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Operation Spring ist die Bezeichnung fur eine grossangelegte Operation der osterreichischen Polizei in den Jahren 1999 und 2000 im Kampf gegen den organisierten Drogenhandel Im Zuge dieser Operation wurden zahlreiche Menschen afrikanischer Herkunft festgenommen beschuldigt und teilweise rechtskraftig verurteilt Eine langere Observation bei der unter anderem zum ersten Mal der grosse Lauschangriff eingesetzt wurde ging dem Zugriff voraus bis schliesslich am 27 Mai 1999 etwa 850 Polizisten osterreichweit Wohnungen und Fluchtlingsheime von Beschuldigten sturmten 1 Inhaltsverzeichnis 1 Operation Spring 2 Kritikpunkte an den Verfahren 3 Reaktionen auf die Kritik 4 Drogenbosse Kleinkriminelle oder Justizopfer 4 1 Obiora C Ik Ofoedu 4 2 Emmanuel Chukwujekwu 5 Kommentare zu den Operation Spring Prozessen 6 Film 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseOperation Spring BearbeitenDie Operation Spring war die grosste kriminalpolizeiliche Aktion in Osterreich in der zweiten Republik Insgesamt wurden 127 Personen festgenommen Rund ein Drittel der Festgenommenen musste nach kurzer Zeit wieder freigelassen werden Einige wurden wegen illegalen Aufenthalts festgenommen und in der Folge aus Osterreich abgeschoben Ein Teil der Massenmedien allen voran die Neue Kronen Zeitung berichteten von einem noch nie da gewesenen Erfolg der Polizei im Kampf gegen die organisierte Kriminalitat Mit Hilfe des ersten grossen Lauschangriffs sei es gelungen die Bosse eines international agierenden nigerianischen Drogenrings festzunehmen Vor allem die Wiener Stadtzeitung Falter und einige Publikationen antirassistischer Aktivisten kritisierten die Polizeiaktion sofort nach ihrem Bekanntwerden als rassistisch Ein grosser Teil der betroffenen Afrikaner war zum damaligen Zeitpunkt in der Black Community Wiens aktiv die nach der Totung von Marcus Omofuma durch osterreichische Polizisten sehr aktiv wurde und selbstorganisiert versuchte dem aufkeimenden Rassismus etwas entgegenzusetzen 1 Die Verfahren gegen rund 100 Afrikaner entwickelten sich zu einem der grossten Justizverfahren der osterreichischen Nachkriegsgeschichte Fast alle Angeklagten wurden zu teilweise langjahrigen Haftstrafen verurteilt 1 Anzumerken ist in diesem Zusammenhang dass sich die im Vorfeld der Operation Spring angewandte optische und akustische Uberwachung erst in Probe befand Kritikpunkte an den Verfahren BearbeitenDie von Polizei und Justiz angewandten Methoden riefen nicht nur bei Menschenrechtsorganisationen Unmut hervor Vor allem wird die Fairness des Verfahrens nachdrucklich in Frage gestellt Bemangelt werden unter anderem die schlechte Qualitat der akustischen und optischen Aufzeichnungen die dazu fuhrten dass Personen auf den Aufnahmen nur schwer oder gar nicht zu identifizieren sind Daneben stellte sich die Zuordnung der Stimmen zu den Personen auf den Videoaufnahmen als problematisch heraus So konnte im letzten offenen Verfahren von Sachverstandigen nachgewiesen werden dass die Zuordnung einer Stimme zum betreffenden Angeklagten auf den Aufnahmen nicht eindeutig moglich und somit als Beweis unbrauchbar sei Das Gericht folgte in diesem Punkt der Linie der Verteidigung und lehnte die von Staatsanwaltschaft und Polizei getroffene Zuordnung der Stimmen ab Dies war der einzige Fall bei dem die Zuordnung der Stimmen uberpruft wurde Im Verfahren wurden einige Kronzeugen herangezogen Diese Zeugen die einen Grossteil der angeklagten Afrikaner belasteten traten jedoch vermummt und anonym auf Sie waren so bekleidet dass ihre Gesichter durch dunkle Motorradhelme und Skihauben verdeckt wurden Die Personalien dieser Zeugen wurden gegenuber der Verteidigung ebenfalls nicht preisgegeben Diese Art der Zeugeneinvernahme wurden mittlerweile durch den Obersten Gerichtshof als unzulassig befunden Zahlreiche Fragen der Verteidigung wurden zum Schutz der Zeugen vom Richter zuruckgewiesen Ein Hauptzeuge widerrief spater im Zuge der Dreharbeiten zum Dokumentarfilm von Schuster