von unter zwei Mikrosekunden und Pulswiederholzeiten von bis zu 20 kHz realisiert Das Warmwand bzw Heisswandofenkonzept mit zusatzlicher Luftkuhlung gestattet ein definiertes beschleunigtes Aufheizen und Abkuhlen der Charge Standardbetriebsarten erlauben die Behandlung mit konstanten Plasmaleistungsdichten Dadurch wird beispielsweise beim Plasmanitrieren sichergestellt dass die Behandlungsergebnisse unabhangig von Ofengrosse und der zu behandelnden Oberflache sind Durch die Pulstechnologie ist der Energieeintrag in die zu behandelnde Charge wesentlich geringer als bei einer reinen Gleichspannung Daher konnen sehr enge Temperaturtoleranzen innerhalb der Charge eingehalten werden Auch bei hohen Chargierdichten sind mit Hilfe der Pulstechnologie minimale Streuungen im Behandlungsergebnis moglich Bei konstanter Plasmaleistung wird ublicherweise die Temperatur der Charge durch die Ofenheizung geregelt womit die thermische Prozessfuhrung von der chemischen weitgehend entkoppelt wird Prozessbeschreibung BearbeitenDas Werkzeug wird in einem evakuierten Behalter als Kathode geschaltet die Behalterwand als Anode Ein stickstoffhaltiges Gas wird in geringen Mengen zugefuhrt Nach Anlegen einer Hochspannung werden die Stickstoffatome in der Nahe der Kathode ionisiert Die positiv geladenen Stickstoffionen werden zum Werkstuck hin beschleunigt treffen dort mit hoher kinetischer Energie auf und lagern sich in die Oberflache ein Die Auftreffenergie wird teilweise in Warme umgesetzt Durch exakte Steuerung der elektrischen Grossen und der Gaszufuhr kann der Schichtaufbau optimal beeinflusst werden Bei niedrigem Stickstoffangebot ist es sogar moglich die Verbindungsschichtbildung zu unterdrucken Schichtaufbau BearbeitenVerbindungsschicht Bearbeiten Der Aufbau des ausseren Randschichtbereichs aus Nitriden den bei Kohlenstoffstahlen vorhandenen Carbonitriden Nitrocarbiden sowie Primarcarbiden bei den ubereutektoidischen Stahlen hat zu der Bezeichnung Verbindungsschicht engl compound layer gefuhrt Diese ist je nach den Behandlungsbedingungen und je nach Werkstoffzusammensetzung einige Mikrometer dick Die Porositat in der Verbindungsschicht ist im Prinzip nicht zu vermeiden Es wird angenommen dass sie wegen der Metastabilitat der Fe N C Carbonitridphasen entsteht Diese fuhrt zum Ausscheiden von Stickstoff der zu Molekulen rekombiniert Dadurch entstehen Poren bevorzugt an energetisch begunstigten Stellen wie z B Korngrenzen innerhalb der Verbindungsschicht Diffusionszone Bearbeiten In diesem Artikel oder Abschnitt fehlen noch folgende wichtige Informationen Was ist mit DLC Schichten gemeint Hilf der Wikipedia indem du sie recherchierst und einfugst Der Randschichtbereich unterhalb der Verbindungsschicht wird als Diffusionszone manchmal auch als Ausscheidungs oder Mischkristallzone bezeichnet weil es keine definierte Grenze zum Grundwerkstoffgefuge gibt Daher wird als Mass fur die Nitriertiefe der Randabstand angegeben bei dem die Harte durch das Nitrieren um einen bestimmten Wert meist 50 HV uber der Harte des Grundwerkstoffes liegt Im Unterschied zur Dicke der Verbindungsschicht kann der gesamte nitrierte Randbereich bis in eine Tiefe von einigen Zehntel Millimetern reichen Der Gehalt an Legierungselementen wirkt sich auf das Wachstum der Diffusionszone aus Mit zunehmendem Legierungsgehalt nimmt unter sonst gleichen Bedingungen die erreichbare Nitriertiefe ab Erganzende Prozessschritte Bearbeiten Je nach Bedarf und Bauteilanforderungen konnen auf eine plasmanitrierte Oberflache zusatzliche Schichten aufgebracht werden Eine Moglichkeit ist die Oxidation Hierbei wird eine vor Korrosion schutzende Eisenoxidschicht Magnetit auf der Verbindungsschicht erzeugt Die Oxidation findet direkt im Anschluss an das Plasmanitrieren statt Das Verfahren stellt einen zusatzlichen Schritt vor der Abkuhlung der Charge dar und kann innerhalb eines Prozesses angewendet werden ohne die Prozessdauer nennenswert zu verlangern Daher ist dieses Verfahren in der Praxis sehr kosteneffizient Weiterhin lasst sich alternativ auch eine zusatzliche Beschichtung auf eine plasmanitrierte Oberflache aufbringen Dies sind beispielsweise Schichten und Schichtkombinationen aus Diamond like Carbon oder Titannitrid Diese Schichten sind harter oder haben einen geringeren Reibungskoeffizienten als nur nitrierte Oberflachen Umgekehrt stutzen Verbindungsschicht und Diffusionszone die nur wenige Mikrometer dicken Hartstoffschichten und verbessern so deren Widerstand gegen Punktlasten Voraussetzung ist eine geeignete Wahl der Parameter beim Plasmanitrieren um eine optimale Schichthaftung zu gewahrleisten und Delaminationseffekte zu vermeiden Das Plasmanitrieren und Beschichten lasst sich ebenfalls in einer Anlage als Kombinationsprozess durchfuhren Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten konnen hierbei jedoch nur sehr dunne Nitrierschichten erzeugt werden Anlagenaufbau BearbeitenEin wichtiges Merkmal einer sogenannten Warmwandanlage ist dass die Erwarmung des Werkstucks im Wesentlichen durch die Wandheizung und nicht durch das Plasma erfolgt Hierdurch konnen die Plasmaprozessparameter unabhangig von der Prozesstemperatur in optimaler Weise angepasst werden Die Plasmaspannung wird in Form von Rechteckpulsen mit einer Folgefrequenz von bis zu 50 kHz angelegt Pulse positiver und negativer Polaritat sind moglich was die Abscheidung isolierender Schichten erlaubt Thermoelemente sorgen fur eine akkurate Temperaturmessung und anpassung Gemessen wird diese entweder nahe dem oder direkt im Werkstuck Eigenschaften BearbeitenVerzuge Bearbeiten Das Nitrieren ist aufgrund der niedrigen Prozesstemperaturen das geeignete Diffusionsverfahren wenn es um geringen Verzug geht Die durch die Einlagerung von Stickstoff veranderte Gitterstruktur des Stahls vermindert zusatzlich noch die Gefahr der Adhasion die zum Fressen von Gleit und Walzpaarungen fuhrt Das Nitrieren bietet somit gewisse Notlaufeigenschaften Aufgrund des geringen Verzuges ist die Nacharbeit die Ausnahme Das Flachenwachstum betragt je nach Nitriertiefe 10 25 µm Dunnwandige Korper oder porose Materialien wachsen jedoch insgesamt mehr aber auch reproduzierbar Durch geeignetes Vorhalten von Massabweichungen kann hier effektiv gegengesteuert werden Umweltaspekt Bearbeiten Das Plasmanitrierverfahren ist aufgrund der Tatsache dass keine giftigen Gase verwendet werden mitunter eine der umweltfreundlichsten Methoden der Oberflachenhartung Vergleicht man sie beispielsweise mit Gasnitrieranlagen so erzeugen letztere 2 700 mal so viel CO CO2 und 5 500 mal so viel NOx wie Plasmanitrieranlagen Maskierung Bearbeiten Neben dem geringen Verzug und der Umweltfreundlichkeit bietet die Plasmanitriertechnologie ausserdem die Moglichkeit anstelle von Abdeckpasten mechanische Maskierungen zu verwenden Diese konnen ganz einfach aufgesetzt und wieder abgenommen werden Geht es um Spalten Bohrungen o A so kann sogar ganz auf samtliche Abdeckungen verzichtet werden da man die Nitrierwirkung mittels des Drucks variieren kann Bei korrekter Einstellung werden die Bohrungen nicht nitriert um eine Aufhartung oder Versprodung zu verhindern Investitionskosten Bearbeiten In der Regel sind die Investitionskosten von Plasmanitrieranlagen um 20 Prozent bis 30 Prozent hoher als die vergleichbarer Gasnitrieranlagen Aufgrund der niedrigeren Prozesskosten infolge der Gaszusammenstellung relativiert sich diese Zahl allerdings schnell Chargierung Bearbeiten Ein entscheidender Faktor ist dass im Plasma kein Schuttgut behandelt werden kann Die Bauteile mussen somit einzeln ob manuell oder mittels Roboter chargiert werden wobei zwischen ihnen ein Abstand gehalten werden muss Materialien und Anwendungsgebiete BearbeitenEin breites Spektrum an Materialien kann problemlos im Plasma nitriert werden Einsatzstahl Vergutungsstahl Nitrierstahl Werkzeugstahl Austenitische und martensitische hochchromhaltige Stahle Sintermaterial Gusseisen TitanlegierungenDie Plasmanitriertechnologie findet in vielen Branchen Anwendung Getriebeindustrie und deren Kunden wie Motion Control Windkraft oder Hersteller von Automobilen LKWs Traktoren oder Baumaschinen Waffenindustrie Luftfahrt z B Zentralwelle Lager usw Automobilzulieferindustrie z B Sinterbauteile Wellen Exzenterwellen Schlepphebel Grundwellen Ventile Kurbelwelle Kolben Gasfedern usw Hydraulikindustrie z B Zylinder Kolben usw Ol und Gasindustrie z B Offshore Komponenten Ventile Verschraubungen usw Werkzeugbau z B Schmiedeteile Aluminiumdruckguss oder Extrusionsformen usw Siehe auch BearbeitenNitrieren WarmebehandlungQuellen BearbeitenT Bell Y Sun A Suhadi Environmental and technical aspects of plasma nitrocarburising In VACUUM Surface Engineering Surface Instrumentation amp Vacuum Technology Volume 59 2000 KC Kramer A Muhlbauer Praxishandbuch Thermoprozess Technik Grundlagen Verfahren Vulkan Essen 2002 ISBN 3 8027 2922 6 K Lange Umformtechnik Handbuch fur Industrie und Wissenschaft Band 4 Sonderverfahren Prozesssimulation Werkzeugtechnik Produktion Springer Berlin Heidelberg 1993 ISBN 978 3 540 55939 9 D Liedtke Warmebehandlung von Eisenwerkstoffen I Grundlagen und Anwendungen 7 Auflage expert verlag Renningen 2007 Weblinks BearbeitenPlasmanitrieranlagenEinzelnachweise Bearbeiten Patent US994322A Case Hardening Angemeldet am 18 Februar 1908 veroffentlicht am 6 Juni 1911 Erfinder Adolph W Machlet Patent US1487554A Process for hardening steel alloys Angemeldet am 26 Oktober 1921 veroffentlicht am 18 Marz 1924 Anmelder Krupp Aktiengesellschaft Erfinder Adolf Fry Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Plasmanitrieren amp oldid 237675458