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Johann Georg Tinius 22 Oktober 1764 in Staakow Niederlausitz 24 September 1846 in Grabendorf bei Konigs Wusterhausen war ein deutscher Theologe und Bibliomane der wegen Rauberei und zweier Morde die er neben Unterschlagung von Kirchengeldern zur Finanzierung seiner Sammelsucht begangen haben soll nach einem uber zehnjahrigen Indizienprozess 1823 zu zwolf Jahren Zuchthaus verurteilt wurde Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke 3 Literatur 4 Einzelnachweise 5 WeblinksLeben BearbeitenTinius war Sohn eines Schafers und besuchte in Luckau die Schule Aufgrund seiner Begabung fand er Forderer und konnte so ab 1789 die Universitat Wittenberg besuchen um Theologie zu studieren Nach dem Studienabschluss als Magister der Theologie war er von 1795 bis 1798 als Tertius am Gymnasium in Schleusingen tatig bevor er 1798 zum Pfarrer von Heinrichs bei Suhl ernannt wurde Da er in der Burgerschaft von Suhl mehrere einflussreiche Fursprecher hatte erfolgte 1801 seine vorlaufige Einsetzung in das Amt des verstorbenen Pfarrers der dortigen Kreuzkirche durch das Oberkonsistorium Dresden Dagegen beschwerten sich Burgermeister und Rat der Stadt Suhl die eine politische Spaltung der Burgerschaft durch Tinius befurchteten Sie bescheinigten ihm einen schlechten Lebenswandel und beurteilten ihn als starrsinnig und streitsuchtig Besonders wurde Tinius vorgehalten dass er in seinen Predigten von der reinen Lehre des Christentums abweiche Als Pfarrer sei er kein Vorbild da er sein eigenes Kind funf Tage ungetauft liess die Pfarrwiese zum Nachteil des Gemeindebodens erweitert und sogar einen Leichenstein verkauft habe Vom Oberkonsistorium wurde daraufhin das Konsistorium Schleusingen beauftragt die Vorwurfe gegen Tinius zu untersuchen Der Bericht aus Schleusingen fiel zuungunsten von Tinius aus woraufhin seine Ernennung zum Pfarrer der Kreuzkirche in Suhl im Oktober 1802 zuruckgezogen wurde Tinius appellierte gegen diese Entscheidung Er warf dem Konsistorium Parteilichkeit fur den Burgermeister und stadtischen Rat in Suhl vor und forderte u a eine finanzielle Entschadigung fur die entstandene finanzielle Einbusse die er zur Versorgung seiner sechs Kinder dringend benotigte Der sich daraus entwickelnde Untersuchungsprozess dauerte mehrere Jahre und war noch nicht abgeschlossen als Tinius Ende Februar 1810 als Pfarrer nach Poserna im sachsischen Amt Weissenfels ging Das Verfahren wurde erst nach der Amtsenthebung von Tinius als Pfarrer von Poserna im Fruhjahr 1814 aufgrund der Schwere der anderen Vorwurfe gegen ihn eingestellt Als der Pfarrer von Goldlauter gestorben war und die Stelle fur dessen Sohn Ernst Anschutz freigehalten wurde ubernahm er von Oktober 1806 bis April 1807 das Vikariat der dortigen Pfarrstelle In dieser Zeit beklagte er sich beim Konsistorium Schleusingen dass trotz des weiten beschwerlichen Weges von Heinrichs und Albrechts nach Goldlauter selbst bei schlechtem Wetter nie ein Pferd zur Abholung geschickt wurde und er sich jedes Mal zu Fuss auf den Weg machen musste Auf ausdruckliche Bitte von Tinius attestierte das Konsistorium Schleusingen ihm am 12 Dezember 1808 dass er sein Pfarr Amt mit Geschicklichkeit Treue und Sittlichkeit verwaltet hat und die Kirchenkasse wahrend seiner Dienstzeit um uber 300 Gulden vermehrt hat Seine Leidenschaft fur Bucher begann