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Die Nomadenthese wurde zu Beginn der 1980er Jahre von Rudi Paul Lindner Professor fur Geschichte an der University of Michigan veroffentlicht Sie dient dazu den schnellen Aufstieg des Osmanischen Reichs im 14 Jahrhundert zu erklaren Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Abgrenzung zur Ghazi These Paul Witteks 3 Rezeption 4 Literatur 5 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenLindner zeigt dass die fruhen Osmanen ein Verband nomadisch lebender Stamme gewesen seien Anders als heutige Stammesgesellschaften hatten weniger die Sippenloyalitat miteinander verwandter Stammesmitglieder sondern gemeinsame Interessen wie etwa an geeignetem Weideland oder Kriegsbeute den Zusammenhalt gewahrleistet 1 2 Zu Beginn der osmanischen Expansion nach Westen habe der Nomadenverband in den byzantinischen Grenzlanden im Nordwesten Anatoliens geeignete Weideflachen vorgefunden die zudem vom byzantinischen Heer nur schwach verteidigt gewesen seien Die traditionelle nomadische Kriegfuhrung mittels mit Lanzen und Bogen bewaffneten Reitern habe es den Osmanen zunachst unmoglich gemacht die befestigten Stadte der Region erfolgreich zu belagern und zu erobern Erst die Umstellung von der nomadischen zu einer mehr sesshaften Lebensweise und Kriegfuhrung habe erste Eroberungen befestigter Stadte wie Bursa 1326 ermoglicht 3 Abgrenzung zur Ghazi These Paul Witteks BearbeitenLindners Nomadenthese steht in Gegensatz zur alteren Ghazi These Paul Witteks der in den fruhen Osmanen eine religios motivierte Gemeinschaft von Glaubenskriegern sah Ihr Glaubenseifer habe sie zu ihren Erfolgen motiviert und mit dem Verlust des religiosen Eifers sei der Niedergang des Osmanischen Reiches eingeleitet worden 4 Diese Sichtweise wurde schon 1943 vom turkischen Historiker Mehmet Fuat Koprulu als zu einfach kritisiert Eine einzige Ursache werde dem komplexen Prozess der osmanischen Reichsgrundung nicht gerecht 5 Auch der Geschichtswissenschaftler Omer Lutfi Barkan sprach der Ghazi These ihre uberragende Bedeutung ab und verwies darauf dass beruhmte osmanische Personlichkeiten der Fruhzeit weiter christliche Namen getragen hatten 6 Der Osmanist Halil Inalcik wies Beispiele fur eine Kooperation zwischen Osmanen und den christlichen Byzantinern in der Fruhzeit nach 7 Lindner fuhrt eingehendere Studien von Quellen an die Wittek noch nicht zuganglich waren Demnach sei Witteks Hauptquelle der osmanische Chronist Ahmedi von seinem Bedurfnis geleitet worden eine einfache muslimisch gepragte Erklarung fur den Erfolg der Osmanen zu finden und zugleich den neuen Machthabern zu schmeicheln Bei anderen zeitgenossischen Chronisten wie Sukrullah der anonymen Oxforder Chronik oder bei Ruhi fanden sich keine derart ausgepragten Hinweise auf die Notwendigkeit eines Heiligen Krieges Im Gegenteil habe die Betonung des Glaubenskriegs durch die fruhen osmanischen Chronisten vergessen zu machen gesucht dass die Osmanen auch die benachbarten muslimischen Beyliks mit Krieg uberzogen hatten Auch in den byzantinischen Chroniken fanden sich keine Hinweise auf Glaubenskriege 8 Fruhe osmanische Chronisten wie ʿAsiḳpasazade um 1400 um 1484 schildern die ersten osmanischen Sultane als glaubenstreue Kampfer und stellen sie stereotyp den Unglaubigen kafir gegenuber Cemal Kafadar publizierte 1959 eine Analyse der Chronik des Hauses Osman tevariḫ i Al i ʿOsman von ʿAsiḳpasazade Hierin betonte er den zeitgebundenen Charakter des Werkes welches unter den Bedingungen politischer und sozialer Umwalzungen im Zuge der Umgestaltung des osmanischen Staates durch Mehmed II entstanden sei Nach der Eroberung von Konstantinopel seien die Angehorigen der von Kafadar dem dervis ġazi Milieu zugeordneten traditionellen Eliten von byzantinischen Funktionstragern aus einflussreichen Positionen des Staates verdrangt worden 9 ʿAsiḳpasazade habe den angeblichen Verfehlungen spaterer Herrscher die Glaubenstreue ihrer Vorfahren gegenubergestellt Dem Narrativ des Glaubenskampfers stunde jedoch die Koexistenz von muslimischen und nichtmuslimischen Gruppen und Personen gegenuber 9 Der osmanische Chronist selbst berichtet von Handel zwischen Osman I und dem byzantinischen Verwalter tekfur von Bilecik dem Osman wahrend der Zeit der Sommerweide seinen Besitz anvertraut habe 10 Rezeption