www.wikidata.de-de.nina.az
Multimodale Diagnostik auch Multimethodale Diagnostik multimethodisches Assessment deutsch Mehrebenen Diagnostik ist eine anspruchsvolle Methodik der psychologischen Diagnostik zur Absicherung von Befunden indem unterschiedliche Bereiche unterschieden und bei der Erfassung von Merkmalen kombiniert werden Datenebene als Grundkategorie biologische psychologische soziale und okologische Ebene Datenquelle z B untersuchte Person selbst Fremdwahrnehmung durch Dritte registriertes Verhalten Dokumente Untersuchungsmethode z B Urteilsverfahren Leistungstest apparative Methode Funktionsbereiche Erleben oder Verhalten spezifische Konstrukte Jedes diagnostische Verfahren zur Informationsgewinnung lasst sich nach den vier vorgenannten Kategorien klassifizieren Durch die Kombination verschiedener Methoden konnen Widerspruche und Unterschiede aufgedeckt werden die diagnostisch nutzbar sind z B die Leistungsfahigkeit gemessen durch Leistungstest Selbsteinschatzung Fremdeinschatzung Dritter und eine Arbeitsprobe 1 Inhaltsverzeichnis 1 Definition 2 Personlichkeitspsychologie 3 Klinische Psychologie 4 Angstforschung 5 Personalpsychologie 6 Siehe auch 7 Literatur 8 EinzelnachweiseDefinition BearbeitenPsychische Merkmale einer Person wie Personlichkeitseigenschaften Fahigkeiten Einstellungen und Befinden lassen sich in der Regel durch unterschiedliche Methoden erfassen siehe Multitrait multimethod Matrix Ausser den Selbstberichten und den Selbstbeurteilungen in standardisierten Fragebogen gibt es die Verhaltensbeurteilungen durch andere Personen das psychologische Interview die psychologischen Tests und die Messungen des Verhaltens in einigen diagnostischen Bereichen auch die Methoden der Neuropsychologie und Psychophysiologie Multimodale Diagnostik bedeutet nicht nur unterschiedliche Methoden z B zwei geeignete Fragebogen oder mehrere Beobachter einzusetzen sondern grundsatzlich kategorial verschiedene Datenebenen zu berucksichtigen die subjektiv verbale Ebene die objektiv beobachtbaren Verhaltensweisen und nach Moglichkeit auch die begleitenden physiologischen Veranderungen Die Idee der multiplen also der mehrfachen Operationalisierung wurde auch in den Bereich der qualitativen Sozialforschung ubernommen vgl Flick 2008 Der dort gewahlte Begriff Triangulation ist jedoch missverstandlich weil damit in der Geodasie und Geometrie ursprunglich gerade die genaue quantitative Ortsmessung von verschiedenen Standpunkten aus gemeint ist Personlichkeitspsychologie BearbeitenHauptsachlich Raymond B Cattell 1957 hat ein sehr umfangreiches Forschungsprogramm unternommen um durch multimodales Assessment wissenschaftlich besser abgesicherte Beschreibungen von Personlichkeitseigenschaften und anderen Grundeigenschaften der Befindlichkeit der Motive und Einstellungen zu erreichen Dieses Programm konnte wegen der oft nur geringen Ubereinstimmung zwischen den angeblichen Massen behauptete bzw hypothetische Indikatoren derselben Personlichkeitseigenschaft nicht uberzeugen und fand bisher keine Fortsetzung Amelang und Schmidt Atzert 2006 haben den Eindruck dass institutionalisierte psychologische Diagnostik meist unimodal und individuelle Diagnostik meist multimodal ist Bei massiger Konkordanz Ubereinstimmung von Daten aus verschiedenen Quellen gebe es Moglichkeiten der Verbesserung die Zusammenfassung Aggregation uber Untersuchungszeitpunkte und uber Kriterumsbereiche Als Leitsatz hat hierbei nach allgemeiner Auffassung zu gelten dass ein Befund erst dann als gesichert anzusehen ist wenn er durch mindestens 2 verschiedene Methoden moglichst unterschiedlicher Art bestatigt wird Bei widerspruchlichen Befunden hat der Diagnostiker zumindest in den Individualuntersuchungen die Moglichkeit den Ursachen von Diskrepanzen durch Gesprache mit den Untersuchten durch Analyse der verwendeten Methoden und beobachteten Prozesse oder Hinzuziehung weiterer Informationen nachzugehen 2 Kompetente Psychologen werden in vielen Fallen multiple Operationalisierungen anstreben d h eine Methodenkombination auswahlen vor allem wenn es um verhaltnismassig komplexe Phanomene Angst Emotionalitat Aggressivitat Intelligenz u a geht oder wenn es auf sehr zuverlassige Diagnosen und wichtige Entscheidungen ankommt Klinische Psychologie BearbeitenIn den 1970er Jahren zeigte sich in der klinischen Psychologie ein Trend zur multimodalen Diagnostik Seidenstucker und Baumann 1978 Eine neuere Ubersicht ergab dass Selbst und Fremdbeurteilungen in vielen Bereichen der Klinischen Psychologie oft nur in mittlerer Hohe korrelieren d h eine betrachtliche Anzahl von Einzelfallen verschieden bzw falsch klassifiziert werden teils als Uberschatzung teils als Unterschatzung der psychischen Storungen Baumann und Stieglitz 2008 Ein Teil des Problems ist die extreme Anzahl psychologischer Verfahren Nach Baumann und Stieglitz existieren mehr als 100 Skalen zur Diagnostik der Depressivitat Depression