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Als Johann Sebastian Bachs Lutherische Messen oder Kleine Messen bezeichnet man seine vier Kyrie Gloria Messen in F Dur A Dur g Moll und G Dur BWV 233 bis 236 Sie vertonen das Kyrie und Gloria der Lateinischen Messe und werden daher auch Missa brevis genannt Zur selben Gattung zahlt auch die Missa aus Kyrie und Gloria die Bach 1733 komponierte und die er spater zur h Moll Messe erweiterte Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Die einzelnen Messen 2 1 Messe F Dur BWV 233 2 2 Messe A Dur BWV 234 2 3 Messe g Moll BWV 235 2 4 Messe G Dur BWV 236 3 Aufnahmen Tontrager Auswahl 3 1 Auf modernen Instrumenten 3 2 Auf historischen Instrumenten 4 Notenausgaben 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenDie vollstandige Vertonung aller Teile der Messe Missa tota besteht aus dem funfteiligen Ordinarium Kyrie Gloria Credo Sanctus mit Hosanna und Benedictus sowie Agnus Dei Demgegenuber wird die Komposition von Kyrie und Gloria als Missa brevis Plural Missae breves und in der protestantischen Kirchenmusik auch als lutherische Messe bezeichnet Eine einheitliche Deutsche Messe konnte sich im Protestantismus nicht durchsetzen weder war die Sprache noch der genaue Umfang festgelegt Der Name Lutherische Messen knupft zum einen an diese protestantische Tradition an vorzugsweise Kyrie und Gloria zu vertonen Kyrie Gloria Messen waren im 18 Jahrhundert in Italien wie auch in Deutschland durchaus gebrauchlich und wurden choraliter oder still zu Ende gefuhrt 1 In der protestantischen Kirchenmusik ist bereits fruh eine Beschrankung auf die Vertonung von Kyrie und Gloria zu verzeichnen 2 Zum anderen bringt der Name zum Ausdruck dass Bachs lateinische Messkompositionen fur den lutherischen Gottesdienst konzipiert worden sind 3 Dem Bachforscher Christoph Wolff zufolge hat Bach die Figuralmessen fur hohe kirchliche Feiertage in den Leipziger Gottesdiensten komponiert moglicherweise auch fur den protestantischen Hofgottesdienst in Dresden 4 Insbesondere seit der Urtextausgabe der Neuen Bach Ausgabe 5 der wissenschaftlichen Standardedition des Johann Sebastian Bach Instituts Gottingen und des Bach Archivs Leipzig ist der Name Lutherische Messen in der Musikwissenschaft und bei CD Einspielungen nahezu zu einem Synonym fur Bachs lateinische Messen BWV 233 236 geworden 6 Da fur die protestantische Messe die lediglich aus den beiden Teilen Kyrie und Gloria besteht ein verbindlicher Begriff fehlt hat sich sowohl im deutschen als auch im englischen Sprachgebrauch der Begriff lutherisch eingeburgert 7 Der Begriff Lutherische Messen kann missverstandlich sein da es sich bei Bachs Werken um Kompositionen in lateinischer Sprache handelt Zum anderen wurden wahrend Bachs Kantorat in Leipzig auch andere Teile des Ordinariums wie das Credo gesungen Als Alternative wurde deshalb von Konrad Kuster die Bezeichnung Kyrie Gloria Messen vorgeschlagen die deskriptiv den Umfang der Messen angibt 8 Missa brevis erscheint fur Bachs Kompositionen weniger passend weil hiermit in katholischer Tradition in der Regel kurze Vertonungen des vollstandigen Ordinariums verstanden werden anstatt der wie hier sehr ausfuhrlichen Vertonung nur des Kyrie und des Gloria die man im lutherischen Bereich ebenfalls als Missae bezeichnet deshalb auch so die Titel der 4 Messen 9 Die Lutherischen Messen sind wahrscheinlich einige Jahre nach der Missa fur den Hof zu Dresden 1733 spater Kyrie und Gloria der h Moll Messe entstanden und werden heute spatestens um 1738 39 datiert 10 Arnold Schering vertrat die heute als uberholt geltende These dass Graf Franz Anton von Sporck der Auftraggeber von Bachs lateinischen Messen war und