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Palliative Sedierung ist ein Begriff aus der Medizin der uneinheitlich definiert ist und kontrovers diskutiert wird Grundsatzlich handelt es sich um die Gabe stark beruhigender sedierender Medikamente bei Sterbenden um anders nicht zu beherrschende therapierefraktare Symptome wie Angstzustande Atemnot delirante Symptome Schmerz Ubelkeit und Erbrechen wirksam zu behandeln Da den Leitlinien zufolge eine Beschleunigung des Sterbeprozesses die als mogliche Komplikation in Kauf genommen wird nicht intendiert ist liegt eine klare Abgrenzung zur aktiven Sterbehilfe vor Viele Mediziner lehnen aus diesem Grund den ebenfalls verwendeten Begriff terminale Sedierung ab Weitere Bezeichnungen im Deutschen sind Sedierung am Lebensende und totale Sedierung 1 Inhaltsverzeichnis 1 In der Palliativmedizin 2 Indikationen 3 Durchfuhrung 4 Kritische Uberlegungen 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseIn der Palliativmedizin BearbeitenUnter der palliativen Sedierung versteht man die Verabreichung von Medikamenten die das Bewusstsein sterbender Patienten dampfen um belastende Symptome wie Luftnot Schmerzen oder Angst in der letzten Lebensphase zu lindern oder auszuschalten Das Bewusstsein des Patienten soll nur so weit reduziert werden wie es zur Linderung unertraglichen Leiderlebens notwendig ist 2 Gemass dieser palliativmedizinischen Definition ist Symptomkontrolle dabei das einzige Ziel Hans Christof Muller Busch etwa verweist 2004 in der Zeitschrift fur Palliativmedizin auf Studien nach denen Patienten unter palliativer Sedierung nicht schneller sterben als ohne die beruhigenden und schmerzlindernden Medikamente Zwei Drittel seiner eigenen Patienten waren unter palliativer Sedierung auch in ihren letzten Stunden noch in der Lage Flussigkeit aufzunehmen 13 Prozent nahmen sogar feste Nahrung zu sich In der Palliativmedizin wird palliative Sedierung als medizinisch indizierte Therapieoption zur Symptomkontrolle therapieresistenter Symptome gesehen die bei Beachtung heutiger palliativmedizinischer Standards nicht zur Lebensverkurzung fuhrt und insofern zu Unrecht in die Nachbarschaft von illegalen Patiententotungen gestellt wird Mittels bestimmter Sicherungsmechanismen uberwachen die Behandelnden dass die Bewusstseinstrubung nicht im Ubermass erfolgt und die Sedierungsmedikation nicht zum Tod des Patienten fuhrt 2 Von einer internationalen Expertengruppe wurden Richtlinien zur Indikation und zur Durchfuhrung der palliativen Sedierung veroffentlicht 3 Dabei werden auch die kritischen Punkte der palliativen Sedierung diskutiert Wird die palliative Sedierung wirklich nur als letzte Moglichkeit in der Symptomlinderung eingesetzt darf die palliative Sedierung auch bei psychosozialer Belastung Leiden am Leben eingesetzt werden darf die palliative Sedierung nur am Lebensende oder auch fruher im Verlauf schwerer Erkrankungen eingesetzt werden Wie Untersuchungen von Muller Busch zeigen steigt der Anteil der palliativen Sedierungen aus psychosozialen Grunden mit der Zunahme dieser Praxis an 4 Indikationen BearbeitenDie Indikation fur eine palliative Sedierung besteht als Ultima Ratio bei Symptomen die nicht mit anderen Massnahmen in einer angemessenen Zeit gelindert werden konnen oder es stehen nur Massnahmen zur Verfugung die ihrerseits belastende Nebenwirkungen auslosen 5 Solche Symptome konnen sein psychomotorische Agitation