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Jagerslust ist eine Ortschaft deren sudlicher Teil zur Gemeinde Felde und deren nordlicher Teil zur Gemeinde Krummwisch gehort Beide Gemeinden liegen im Kreis Rendsburg Eckernforde in Schleswig Holstein Inhaltsverzeichnis 1 Geografie und Verkehr 2 Geschichte 2 1 Wohnung des Holzvogtes 2 2 Marinegemeinschaftslager und Durchgangslager fur sowjetische Kriegsgefangene 1937 1945 2 3 Lager fur polnische Displaced Persons 1945 1949 2 4 Lager fur deutsche Fluchtlinge und Vertriebene 1950 1969 2 5 Begrabnisstatte Jagerslust 2 6 Heutige Nutzung 3 Relikte der Lagergeschichte 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeografie und Verkehr BearbeitenDie Ortschaft liegt 14 Kilometer westlich von Kiel zwischen dem Nord Ostsee Kanal im Norden und der Autobahn 210 sowie der Bahnstrecke Kiel Rendsburg im Suden Zu erreichen ist Jagerslust uber die Autobahnabfahrt Achterwehr oder den Bahnhof Felde Das Moranengelande des ostlichen Hugellandes das landschaftspragend ist hat in der naheren Umgebung des Ortes starke Veranderungen durch Eingriffe des Menschen im Zusammenhang mit der Herstellung des nordlich angrenzenden Bunkergelandes erfahren Die Uberschwemmungswiesen Jagerslust wurden 1982 unter Naturschutz gestellt Geschichte BearbeitenWohnung des Holzvogtes Bearbeiten Der Ursprung der Ortschaft geht auf ein achteckiges Gebaude zuruck das dem Holzvogt des Gutes Gross Nordsee zur Unterkunft diente Der Name ist darauf zuruckzufuhren dass in den Pavillon auch die Jagdgesellschaften des Gutsherren einkehrten Eine erste aktenmassige Erwahnung datiert aus dem Jahr 1819 1 nbsp Wachbunker am Nordausgang des Lagers Marinegemeinschaftslager und Durchgangslager fur sowjetische Kriegsgefangene 1937 1945 Bearbeiten 1937 begannen die Arbeiten zur Errichtung eines Lagers fur die Arbeiter die die Grossolanlage Flemhude der Kriegsmarine herstellen sollten Die Losch und Ladeeinrichtungen befanden sich etwa drei Kilometer nordostlich des Lagers am Sudufer des Nord Ostsee Kanals und am Westufer des Flemhuder Sees 2 Bis zum Kriegsausbruch 1939 waren im Lager Dienstverpflichtete aus dem gesamten Deutschen Reich untergebracht Nach Kriegsausbruch wurden die deutschen Arbeiter im Marinegemeinschaftslager durch etwa 700 Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen aus Polen Danemark den Niederlanden Belgien der Tschechoslowakei und Italien ersetzt Infolge des Kriegsverlaufs verlor die Grossolanlage Flemhude an strategischer Bedeutung Deshalb wurde ein Teil der Lagerbewohner in Kieler Werften und Betrieben eingesetzt 3 Im Oktober 1943 wurde direkt westlich an das Marinegemeinschaftslager angrenzend ein stacheldrahtumzauntes Durchgangslager fur sowjetische Kriegsgefangene errichtet Das Lager wurde von der 1 Marinebaubereitschaftsabteilung 1 M B B A betrieben Die funf Grossbaracken hatten eine Kapazitat von knapp 2000 Belegplatzen Die Kriegsgefangenen wurden aus dem Stammlager X B in Sandbostel angefordert Mindestens 18 Todesfalle lassen sich auf das Kriegsgefangenenlager Jagerslust zuruckfuhren die meisten von ihnen wurden auf dem Kieler Nordfriedhof bestattet 4 31 weitere sowjetische Kriegsgefangene aus Jagerslust kamen bei einem alliierten Luftangriff in der Nacht vom 23 auf den 24 Juli 1944 in Kiel Dietrichsdorf ums Leben Auch sie wurden auf dem Nordfriedhof in Kiel bestattet 5 Lager fur polnische Displaced Persons 1945 1949 Bearbeiten Nach Kriegsende war das Doppellager bereits Ende Mai 1945 geraumt die sowjetischen Kriegsgefangenen z T gegen ihren Willen repatriiert worden Anfang Juni 1945 trafen einige Transporte aus dem westlichen Mecklenburg ein Die Briten hatten dort vor der Ubergabe des Gebietes an die Sowjetische Militaradministration befreiten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern aber auch vielen ehemaligen Haftlingen aus dem KZ Sachsenhausen und dem KZ Ravensbruck freigestellt sich unter sowjetische Verwaltung zu begeben