www.wikidata.de-de.nina.az
Als Periode bezeichnen Musiktheoretiker aus Vergangenheit und Gegenwart unterschiedlich geartete musikalische Abschnitte aufgrund unterschiedlicher Kriterien Der Begriff ist also mehrdeutig 1 Meistverbreitet durfte heute eine Begriffsauffassung im Sinne dieser Definition sein Verbinden wir zwei viertaktige Satze von gleichem oder wesentlich gleichem Inhalt derart miteinander dass der erste der beiden Satze mit einem Halbschluss der zweite mit einem Ganzschluss in der Tonart der Tonika schliesst so wird der erste zum Vorder und der zweite zum Nachsatz und das Ganze zu einer achttaktigen Periode Alfred Richter Die Lehre von der Form in der Musik Leipzig 1904 S 6 Nach dieser Definition bilden z B die ersten acht Takte des Te Deum in D Dur von Marc Antoine Charpentier bekannt als Eurovisionsmelodie eine Periode denn sie erfullen die Kriterien Zweiteiligkeit Achttaktigkeit gleichmassige Gliederung 8 4 4 durch einen Halbschluss in der Mitte und einen abschliessenden Ganzschluss sowie motivische Entsprechung von Vorder und Nachsatz Wie im Folgenden gezeigt wird ist aber keins dieser Merkmale in der Geschichte des Begriffs zu jeder Zeit ein wesentliches Kriterium fur seine Verwendung gewesen source source M A Charpentier Te Deum Praludium source Die Audiowiedergabe wird in deinem Browser nicht unterstutzt Du kannst die Audiodatei herunterladen Inhaltsverzeichnis 1 Geschlossener Abschnitt 2 Symmetrische Zweiteilung Halb und Ganzschluss Achttaktigkeit 3 Motivische Entsprechung der Halbsatzanfange 4 Gliederung des Vordersatzes 5 Periode als metrisches Modell 6 Quellen und Literatur 7 EinzelnachweiseGeschlossener Abschnitt BearbeitenDer Begriff stammt aus der Rhetorik siehe Satzperiode und bezeichnete vor diesem Hintergrund im 17 Jahrhundert zunachst recht allgemein geschlossene musikalische Abschnitte 2 Uber den genaueren Umfang und die Gliederung solcher Abschnitte sagt das Wort in dieser Zeit also nichts aus Diese Begriffsauffassung findet sich noch um 1800 in den Schriften von Heinrich Christoph Koch der Periode als einen Theil eines Tonstucks definiert der mit einem vollkommenen Ruhepunkte des Geistes schliesst den man eine Cadenz nennet unter Cadenz versteht Koch einen vollkommenen Ganzschluss 3 Symmetrische Zweiteilung Halb und Ganzschluss Achttaktigkeit Bearbeiten Beispiel einer Periode Die Einschrankung auf Abschnitte die mit einem Ganzschluss enden doch ausserdem durch einen Halbschluss in zwei gleich lange Teile gegliedert sind findet sich zuerst in der Melodielehre von Anton Reicha 1814 Die weitere Einschrankung auf ein achttaktiges Modell das verkurzt oder verlangert werden kann erfolgte in der einflussreichen Kompositionslehre von Adolph Bernhard Marx 1837 der auch die Begriffe Vordersatz und Nachsatz eingefuhrt hat Um die Mitte des 19 Jahrhunderts begegnet die auch heute gelaufige Analogie wonach der Vordersatz einer Periode einer Frage und der entsprechende Nachsatz deren Antwort ahnelt 4 Dass die Mittelkadenz ein Halbschluss sein musse wird in neuerer Literatur relativiert Auch unvollkommene bzw im Vergleich zur Schlusskadenz weniger vollkommene Ganzschlusse werden epochenubergreifend an dieser Stelle verwendet 5 Demnach bilden z B auch die ersten acht Takte des Kinderliedes Hanschen klein eine Periode Motivische Entsprechung der Halbsatzanfange BearbeitenDass der Nachsatz als variierte Wiederholung des Vordersatzes beginnt wird seit 1865 in einigen Handbuchern und Lexika eigens hervorgehoben 6 In manchen anderen Quellen bleibt dieser Aspekt unerwahnt bzw wird moglicherweise als selbstverstandlich vorausgesetzt Gliederung des Vordersatzes BearbeitenArnold Schonberg dessen Schriften fur die heutige musikalische Formenlehre ein wichtiger Bezugspunkt sind beschreibt den Vordersatz seinerseits als zweigeteilt da hier nach der Formulierung der ersten Phrase fur die es meist zwei Takte brauche mehr kontrastierende Motivformen folgten An diesem Punkt im