agitiertes Delir Atemnot Schmerzen Angst Stress akute Blutungen Ubelkeit Erbrechen Eine palliative Sedierung aufgrund unertraglichen existentiellen Leidens wird nach den Handlungsempfehlungen zum Einsatz sedierender Medikamente in der Spezialisierten Palliativversorgung nicht ausgeschlossen da eine symptomorientierte fursorgliche Versorgung des Patienten gewahrleistet werden soll Zur Abgrenzung zu verbotenen Totungspraktiken oder unregulierter Suizidbeihilfe ist die Anwendung jedoch eingeschrankt und unterliegt einer strengen Indikationsstellung 6 Ausserdem sollte keine tiefe kontinuierliche Sedierung bis zum Tod erfolgen ohne dass zuvor eine vorubergehende Sedierung durchgefuhrt wurde 7 Durchfuhrung BearbeitenDie palliative Sedierung erfolgt mit Benzodiazepinen Midazolam Flunitrazepam evtl in Kombination mit Morphin oder ahnlichen stark wirksamen Schmerzmitteln zum Beispiel Ketamin Auch Propofol und Barbiturate werden zur Sedierung angewandt Die Medikamente werden in der Regel intravenos oder subkutan verabreicht Palliative Sedierung kann kontinuierlich oder intermittierend erfolgen und eine eher tiefe mit Verlust des Bewusstseins oder flache Sedierung mit erhaltenem Bewusstsein zum Ziel haben Die Tiefe der Bewusstseinstrubung wird mit dem Instrument der RASS PAL Richmond Agitation Sedation Scale palliative Version beschrieben 8 Kritische Uberlegungen BearbeitenIn der medizinethischen Literatur wird immer wieder die Frage diskutiert ob und wann palliative Sedierung als aktive Sterbehilfe passive Sterbehilfe oder indirekte Sterbehilfe einzuordnen ist 9 Dies hangt letztlich wesentlich von der Intention des Behandlers ab was im Einzelfall also stark subjektiv gefarbt ist und sich vielfach objektiven Kriterien entzieht 10 Die DGHS verweist 2003 in ihrer Verbandszeitschrift Humanes Leben Humanes Sterben auf die mit dem Begriff terminale Sedierung verbundene Gefahr des Missbrauchs der Verniedlichung sowie der beschonigenden Darstellung Der Trend auch in Deutschland lauft auf eine versteckte Euthanasie auch ohne den Willen des Patienten durch die sogenannte terminale Sedierung englisch terminal sedation hinaus Unter Sedierung versteht man auch euphemistisch also beschonigend und verhullend verwendet die Dampfung von Schmerzen und die Beruhigung eines Kranken durch Beruhigungsmittel und Psychopharmaka ein naturliches Sterben kann auf diese Weise vorgetauscht werden wie auch bei der sogenannten indirekten Sterbehilfe Auf die Risiken der terminalen Sedierung verweisen nicht zuletzt die Erfahrungen in den Niederlanden Dort ist die aktive Sterbehilfe seit 2002 unter bestimmten Voraussetzungen straffrei Einer 2004 publizierten Umfrage Annals of Internal Medicine zufolge steht hinter jeder sechsten terminalen Sedierung die Absicht den Tod des Patienten herbeizufuhren Eine Beschleunigung des Todes wurde in 47 Prozent der Falle als Teil der Indikationsstellung angegeben und in 17 Prozent war es die explizite Intention der Arzte Eine Untersuchung von Murray u a im British Medical Journal 11 zeigt dass zwischen 2001 und 2005 die Zahl der im Rahmen einer terminalen Sedierung in den Niederlanden Verstorbenen zu und die an aktiver Sterbehilfe Verstorbenen abnahm Dies legt nahe dass die terminale Sedierung zunehmend als Alternative zur Sterbehilfe angesehen wird Tatsachlich sei so die Untersucher bei jedem zehnten terminal sedierten Patienten vorher der Wunsch auf eine aktive