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Die Kontingenztheorie der Evolution ist eine makroevolutionare Theorie die besagt dass das Leben auf der Erde uberwiegend von Zufallen kontingenten Ereignissen abhangig ist und nicht noch einmal so entstehen wurde wie es heute ist Die Kontingenztheorie beschaftigt sich mit den langfristigen erdgeschichtlichen Formen der Entstehung des Lebens Ihr Hauptvertreter ist der New Yorker Palaontologe und Evolutionsbiologie Stephen Jay Gould 1 Weitere wichtige Beitrage stammen von dem amerikanischen Wissenschaftsphilosophen John Beatty Ausgehend vom Studium der vielen Bauplane des Kambriums wird beobachtet dass es nur wenige Arten zu einer adaptiven Radiation geschafft haben Diejenigen die uberlebt haben haben nicht aus Fitness grunden und als Folge von Adaptation uberlebt sondern aus Zufall Mit Zufall sind weniger mathematisch stochastische Ereignisse sondern nicht vorhersehbare Naturereignisse unterschiedlicher Art und Dimension gemeint etwa der Meteoriteneinschlag an der Kreide Tertiar Grenze aber auch geringfugige klimatische Temperaturschwankungen etc Ursachlichkeit und Richtung in der Entwicklung der Arten werden von dieser Theorie nicht durchgehend darwinistisch im Sinn der Synthetischen Evolutionstheorie in permanent wirkenden Selektions Adaptationszyklen gesehen sondern primar im Einwirken von unberechenbaren Ereignissen Gould hat das am Beispiel einer Bandaufzeichnung verdeutlicht wenn er sagt Die letzten 500 Millionen Jahre des Lebens auf der Erde hatten auch ganz anders verlaufen konnen hatten wir die Moglichkeit das Leben wie auf einem Bandgerat wieder zuruckzuspulen und erneut ablaufen zu lassen Im Weiteren behauptet die Kontingenztheorie dass das Vorherrschen von Kontingenz gegenuber Konvergenz Konvergenztheorie Evolution in der Evolution den Rahmen fur den Verlauf des Lebens restriktiv einschrankt weil unzahlige alternative Formen unabhangig von Fitness aussterben Kontingenz legt somit den Rahmen des Lebens auf der Erde fest externe Constraints Dass der Mensch in der Evolution entstehen konnte hat in der Konsequenz der Kontingenztheorie im Vergleich zur Konvergenztheorie keine Vorbestimmung Es gibt keinen zwangslaufigen evolutionaren Weg dahin Im Gegenteil sagt Gould Hatte das Kambrium einen nur geringfugig anderen Verlauf genommen hatte es weder die Vielfalt der Chordatiere noch den Menschen auf der Erde gegeben Gould aussert sich somit ablehnend gegenuber jedem immanenten Fortschritt in der Evolution 2 Inhaltsverzeichnis 1 Kritik 2 Tests 3 Weblink 4 EinzelnachweiseKritik BearbeitenDas Gegenprogramm zur Kontingenztheorie ist die Konvergenztheorie des Briten Simon Conway Morris 3 Hier wird vom Vorherrschen streng adaptiver Prozesse ausgegangen und behauptet dass bestimmte makroevolutionare Entwicklungen wie etwa Flugel Flossen Intelligenz angesichts analoger Herausforderungen zwangslaufig zustande kommen mussten und daher auf oft vielen alternativen Wegen konvergent das heisst unabhangig entstanden Als Beispiel konnen die Flugelentwicklung von Vogeln Fledermausen oder Hautfluglern oder auch das Linsenauge der Tintenfische dienen das ahnlich aufgebaut ist wie das Auge von Fischen Vogeln Reptilien und Saugetieren Dabei sind Tintenfische mit diesen Wirbeltieren nicht verwandt sondern gehoren zu den Weichtieren Eine starke Stromung in der Biologie unterstutzt heute den Konvergenzgedanken Kritik an der Kontingenztheorie wird ferner darin geubt dass es leicht zu Plattituden kommen kann wenn es vereinfacht heisst dass einige Anderungen in den Anfangsbedingungen zu einigen Anderungen im Endergebnis fuhren konnen 4 Hier sei kritisch zu fragen Welches sind die