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Die kohlenstoffbasierte selektive katalytische Reduktion kurz CSCR aus dem englischen carbon selective catalytic reduction bezeichnet ein trockenes Abgasreinigungsverfahren zur Reduzierung von Schadstoffen in Abgasen von grosstechnischen Anlagen wie zum Beispiel in Mullverbrennungsanlagen fur Hausmull und Industriemull Stahlwerken Kohlekraftwerken LCD Glasherstellung 2 sowie in der Munitionsverwertung 3 CSCR Adsorber Schema 1 Das Verfahren zeichnet sich durch einen ein oder mehrstufigen Aktivkoks Wanderbettreaktor aus welcher im Gegenstrom betrieben wird Aktivkoks dient dabei sowohl als Katalysator fur die Oxidation bestimmter Abgasbestandteile wie auch als Speicher fur adsorbiertes Schwefeldioxid SO2 in Form von Schwefelsaure H2SO4 oder anderen Schadstoffe Der beladene Aktivkoks wird ausgetragen und kann je nach Anwendung regeneriert werden oder wird in Kohlekraftwerken verbrannt Zur Entstickung wird nach vorheriger SO2 Abscheidung ein Stickoxid NOx reduzierendes Gas zumeist Ammoniak NH3 dem Abgas beigemischt Anschliessend wird NOx in einem weiteren Aktivkoksbett in Gegenwart von Aktivkoks als Katalysator zusammen mit NH3 zu Stickstoff N2 und Wasser H2O umgesetzt Neben Stick und Schwefeloxiden werden aufgrund der vielfaltigen Eigenschaften 4 von Aktivkoks auch andere Schadstoffe wie etwa Dioxine und Furane Staub Schwermetalle wie zum Beispiel Quecksilber und Halogene wie Fluorwasserstoff und Chlorwasserstoff abgeschieden Inhaltsverzeichnis 1 Aufbau und Funktionsweise eines CSCR Reaktors 2 Chemische Reaktionen 3 CSCR in der Stahlindustrie 4 CSCR in Mullverbrennungsanlagen 5 Weitere Anwendungen fur CSCR 6 EinzelnachweiseAufbau und Funktionsweise eines CSCR Reaktors BearbeitenBei der CSCR Technologie handelt es sich um ein adsorptives und absorptives trockenes Wanderbettverfahren Die Rauchgasfuhrung erfolgt entgegengesetzt dem Adsorptionsmittelfluss im Gegenstromprinzip 5 Das Rauchgas wird mit einer Temperatur von 90 C bis 140 C in den Rauchgassammelraum unterhalb der Aktivkoksschuttung gefuhrt Von dort aus gelangt das Gas in ein Aktivkoksbett Falls erforderlich ist dem ersten Aktivkoksbett ein zweites nachgeschaltet Das erste Bett dient meist zur Abscheidung von Schwefeloxiden SOx und Staub Der im Abgas enthaltene Staub wird aufgrund der Filterwirkung des Aktivkoksbettes abgeschieden Im Abgas enthaltenes Schwefeldioxid SO2 wird an der Aktivkoksoberflache katalytisch zu Schwefeltrioxid SO3 oxidiert und mit Wasserdampf H2O zu Schwefelsaure H2SO4 umgesetzt welche im Porensystem des Aktivkokses chemisch absorbiert wird Neben SO2 und Staub werden auch andere Schadstoffe von dem Aktivkoks adsorbiert Im zweiten Bett findet die Entstickung statt Bevor das Rauchgas in das zweite Bett gelangt wird es in eine Mischkammer gefuhrt in der gasformiges Ammoniakwasser beigemischt wird Mit dem zugegebenen Ammoniak NH3 reagieren die Stickoxide des Rauchgases an der katalytischen Oberflache des Aktivkokses zu den unschadlichen Produkten Stickstoff N2 und Wasser 6 Das Rauchgas verlasst das zweite Bett und kann gereinigt in die Umgebungsluft uber einen Kamin abgegeben werden Der konstruktive Aufbau des Adsorberanstrombodens sichert einerseits eine gleichmassige