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Legitimation durch Verfahren ist ein Werk von Niklas Luhmann zur Systemtheorie des Rechts das erstmals 1969 erschien Inhaltsverzeichnis 1 Verfahren statt universeller Wahrheit 2 Legitimation durch soziale Verfahren 3 Die Bedeutung der Verfahrensrollen 4 Siehe auch 5 Werk 6 WeblinksVerfahren statt universeller Wahrheit BearbeitenLuhmann legt darin zunachst dar dass Entscheidungsfindungsverfahren wie Gesetzgebungs Verwaltungs und Gerichtsverfahren sich nicht an Wahrheit im naturwissenschaftlichen Sinne orientieren konnen und in Abkehr vom Naturrechtsgedanken rechtliche Regelungen vor allem rechtspositivistischer Art und damit nicht universell seien Auch die Kommunikation der Verfahrensbeteiligten konne nicht die Wahrheitsfindung gewahrleisten So sei etwa eine nach Diskussion in demokratischer Abstimmung gefundene Entscheidung nicht unbedingt richtig im Sinne von universell wahr und das im Gerichtsverfahren bestehende Postulat von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zeige dass auch im Nachhinein als unrichtig erkannte Entscheidungen ihre Gultigkeit behielten Wahrend Wahrheit im naturwissenschaftlichen Sinne selbstevident sei muss das Wahre und Richtige im sozialen Verfahren andere Geltungsgrunde beanspruchen um bei den Adressaten der Entscheidungen als gultig ubernommen zu werden Luhmann weist in diesem Zusammenhang darauf hin dass sowohl Wahrheit im sozialwissenschaftlichen Sinn namlich intersubjektiv zwingende Gewissheit als auch Macht der intersubjektiven Ubertragung komplexitatsreduzierter Sachverhalte bzw Entscheidungen diene Die Ubertragung solcher komplexitatsreduzierter Entscheidungen sei das Ziel rechtlich geregelter Verfahren Im Gegensatz zur Ubernahme selbstevidenter naturwissenschaftlicher Wahrheiten erfordere die Ubernahme hier jedoch weil Selbstevidenz nicht gegeben sei einen besonderen Anerkennungsgrund Diesen Anerkennungsgrund macht Luhmann in der Legitimitat aus die er mit verbindlicher Geltung gleichsetzt Legitimation durch soziale Verfahren BearbeitenDiese lasse sich in den heutigen individualisierten Gesellschaften nicht mehr oder nicht mehr allein auf die Vorstellungen der einzelnen Individuen zuruckfuhren da die Massstabe der Individuen zu stark differierten und zudem aufgrund der Vielfalt und Komplexitat der Themen nicht jeder zu jedem Thema eine Meinung haben konne sondern musse auch vom politisch administrativen System selbst erzeugt werden Dazu musse zwingend ein soziales Umfeld treten in welchem die generalisierte verbindliche Anerkennung von Entscheidungen als Selbstverstandlichkeit institutionalisiert ist Ein Faktor der Erzeugung von Legitimitat im politisch administrativen System neben anderen sei jene durch soziale Verfahren Verfahren in diesem Sinne sind nach Luhmann keine Verfahren in denen alle Handlungsschritte und ihre Abfolge schon festgelegt seien Vielmehr ist den sozialen Verfahren eigen dass sie in Abhangigkeit vom Verhalten der Verfahrensbeteiligten mehrere mogliche Verfahrensverlaufe eroffnen Die Beteiligten erst schlossen also durch ihre selektiven Handlungen mehr und mehr Alternativverlaufe des Verfahrens aus und steuerten so auf ein konkretes Ergebnis hin Die Rechtsnormen welche die Rahmenbedingungen fur Verfahren vorgeben sind dabei nach Luhmann nicht mit dem Verfahren selbst gleichzusetzen die Rechtfertigung durch diese Rechtsnormen ist nicht schon Legitimation durch Verfahren Die