und Sindelgruber zu der Operation Spring seine Aussage Auch die Rolle des Dolmetschers Douglas Idehen und seine Ubersetzungen des Uberwachungsmaterials waren der Kritik ausgesetzt Da der Grossteil der Angeklagten auf den Aufnahmen in ihrer Muttersprache Ibo zu horen war musste ein Ubersetzer herangezogen werden Im Laufe der letzten Verfahren in dem ein zweiter Ubersetzer eingesetzt wurde stellte sich heraus dass mehrere fur das Verfahren relevante Passagen vom ersten Dolmetscher falsch ubersetzt wurden beziehungsweise auf den Tonbandern nicht aufzufinden waren Des Weiteren wurden Passagen nur sinngemass und nicht wortgetreu wie es ublich ware ubersetzt Die Zuordnung der Stimmen nahm der Dolmetscher selbst vor obwohl im letzten Verfahren selbst ein entsprechender Sachverstandiger dies zumindest beim letzten Angeklagten wegen der schlechten Qualitat der Aufnahmen nicht tun konnte Der Ubersetzer war ebenfalls wie die Kronzeugen im Prozess anonymisiert Fragen der Verteidigung an den Ubersetzer wurden ebenfalls aus Schutz fur den Zeugen vom Gericht abgewiesen wodurch es der Verteidigung unmoglich war dessen Qualifikation zu uberprufen Die Ubersetzungen und Zuordnungen der Stimmen wurden jedoch in den Verfahren als wichtige Grundlage fur die Anklageerhebung herangezogen Des Weiteren wurde dieser Ubersetzer im Vorverfahren nicht darauf hingewiesen dass eine falsche Ubersetzung strafbar sei Fur Emporung bei den Verurteilten und deren Anwalten sowie Kritikern der Verfahren sorgte die folgende Passage in mehreren Urteilsbegrundungen Verkauf einer nicht mehr feststellbaren jedenfalls aber grossen Menge Heroin und Kokain an unbekannt gebliebenen Endabnehmer Reaktionen auf die Kritik BearbeitenDen Vorwurfen entgegnete die Richterschaft und das Justizministerium dass alle Entscheidungen in den uber 100 Strafverfahren von unterschiedlichen unabhangigen Gerichten gefallt wurden noch dazu oft von Schoffengerichten wo Laienrichter aus der Bevolkerung bei der Urteilsfindung mitwirkten Ein weiteres Gegenargument ist dass Urteile nie allein aufgrund eines Beweises gefallt wurden sondern sich auf eine Vielzahl von Beweisen stutzten Es wird argumentiert dass auch wenn die vorgebrachten Beweise schlecht oder schlecht verwertbar waren die Gerichte in den meisten Fallen die Beweise als ausreichend fur eine Verurteilung erachteten Justizministerin Karin Gastinger und Innenministerin Liese Prokop gaben diesbezuglich nur knappe Kommentare ab und machten ihre weitere Vorgehensweise vom Ausgang noch ausstehender Strafverfahren zu diesem Themenkomplex abhangig Drogenbosse Kleinkriminelle oder Justizopfer BearbeitenObiora C Ik Ofoedu Bearbeiten Der aus Nigeria stammende Literat und politische Aktivist Obiora C Ik Ofoedu wurde im Zuge der Operation Spring verhaftet Zunachst wurde Ofoedu aufgrund von Polizeiinformationen an die Medien als Drogenboss gehandelt Charles Ofoedu war Teil der Plattform fur eine Welt ohne Rassismus Nach seiner Enthaftung nach drei Monaten in Untersuchungshaft arbeitete er weiter in der Plattform Ofoedu wurde im Jahr 2000 schliesslich rechtskraftig wegen Geldwasche verurteilt er hatte fur Landsleute Geld uberwiesen das laut dem Gerichtsurteil aus Drogenhandel stammte Fur alle anderen ihm ursprunglich zur Last gelegten Verbrechen erhob die Staatsanwaltschaft keine Anklage oder wurde von Vorwurfen freigesprochen und anschliessend fur drei Monate in Schubhaft genommen nachdem die Fremdenpolizei ein 10 jahriges Aufenthaltsverbot verhangt hatte Seine Erlebnisse mit der osterreichischen Justiz verarbeitete er im Buch Morgengrauen Den Vorwurf Ofoedu sei der Kopf eines international agierenden Drogenrings musste die Justiz fallen lassen Schon unmittelbar nach seiner Verhaftung herrschte in der Plattform die Meinung dass er aus politischen Grunden zum Drogenboss gemacht werden sollte Emmanuel Chukwujekwu Bearbeiten Auch Chukwujekwu wurde 1999 als Drogenboss prasentiert Nachdem er in erster Instanz deswegen zu neun Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war erfolgte