Anfangsbedingungen Was heisst geringfugig anders Drei Grad Temperaturunterschied oder funf Dies lasst sich jedoch in Experimenten mit Organismen mit hoher Vermehrungsgeschwindigkeit teilweise kontrollieren Jonathan Losos vertritt eine vermittelnde Position wenn er die Rolle der Konvergenz unter Adaptionsdruck akzeptiert z B wird ein Lebewesen das sich im Wasser sehr schnell bewegt wohl immer einen stromlinienformigen Bauplan aufweisen und sich durch Flossenschlag oder Schlangelbewegung fortbewegen aber darlegt dass bei grosser genetischer Entfernung zweier Spezies die Konvergenz ihrer evolutionaren Entwicklungsmoglichkeiten begrenzt ist Kontingenz meint fur ihn auch Abhangigkeit der Evolution von minimal unterschiedlichen ursprunglichen Ausgangsbedingungen oder von einer zufallig variierenden Abfolge der ersten Schritte der Evolution unter Adaptionsdruck Pfadabhangigkeit was das Spektrum kunftig hervorzubringender Losungen einschrankt Auch gebe es extrem spezialisierte Losungen wie den Greifrussel des Elefanten oder das Schnabeltier die nicht mehrmals unabhangig voneinander entstanden seien 5 Tests BearbeitenAnolis Echsen auf karibischen Inseln 6 Der an der Harvard Universitat forschende Wissenschaftler Jonathan B Losos hat mit Kollegen die Anolis Arten auf vier karibischen Inseln als Testfall fur die Theorie untersucht Auf jeder dieser Inseln leben mehrere Anolis Arten nebeneinander sympatrisch Dabei ist jeweils eine dieser Arten morphologisch in besonderer Weise an einen bestimmten Lebensraum angepasst in dem sie gegenuber den anderen konkurrenzuberlegen ist Es konnen sechs solcher okologischen Spezialisierungen unterschieden werden fur grosse Arten im Kronenraum in Buschwerk und Grasern an Baumstammen an Baumstamme bis in den Kronenraum auf dunnen Zweigen die auf nahezu allen Inseln vorkommen auf zwei Inseln fehlt jeweils einer dieser Typen Bei der Analyse der Verwandtschaftsverhaltnisse DNA Stammbaum mit mitochondrialer DNA zeigt sich dass nicht die Habitatspezialisten untereinander am nachsten verwandt sind sondern jeweils die auf derselben Insel zusammenlebenden Arten Dies ist am einfachsten dadurch erklarbar dass sich derselbe Satz morphologischer Spezialisierungen auf jeder der Inseln jeweils unabhangig voneinander so entwickelt hat dass sich die Arten in ihren Anpassungen jeweils exakt entsprechen Schlussfolgerungen Betrachtet man die Entwicklungen auf den Inseln als Ganzes ist die Entwicklung streng deterministisch dasselbe Resultat wird unabhangig von den Ausgangsbedingungen erreicht Da die Reihenfolge der Artaufspaltungen aber auf jeder Insel verschieden ist ist der Prozess bei Betrachtung nur der einzelnen Insel zufallsgetrieben Schnirkelschnecken in polnischen Stadten 7 Die beiden Forscher nutzen hier drei Populationen der Gehauseschneckenart Cepaea hortensis in drei polnischen Stadten als naturliches Experiment Die Schnecken sind hier vor relativ kurzer Zeit durch den Menschen eingeschleppt worden sie bilden also Verbreitungsinseln ausserhalb des naturlichen Verbreitungsgebiets Da vermutlich nur wenige Tiere begrundend waren gehen Unterschiede vermutlich vor allem auf erst seit der Einschleppung erfolgte Anpassungen zuruck Die Wissenschaftler vergleichen nun in jeder Stadt Schneckenhauser jeweils einer Population in besonnten und schattigen Habitaten Von Schnirkelschnecken ist bekannt dass Tiere in besonnten Lebensraumen hellere Gehause besitzen als solche in beschatteten Bedeutung fur die Thermoregulation durch direkte Einstrahlung Nun wurde in jeder der drei Stadte beobachtet dass in der Tat die Tiere in den schattigen Habitaten dunklere Gehause besitzen als diejenigen in besonnten Dieser Effekt