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Hermann Heinrich Grafe 3 Februar 1818 in Palsterkamp heute Bad Rothenfelde 25 Dezember 1869 in Elberfeld war der Grunder der ersten Freien evangelischen Gemeinde in Deutschland Laientheologe und Kirchenliederdichter Hermann Heinrich Grafe in jungen Jahren Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Jugendjahre 1 2 Weitere Entwicklungen 1 3 Auf der Suche nach der neutestamentlichen Gemeinde 1 4 Grundung der Freien evangelischen Gemeinde 2 Spiritualitat 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenJugendjahre Bearbeiten Grafe wurde in der alten Muhle am Palsterkamp am Teutoburger Wald geboren Sein Geburtsort gehorte damals zum Gebiet der Stadt Dissen heute zur Gemeinde Bad Rothenfelde Er absolvierte eine kaufmannische Lehre in Duisburg und erlebte 1834 eine innere Bekehrung zum christlichen Glauben Ursache dafur war nach seiner eigenen Aussage ein intensives Bibelstudium Spater schrieb er in sein Tagebuch Ich habe den Schlussel zu meinem ganzen Leben gefunden weil ich Christus gefunden habe Personliche Bekehrung und Wiedergeburt waren fortan Themen die fur Grafe zur Substanz des Evangeliums gehorten Durch seinen Freund Eduard Neviandt lernte er 1838 dessen Familie in Mettmann kennen wo er seine zukunftige Ehefrau Maria Theresia Neviandt traf und die dortige pietistische Gemeinschaft besuchte Weitere Entwicklungen Bearbeiten 1841 fuhrte ihn seine berufliche Weiterbildung nach Lyon in Frankreich Hier lernte er die von Adolphe Monod 1832 gegrundete Eglise evangelique de Lyon Evangelische Gemeinde kennen Sie hatte sich wegen der Frage wer am Abendmahl teilnehmen durfe als eine von der Reformierten Kirche unabhangige Freikirche konstituiert Mitglied dieser Gemeinde konnten nur solche werden die sich personlich fur die Nachfolge Jesu Christi entschieden hatten In der Nachfolge Monods der 1836 einen Lehrstuhl in Montauban ubernommen hatte fand die Gemeinde zu einer verstarkten ekklesiologischen Ausrichtung entwickelte eine beachtliche missionarische und soziale Aktivitat und betonte die Einheit der Christen im Sinne der wenig spater entstehenden Evangelischen Allianz Im Wesentlichen Einheit im Unwesentlichen Freiheit in allem Liebe In der Begegnung mit der Lehre und dem Leben dieser Gemeinde besonders mit dem Bewusstwerden der freien und befreienden Gnade Gottes wurde bei Grafe der Grundstein seiner Ekklesiologie gelegt Auf der Suche nach der neutestamentlichen Gemeinde Bearbeiten 1842 kehrte Grafe nach Deutschland zuruck und nahm in Elberfeld seinen Wohnsitz wo er mit seinem Schwager Eduard Neviandt ein seidenindustrielles Unternehmen aufbaute Er hielt sich zunachst weiter zur ortlichen reformierten Kirchengemeinde nahm aber gewissenshalber nicht mehr am Abendmahl teil weil er dort jene Gemeinschaft von Glaubigen vermisste denen allein das Abendmahl ihres Herrn gebuhrt Grafe konnte sich in der Abendmahlsfrage durchaus mit den reformierten Bekenntnissen im Einklang sehen die wie etwa der Heidelberger Katechismus 1563 erklaren dass solche die sich in ihrem Bekenntnis und Leben als Unglaubige und Gottlose erweisen nicht zum Abendmahl zugelassen werden durfen weil sonst der Bund Gottes geschmaht und sein Zorn uber die ganze Gemeinde erregt wird 82 Frage Vorubergehend ubernahm Grafe dennoch eine ehrenamtliche Aufgabe als Reprasentant bzw Diakon kundigte aber 1846 enttauscht seine Mitarbeit wegen einer zwangsweisen Erhebung der Kirchensteuer die er als unevangelisch bezeichnete dem