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Der politikwissenschaftliche Konstruktivismus ist eine von mehreren umfassenden metatheoretischen Ansatzen auf dem Gebiet der Internationalen Beziehungen Als Theorie ausgearbeitet wurde er besonders seit den 1990er Jahren Dabei wird das internationale Staatensystem und dessen Entwicklung aufgrund bestimmter sozialtheoretischer Annahmen beschrieben und verknupft damit die Fachbereiche Internationale Beziehungen und Soziologie Dazu zahlt gemass Alexander Wendt dass menschliches Zusammenleben primar durch geteilte Ideen bestimmt wird weniger durch materielle Einflusse und dass die Identitaten und Interessen zielgerichtet Handelnder durch diese geteilten Ideen gebildet werden nicht durch deren Wesensnatur 1 Dieser Artikel wurde auf der Qualitatssicherungsseite des Portals Soziologie eingetragen Dies geschieht um die Qualitat der Artikel aus dem Themengebiet Soziologie auf ein akzeptables Niveau zu bringen Hilf mit die inhaltlichen Mangel dieses Artikels zu beseitigen und beteilige dich an der Diskussion Artikel eintragen Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Varianten 3 Rezeption 4 Literatur 5 Einzelnachweise 6 WeblinksEntstehung BearbeitenDas unvorhergesehene Ende des Kalten Krieges hatte in den 1990er Jahren begrundete Zweifel an der empirischen Leistungsfahigkeit der von Realisten und Institutionalisten vertretenen Anschauungen des internationalen Staatensystems geweckt 2 So konnte etwa der Neorealismus nach Kenneth Waltz keine schlussige Erklarung dafur liefern warum es mit der Herausbildung eines monopolaren internationalen Systems nicht zur Entstehung eines Gegenpols im Sinne einer balance of power kam Andere Konflikte jener Zeit liessen sich nicht erschopfend mit dem Machtstreben der Parteien erklaren da der Verlauf auch durch nationalistische Tendenzen in der Bevolkerung gepragt wurde 3 4 Kritik an den dominanten Theorien wurzelte vor allem in den konkurrierenden Ansatzen der soziologischen Forschung und den verschiedenen Schulen der kritischen Theorie Die daraus resultierende Stromung des Konstruktivismus gewann rasant an wissenschaftlicher Beachtung und gilt heute als eine der fuhrenden Theorietraditionen der Internationalen Beziehungen 4 5 Varianten BearbeitenDer politikwissenschaftliche Konstruktivismus zielt auf die Erklarung von politischen Handlungsmustern Typisch ist dabei dass in Anlehnung an Grundideen sonstiger konstruktivistischer Theorien in der Philosophie und in Nachbarwissenschaften Handlung als Ergebnis einer sozialen Situation bzw von vorherrschenden sozialen Strukturen verstanden wird Dies unterscheidet den politikwissenschaftlichen Konstruktivismus von konkurrierenden Ansatzen auf dem Gebiet der Internationalen Beziehungen wie beispielsweise dem politikwissenschaftlichen Realismus bzw Neorealismus bei denen davon ausgegangen wird dass Handlungen objektiv rationalen Mustern und damit Sachzwangen folgen Trotz der Uneinheitlichkeit politikwissenschaftlicher konstruktivistischer Ansatze ist es moglich von einem ontologischen Minimalkonsens zu sprechen Es wird untersucht wie Strukturen Institutionen und Akteure der Internationalen Beziehungen sozial konstruiert sind Eine zentrale Kernannahme politikwissenschaftlicher konstruktivistischer Ansatze lautet Soziale Strukturen Institutionen und Akteure konstituieren sich gegenseitig indem sie soziale Identitat vermitteln und oder Handlungschancen eroffnen beziehungsweise einschranken Dabei wird die materielle Welt nicht vollig negiert jedoch angenommen dass sie nur durch soziale Konstruktion vermittelt erfasst werden kann Eine eher handlungstheoretisch orientierte Stromung des politikwissenschaftlichen Konstruktivismus geht davon aus dass soziale Handlungen auch soziale Strukturen und Institutionen entstehen lassen reproduzieren oder verandern konnen Diese Handlungen sind durch bestimmte Normen und Werte motiviert die es zu destillieren gilt Ein Beispiel sind Menschenrechtsorganisationen die durch ihre Aktivitaten und Kampagnen andere Akteure der internationalen Politik bspw Staaten beeinflussen Aus diesem Grund spielte der Konstruktivismus nach dem Ende des Ost West Konflikts eine zunehmend wichtigere Rolle in den Internationalen Beziehungen Er postulierte im Gegensatz zum Realismus diese Veranderung erklaren zu konnen Zu Vertretern dieses Ansatzes zahlen in der deutschsprachigen Debatte unter anderem Thomas Risse 6 und Anja Jetschke Ebenfalls handlungstheoretisch orientiert ist ein auf die pragmatischen Theorieansatze z B von Wittgenstein