in der zweiten Instanz ein Freispruch Anwalt Chukwujekwus war Lennart Binder Der oberste Gerichtshof hob die Urteile jedoch wieder auf und der Fall wurde erneut an die erste Instanz verwiesen Ende Dezember 2005 wurde Chukwujekwu nachdem er fast 4 Jahre und 9 Monate in Untersuchungshaft verbracht hatte in erster Instanz zu genau 4 Jahren und 9 Monaten Haftstrafe verurteilt Nach Ansicht des Gerichts konnte Chukwujekwu nun als Drogenverpacker uberfuhrt werden Dieses Urteil ist nicht rechtskraftig da Nichtigkeitsbeschwerde eingebracht wurde Kommentare zu den Operation Spring Prozessen BearbeitenEmmanuel Chukwujekwu in der Marz Ausgabe 2004 des Augustin Es war kein Krieg gegen Drogen es war ein Krieg gegen die Black Community in Wien Unvorstellbar dass so etwas in einem zivilisierten Land wie Osterreich passiert Peter Pilz ehemaliger osterreichischer Nationalratsabgeordneter Grune am 30 Dezember 2005 auf seiner Homepage Ich vermute dass mit den Beweisen der Operation Spring Schuldige und Unschuldige verurteilt wurden Ein ahnlicher Prozess gegen russische Mafiosi hatte in einem Fiasko geendet hatten internationale Spitzenanwalte die Beweise in der Luft zerrissen Polizei und Staatsanwaltschaft waren in einem Sumpf der Lacherlichkeit untergegangen Die Stumper des osterreichischen Rechtsstaats hatten eine verheerende Lektion erhalten Max Edelbacher leitender Kriminalbeamter als Fazit zur Operation Spring Die angewandten Methoden waren nicht erfolgreich Das Ergebnis ist nicht von bleibendem Wert Grossere Drogenbosse konnten nicht verhaftet werden Heutzutage verfolgt die Polizei eine andere Strategie und konzentriert sich auf die Verfolgung der kleinen Strassenhandler Karin Gastinger Justizministerin in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage am 8 Dezember 2005 BMJ Pr7000 0088 Pr 1 2005 Es ging um eine rein juristische Bewertung der im Film dargestellten Missstande und Ungereimtheiten Der Dokumentarfilm wurde von allen Anwesenden ambivalent beurteilt Wenn Verfahrensergebnisse auf falschen Ubersetzungen und Zeugenaussagen aufbauen schurt dies naturlich Zweifel ob die Rechtsfindung zutreffend war Andererseits ist es ein Manko dieser Dokumentation dass die Sicherheits und Anklagebehorden nicht zu Wort gekommen sind um eine ausgewogene Darstellung zu erreichen Weisungen des BMJ kommen nur bei kontroversiellen Standpunkten in Frage die im Bereich des in Rede stehenden Verfahrenskomplexes allerdings nicht vorliegen Film Bearbeiten Hauptartikel Operation Spring Film Uber den Polizeieinsatz die Gerichtsverfahren und die Prozesshintergrunde wurde ein Dokumentarfilm mit dem gleichlautenden Namen Operation Spring von Angelika Schuster und Tristan Sindelgruber produziert Der Film stellt die Frage ob die Angeklagten jemals die Chance auf ein faires Verfahren hatten Premiere war am 23 September 2005 in Kinos in Wien und Graz Am 13 April 2008 sendete der ORF diesen Dokumentarfilm in seiner Reihe Doc Art allerdings nicht zur Prime Time sondern erst um 23 00 Uhr 2 Literatur Bearbeiten1000 Jahre Haft Operation Spring und institutioneller Rassismus Resumee einer antirassistischen Gruppe Verein fur antirassistische Offentlichkeitsarbeit Gesellschaft fur Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen 2005 ISBN 3 200 00374 X Obiora Ofoedu Morgengrauen Mandelbaum 2000 ISBN 3 85476 033 7 Wer hat noch einen Koffer in Berlin In Berliner Zeitung u a uber die Operation SpringWeblinks BearbeitenFilm DVD Operation Spring Operation Spring no racism net Operation Spring Nicht mehr online verfugbar SOS Mitmensch ehemals im Original abgerufen am 2 Marz 2023 1 2 Vorlage Toter Link www sosmitmensch at Seite nicht mehr abrufbar Suche in Webarchiven Website zum Film Parlamentarische Anfragebeantwortung PDF 189 kB Medienberichte Operation Spring II Bad Boys und anonymisierte Zeugen Nicht mehr online verfugbar In tatblatt mediaweb at SOS Mitmensch ehemals im Original abgerufen am 2 Marz 2023 1 2 Vorlage Toter Link tatblatt mediaweb at 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