Presbyterium schrieb er dass er unter einer apostolisch evangelischen Kirche etwas anderes verstehe namlich eine Gemeinschaft von Glaubigen Schon 1842 hatte er aus Lyon geschrieben dass er die Einsicht gewonnen habe dass es sehr verkehrt sei dass Glaubige mit Unglaubigen zum Tisch des Herrn gehen Er wunsche sich eine Kirche in der nur Glaubige Mitglied seien wie es in Lyon Genf Lausanne und namentlich in England der Fall sei 1 Grafe bezog sich damit neben dem pragenden Vorbild der angelsachsischen Freikirchen auf die im Zuge der westschweizerischen Erweckungsbewegung Reveil seit 1817 entstandenen freikirchlichen Gemeinden Eglises evangeliques libres zu deren Protagonisten Auguste Rochat und Carl von Rodt er intensive Beziehungen pflegte Bevor es zur Grundung einer independenten Freikirche mit einem alternativen Konzept gegenuber den Landeskirchen kam grundete Grafe 1850 gemeinsam mit anderen Erweckten eine geistliche Laienbewegung den sogenannten Evangelischen Bruderverein nicht zu verwechseln mit der Schweizer Bewegung die bis 2009 den gleichen Namen trug der angesichts der Entkirchlichung zur Zeit der Fruhindustrialisierung eine starke evangelistisch missionarische Aktivitat entfaltete die sich weit uber das Wuppertal bis ins Bergische Land in den Hunsruck ins Siegerland und nach Hessen erstreckte und neben Erweckungen auch zu christlichen Gemeinschaftsbildungen fuhrte Da innerhalb des Brudervereins zunachst keine Taufen und Abendmahlsfeiern durchgefuhrt wurden kam es zum Bruch mit Carl Brockhaus der unter dem Einfluss von John Nelson Darby mit dem Aufbau von unabhangigen christlichen Versammlungen begann und zu sonntaglichen Mahlfeiern einlud Bevor Grafe eine separate Gemeindegrundung anging unternahm er den Versuch mit der seit 1850 bestehenden Barmer Baptistengemeinde auszuloten ob eine gemeinsame Gemeinde zustande kommen konnte Ihn leitete der Wunsch dass die Glaubigen die zu dem einen Leib Christi gehorten auch zu einer ausseren sichtbaren Gemeinde gehoren sollten Er sei mit Julius Kobner dem damaligen Pastor der Baptisten ganz und gar einig in der Lehre uber die Taufe in der Anerkennung der Taufe nach oder mit dem Glauben und in der Verwerfung der Kindertaufe aber er wunsche fur jeden Christen die individuelle und freie Entscheidung in der Tauffrage weil Glaubige nicht durch die Taufe getrennt werden durften Kobner ging nicht auf den Wunsch Grafes ein wodurch es bis heute zu einer parallelen Entwicklung zweier Freikirchen kam die in Lehre und Leben sehr nah beieinander sind Grundung der Freien evangelischen Gemeinde Bearbeiten Am 22 November 1854 grundete Grafe zusammen mit funf weiteren Mannern die Freie evangelische Gemeinde Elberfeld Barmen die sich mit ihrem Glaubensbekenntnis und ihrer Verfassung an das Genfer Vorbild der Eglise evangelique libre 1848 anlehnte und zur Keimzelle des heutigen Bundes Freier evangelischer Gemeinden KdoR wurde Grafe trat mit weiteren Personen am 30 November 1854 aus der reformierten Gemeinde Elberfeld aus In ihrem Austrittsschreiben begrundeten sie ihren Schritt damit dass es nicht um zeitweilige Ubelstande oder mangelhafte Praxis in der Kirche gehe sondern um die Grundlage der bestehenden Volkskirche Da sie von der Notwendigkeit des personlichen Glaubens uberzeugt seien um Jesus Christus anzugehoren fuhlten sie sich in ihrem Gewissen gebunden diesen grossen evangelischen Grundsatz nicht nur mit dem Munde zu bekennen sondern auch mit der Tat zu bewahrheiten dass der personliche Glaube an Christus