oder Austin und Searle Bezug nehmender politikwissenschaftlicher Konstruktivismus wie er beispielsweise von Nicholas Onuf 1989 skizziert wurde Dabei wird Sprache als eine Form sozialer Handlungen verstanden mittels derer soziale Strukturen soziale Regeln Herrschaft re produziert werden Ziel ist weniger die Erklarung einer Entstehung solcher Strukturen als deren Analyse und die Frage wie durch Kommunikation Vorteile und Handlungsmoglichkeiten verteilt werden Alexander Wendt schlagt eine gemassigte Form des politikwissenschaftlichen Konstruktivismus vor die auch Elemente realistischer bzw neorealistischer Theorieansatze zu integrieren versucht Dabei geht es insbesondere um die Frage inwieweit und in welcher Form eine wissenschaftliche Erklarung empirischer Erscheinungen anzustreben sei Radikalere Ansatze vertreten positivistische Erklarungen wie sie in den Naturwissenschaften ublich sind auf dem Gebiet der Sozialwissenschaften durch hermeneutische oder konstitutive Interpretationen vollig zu ersetzen Dagegen pladiert Wendt dafur kausale Erklarungen durch Analyse der diese begrundenden Beziehungen zu erganzen Dabei soll die Bildung von Identitat Interesse und Machtbeziehungen ergrundet werden Dies geschieht indem die Uberformung welche durch die sozial geteilten Ideen bzw die Kultur verursacht wird der sozialen Bedeutung derselben betrachtet wird Emanuel Adler definierte den politikwissenschaftlichen Konstruktivismus als Annahme dass die Art in der die materielle Welt menschliches und zwischenmenschliches Handeln pragt und von ihnen gepragt wird von dynamischen normativen und epistemologischen Interpretationen dieser materiellen Welt abhangt 7 Weitere Vertreter sind z B Ted Hopf Colin Kahl oder Friedrich Kratochwil Rezeption BearbeitenDem politikwissenschaftlichen Konstruktivismus wird vorgeworfen er biete ausschliesslich ex post Erklarungen an ohne dass es ihm moglich sei Prognosen oder Erklarungen aktueller Ereignisse zu liefern Diese Kritik trifft den Konstruktivismus nicht direkt da er infolge seiner Grundannahmen keine Fahigkeit zu Prognosen fur sich beansprucht Allerdings gilt die Prognosefahigkeit als wichtiges Merkmal fast aller Theorien der Internationalen Beziehungen sodass der Erkenntniszuwachs durch konstruktivistische Ansatze kritisch gesehen wird Literatur BearbeitenEmanuel Adler Seizing the Middle Ground Contructivism in World Politics in European Journal of International Relations 3 1997 S 319 363 Online bei sagepub Karin M Fierke Constructivism in Tim Dunne Milja Kurki Steve Smith Hgg International Relations Theory Discipline and Diversity Oxford University Press New York 2007 S 166 184 Karin M Fierke Knud Erik Jorgensen Hgg Constructing International Relations The Next Generation Sharpe Armonk N Y 2001 ISBN 978 0 7656 0739 3 Patrick Thaddeus Jackson Bridging the Gap Toward A Realist Constructivist Dialogue in International Studies Review 6 2004 S 337 352 Online PDF 123 kB Nicholas G Onuf World of Our Making Rules and Rule in Social Theory and International Relations University of South Carolina Press Columbia 1989 ISBN 0872496260 Cornelia Ulbert Sozialkonstruktivismus in Siegfried Schieder Manuela Spindler Hrsg Theorien der Internationalen Beziehungen 2 A Stuttgart 2006 S 409 440 ISBN 3 8252 2315 9 einsehbar bei Google Books Paul R Viotti Mark V Kauppi International Relations Theory Longman Publishers 5 A 2001 ISBN 978 0 205 08293 3 S 277 301 Alexander Wendt Social Theory of International Relations Cambridge 1999 ISBN 0 521 46960 0 einsehbar bei Google Books Alexander Wendt Anarchy Is What States Make of It The Social Construction of Power Politics in International Organization 46 1992 S 391 425 Online PDF 550 kB Einzelnachweise Bearbeiten Alexander Wendt Social Theory of International Politics Cambridge University Press 1999 ISBN 0 521 46557 5 S 1 Vgl Cornelia Ulbert Sozialkonstruktivismus in Manuela Schieder Siegfried Spindler Hrsg Theorien der Internationalen Beziehungen Stuttgart 2 A 2006 S 409 440 hier 412 Alexander Sarovic DER SPIEGEL Jugoslawien Krieg Antworten auf die wichtigsten Fragen Abgerufen am 27 Mai 2021 a b Peter Schlotter Nomos Verlagsgesellschaft Weltbilder und Weltordnung Einfuhrung in die Theorie der internationalen Beziehungen 5 uberarbeitete und aktualisierte Auflage Baden Baden 2018 ISBN 978 3 8487 4183 0 John Baylis Steve Smith Patricia Owens The globalization of world politics an introduction to international relations 5th ed Auflage Oxford University Press New York 2011 ISBN 978 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