dritten Takt eines Themas also entscheide sich ob sich der Abschnitt zu einer Periode oder zu einem Satz entwickle 7 Die Periode unterscheidet sich vom Satz dadurch dass sie die Wiederholung hinausschiebt Ihre erste Phrase wird nicht unmittelbar wiederholt sondern mit entfernteren mehr kontrastierenden Motivformen verbunden um die erste Halfte der Periode den Vordersatz zu bilden Nach diesem Kontrast kann die Wiederholung nicht langer hinausgeschoben werden ohne die Fasslichkeit zu gefahrden Demnach wird die zweite Halfte der Nachsatz als eine Art von Wiederholung des Vordersatzes konstruiert werden 8 In Erganzung dazu beschreibt William Caplin den Typus der zusammengesetzten Periode compound period deren Vorder und Nachsatz jeweils acht Takte umfassen und als Satz oder als Zwitter hybrid u a Vordersatz Fortsetzung gebaut sind 9 Als Beispiel fur diese letzte Struktur nennt Caplin u a T 1 16 im ersten Satz der Klaviersonate in As Dur op 26 von Ludwig van Beethoven Periode als metrisches Modell BearbeitenNach Hugo Riemann ist die Periode wesentlich auch durch die Unterscheidungen verschiedenen Gewichts der Takte bestimmt Die Begriffe leichter erster und schwerer antwortender zweiter Takt erste aufstellende und zweite antwortende Zweitaktgruppe erster Halbsatz Vordersatz und zweiter Halbsatz Nachsatz fuhren zum Verstandnis des regularen Schemas der vollstandigen achttaktigen Periode 10 Die hieraus resultierende Gewichtsabstufung 1 leichteste Stufe 1 3 5 7 Takt 2 Stufe 2 6 Takt 3 Stufe 4 Takt 4 Stufe 8 Taktsei jedoch nicht stets in gleicher Weise gegeben sondern hinge vom konkreten Inhalte von den thematischen Motiven ab 11 Quellen und Literatur BearbeitenChristoph von Blumroder Art Periodus Periode In Handworterbuch der musikalischen Terminologie hrsg von Hans Heinrich Eggebrecht und Albrecht Riethmuller Schriftleitung Markus Bandur Steiner Stuttgart 1996 ISBN 978 3 515 10167 7 online William Caplin Classical Form A Theory of Formal Functions for the Instrumental Music of Haydn Mozart and Beethoven Oxford University Press New York 1998 ISBN 978 0 19 514399 7 William Caplin Analyzing Classical Form An Approach for the Classroom Oxford University Press New York 2013 ISBN 978 0 19 998730 6 Carl Dahlhaus Satz und Periode Zur Theorie der musikalischen Syntax In Zeitschrift fur Musiktheorie 9 1978 S 16 26 Arrey von Dommer Musikalisches Lexikon vermehrte und umgearbeitete 2 Auflage des gleichnamigen Werkes von Heinrich Christoph Koch Heidelberg J C B Mohr 1865 online Heinrich Christoph Koch Musikalisches Lexikon Frankfurt 1802 online Clemens Kuhn Formenlehre der Musik 6 Auflage Barenreiter Kassel 2001 ISBN 3 7618 1392 9 Anton Reicha Traite de melodie Paris 1814 deutsche Ubersetzung durch Carl Czerny 1832 Hugo Riemann System der musikalischen Rhythmik und Metrik Breitkopf amp Hartel Leipzig 1903 Arnold Schonberg Fundamentals of Musical Composition 1937 1948 posthum hrsg von Gerald Strang und Leonard Stein London 1967 dt als Grundlagen der musikalischen Komposition ubers von Rudolf Kolisch und hrsg von Rudolf Stephan Universal Edition Wien 1979 ISBN 978 3 7024 0136 8 Einzelnachweise Bearbeiten Fur eine ausfuhrliche Ubersicht der Auffassungen des Begriffs in der Musiktheorie seit dem Mittelalter siehe Blumroder 1996 Siehe z B Burmeister 1606 S 35f 73f Koch 1802 Sp 1150 Blumroder 1996 S 9 11 Die Frage Antwort Metapher im Aesthetischen Lexikon von Ignaz Jeitteles Band 2 S 66 auf die Blumroder S 9 verweist bezieht sich allgemein auf ein mogliches Verhaltnis gewisser melodischer Glieder nicht ausdrucklich auf das Verhaltnis Vorder und Nachsatz im Sinne Marxʼ Siehe z B Kuhn 2001 S 56f Dommer 1865 S 677f Schonberg 1979 S 21 Der Unterschied zwischen einem Satz und einer Periode liegt in der Behandlung der zweiten Phrase und deren Fortsetzung Schonberg 1979 S 23 Caplin 2013 S 166ff Riemann 1903 S 13 Riemann 1903 S 13 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Periode Musik amp oldid 220600641