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Phrasierung bezeichnet die Gestaltung der Tone innerhalb einer musikalischen Phrase hinsichtlich Lautstarke Rhythmik Artikulation und Pausensetzung Wie beim Heben und Senken der Stimme Kurzen und Dehnen von Silben in der Sprache folgen auch in jeglicher Musik nie Tone gleichen Ranges aufeinander Tonfolgen besitzen immer eine Struktur oft im Sinne eines Stark Schwach Musters 1 z B durch Schwerpunkte melodischer rhythmischer oder harmonischer Art so dass sich einzelne Tongruppen Motive von anderen abgrenzen Die dadurch entstehenden Phrasen werden durch die Phrasierung dem Horer kenntlich gemacht Das Erkennen von Phrasen und ihrer Phrasierung wurde bis zum Ende des 19 Jahrhunderts bei den Interpreten vorausgesetzt Es finden sich lediglich einzelne Gliederungszeichen wie Kommata bei Francois Couperin oder Atemzeichen bei Heinrich Schutz Mit dem Zunehmen komplizierter Strukturen und metrischer Freiheiten seit der Wiener Klassik wurde es notig solche zusatzlichen Vortragszeichen sowie den von Hugo Riemann in seiner Phrasierungslehre eingefuhrten Phrasierungsbogen zur Kenntlichmachung von Phrasen zu nutzen Inhaltsverzeichnis 1 Phrasierungslehre von Hugo Riemann 2 Weitere Entwicklung 3 Phrasierung im Jazz 4 Literatur 5 EinzelnachweisePhrasierungslehre von Hugo Riemann BearbeitenDer Musikwissenschaftler Hugo Riemann machte die Phrasierung am Ende des 19 Jahrhunderts zu einem grossen musikwissenschaftlichen Aufgabengebiet und befasste sich systematisch mit der Art und Weise musikalischer Vortrage Er unterschied folgende Glieder aus denen musikalische Gedanken bestehen Taktmotive Schwerpunkt auf der ersten betonten Zahlzeit des Taktes Taktgruppen zu einer Einheit zusammengefasste Taktmotive Halbsatze von vier Taktmotiven Perioden zwei Halbsatze Vorder und Nachsatz Als Phrase bezeichnet er dabei diejenigen Glieder welche im Sinne von Symmetrie selbstandig einander gegenubergestellt werden konnen Jede Phrase besitzt dabei ihre eigene dynamische Gestaltung Nach Riemann der im Wesentlichen nur von auftaktigen Modellen ausgeht was ihm zum Vorwurf gemacht wurde sind Erkennungsmerkmale zur Abgrenzung von Motiven und Phrasen folgende Langen auf schwerem Taktteil Ausnahme harmonische Besonderheiten Pausen nach Noten die auf einen schweren Taktteil fallen Ausnahme wie oben Figuration die von einem Schwerpunkt zum anderen leitet und neue Anfange verlangt Anfange auf schwerer Zeit Volltakt weibliche Endungen d h das Motiv geht uber den Ton hinaus mit dem man eine Schlusswirkung verbindet z B Vorhaltsdissonanz Riemann bezog sich dabei auf Jerome Joseph de Momigny 1806 und R Westphal 1880 und wandte sich gegen Moritz Hauptmann und Hans von Bulow die seiner Ansicht nach einseitig phrasierten Die gemeinsam mit dem Pianisten C Fuchs entwickelte Phrasierungslehre in der viele zusatzliche Zeichen entworfen wurden welche die Gliederung von Phrasen aufzeigen sollten konnten sich jedoch nur begrenzt in Riemanns Schulerschaft durchsetzen und sich bis auf den Phrasierungsbogen nicht im allgemeinen Gebrauch durchsetzen Weitere Entwicklung Bearbeiten1898 wandte sich Friedrich Kullak entschieden gegen das auftaktige Prinzip in Riemanns Phrasierungslehre Seitdem haben sich Urtextausgaben ohne jegliche Zusatze von Herausgebern als Grundlage fur Interpretation und Analyse von Musikwerken jeglicher Epochen zunehmend durchgesetzt Da sich die kompositorische Entwicklung zu Beginn des 20 Jahrhunderts deutlich von der klassischen Metrik Periodenbildung weg entwickelte und auch rhythmisch wesentlich komplexer wurde ist eine Phrasierung dieser Musik im Sinne Riemanns nicht mehr moglich Phrasierung im Jazz BearbeitenIm Jazz ist Phrasierung in vielerlei Hinsicht ein stilpragendes Merkmal sowohl was den Personal als auch den Epochenstil angeht Auch hier wird davon ausgegangen dass gewisse allgemeine