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Ingerenz lateinisch ingerere sich einmischen ist ein terminus technicus des Strafrechts und bezeichnet gefahrdendes Vorverhalten im Kontext des rechtlichen Instituts der Garantenstellung 1 Ist dieses Vorverhalten objektiv pflichtwidrig so wird der Gefahrder nach herrschender Meinung Garant des Gefahrdeten 2 Diese Stellung begrundet eine besondere Rechtspflicht sog Garantenpflicht gegenuber dem Gefahrdeten Der Gefahrder muss dafur einstehen dass sich das geschaffene Risiko der Rechtsgutsverletzung nicht realisiert 3 4 Kommt er dieser Pflicht nicht nach kann dies gem 13 StGB zur Strafbarkeit wegen eines unechten Unterlassungsdelikts fuhren 5 6 Inhaltsverzeichnis 1 Anforderungen an die Garantenstellung aus Ingerenz 1 1 Qualitat des vorausgegangenen Verhaltens 1 2 Kausalzusammenhang 2 Beispiel 3 EinzelnachweiseAnforderungen an die Garantenstellung aus Ingerenz BearbeitenQualitat des vorausgegangenen Verhaltens Bearbeiten Eine Mindermeinung in der Literatur geht davon aus dass das Vorverhalten nur riskant sein muss und zur Strafbarkeit fuhrt auch wenn es erlaubt ist 7 Weil diese Ansicht jedoch schon die blosse Risikosetzung unter Strafe stellt wird sie grosstenteils abgelehnt Nach herrschender Meinung muss das vorausgegangene gefahrliche Tun ein unerlaubtes Risiko schaffen bzw rechtswidrig sein um eine Garantenstellung aus Ingerenz zu begrunden So macht sich ein Gastwirt fur die Folgen des Alkoholausschanks an erkennbar Betrunkene strafbar 20 Gaststattengesetz GastG 8 Wer sich hingegen zulassig in Notwehr eines Angriffs erwehrt wird nicht zum Garanten des Angreifers 9 10 11 Kausalzusammenhang Bearbeiten Zur Strafbarkeit fuhrt die Ingerenz jedoch nur wenn sich die rechtswidrig gesetzte Gefahr auch tatsachlich verwirklicht und der Tater dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hatte verhindern konnen wenn er gehandelt hatte 12 Eine Mindermeinung lasst in entsprechender Anwendung der Risikoerhohungslehre bereits die Moglichkeit die Gefahr abzuwenden oder zu vermindern ausreichen Weil damit die Erfolgsdelikte in reine Gefahrdungsdelikte umgedeutet wurden lehnt die h M diese Ansicht ab Beispiel BearbeitenAuf dem Heimweg nachts um 3 Uhr wird A von B der mit einem Messer bewaffnet ist und ihm seine Wertgegenstande wegnehmen will uberfallen A gelingt es den B mit einem herumliegenden Stein niederzuschlagen Anschliessend lasst er den am Kopf schwer verletzten B liegen ohne sich um medizinische Hilfe zu kummern Wenig spater kommt C vorbei der die Schwere der Verletzung erkennt er bemuht sich jedoch ebenfalls nicht um Hilfe B stirbt hatte aber bei sofortiger Hilfe durch A oder C gerettet werden konnen A hat mit seiner Notwehrhandlung den B zwar verletzt was jedoch durch den rechtswidrigen Angriff des B herausgefordert und ausgelost worden war Den A mit der Garantenstellung fur den B zu belasten widersprache dem Sinn des Notwehrrechts Ein durch Unterlassen begangenes Totungsdelikt gem 212 StGB in Verbindung mit 13 StGB scheidet somit aus C hat fur den B schon keine Gefahr gesetzt die sich im Tod des B hatte realisieren konnen Ein durch Unterlassen begangenes Totungsdelikt scheidet somit auch hier aus Der durch 323c Abs 1 StGB strafbewehrte allgemeine Anspruch auf Hilfeleistung des B greift jedoch auch dann wenn der Betroffene die Notlage selbst hervorgerufen hat 13 Sowohl A als auch C konnten sich daher wegen unterlassener Hilfeleistung zum Nachteil des B strafbar gemacht haben 14 Einzelnachweise Bearbeiten BGH NJW 2017 S 2052 ff 2054 Ulrich Sieber in Sieber Handbuch Multimedia Recht Teil 19 1 Rn 37 Nikolaus Bosch in Schonke Schroder Strafgesetzbuch Kommentar 13 Rn 35 Georg Freund in Munchener Kommentar zum Strafgesetzbuch 13 Rn 118 Grundlegend RG Urteil vom 20 Oktober 1893 Rep 2727 93 RGSt 24 339 340 BGH Urteil vom 22 Januar 1953 4 StR 417 52 BGHSt 4 20 22 Fischer StGB 64 Aufl 13 Rn 47 ff sowie Andreas Ransiek Handbuch Wirtschaftsstrafrecht 5 neu bearbeitete Auflage 2019 BGH Beschluss vom 13 November 1963 4 StR 267 63 BGHSt 19 152 154 und Urteile vom 26 Juni 1990 2 StR 549 89 BGHSt 37 106 115 sowie vom 19 Dezember 1997 5 StR 569 96 BGHSt 43 381 397 BGH Urteil vom 6 Juli 1990 2 StR 549 89 BGH Urteil vom 9 Mai 2017 1 StR 265 16 Rdnr 81 ff Arzt JA 1980 712 ff Freund JuS 1990 213 216 Herzberg JZ 1986 986 ff Seelmann GA 1989 241 255 BGH Urteil vom 5 Dezember 1974 G S 4 StR 529 74 BGHSt 26 35 BGH Urteil vom 29 Juli 1970 g E 2 StR 221 70 Welzel Deutsches Strafrecht 28 A I 4 Dreher StGB 31 Aufl vor 1 Anm D I 4 Schonke Schroder StGB 15 Aufl Vorbem Rdn 120 d Mezger Strafrecht 13 Aufl 29 III 2 c Eb Schmidt Niederschriften Gr Str Komm Bd 2 S 269 Henkel MSchrKrim 1961 S 183 Rudolphi Die Gleichstellungsproblematik der unechten Unterlassungsdelikte S 180 ff Jakobs 29 39 ff Maiwald JuS 1981 473 482 f Otto NJW 1974 528 ff BGHSt 7 211 214 37 106 126 BGH NStZ 1987 505 Christian Kuhl Strafrecht Allgemeiner Teil 18 Rdnr 36 BGHSt 6 147 152 Vgl Urs Kindhauser Unechte Unterlassungsdelikte Universitat Bonn ohne Jahr S 3 f Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ingerenz amp oldid 230451639