sie von diesem in Bohmen aufgefuhrt wurden 11 Das Kyrie ist in diesen Kurzmessen jeweils ein einsatziger dreiteiliger Chorsatz der Gloria Text ist jedoch in funf Satze aufgeteilt mit Chorsatzen zu Beginn und Schluss und dazwischen eingeschobenen Soloarien Die Gesamtdauer entspricht etwa der einer durchschnittlichen Kantate das lasst auf den praktischen Gebrauch im Gottesdienst schliessen Ahnlich wie die h Moll Messe bestehen die Kleinen Messen fast ausschliesslich aus Parodien also Uberarbeitungen von bereits vorhandenen Choren und Arien Die herangezogenen Kantaten stammen uberwiegend aus Bachs Zeit in Leipzig Dazu waren Neufassungen der Singstimmenpartien notwendig um den ursprunglichen deutschen Kantatentext durch lateinische Prosa zu ersetzen Diese Arbeiten lassen sich als Beleg fur Bachs Bestreben in seinen spateren Jahren deuten Werke die ihm besonders wertvoll erschienen in einen zeitenthobenen Zusammenhang zu stellen Die einzelnen Messen BearbeitenMesse F Dur BWV 233 Bearbeiten Satz Titel Typ Tempo Taktart Tonart Bemerkung 1 Kyrie eleison Christe Christe eleison Kyrie eleison Chor F Dur Fruhform als BWV 233a 2 Gloria in excelsis Chor 6 8 F Dur 3 Domine Deus Bassarie 3 8 C Dur Moglicherweise aus BWV Anh 18 12 4 Qui tollis Sopranarie Adagio c g Moll Aus Kantate BWV 102 5 Quoniam tu solus Altarie Vivace 3 4 d Moll Aus Kantate BWV 102 6 Cum sancto Spiritu Chor Presto F Dur Aus Kantate BWV 40Messe A Dur BWV 234 Bearbeiten Satz Titel Typ Tempo Taktart Tonart Bemerkung 1 Kyrie eleison Christe Christe eleison Kyrie eleison Chor wechselnd A Dur 2 Gloria Gloria in excelsis Chor wechselnd A Dur Aus Kantate BWV 67 dort Satz 6 3 Domine Domine Deus Bassarie Andante c fis Moll 4 Qui tollis peccata Sopranarie Adagio 3 4 h Moll Aus Kantate BWV 179 Satz 5 Singstimme stark umgearbeitet 5 Quoniam tu solus Altarie 6 8 D Dur Aus Kantate BWV 79 6 Cum sancto Spiritu Chor Grave c Vivace 12 8 A Dur Vivace Abschnitt aus Kantate BWV 136 Eingangschor Messe g Moll BWV 235 Bearbeiten Satz Titel Typ Tempo Taktart Tonart Bemerkung 1 Kyrie eleison Christe Christe eleison Kyrie eleison Chor c g Moll Aus Kantate BWV 102 2 Gloria in excelsis Chor 3 4 g Moll Aus Kantate BWV 72 3 Gratias agimus Bassarie d Moll Aus Kantate BWV 187 4 Domine Fili unigenite Altarie 3 8 B Dur Aus Kantate BWV 187 5 Qui tollis peccata peccata mundi Quoniam tu solus Tenorarie Adagio c Un poco allegro 3 8 Es Dur Aus Kantate BWV 187 6 Cum sancto sancto Spiritu Chor c c Moll Aus Kantate BWV 187Messe G Dur BWV 236 Bearbeiten Satz Titel Typ Tempo Taktart Tonart Bemerkung 1 Kyrie eleison Christe Christe eleison Kyrie eleison Chor G Dur Aus Kantate BWV 179 2 Gloria in excelsis Chor Vivace G Dur Aus Kantate BWV 79 3 Gratias agimus Bassarie 3 4 D Dur Aus Kantate BWV 138 4 Domine Deus Agnus Dei Sopran Alt Duett a Moll Aus Kantate BWV 79 5 Quoniam tu solus Tenorarie Adagio c e Moll Aus Kantate BWV 179 6 Cum sancto Spiritu Chor c 3 4 C Dur Aus Kantate BWV 17Aufnahmen Tontrager Auswahl BearbeitenAuf modernen Instrumenten Bearbeiten Michel Corboz Ensemble Vocal de Lausanne Orchestre de Chambre de Lausanne Sopran Wally Staempfli Mauricette Capt Mezzosopran Nicole Rossier Maradan Alt Claudine Perret Hanna Schaer Tenor John Elwes Olivier Dufour Bass Philippe Huttenlocher Michel Brodard Erato 1978 Martin Flamig Dresdner Kreuzchor Dresdner Philharmonie Sopran Renate Krahmer Alt Annelies Burmeister Tenor Peter Schreier Bass Theo Adam Berlin Classics 1995 Helmuth Rilling Gachinger Kantorei Bach Collegium Stuttgart Sopran Elisabeth Speiser Alt Ingeborg Russ Tenor John van Kesteren Bariton Gerhard Faulstich Bass Jakob Stampfli Hanssler Classic 2011 Auf historischen Instrumenten Bearbeiten Konrad