auch Grundlage fur die Zugehorigkeit zur Gemeinde sei Es ging ihnen um die Darstellung der sichtbaren Kirche die mit der unsichtbaren moglichst deckungsgleich sein solle denn wenn die unsichtbare Kirche aus allen denjenigen bestehe die von Herzen glauben dann solle auch die sichtbare Kirche also die Gemeinden am Ort nur aus solchen bestehen die ihren Glauben mit ihrem Mund und ihrem Leben wirklich bekennen Die Gemeindegrunder verstanden ihre Separation und die Bildung einer dissidenten Gemeinde als einen Act des Gewissens und keineswegs als Sektiererei Sie versicherten dass sie sich bei aller Kritik an der verfallenen Landes oder Staatskirche bei der durch die Signatur des Jahres 1848 erhebliche Schaden offenbar geworden waren mit allen Gliedern des Leibes Christi in allen Kirchen aufs innigste verbunden fuhlten Bis zu seinem Tod 1869 ubte Grafe entscheidenden Einfluss in der Gemeinde aus in der er einige Jahre auch als leitender Altester fungierte Leitendes Motiv des Denkens und Handelns Grafes war die alle Kirchengrenzen uberspringende Einheit der Kinder Gottes die auch durch die eigene Gemeindegrundung nicht in Frage gestellt war Er strebte eine allseitig offene Allianzgemeinde an zu deren Abendmahl jedes Glied des Leibes Christi Zutritt hatte 2 Nachdem an weiteren Orten freie Abendmahlsgemeinschaften und unabhangige Gemeinden entstanden waren kam es 1874 mit 22 bekenntnisverwandten Gemeinden unter Beibehaltung ihrer Autonomie zur Bildung des spater so benannten Bundes Freier evangelischer Gemeinden 1855 hatte Grafe den Theologen Heinrich Neviandt einen Bruder seiner Frau gewinnen konnen sein Vikariat in der Landeskirche aufzugeben und Prediger der Freien evangelischen Gemeinde zu werden Ein Sohn Grafes mit Namen Eduard studierte Theologie wurde Professor an der Bonner Theologischen Fakultat und ging als liberaler Theologe in die Geschichte ein Neben Beruf und Gemeindearbeit engagierte sich Grafe auf der Ebene der gesellschaftlichen Mitverantwortung in der Elberfelder Armenpflege im Vorsitz des Direktoriums des Stadtischen Waisenhauses in Elberfeld und mit der Grundung einer Stadtmission im Wuppertal die sich Arbeitern Alleinstehenden Armen Kindern und Familien widmete Die letzten Lebensjahre Grafes waren durch haufige Krankheiten uberschattet die zu seinem fruhen Tod fuhrten Sein Grab befindet sich auf dem Freikirchlichen Friedhof Wuppertal Spiritualitat BearbeitenGrafe hatte sich intensiv autodidaktisch mit klassischer geschichtlicher theologischer und erbaulicher Literatur gebildet Neben den biblischen Sprachen Griechisch und Hebraisch hatte er Latein Englisch und vor allem Franzosisch gelernt was seinen mehrmaligen Reisen in die Schweiz und Frankreich zugutekam Zwischen 1851 und 1865 schrieb er acht Tagebucher die er programmatisch mit Lebenszeichen oder Selbststudien uberschrieb und deren Zweck er als Selbstubung meines Geistes zur Selbsterkenntnis und Selbstentwicklung bezeichnete Sie vermitteln Einblicke in sein inneres Leben seine theologischen philosophischen und psychologischen Gedanken seine Glaubenskampfe und seine dichterischen und lyrischen Begabungen Letztere zeigten sich in Dichtungen die als Gemeindelieder bekannt wurden Grafes Glaubensuberzeugungen waren durch verschiedene Einflusse gepragt Er sagte uber sich selbst In der Heilslehre bin ich reformiert in der Gemeindeverfassung independent und im Leben ein Pietist 3 Ebenfalls nicht unerheblich durfte der Einfluss der Mystik Gerhard Tersteegens gewesen sein Zwar hatte