bereits wahrend seiner Zeit in Schleusingen in Suhl fand er dann erstmals Gelegenheit zur wurdigen Aufstellung seiner wachsenden Zahl von Buchern Seine beiden Ehefrauen brachten ein gewisses Vermogen in die Ehe ein aus dem Tinius fur weitere Buchererwerbungen schopfte Sein Hauptaugenmerk lag auf exegetischen Wissenschaften aber auch auf Philosophie Geschichte und alten Sprachen In Poserna hortete der Bibliomane 50 000 bis 60 000 Bucher teilweise sogar in einer Scheune Wahrend seine Familie im Erdgeschoss des Pfarrhauses in Poserna untergebracht war lebte Tinius selbst vorzugsweise im Obergeschoss inmitten seiner Bucher Er besuchte haufig Leipzig um neue Bucher zu erwerben wobei er sich hoffnungslos verschuldete Unter anderem erwarb er den Nachlass des Theologen Johann August Nosselt mit verschiedenen seltenen Bibelausgaben und Autographen Luthers Melanchthons und weiterer Reformatoren In Paris erwarb er den Nachlass Friedrich Basts in Frankfurt an der Oder erwarb er den Nachlass von Johann Friedrich Heynatz Mit den angesammelten Buchern plante Tinius eigene wissenschaftliche Veroffentlichungen darunter eine Arbeit uber das Verhaltnis der chaldaischen Paraphrasen des Pentateuchs zu der samaritanischen Ubersetzung Allerdings war er vollauf damit beschaftigt stets neue Bucher zu beschaffen so dass er zu so gut wie keiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit mit seiner Bibliothek kam 1 Als 1812 der Kaufmann Schmidt und im folgenden Jahr die vermogende Witwe Kunhardt in Leipzig ermordet wurden geriet er in Verdacht ein lange gesuchter Rauber und Morder zu sein Die Aussagen einer Magd und seine Versuche kompromittierendes Material beiseiteschaffen zu lassen er wollte seine Schulden als mogliches Motiv verschleiern fuhrten 1813 zu seiner Verhaftung Aufgrund der Teilung Sachsens zog sich der Prozess uber mehrere Jahre hin 1820 wurde er wegen des Mordes an der Witwe Kunhardt zu 18 Jahren Zuchthaus verurteilt Im Falle des Mords an Kaufmann Schmidt wurde Tinius mangels Beweisen freigesprochen Wegen unterschlagener Kirchengelder wurde er zu weiteren zwei Jahren Zuchthaus verurteilt Im Verlauf des Prozesses liess sich seine zweite Frau von ihm scheiden Die wertvolle Bibliothek wurde 1821 bei Weigel in Leipzig versteigert und selbst Goethe hat wohl einige Werke erworben zumindest fur die Bibliothek in Jena Tinius legte 1823 Berufung ein wobei man seine Gesamtstrafe unter Beachtung der langen Untersuchungshaft und seines vorgeruckten Alters um einige Jahre herabsetzte Tinius selbst beteuerte zeitlebens seine Unschuld 1835 wurde er aus dem Zuchthaus entlassen und war 71 Jahre alt und mittellos so dass er zeitweilig im Armenhaus in Zeitz lebte 1840 zog er nach Grabendorf wo er Verwandte hatte die sich bis zu seinem Tod um ihn kummerten 1 Tinius ging als Prototyp des Bibliomanen in die Geschichte ein Mehrere Schriftsteller beschaftigten sich mit seiner Person Im vierten Band des Neuen Pitaval von 1843 wurde der Fall dargestellt Paul Gurk verfasste 1936 ein Theaterstuck mit dem Titel Magister Tinius der Theologe Klaas Huizing schrieb 1994 den Roman Der Buchtrinker der sich die gangigen Klischees bedienend vage an Tinius Schicksal orientiert 2005 erschien der Roman Der Buchermorder von Detlef Opitz der den gewagten Versuch unternimmt das Tinius Bild vollstandig zu korrigieren wobei der Autor nach eigenen Angaben Quellen