Verfahrensregeln reduzierten lediglich Komplexitat indem sie die moglichen Verhaltensweisen der Beteiligten einschrankten Es sei gerade die Funktion rechtlich geregelter Verfahren dabei noch Verhaltensmoglichkeiten offenzulassen um den Verfahrensbeteiligten die Annahme von Verhaltensrollen zu ermoglichen Die Bedeutung der Verfahrensrollen BearbeitenDie Ausbildung von Verfahrensrollen fuhrt nach Luhmann zu Rollentrennung zwischen Verfahrensrolle und Rollen aus der Verfahrensumwelt So konne beispielsweise ein Parlamentsabgeordneter in seiner Rolle als Abgeordneter die Interessen der Konservenindustrie nicht durch den Verkauf von Konserven fordern sondern nur durch Teilnahme an Abstimmungen oder entsprechende Beeinflussung von Stimmabgaben Wahrend Beteiligte eines sozialen Verfahrens sich also nur nach Massgabe des Verfahrenssystems durch ihre anderen Rollen motivieren lassen konnten schirme das Verfahren sie aber gleichzeitig auch gegen Folgenverantwortung fur Verfahrenshandlungen in ihren anderen Rollen ab da Nicht Verfahrensbeteiligte aus anderen Rollenbeziehungen die Eigengesetzlichkeiten des Verfahrens und damit auch dessen Ergebnisse zu akzeptieren hatten Vorwurfe konnten einem Verfahrensbeteiligten nur gemacht werden wenn dieser sich nach Massgabe des jeweiligen sozialen Verfahrens ungeschickt verhalten habe Diese relative Autonomie des Verfahrens auf Verhaltens und auf Rollenebene trage zur sozialen Generalisierung des Ergebnisses bei und damit zur Schaffung einer Umwelt in der die verbindliche Anerkennung von Entscheidungen mithin Legitimitat als Selbstverstandlichkeit institutionalisiert ist Zur Mitwirkung am Verfahren motiviert wurden die nicht beruflich Beteiligten also beispielsweise die Parteien eines Gerichtsverfahrens durch ein eigenes Interesse am Thema die Gewissheit dass eine Entscheidung zustande kommen wird sowie die durch die moglichen Alternativverlaufe des Verfahrens bedingte Ungewissheit welche Entscheidung gefallt werden wird Denn um diese Ungewissheit mehr und mehr einzuschranken konnen sie eine Verfahrensrolle annehmen und sodann durch Vornahme von Verfahrenshandlungen versuchen Alternativverlaufe auszuschliessen Siehe auch BearbeitenLegitimation Politikwissenschaft Systemtheorie Luhmann Werk BearbeitenNiklas Luhmann Legitimation durch Verfahren 6 Auflage Suhrkamp Frankfurt am Main 2001 ISBN 3 518 28043 0Weblinks BearbeitenStefan Machura Niklas Luhmanns Legitimation durch Verfahren im Spiegel der Kritik Zeitschrift fur Rechtssoziologie 1993 online erschienen 18 Oktober 2016 Hendrik Vollmer Akzeptanzbeschaffung Verfahren und Verhandlungen ZfS 1996 S 147 164 Enno Aljets Legitimation durch Verfahren Niklas Luhmann 1969 Rezension 15 Juli 2008 Urs Egli Legitimation durch Verfahren Der Weg ist das Ziel Niklas Luhmanns These zur legimitierenden Wirkung von Gerichtsverfahren Jusletter 23 Marz 2009 Patrick Bahners STUTTGART 21 Was heisst Legitimation durch Verfahren FAZ 20 Oktober 2010 Caspar Hirschi Komplexitat durch Verfahren Niklas Luhmanns Aktualitat in der Finanzkrise 17 Februar 2014 Adrian Itschert Luca Tratschin Justus Heck Call for Papers Legitimation durch Verfahren Rezeption Kritik und Anschlusse Tagung am 15 16 Februar 2018 Universitat Luzern Adrian Itschert Justus Heck Luca Tratschin Legitimation durch Verfahren Rezeption Kritik und Anschlusse Soziale Systeme 22 1 2 2020 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Legitimation durch Verfahren amp oldid 231985723