Junghanel Cantus Colln Sopran Sabine Goetz Gabriele Hierdeis Alt Elisabeth Popien Alexander Schneider Kai Wessel Tenor Wilfried Jochens Hans Jorg Mammel Bass Wolf Matthias Friedrich Sebastian Noack Markus Flaig Harmonia Mundi France 2006 Raphael Pichon Pygmalion Sopran Eugenie Warner Alt Terry Wey Magid El Bushra Tenor Emiliano Gonzalez Toro Bariton Sydney Fierro Bass Christian Immler Alpha 2008 09 Philippe Herreweghe Collegium Vocale Gent Sopran Agnes Mellon Tenor Christoph Pregardien Bariton Peter Kooy Erato 2010 Masaaki Suzuki Bach Collegium Japan Sopran Hana Blazikova Joanne Lunn Alt Robin Blaze Gerd Turk Bariton Peter Kooij Bass Dominik Worner BIS Records 2015 Hans Christoph Rademann Gaechinger Cantorey Sopran Dorothee Mields Alt Benno Schachtner Tenor Benedikt Kristjanson Bass Tobias Berndt Carus 2017 BWV 236 Notenausgaben BearbeitenEmil Platen Marianne Helms Hrsg Lutherische Messen und einzelne Messensatze BWV 233 234 235 236 BWV 233a 237 238 BWV Anhang 26 mit BWV 242 Johann Sebastian Bach Neue Ausgabe samtlicher Werke NBA II 2 Barenreiter Kassel 2007 ISMN 9790006462681 Suche im DNB Portal Johann Sebastian Bach Vier lutherische Messen Hrsg Emil Platen Barenreiter Urtext Barenreiter Kassel 2010 Studienpartitur Urtext ISMN 9790006202324 Suche im DNB Portal Weblinks BearbeitenLutherische Messen Noten und Audiodateien im International Music Score Library ProjectEinzelnachweise Bearbeiten Georg von Dadelsen Arnold Feil Hrsg Uber Bach und anderes Aufsatze und Vortrage 1957 1982 Laaber Verlag Laaber 1983 ISBN 3 921518 97 0 S 203 Friedhelm Krummacher Bachs Weg in der Arbeit am Werk Eine Skizze Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 2001 ISBN 3 525 86280 6 S 66 Da sich die Ordinariumskomposition in protestantischer Tradition schon fruh auf diese Satze beschrankte werden die vier Werke als Lutherische Messen bezeichnet Nach Renate Steiger Hrsg Parodie und Vorlage Zum Bachschen Parodieverfahren und seiner Bedeutung fur die Hermeneutik Internationale Arbeitsgemeinschaft fur Theologische Bachforschung Heidelberg 1988 S 117 habe Christoph Wolff als erster die Ansicht vertreten dass dies eben lutherische Messen seien und man die Absicht ihrer Komposition im lutherischen Gottesdienst suchen musse Christoph Wolff Der stile antico in der Musik Johann Sebastian Bachs Studien zu Bachs Spatwerk Steiner Erlangen Nurnberg 1968 S 34 Johann Sebastian Bach Emil Platen Marianne Helms Hrsg Neue Ausgabe samtlicher Werke Serie II Messen Passionen oratorische Werke Lutherische Messen und einzelne Messensatze Kritischer Bericht Teil 2 Barenreiter Kassel 1982 Gerhard Allroggen Detlef Altenburg Hrsg Festschrift Arno Forchert zum 60 Geburtstag am 29 Dezember 1985 Barenreiter Kassel 1986 ISBN 3 7618 0776 7 S 110 und in dem betreffenden Band der Neuen Bach Ausgabe gleichsam sanktioniert worden ist Rita Haussler Die Lutherischen Messen Johann Sebastian Bachs Studien zum Parodieverfahren in den Messen BWV 233 236 Diss Ludwig Maximilians Universitat Munchen 1994 S 13 Konrad Kuster Hrsg Bach Handbuch Barenreiter Metzler Kassel Stuttgart 1999 ISBN 3 7618 2000 3 S 490 ff Arnold Feil Metzler Musik Chronik Vom fruhen Mittelalter bis zur Gegenwart 2 Auflage Metzler Stuttgart Weimar 2005 ISBN 978 3 476 02109 0 S 287 Christoph Wolff Johann Sebastian Bach 2 Auflage 2007 S Fischer Frankfurt am Main ISBN 978 3 596 16739 5 Messen BWV 233 234 235 236 PDF 617 kB abgerufen 27 Dezember 2011 frei herunterladbares Begleitheft der CD Einspielung mit Helmuth Rilling Wolfgang Schmieder Thematisch systematisches Verzeichnis der Werke Johann Sebastian Bachs Wiesbaden 1969 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Lutherische Messen Bach amp oldid 186617680