Verteilung des Rauchgases beim Eintritt in die Aktivkoksschuttung und sorgt andererseits gleichzeitig dafur dass sich die Schuttung beim Austragen des beladenen Aktivkoks planparallel absenkt 7 Bei Betatigung der Austragsvorrichtung gelangt der Aktivkoks in den Austragstrichter Dabei senkt sich das Aktivkoksbett um einige Millimeter ab und frischer Aktivkoks rutscht selbsttatig aus dem Vorratsbunker in den Adsorptionsbereich des Adsorbers nach Durch das Gegenstromprinzip ist im Vergleich mit anderen Reaktoren eine gleichmassige Beladung des Aktivkokses uber die gesamte Anstromflache sichergestellt Ein weiterer Vorteil des Gegenstromprinzip ist die bessere Aktivkoksbeladefahigkeit und somit die Minimierung des Aktivkoksverbrauchs Letzteres wird dadurch erreicht dass uber den einfachen geregelten Abzug nur die am hochsten beladene Aktivkoksschicht in nahezu beliebig einstellbaren Chargen abgezogen wird Aktivkoks kann mit thermischer Behandlung regeneriert werden Man erhalt auf diesem Wege ein hoch konzentriertes SO2 Reichgas welches verwendet werden kann um beispielsweise elementaren Schwefel oder Schwefelsaure herzustellen Chemische Reaktionen BearbeitenIm Abgas enthaltenes SO2 wird gemass der aufgezeigten Reaktionsgleichung auf der Aktivkoksoberflache im Temperaturbereich von etwa 20 150 C katalytisch zu SO3 oxidiert welches mit dem Wasserdampf im Abgas zu Schwefelsaure umgesetzt wird SO 2 1 2 O 2 SO 3 displaystyle ce SO2 1 2 O2 gt SO3 nbsp SO 3 H 2 O H 2 SO 4 displaystyle ce SO3 H2O gt H2SO4 nbsp Ein geringer Teil der gebildeten Schwefelsaure wird mit den basischen Aschebestandteilen zu den entsprechenden Sulfaten umgesetzt Erst nach dem DeSOx Bett wird dem Rauchgas NH3 als Reduktionsmittel hinzugegeben da NH3 aufgrund seiner Affinitat zuerst mit SO2 reagieren wurde Dabei entstehen Sulfate und Bisulfate welche am Aktivkoks abgeschieden werden und dessen katalytische Eigenschaften hemmen Deswegen wird im ersten Aktivkoksbett ein Grossteil des SO2 ohne NH3 abgeschieden Im zweiten Aktivkoksbett welches fur die Entstickung DeNOx gedacht ist reagiert dann das restliche SO2 welches nicht im DeSOx Bett abgeschieden wurde zusammen mit Ammoniak und Wasserdampf zu Ammoniumsulfit und wird im Porensystem absorbiert 2 NH 3 SO 2 H 2 O NH 4 2 SO 3 displaystyle ce 2 NH3 SO2 H2O gt NH4 2SO3 nbsp Die Zusammensetzung des Rauchgases wird zwar von dem eingesetzten Brennstoff und den Verbrennungsparametern bestimmt jedoch gilt die Regel dass Stickoxide aus 5 10 Vol NO2 und 90 95 Vol NO bestehen Sauerstoffgehalt von Abgasen variiert zwischen 1 Vol fur Gasfeuerungen und etwa 15 Vol fur Mullverbrennungsanlagen Stickstoff und Kohlenstoffdioxid CO2 sind Residuen und nehmen an der Abscheidereaktion nicht teil 8 Stickstoffmonoxid oxidiert katalytisch an der Oberflache des Aktivkokses und mithilfe des Sauerstoffs im Abgas zu Stickstoffdioxid NO 1 2 O 2 NO 2 displaystyle ce NO 1 2 O2 gt NO2 nbsp NO2 wird dann durch das in der Mischkammer zugegebene Ammoniak reduziert und die Produkte Stickstoff und Wasserdampf verlassen zusammen mit dem gereinigten Rauchgas die Anlage 9 6 NO 2 8 NH 3 7 N 2 12 H 2 O displaystyle ce 6NO2 8NH3 gt 7N2 12H2O nbsp Stickstoffmonoxid kann auch direkt katalytisch umgesetzt werden 10 6 NO 4 NH 3 5 N 2 6 