Grafe theologische Bedenken gegen die Mystik angemeldet doch finden sich in seinen Tagebuchern Ausfuhrungen mit deutlicher Nahe zur Christusmystik Tersteegens Diese Nahe Grafes und der von ihm initiierten Organisationen und Gemeinden zu Teerstegens Spiritualitat wird auch darin erkennbar dass die von Tersteegen als Sammelpunkt der Stillen im Lande eingerichtete Pilgerhutte in Heiligenhaus bei Velbert etwa hundert Jahre nach ihrem Beginn an Grafe und den Evangelischen Bruderverein ubertragen wurde Die Verantwortlichen hatten offensichtlich den Eindruck dass der Bruderverein die Einrichtung im Sinne ihres Stifters fortfuhren wurde 4 Literatur BearbeitenWalther Hermes Hermann Heinrich Grafe und seine Zeit Bundes Verlag Witten 1933 Hartmut Lenhard Die Einheit der Kinder Gottes Der Weg H H Grafes 1818 1869 zwischen Bruderbewegung und Baptisten R Brockhaus Wuppertal 1977 Hartmut Lenhard Hermann Heinrich Grafe In Evangelisches Gemeindelexikon R Brockhaus Wuppertal 1986 ISBN 3 417 24082 4 S 235 Wolfgang Dietrich Hrsg Ein Act des Gewissens Erinnerungen an Hermann Heinrich Grafe Geschichte und Theologie der Freien evangelischen Gemeinden Band 1 Bundes Verlag Witten 1988 Wilfrid Haubeck Wolfgang Heinrichs Michael Schroder Hrsg Lebenszeichen Die Tagebucher Hermann Heinrich Grafes in Auszugen SCM R Brockhaus Witten 2004 ISBN 3 417 29606 4 Hartmut Weyel Auf dem Terrain der freien Gnade Hermann Heinrich Grafe 1818 1869 Lebensweg und Lebenszeichen eines evangelischen Gemeindegrunders in H Weyel Zukunft braucht Herkunft Lebendige Portrats aus der Geschichte und Vorgeschichte der Freien evangelischen Gemeinden Bd I Geschichte und Theologie der Freien evangelischen Gemeinden Band 5 5 1 SCM Bundes Verlag Witten 2009 S 145 181 Friedrich Wilhelm Bautz Grafe Hermann Heinrich In Biographisch Bibliographisches Kirchenlexikon BBKL Band 2 Bautz Hamm 1990 ISBN 3 88309 032 8 Sp 283 285 Artikel Artikelanfang im Internet Archive Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Hermann Heinrich Grafe im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Texte von Hermann Heinrich Grafe in der GlaubensstimmeEinzelnachweise Bearbeiten Hartmut Weyel Evangelisch und frei Geschichte des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland Geschichte und Theologie der Freien evangelischen Gemeinden Band 5 6 SCM Bundes Verlag Witten 2013 S 19 23 Hartmut Lenhard Hermann Heinrich Grafe in Evangelisches Gemeindelexikon R Brockhaus Wuppertal 1986 S 235 Hermann Heinrich Grafe Tagebuch IV 6 November 1855 zitiert nach Hartmut Weyel Zukunft braucht Herkunft Lebendige Portrats aus der Geschichte und Vorgeschchte der Freien evangelischen Gemeinden SCM Bundes Verlag Witten 2009 S 31 Hartmut Weyel Zukunft braucht Herkunft Lebendige Portrats aus der Geschichte und Vorgeschchte der Freien evangelischen Gemeinden SCM Bundes Verlag Witten 2009 S 43 der sich wiederum beruft auf Heinrich Neviandt Erinnerungen aus dem Leben des Kaufmanns Hermann Heinrich Grafe In W Dietrich Hrsg Ein Act des Gewissens Erinnerungen an Hermann Heinrich Grafe Bundes Verlag Witten 1988 S 186 Normdaten Person GND 118541366 lobid OGND AKS LCCN nb2005013224 VIAF 27863012 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Grafe Hermann HeinrichKURZBESCHREIBUNG Grunder der Freien evangelischen Gemeinden und KirchenliederdichterGEBURTSDATUM 3 Februar 1818GEBURTSORT PalsterkampSTERBEDATUM 25 Dezember 1869STERBEORT Elberfeld Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hermann Heinrich Grafe amp oldid 204119860