oder aber unter britischer Verwaltung zu verbleiben und in Lager in der Britischen Zone umzusiedeln 6 Von den Westalliierten wurden diese Opfer nationalsozialistischer Herrschaft als Displaced Persons bezeichnet Um Konflikten vorzubeugen wurden die Lager einzelnen Nationalitaten zugeordnet In Jagerslust entstand so ein Lager fur polnische Displaced Persons Bereits im Juni 1945 wurde in der ehemaligen Verwaltungsbaracke des Kriegsgefangenenlagers ein Schulzentrum eingerichtet Das breite Angebot reichte vom Kindergarten bis zu Abiturkursen 7 Der polnische Lagerpfarrer Mieczyslaw Filipowicz der funf Jahre Haftling im KZ Dachau gewesen war nahm sich besonders der traumatisierten Jugend an 8 Die anfanglichen Versuche die Ruckkehr nach Polen zu fordern hatten wegen der Einbeziehung Polens in den Machtbereich der Sowjetunion nur geringen Erfolg So nahmen ab 1947 die Anstrengungen zu in Ubersee fur die Lagerbewohner eine Zukunft zu entwickeln Im Oktober 1949 konnten die letzten polnischen Bewohner in weiter bestehende DP Lager nach Lubeck Rendsburg und Pinneberg umziehen 9 nbsp Hinweisschild auf die Unterkunft fur Aus und UbersiedlerLager fur deutsche Fluchtlinge und Vertriebene 1950 1969 Bearbeiten Im Januar 1950 wurde auf dem Gelande das Kreisfluchtlingslager Wohnkolonie Jagerslust eroffnet Nachdem ein Teil der baufalligen Baracken abgerissen worden war fanden dort etwa 100 Fluchtlingsfamilien Wohnraum In dem Schulgebaude des polnischen Lagers fur Displaced Persons wurde die Volksschule 10 Jagerslust mit zeitweilig mehr als 200 Schulerinnen und Schulern eingerichtet Es gab eine Gastwirtschaft mit Tanzsaal und ein Lebensmittelgeschaft Die sinkende Zahl der Bewohner fuhrte 1964 zur Schliessung der Gastwirtschaft und 1965 auch zur Schliessung der Schule Als eines der letzten in Schleswig Holstein wurde das Kreisfluchtlingslager Jagerslust 1969 fast 25 Jahre nach Kriegsende geschlossen Nach dem Abriss der Holzbaracken wurde in den verbliebenen Steinbaracken im selben Jahr die Durchgangsunterkunft fur Aussiedler und Fluchtlinge eroffnet Die Aussiedler die aus Polen der Sowjetunion und Rumanien stammten lebten meist drei bis vier Monate in den Baracken bis ihnen eine Wohnung an den gewunschten Wohnorten zur Verfugung gestellt werden konnte 1992 wurde die Einrichtung ausserdem zu einem Ubergangsquartier fur Asylbewerber Als Aufnahmestelle fur Spataussiedler wurden die Baracken 1997 aufgegeben 11 nbsp Grabinschrift der Krzystina Niedzwiedzinska auf der Kriegsgraberstatte Schleswig KarbergBegrabnisstatte Jagerslust BearbeitenEtwa funfzig Meter nordostlich des Larchenweges hat zwischen 1945 und 1961 eine kleine Begrabnisstatte mit sieben Grabern bestanden Es handelte sich um die Graber zweier sowjetischer Kriegsgefangener oder Zwangsarbeiter die beide am 20 April 1945 in Klein Nordsee ums Leben gekommen waren Beide Grabkreuze trugen kyrillische Aufschriften waren also von Kameraden errichtet worden Bei den funf ubrigen Grabern handelte es sich um Kinderbestattungen vier Graber waren nicht mit einem Namen versehen Bei dem funften handelte es sich um das Grab der kleinen Krzystina Niedzwiedzinska Sie starb im Juni 1945 wahrend des Transportes einer Gruppe polnischer Displaced Persons von Schwerin nach Jagerslust dem auch ihre Mutter angehorte Ihre Mutter J Niedzwiedzinska war Haftling im Frauen KZ Ravensbruck gewesen Am 3 Mai 1961 wurden die Toten exhumiert und auf die Kriegsgraberstatte Schleswig Karberg umgebettet Der Begrabnisplatz wurde aufgehoben 12 nbsp Innenansicht eines LuftschutzbunkersHeutige Nutzung Bearbeiten Seit 2014 dienen die ubriggebliebenen Baracken als Unterkunfte fur Fluchtlinge die von einem Freundeskreis betreut werden 13 Aktuell plant das Amt Achterwehr einen Neubau der Unterkunft 14 Relikte der Lagergeschichte Bearbeiten nbsp Steinbaracken im Lager JagerslustAn die Lagergeschichte erinnern die vier Steinbaracken an den Eingangen zum Lager Dazwischen befinden sich entfestigte