H 2 O displaystyle ce 6NO 4NH3 gt 5N2 6H2O nbsp Die Hauptreaktion fur Stickoxidabscheidung lautet wie folgt 4 NO 4 NH 3 O 2 4 N 2 6 H 2 O displaystyle ce 4 NO 4 NH3 O2 gt 4 N2 6 H2O nbsp Letztere Reaktion findet nur in Gegenwart von Sauerstoff statt welches im Abgas enthalten ist Eine Erhohung der Sauerstoffkonzentration im Rauchgas uber 5 Vol hinaus fuhrt jedoch nicht zu einer weiteren Erhohung der NO Reduktion Des Weiteren erhoht uberstochiometrische NH3 Zugabe zwar die Konversion fuhrt aber haufig zu NH3 Schlupf der im Reingas zu messen ist CSCR in der Stahlindustrie BearbeitenAbgase von Sinterbandprozessen stellen einen erheblichen Anteil der Verunreinigungen dar die bei der Stahlerzeugung insgesamt anfallen Aufgrund der sehr hohen Abgasmengen die bei Sinterbandanlagen anfallen ist eine zufriedenstellende Abgasreinigung mit hohen Kosten und grossem Aufwand verbunden da bei herkommlichen Reinigungsverfahren mehrere Reinigungsschritte hintereinandergeschaltet werden mussen Insbesondere wenn Stickoxide aus dem Rauchgas entfernt werden sollen stellt man sich der Herausforderung dass andere Schadstoffkomponenten wie SO2 und HCl auf den Aktivkoks wie ein Katalysatorgift wirken Bei der CSCR Technologie wird dieses Problem vermindert oder weitgehend beseitigt SO2 und NOx kann mit diesem Verfahren gleichzeitig ohne Katalysatorschadigung abgeschieden werden indem der Sinterabgasreinigungsprozess als zweistufiger Wanderbettreaktor ausgefuhrt wird Auch wenn das Sinterabgas nach einem Vorreinigungsprozess bspw Mit einem Nasswascher immer noch deutliche Konzentrationen an SO2 und oder HCl vorweist werden diese Stoffe im ersten Verfahrensschritt des CSCR Prozesses abgeschieden ohne die Reinigung fur NOx zu belasten und den dafur verwendeten Katalysator nennenswert zu schadigen 11 Bevorzugte Verfahren zur Vorreinigung des Sinterabgases bevor es zur CSCR ubergeben wird sind Schlauch oder Elektrofilter Abgaswascher oder Flugstromabsorber bspw mit Kalkstaub Mit diesem Gegenstrom Wanderbettverfahren werden Restwerte im gereinigten Sinterabgas von 10 mg Nm3 SO2 50 mg Nm3 NOx und 10 mg Nm3 Staub erreicht Aufgrund der Vorteile die CSCR bietet ist dieses Verfahren von einer Nischentechnologie mehr und mehr in die Mitte gerutscht und findet Einsatz in vielen Stahlwerken im asiatischen Raum zum Beispiel bei Anlagen der Jiangsu Shagang Group der Anshan Iron and Steel Group und der Masteel Group CSCR in Mullverbrennungsanlagen BearbeitenMullverbrennungsanlagen zur Energie und Warmegewinnung gerieten in den 1990er Jahren in Bedrangnis da bekannt wurde dass die Verbrennung von Haus und Industrieabfallen eine Quelle fur polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane PCDD F darstellen Viele Menschen die in der Nahe von Mullverbrennungsanlagen wohnen waren besorgt dass sie hohen Konzentrationen dieser krebserregender Schadstoffe ausgesetzt wurden Die CSCR Technologie ist eine wirtschaftliche Moglichkeit Dioxine und Furane fast bis zur Nachweisgrenze 0 001 ngTE Nm abzuscheiden Neben PCDD F werden in Mullverbrennungsanlagen auch Staub Schwermetalle und Quecksilber Schwefeloxide und Halogene wie HF und HCl abgeschieden Typischerweise wird in thermischen Abfallbehandlungsanlagen Braunkohleaktivkoks eingesetzt der