wurde aber jeweils auf andere Weise erreicht Helle Schalen sind gelb dunkle rosa getont zusatzlich kann das Gehause ein dunkles Band oder drei oder funf dunkle Bander oder auch kein solches Band tragen wobei diese Formen in einer Population nebeneinander leben konnen genetischer Polymorphismus Obwohl in jeder Stadt tatsachlich die dunklen Tiere in beschatteten Habitaten uberwiegen wurde dies jeweils durch eine andere Kombination aus Farb und Bandermorphen erreicht Je nach zufalliger genetischer Ausstattung der Grunderpopulation kann hier also dasselbe Ziel auf verschiedenen Wegen erreicht werden Selektion im Laborexperiment E coli Stamme in Petrischalen 8 9 In einer Serie von Experimenten untersuchten die Mikrobiologen Richard E Lenski Michael Travisano und Kollegen Stamme des Darmbakteriums E coli eines der verbreitetsten genetischen Modellorganismen In einem Experiment begrundeten sie einen Klon von zwolf genetisch identischen Laborstammen und liessen sie uber 2000 Generationen auf Nahrmedien wachsen die arm an Glucose waren Anschliessend testeten sie die aufgrund dieser Selektion evolvierten Bakterien auf anderen Nahrmedien die an anderen Zuckern Maltose und Laktose verarmt waren Hier zeigten sie trotz vorheriger identischer Selektion wesentliche Fitness Unterschiede die sich bei langerer Kultur auf diesem Medium spater dann wieder annaherten Es zeigte sich dass die Selektion im Glukose verarmten Milieu im Detail ganz verschiedene genetische Veranderungen bewirkt hatte die aber in ihrem Anpassungswert sehr ahnlich waren Sie bewirkten aber deutliche Unterschiede wenn sie im neuen Nahrmedium getestet wurden Die ahnlichen aber nicht identischen Anpassungen die die Bakterien nach 2000 Generationen erreicht hatten naherten sich nicht weiter aneinander an wenn das Experiment auf 10 000 Generationen verlangert wurde Obwohl also in allen Fallen auf identische Selektionsfaktoren ahnliche Anpassungen erfolgten war der dabei im Detail eingeschlagene Weg untereinander vollkommen verschieden was offensichtlich auf Zufallsabhangigkeit hindeutet Weblink BearbeitenEvolution Phasen als kosmischer Gesamtprozess Konvergenztheorie in de everybodywiki comEinzelnachweise Bearbeiten Gould Stephen J Zufall Mensch Das Spiel des Lebens in der Natur Hanser Verlag 1999 Gould Stephen J Illusion und Fortschritt Die vielfaltigen Wege der Evolution Fischer TB 3 Aufl 2004 Conway Morris Simon Die Konvergenz des Lebens In Fischer Ernst Peter amp Wiegandt Klaus Evolution Geschichte und Zukunft des Lebens Fischer TB 2003 Powell Russel Reading the book of life Contingency and Convergence in Macroevolution Diss Duke University 2008 Jonathan Losos Glucksfall Mensch Ist Evolution vorhersagbar Munchen 2018 Jonathan B Losos Todd R Jackman Allan Larson Kevin de Queiroz Lourdes Rodriguez Schettino 1998 Contingency and Determinism in Replicated Adaptive Radiations of Island Lizards Science 279 2115 2118 doi 10 1126 science 279 5359 2115 Malgorzata Ozgo amp Michael T Kinnison 2008 Contingency and determinism during convergent contemporary evolution in the polymorphic land snail Cepaea nemoralis Evolutionary Ecology Research 10 721 733 M Travisano F Vasi R E Lenski 1995 Long Term Experimental Evolution in Escherichia coli III Variation among the Replicate Populations in Correlated Responses to Novel Environments Evolution Volume 49 Issue 1 189 200 R E Lenski amp M Travisano 1994 Dynamics of adaptation and diversification a 10 000 generation experiment with bacterial populations Proceedings of the National Academy of Sciences USA vol 91 no 15 6808 6814 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kontingenztheorie Evolution amp oldid 233361142