benutzte die bislang unzuganglich waren oder als verschollen galten etwa die Original Prozessakten von 1813 Opitz hegt Zweifel an der Taterschaft des Bibliomanen woran er freilich keine Zweifel lasst ist die Bucherleidenschaft des Beschuldigten Die erste Biographie veroffentlichte Klaus Seehafer Magister Tinius Lebensbild eines Verbrechers aus Buchergier 2013 vertritt die These In dubio pro reo Werke BearbeitenMerkwurdiges und lehrreiches Leben des M Johann Georg Tinius Pfarrers zu Poserna in der Inspektion Weissenfels von ihm selbst entworfen 1813 Biblische Prufung von Brennecke s Beweis dass Jesus nach seiner Auferstehung gegen 27 Jahre auf Erden gelebt 1820 Der jungste Tag ob wie und wann er kommen wird 1836 Sechs bedenkliche Vorboten einer grossen Weltveranderung an Sonne und Erde sichtbar 1837 Die Offenbarung Johannis 1839 in Haft entstanden Literatur BearbeitenMitzschke Tinius Johann Georg In Allgemeine Deutsche Biographie ADB Band 38 Duncker amp Humblot Leipzig 1894 S 357 359 Paul Gurk Magister Tinius Ein Drama des Gewissens Schlussel Bremen 1946 davor Gespendet allen Teilnehmern an der Tagung der Gesellschaft der Bibliophilen im Mai 1936 in Chemnitz 1936 Verzeichniss der Bibliothek des M Johann Georg Tinius ehemaligen Predigers zu Poserna Kell Weissenfels 1821 Walter Gerullis Zwischen Kanzel und Kerker Geschichte einer verirrten Leidenschaft Mit Textzeichnungen von Karl Stratil Weimar Volksverlag 1958 Walter Klaube Johann Georg Tinius 1764 1846 Lebensweg eines Bibliomanen Verfasst von Walter Klaube Bochum ohne Jahresangabe vermutlich in den 1980er Jahren Nur maschinenschriftlich dann weiterkopiert Sehr aufwandig recherchiert enthalt auch eine Predigt von Tinius vom 4 Epiphanias Sonntag 1803 in der Kreuzkirche zu Suhl aus dem Heinrichser Pfarr Archiv und die Rede des Superintendenten Rosenmuller vom 31 Marz 1814 bei der offentlichen Degradation des Pfarrers Johann Georg Tinius in der Nikolaikirche zu Leipzig Seitenzahl 57 dazu uber 100 Seiten Anlagen Klaas Huizing Der Buchtrinker zwei Romane und neun Teppiche Knaus Munchen 1994 ISBN 3 8135 1976 7 Neuauflage Der Buchtrinker Verl Frankischer Tag Bamberg 2004 ISBN 3 936897 06 9 Georg Ruppelt Vor 150 Jahren starb Magister Johann Georg Tinius weiland Pfarrer Bucherfreund und Raubmorder In Aus dem Antiquariat 1996 10 S A426 A431 Jorg Kowalski Tinius oder die Bibliothek im Kopf Ed Augenweide Dobis Bernburg 1998 Detlef Opitz Der Buchermorder ein Criminal Eichborn Frankfurt am Main 2005 ISBN 3 8218 5763 3 Rezensionen in der FAZ und NZZ 2005 2 3 Michael Kohlmeier Umblattern und andere Obsessionen Erzahlung Edition 5Plus 2005 Einzelnachweise Bearbeiten a b Herbert Heckmann Hrsg Magister Tinius Friedenauer Presse Berlin o J 1989 ISBN 3 921592 53 4 S 17 22 Euphorie des Quartalsschreibers 30 Oktober 2006 https www faz net aktuell feuilleton buecher rezensionen belletristik tinius kommt 1282957 htmlWeblinks BearbeitenLiteratur von und uber Johann Georg Tinius im Katalog der Deutschen NationalbibliothekNormdaten Person GND 118758314 lobid OGND AKS LCCN no2002059395 VIAF 67261308 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Tinius Johann GeorgKURZBESCHREIBUNG deutscher Theologe und BibliomaneGEBURTSDATUM 22 Oktober 1764GEBURTSORT Staakow bei LubbenSTERBEDATUM 24 September 1846STERBEORT Grabendorf bei Konigs Wusterhausen 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