nicht wieder regeneriert wird In vielen Anwendungen wird dieser Herdofenkoks in Kohlekraftwerken mitverbrannt Dioxine und Furane zersetzen sich dabei Zu den in Deutschland mit CSCR Abgasreinigungstechnologie ausgerusteten zahlen unter anderen RZR Herten MVA Stellinger Moor Mullheizkraftwerk Wuppertal MVA Dusseldorf FlingernWeitere Anwendungen fur CSCR BearbeitenDa die CSCR Technologie von den vielfaltigen Eigenschaften von Aktivkoks getragen wird so ist auch der Anwendungsbereich dieser Technologie ebenso vielseitig Die modulare Bauweise der CSCR Reaktoren erlaubt den Betrieb von Anlagen fur beliebige Rauchgasmengen Typische Anwendungen liegen zwischen 3 000 Nm h und 2 000 000 Nm h 1 Anwendungsfelder fur CSCR Technologie Stahlerzeugung Pelletierung Kokerei Sinteranlagen Abfallverbrennung Industrie und Haushaltsmull Klarschlammverbrennung Kohlekraftwerke Glasschmelzprozesse Munitionszerstorung Zementherstellung Chemische ProzesseEinzelnachweise Bearbeiten a b WKV Dr Grochowski Anlagentechnik GmbH Abgerufen am 26 Marz 2020 deutsch Patent EP1838419B1 Verfahren zum Reinigen von Abgasen eines Glasschmelzprozesses insbesondere fur Glaser fur LCD Bildschirme Angemeldet am 12 Januar 2006 veroffentlicht am 11 Mai 2011 Erfinder Horst Grochowski Isao Mochida Yozo Korai Masuaki Shirahama Shizuo Kawano Tomohiro Hada Removal of SOx and NOx over activated carbon fibers In Carbon Band 38 Nr 2 1 Januar 2000 ISSN 0008 6223 S 227 239 doi 10 1016 S0008 6223 99 00179 7 sciencedirect com abgerufen am 17 Marz 2020 CarboTech GmbH Ihr Spezialist fur Aktivkohle Abgerufen am 17 Marz 2020 Margit Loschau Reinigung von Abgasen TK Verlag Nietwerder 2014 ISBN 978 3 944310 13 8 S 220 222 Patentanmeldung DE2635063A1 Katalysator fur die Reduktion von Stickstoffoxiden in Anwesenheit von Ammoniak Angemeldet am 4 August 1976 veroffentlicht am 24 Februar 1977 Anmelder Kurashiki Boseki KK Erfinder Masumi Saito et al Patent EP0357653B1 Anstromboden fur Wanderbettreaktoren Angemeldet am 5 Mai 1988 veroffentlicht am 19 Januar 1994 Erfinder Horst Grochowski Ekkehard Richter Hans Jurgen Schmidt Hans Georg Schecker Adsorption and catalytic reactions of NO and NH3 on activated carbon In Chemical Engineering amp Technology Band 13 Nr 1 1990 ISSN 1521 4125 S 332 340 doi 10 1002 ceat 270130146 Gomi Kenichi Komuro Takeo Arashi Norio Hishinuma Yukio Kanda Osamu Kuroda Hiroshi Reduction of nitrogen monoxide NO with ammonia in sulfur dioxide containing gas on activated carbon and vanadium pentaoxide loaded activated carbon Hrsg Chemical Society of Japan 4 Auflage 1986 S 527 531 Karl Knoblauch Ekkehard Richter Harald Juntgen Application of active coke in processes of SO2 and NOx removal from flue gases In Fuel Industrial Conversion of Coal and Carbon to Gas Liquid and High Value Solid Products Band 60 Nr 9 1 September 1981 ISSN 0016 2361 S 832 838 doi 10 1016 0016 2361 81 90146 0 Patentanmeldung WO2006084671A1 Verfahren zum Reinigen von Abgasen eines Sinterprozesses von Erzen und oder anderen metallhaltigen Materialien in der Metallerzeugung Angemeldet am 8 Februar 2006 veroffentlicht am 17 August 2006 Erfinder Horst Grochowski Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kohlenstoffbasierte Selektive Katalytische Reduktion amp oldid 235350310