Phrasierungsgesetzmassigkeiten allgemein bekannt und daruber hinaus zur eigenen Interpretation frei sind So zum Beispiel das Timing die Platzierung der Tone entsprechend dem Beat wie bei der so genannten Swing Phrasierung Wahrend hierbei auf Achtel Ebene gerade binare Achtel notiert werden ist die Ausfuhrung dieser Achtel triolisch ternar Das heisst dass man die jeweils erste und letzte Triole einer Achteltriolengruppe spielt so zumindest die gangige Erklarung in Notenschrift der sog Groove entsteht meist erst durch ein flexibles und dynamisches Handhaben und Ausgestalten der Achtellangen Tate man dies immer ganz genau gleich so wurde man statisch klingen wie ein Computer und die gespielte Linie hatte nichts von der Lebendigkeit die man von hunderten von grossartigen Jazzimprovisationen kennt Da nun aber die verschiedenen Musiker die gleiche Melodie alle etwas unterschiedlich spielen obwohl gleich notiert klingt sie immer etwas anders Im Swing ist es beispielsweise haufig der Fall dass die dritte Triole der schon erwahnten Triolengruppe etwas zu fruh gespielt wird so dass es zum Teil fast gerade Achtel ergibt vor einem ternaren Stuck nennt man dies duolisch doch eben nicht ganz gerade Achtel So ergibt sich ein eigentumliches nicht zu notierendes Musikgefuhl Dazu tragt ebenfalls die Behandlung der Betonung der einzelnen Tone bei Im Jazz ist es oft der Fall dass Tone auf unbetonten Zahlzeiten betont werden vergleiche dazu Synkope also das genaue Gegenteil beispielsweise zur Marschmusik ohne dass dies jedoch durchgangig der Fall ist Sehr gut lasst sich dies unter anderem an den Soli von Charlie Parker erkennen der aus dem wiederholten Spielen von Themen und Stucken Improvisationen entwickelt hat die spater zu eigenen Stucken wurden Zu beachten ist weiterhin dass gerade die Marschmusik zu einer der historisch bedingten Wurzeln des Jazz wurde vgl dazu John Philip Sousa Art Blakey s Blues March sowie die Verbreitung von Schlag und Blasinstrumenten in der Bevolkerung der USA seit dem Sezessionskrieg Literatur BearbeitenHugo Riemann Musikalische Dynamik und Agogik Lehrbuch der musikalischen Phrasirung auf Grund einer Revision der Lehre von der musikalischen Metrik und Rhythmik Rahter u a Hamburg u a 1884 Digitalisat Hugo Riemann Carl Fuchs Praktische Anleitung zum Phrasieren Darlegung der fur die Setzung der Phrasierungszeichen massgebenden Gesichtspunkte mittels vollstandiger thematischer harmonischer und rhythmischer Analyse klassischer und romantischer Tonsatze Hesse Leipzig 1886 Hugo Riemann Die Phrasierung im Lichte einer Lehre von den Tonvorstellungen In Zeitschrift fur Musikwissenschaft Bd 1 1918 1919 S 26 39 Otto Klauwell Der Vortrag in der Musik Versuch einer systematischen Begrundung desselben zunachst rucksichtlich des Klavierspiels Guttentag Berlin u a 1883 Digitalisat Otto Tiersch Rhythmik Dynamik und Phrasierungslehre der homophonen Musik Ein Lehrgang theoretisch praktischer Vorstudien fur Komposition und Vortrag homophoner Tonsatze Oppenheim Berlin 1886 Digitalisat Adolph Carpe Grouping Articulating and Phrasing in Musical Interpretation A Systematic Exposition for Players Teachers and Advanced Students Bosworth amp Co Leipzig u a 1898 Heinrich Schenker Weg mit dem Phrasierungsbogen In Das Meisterwerk in der Musik Ein Jahrbuch Bd 1 1925 ZDB ID 799002 9 S 41 59 Nachdruck Olms Hildesheim u a 1974 ISBN 3 487 05274 1 Hermann Keller Phrasierung und Artikulation Ein Beitrag zu einer Sprachlehre der Musik Barenreiter Kassel u a 1955 Egon Saraber Methode und Praxis der Musikgestaltung Papierflieger Verlag Clausthal Zellerfeld 2011 ISBN 978 3 86948 171 5 Einzelnachweise Bearbeiten Anthony LeRoy Glise Musikalische Phrasierung In Gitarre amp Laute Band 7 Heft 1 1985 ISSN 0172 9683 S 59 61 Teil 1 und Heft 3 S 15 18 Teil 2 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Phrasierung amp oldid 224946275