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Homo sovieticus 1 ist eine Wortschopfung aus den 1960er Jahren deren genauer Ursprung unbekannt ist Die altesten Belege stammen von Max Mohl 1968 2 Fernando de Cambra 1975 3 und vom Jesuiten und Sowjetologen Alexis Ulysses Floridi 1977 4 Popular gemacht wurde der Begriff durch den russischen Dissidenten Alexander Sinowjew in seinem gleichnamigen Roman 1982 dt Erstausgabe 1984 Es beschreibt auf sarkastische Weise wie sich Menschen in der Sowjetunion unter dem herrschenden System zum Negativen veranderten Ein ahnlicher Begriff in der russischen Alltagssprache ist das vom Wort Sowjet abgeleitete Sowok sovok das auch gleichbedeutend mit Kehrschaufel ist Inhaltsverzeichnis 1 Eigenschaften des Homo sovieticus 2 Anlehnung an die kommunistische Propaganda der fruhen Sowjetunion 3 Einzelnachweise 4 LiteraturEigenschaften des Homo sovieticus BearbeitenNach Sinowjew ist der Homo Sovieticus im Kern ein Opportunist der sich von seiner Fuhrung alles gefallen lasst und so wenig individuelle Verantwortung wie moglich ubernehmen will Er verrichtet Dienst nach Vorschrift ohne Eigeninitiative Fur den Homo Sovieticus ist das Stehlen von Volkseigentum lediglich ein Kavaliersdelikt Der Begriff Volkseigentum ist fur ihn in etwa gleichbedeutend mit gehort niemandem Vor diesem Hintergrund entwendet der Homo Sovieticus z B regelmassig Dinge von seinem Arbeitsplatz sei es fur den eigenen Gebrauch sei es zum Weiterverkauf Durch Zensur und Reisebeschrankungen hat der Homo Sovieticus ein idealisiertes Bild der westlichen Kultur Das Verbotene und Exotische dieser Kultur ubt auf ihn einen noch grosseren Reiz aus weil es von offizieller Seite verteufelt wird Wahrend und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden viele auftretende Probleme in Wirtschaft und Sozialleben mit genau diesen Eigenschaften des Homo Sovieticus in Verbindung gebracht Wie alle Streitbegriffe ist der Homo Sovieticus jedoch zugespitzt und wenig geeignet eine ganze Gesellschaft zu beschreiben 5 Der estnisch kanadische Historiker Andres Kasekamp stellt den Homo Sovieticus auch als einen Menschen dar der nach dem Willen der Staatsfuhrung Kasekamp nennt exemplarisch Andropow keinerlei nationale Wurzeln oder Identitat der einzelnen Sowjetrepubliken mehr aufweisen soll und die ganze UdSSR als seine Heimat sieht 6 Kasekamp verweist hier auf das Lied Moj adres Sovetskij Soyuz dt Meine Adresse Sowjetunion von 1978 mit den Zeilen Moj adres ne dom i ne ulica Moj adres Sovetskij Soyuz dt Meine Adresse ist kein Haus und keine Strasse meine Adresse ist Sowjetunion 7 Die Nobelpreistragerin Swetlana Alexejewitsch widmete dem Homo sovieticus ihr Buch Secondhand Zeit 8 Anlehnung an die kommunistische Propaganda der fruhen Sowjetunion BearbeitenReibungspunkt fur Sinowjew durfte die kommunistische Propaganda der fruhen Sowjetunion gewesen sein zu der sein Homo Sovieticus im starken Gegensatz steht Deren neuer Mensch oder Sowjetmensch sollte eine Art Ubermensch werden Wenn die Ausbeuterordnung abgeschafft ist wird in einer sozialistischen Gesellschaft ein neuer Mensch aufwachsen frei von Luge Betrug Grausamkeit Diebstahl Faulheit Trunksucht 1916 prophezeite der revolutionare Dichter Majakowski Und er der Freie nach dem ich schreie der Mensch er kommt ich burge dafur Leo Trotzki schrieb 1923 Der Mensch wird unvergleichlich starker kluger feiner werden der menschliche Durchschnitt wird sich bis zum Niveau eines Aristoteles Goethe Marx erheben 9 Bekannt fur die Darstellung des Neuen Menschen ist auch die sowjetische Plakatkunst Einzelnachweise Bearbeiten lateinisch fur Sowjet Mensch Bildung analog zu anthropologischen Bezeichnungen nach der charakteristischsten Eigenschaft Vgl Homo ludens Homo oeconomicus etc Max Mohl Toi toi toi Towarischtsch Reisen und Reflexionen in der Sowjetunion Bertelsmann Gutersloh 1968 abgerufen am 28 Februar 2018 Fernando P de Cambra Homo Sovieticus La vida actual en Rusia Petronio Barcelona 1975 abgerufen am 28 Februar 2018 spanisch Alessio Ulisse Floridi SJ In tema di dissenso e di Ostpolitik Interview von Roberto de Mattei Nr 32 Roma 1977 S 3 4 italienisch Uberleben auf Umwegen In nzz ch Archiviert vom Original am 6 September 2012 abgerufen am 14 Oktober 2018 Andres Kasekamp History of the Baltic States London 2010 S 158 1 Text auf SovMusic ru abgerufen am 13 Juli 2011 Tim Neshitov Homo sovieticus sueddeutsche de 2 November 2016 Leo Trotzki Literatur und Revolution Arbeiterpresseverlag Essen 1994 S 252 Zitiert nach Klaus Georg Riegel Der Marxismus als politische Religion In Gerhard Besier Hermann Lubbe Hrsg Politische Religion und Religionspolitik Zwischen Totalitarismus und Burgerfreiheit Vandenhoeck und Ruprecht Gottingen 2005 S 33 Literatur BearbeitenFernando P de Cambra Homo sovieticus La vida actual en Rusia Ediciones Petronio Barcelona 1975 Alexander Alexandrowitsch Sinowjew Homo sovieticus aus dem Russischen von G von Halle 1984 ISBN 3 257 21458 8 Susanne Bauer Lenin spannt aus Alexander Sinowjews Homo sovieticus eine mehrfache Provokation in Zeithistorische Forschungen Studies in Contemporary History 11 2014 S 485 492 Klaus Gestwa Der Homo Sovieticus und der Zerfall des Sowjetimperiums Jurij Levadas unliebsame Sozialdiagnosen In Zeithistorische Forschungen Studies in Contemporary History 10 2013 S 331 341 Thomas Neumann homo sovieticus Kunstlerbuch homo sovieticus Dusseldorf 2002 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Homo sovieticus amp oldid 237966379