BearbeitenUnter Berufung auf neuere Forschungsergebnisse die Wittek noch nicht bekannt waren haben sich mehrere moderne Osmanisten der Ansicht Lindners angeschlossen Einen Uberblick uber die Debatte gibt Heath Lowry 11 Auch Colin Imber diskutiert den Begriff des Ghazi kritisch 12 Lindner selbst schrieb 2009 dass es keinen anerkannten Bezugspunkt gibt auf den sich die Mehrzahl der Gelehrten einigen kann Zur Zeit wird das Feld von vielen Ansatzen beherrscht die sich jedoch eher auf die Quellen selbst als auf gelehrte Meinungen berufen there is no agreed point of reference about which most scholars gather and that a more eclectic approach resting more on the sources than on scholarly tradition holds the field 13 Auch der Historiker Halil Inalcik der die Ghazi Ideologie als treibende Kraft der Westexpansion der Grenzgebiete Uc ansah beschreibt den Bevolkerungsdruck aufgrund der zunehmenden Einwanderung turkmenischer Stamme nach Westanatolien als eine der Hauptursachen der Ausdehnung in Richtung Westen 14 Literatur BearbeitenRudi Paul Lindner Stimulus and Justification in Early Ottoman History In Greek Orthodox Theological Review Band 27 1982 S 207 224 englisch academia edu PDF abgerufen am 11 Oktober 2016 Rudi Paul Lindner Nomads and Ottomans in Medieval Anatolia Indiana University Uralic and Altaic Series 144 Indiana University Press Bloomington Ind 1983 ISBN 0 7007 0944 4 englisch Rudi Paul Lindner Anatolia 1300 1451 In Kate Fleet Hrsg The Cambridge History of Turkey Band 1 Byzantium to Turkey 1071 1453 Cambridge University Press Cambridge UK 2009 ISBN 978 0 521 62093 2 S 102 137 englisch Einzelnachweise Bearbeiten Rudi Paul Lindner What was a normadic Tribe In Comparative Studies in Society and History 24 4 1982 S 689 711 Rudi Paul Lindner Nomads and Ottomans in Medieval Anatolia Indiana University Uralic and Altaic Series Band 144 Indiana University Press Bloomington Ind 1983 ISBN 0 7007 0944 4 Rudi Paul Lindner Stimulus and Justification in Early Ottoman History In Greek Orthodox Iheological Review 27 1982 S 207 224 academia edu PDF abgerufen 11 Oktober 2016 Paul Wittek The Rise of the Ottoman Empire Studies in the History of Turkey 13th 15th Centuries Edited by Colin Heywood Kommentierte Neuauflage Royal Asiatic Society Books Routledge London New York 2012 ISBN 978 0 7007 1500 8 Mehmet Fuat Koprulu Osmanli Impartorluguʿnun etnik mensei meselesi In Belleten 7 48 1943 S 285 286 297 300 303 Zitiert nach Lindner Stimulus and justification 1982 Omer Lutfi Barkan Osmanli Impartorlugunda bir iskan ve kolonizasyon metodu olarak surgunler Iktisat fakultesi mecmuasi 11 1949 1950 539 40 Zitiert nach Lindner Stimulus and justification 1982 Halil Inalcik Fatih devri uzerinde tetkikler ve vesikalar 1 1954 Ankara S 141 143 Zitiert nach Lindner Stimulus and justification 1982 Rudi Paul Lindner Stimulus and Justification in Early Ottoman History Greek Orthodox Iheological Review 27 1982 S 215 216 a b Cemal Kafadar Between two worlds The construction of the Ottoman state University of California Press Berkeley u a 1955 S 96 ff eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche ʿAsiḳpasazade hg von Friedrich Giese Die altosmanische Chronik des Asiḳpasazade Harrassowitz Leipzig 1929 S 9 14 Heath W Lowry The Debate to Date Memento des Originals vom 9 September 2016 imInternet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www sunypress edu PDF 9 S 89 kB erstes Kapitel aus Lowrys Werks The Nature of the Early Ottoman State SUNY Press New York 2003 ISBN 0 7914 5636 6 englisch Colin Imber What does Ghazi actually mean In Cigdem Balim Harding Colin Imber Hrsg The balance of truth Essas in honour of Professor Geoffrey Lewis Istanbul 2000 ISBN 975 428 162 9 S 165 178 Rudi Paul Lindner Anatolia 1300 1451 In Kate Fleet Hrsg The Cambridge History of Turkey Band 1 Byzantium to Turkey 1071 1453 Cambridge University Press Cambridge UK 2009 ISBN 978 0 521 62093 2 S 104 Halil Inalcik Donald Quataert An Economic and Social History of the Ottoman Empire 1300 1914 Cambridge University Press Cambridge UK 1994 ISBN 0 521 34315 1 S 19 The growing Turkoman nomadic migration into the frontier zone in western Anatolia was one of the principal causes of the westward drive of the Turks in the period 1260 1400 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Nomadenthese amp oldid 229102756