oder passive Sterbehilfe abgelehnt worden Literatur BearbeitenCarsten Klein C Wittmann K N Wendt C Ostgathe S Stiel Palliative Sedierung Entwicklung und Konsentierung einer deutschsprachigen Dokumentationsvorlage In Der Anaesthesist Band 67 2018 Nr 7 S 504 511 Dazu Erratum In Der Anaesthesist Band 69 2020 Nr 2 S 121 T Klie Johann Christoph Student Sterben in Wurde Auswege aus dem Dilemma der Sterbehilfe Freiburg i Br 2007 S 131 ff G Duttge Rechtliche Typenbildung Aktive und passive direkte und indirekte Sterbehilfe PDF 1 2 MB In D Kettler A Simon R Anselm V Lipp Hrsg Selbstbestimmung am Lebensende Universitatsverlag Gottingen Gottingen 2006 Bernd Alt Epping T Sitte F Nauck L Radbruch Sedierung in der Palliativmedizin Leitlinie fur den Einsatz sedierender Massnahmen in der Palliativversorgung In Zeitschrift fur Palliativmedizin August 2010 S 112 122 Bernd Alt Epping T Sitte Leitlinien zur palliativen Sedierung Diskussion beendet In Zeitschrift fur Palliativmedizin 3 2010 S 89 90 Hans Christof Muller Busch Sterbende sedieren In Zeitschrift fur Palliativmedizin 2004 5 4 S 107 112 Weblinks BearbeitenForschungsverbund SedPall Einsatz sedierender Medikamente in der Spezialisierten Palliativversorgung Christoph Ostgathe et al Hrsg auf Dgpalliativmedizin de Stand 31 Marz 2021 Einzelnachweise Bearbeiten Marianne Cirak Sedierung am Lebensende auf der Palliativstation Medizinische Dissertation Wurzburg 2018 a b Einsatz sedierender Medikamente in der Spezialisierten Palliativversorgung Christoph Ostgathe et al Hrsg Dgpalliativmedizin de Stand Marz 2021 S 16 abgerufen am 30 August 2023 deutsche Zusammenfassung bei Hans Christof Muller Busch L Radbruch F Strasser R Voltz Empfehlungen zur palliativen Sedierung In Deutsche Medizinische Wochenschrift 131 2006 S 2733 2736 Hans Christof Muller Busch I Andres T Jehser Sedation in Palliative Care a Critical Analysis of 7 Years Experience In BMC Palliative Care 2 2003 S 2 biomedcentral com Claudia Bausewein Susanne Roller Raymond Voltz Leitfaden Palliative Care Palliativmedizin und Hospizbetreuung Elsevier Munchen 5 Aufl 2015 S 370 ISBN 978 3 437 23313 5 Forschungsverbund SedPall Einsatz sedierender Medikamente in der Spezialisierten Palliativversorgung Christoph Ostgathe et al Hrsg Dgpalliativmedizin de Stand Marz 2021 S 12 abgerufen am 30 August 2023 Einsatz sedierender Medikamente in der Spezialisierten Palliativversorgung Christoph Ostgathe et al Hrsg Dgpalliativmedizin de Stand Marz 2021 S 21 abgerufen am 30 August 2023 Forschungsverbund SedPall Einsatz sedierender Medikamente in der Spezialisierten Palliativversorgung Christoph Ostgathe et al Hrsg Dgpalliativmedizin de Stand Marz 2021 S 9 abgerufen am 30 August 2023 G Duttge Rechtliche Typenbildung Aktive und passive direkte und indirekte Sterbehilfe PDF 1 2 MB In D Kettler A Simon R Anselm V Lipp Hrsg Selbstbestimmung am Lebensende Universitatsverlag Gottingen Gottingen 2006 S 36 67 A Frewer Sterbehilfe und terminale Sedierung Medizinethische Grenzsituationen am Lebensende In Hessisches Arzteblatt 12 2005 S 812 815 S A Murray K Boyd I Byock Continuous deep sedation in patients nearing death In BMJ 2008 doi 10 1136 bmj 39504 531505 25 Dieser Artikel behandelt ein Gesundheitsthema Er dient nicht der Selbstdiagnose und ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt Bitte hierzu den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Palliative Sedierung amp oldid 237540511