und etwa eine gleiche Anzahl zur Diagnostik der Angst Daruber hinaus stutzen viele Fremdbeurteilungen in mehr oder minder hohem Ausmass auf die Selbstberichte der Patienten sind also methodisch voneinander abhangig Auch das verbreitete AMDP System zur standardisierten Erfassung und Dokumentation eines psychopathologischen Befundes enthalt eine grosse Zahl solcher kategorial unklaren Einstufungen Von 100 Items engl Elementen beruhen 50 auf Selbstbeurteilungen 20 auf Beurteilungen des Einstufers oder verlasslicher Auskunft Dritter und 30 auf beiden Informationsquellen Stieglitz 2000 Baumann und Stieglitz ziehen ihr Fazit Auch wenn theoretisch begrundbar inhaltlich notwendig und methodisch nachweisbar eine multimodale Diagnostik notwendig ist erweist sich deren Umsetzung bis zum heutigen Tag oft als schwierig 3 Einen Grund weshalb dieser Ansatz nicht die notige Verbreitung findet sehen sie darin dass es fur die Diagnostik im Gegensatz zur Psychotherapie keine verbindlichen Leitlinien gebe Angstforschung BearbeitenDie Diagnostik von Angststorungen und Phobischen Storungen ist das bekannteste Beispiel wie wichtig und wie schwierig die multimodale Diagnostik ist denn das Angstgefuhl das Angstverhalten und die Angstphysiologie weichen haufig voneinander ab siehe Fahrenberg und Wilhelm 2009 Fur die Angstforscher und fur die Verhaltenstherapeuten bedeutet es gleichermassen eine schwierige Herausforderung wenn in Alltagssituationen die subjektive Ebene das angstliche Vermeidungsverhalten und die physiologischen Messwerte des Vegetativen Nervensystems und des Endokrinen Systems weder zu Beginn noch im Verlauf oder am Ende einer Therapie deutlich ubereinstimmen Der allgemeine Begriff Angst konnte hier sehr irrefuhrend sein Noch ungeklart ist ob die Therapieverlaufe mit zunehmender bzw hoher Konkordanz von Funktionssystemen im Vergleich zu diskordanten Verlaufen effektiver und nachhaltiger sind Personalpsychologie BearbeitenDie Personalauswahl von Mitarbeitern insbesondere von Fuhrungskraften wird haufig in einem Assessment Center durchgefuhrt um durch eine Kombination verschiedener Untersuchungsmethoden Interview Fragebogen Verhaltensbeobachtung Arbeitsproben im Sinne der multimodalen Diagnostik moglichst abgesicherte Empfehlungen geben zu konnen In dem Zuge bietet sich das von Heinz Schuler entwickelte Multimodale Interview MMI an da es zu den prognosestarksten Interviewarten gehort und in sich selbst die Multimodalitat berucksichtigt Bei diesem Auswahlgesprach werden eine Kombination von konstrukt simulationsorientierte und biographischen Verfahren sowie verschiedener Grade der Strukturierung berucksichtigt Siehe auch BearbeitenAssessment Multitrait Multimethod Matrix Gutekriterien psychodiagnostischer Verfahren Qualitatssicherung in der Psychologischen DiagnostikLiteratur BearbeitenManfred Amelang Lothar Schmidt Atzert Psychologische Diagnostik und Intervention 4 Aufl Springer Berlin 2006 ISBN 978 3 540 28507 6 Urs Baumann Rolf Dieter Stieglitz Multimodale Diagnostik 30 Jahre spater In Zeitschrift fur Psychiatrie Psychologie und Psychotherapie 2008 Band 56 191 202 Jurgen Bortz Nicola Doring Forschungsmethoden und Evaluation fur Human und Sozialwissenschaftler 4 Auflage Springer Heidelberg 2006 ISBN 3 540 33305 3 Raymond B Cattell Personality and motivation Structure and measurement New York World Book New York 1957 Jochen Fahrenberg Hrsg Multimodale Diagnostik Themenheft In Diagnostica 1987 Band 33 Heft 4 Jochen Fahrenberg Frank H Wilhelm Psychophysiologie und Verhaltenstherapie In Jurgen Margraf Silvia Schneider Hrsg Lehrbuch der Verhaltenstherapie 3 Aufl Springer Berlin 2009 ISBN 978 3 540 79541 4 S 163 179 Uwe Flick Triangulation Eine Einfuhrung 2 Aufl VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2008 ISBN 978 3 531 15666 8 Heidrun Hufnagel Vom Assessment Center zum Multimodalen Auswahlverfahren Lexika Verlag Wurzburg 2001 ISBN 3896942786 Gerd Seidenstucker Urs Baumann Multimodale Diagnostik als Standard in der Klinischen Psychologie In Diagnostica 1987 Band 33 243 258 Heinz H Schuler Hrsg Lehrbuch der Personalpsychologie Hogrefe Gottingen 2001 ISBN 3801709442 S 176 208 Rolf Dieter Stieglitz Diagnostik und Klassifikation psychischer Storungen Hogrefe Gottingen 2000 ISBN 978 3 17 018944 7 Werner W Wittmann Grundlagen erfolgreicher Forschung in der Psychologie Multimodale Diagnostik Multiplismus multivariate Reliabilitats und Validitatstheorie In Diagnostica 1987 Band 33 209 226 Einzelnachweise Bearbeiten Seidenstucker und Baumann 1987 Baumann und Stieglitz 2001 zit nach Rolf Dieter Stieglitz 2008 Diagnostik und Klassifikation in der Psychiatrie Stuttgart Kohlhammer S l56 ff Manfred Amelang Lothar Schmidt Atzert Psychologische Diagnostik und Intervention S 372 Urs Baumann Rolf Dieter Stieglitz Multimodale Diagnostik 30 Jahre spater S 199 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Multimodale Diagnostik amp oldid 209822235