Luftschutzbunker Eine Birkenreihe ganz im Westen des Lagerbereiches wurde um 1950 in der Zeit des Kreisfluchtlingslagers zwischen den beiden Barackenreihen des ehemaligen Lagers fur sowjetische Kriegsgefangene gepflanzt An dem Begrenzungsweg dem Larchenweg der das ehemalige Lagergelande im Osten und Norden einfasst ist ein Wachbunker zu erkennen Auch ein Teil der ehemaligen Wirtschaftsbaracke in dem sich der Kirchenbereich des polnischen DP Lagers befand ist erhalten Weiter nach Norden hin in dem Teil der Ortschaft Jagerslust der zur Gemeinde Krummwisch gehort befindet sich auf der westlichen Seite der inzwischen mehrfach umgebaute Jagdpavillon aus dem fruhen 19 Jahrhundert Auf der ostlichen Seite ist das Wohnhaus des Kommandanten des Kriegsgefangenenlagers erhalten Literatur BearbeitenKarsten Dolger Jagerslust Geschichte eines Lagers In Dorfchronik der Gemeinde Felde Felde 1988 S 154 207 Karsten Dolger Polenlager Jagerslust Polnische Displaced Persons in Schleswig Holstein 1945 1949 Gesellschaft fur Schleswig Holsteinische Geschichte Hrsg Quellen und Forschungen zur Geschichte Schleswig Holsteins QuFGSH Bd 110 Neumunster 2000 ISBN 978 3 529 02210 4 Karsten Dolger Kurenwimpel und Schulbaracke Der memellandische Fluchtlingslehrer Hans Seigies an den holsteinischen Lagerschulen Gross Nordsee und Jagerslust Plon 2022 ISBN 978 3 00 072664 4 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Jagerslust Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienEinzelnachweise Bearbeiten Karsten Dolger Jagerslust Geschichte eines Lagers In Gemeinde Felde Hrsg Dorfchronik der Gemeinde Felde Band 2 Felde 1988 S 156 158 Hinrich Durkop Die ehemaligen Marine Olanlagen in Schafstedt 1939 1949 In Dithmarschen 2 u 4 1993 S 37 42 u 90 96 Karsten Dolger Polenlager Jagerslust Polnische Displaced Persons in Schleswig Holstein 1945 1949 In Gesellschaft fur Schleswig Holsteinische Geschichte Hrsg QuFGSH Band 110 Wachholtz Neumunster 2000 S 30 38 Karsten Dolger Polenlager Jagerslust Polnische Displaced Persons in Schleswig Holstein 1945 1949 In Gesellschaft fur Schleswig Holsteinische Geschichte Hrsg QuFGSH Band 110 Wachholtz Neumunster 2000 S 39 48 Udo Carstens Nordfriedhof Die Toten im Gemeinschaftsgrab erhalten jetzt Namen und Gesicht Shz Verlag 25 Januar 2019 abgerufen am 21 September 2020 Karsten Dolger Polenlager Jagerslust Polnische Displaced Persons in Schleswig Holstein 1945 1949 In Gesellschaft fur Schleswig Holsteinische Geschichte Hrsg QuFGSH Band 110 Wachholtz Neumunster 2000 S 71 74 Karsten Dolger Polenlager Jagerslust In Gesellschaft fur Schleswig Holsteinische Geschichte Hrsg QuFGSH Band 110 Neumunster 2000 S 196 219 Karsten Dolger Polenlager Jagerslust Polnische Displaced Persons in Schleswig Holstein 1945 1949 In GSHG Hrsg QuFGSH Band 110 Wachholtz Neumunster 2000 S 102 114 u 219 223 Karsten Dolger Polenlager Jagerslust Polnische Displaced Persons in Schleswig Holstein 1945 1949 In GSHG Hrsg QuFGSH Band 110 Wachholtz Neumunster 2000 S 331 336 Karsten Dolger Kurenwimpel und Schulbaracke Der memellandische Fluchtlingslehrer Hans Seigies an den holsteinischen Lagerschulen Gross Nordsee und Jagerslust Plon 2022 ISBN 978 3 00 072664 4 S 101 126 Karsten Dolger Polenlager Jagerslust Polnische Displaced Persons in Schleswig Holstein 1945 1949 In GSHG Hrsg QUFGSH Band 110 Wachholtz Neumunster 2000 S 347 349 Karsten Dolger Polenlager Jagerslust Polnische Displaced Persons in Schleswig Holstein 1945 1949 In GSHG Hrsg QuFGSH Band 110 Wachholtz Neumunster 2000 S 46 f Lernraum und Werkstatt fur Fluchtlinge in Achterwehr Freundeskreis Fluchtlingshilfe Jagerslust e V Abgerufen am 19 Januar 2021 Florian Sotje Fluchtlingsunterkunft Plane angepasst In KN online de 14 Oktober 2020 abgerufen am 19 Januar 2021 54 32211 9 9261 Koordinaten 54 19 N 9 56 O Normdaten Geografikum GND 4621425 2 lobid OGND AKS VIAF 246289312 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Jagerslust Felde amp oldid 226888761