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Das Heidenloch ist ein 55 Meter tiefer historischer Schacht mit einem Durchmesser zwischen drei und vier Metern auf dem Heidelberger Heiligenberg Er befindet sich wenige Meter westlich des Aussichtsturms an der Strasse zum Heiligenberg Der Schacht ist bereits seit der fruhen Neuzeit eine haufig beschriebene Attraktion Er war lange Zeit von einem Gewolbe ubermauert und vergittert 1936 wurde der Schacht geoffnet und von Mitarbeitern des Kurpfalzischen Museums erstmals eingehend erforscht 1987 wurde eine Schutzhutte uber dem freigelegten Schacht errichtet Die 1987 uber dem Heidenloch erbaute SchutzhutteDas uberwolbte Heidenloch vor der Kulisse der Michaelskloster Ruine bei Matthaus Merian 1645 Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Fruhe Schilderungen und Legenden 3 Literarische Rezeption ab der Romantik 4 Moderne Erforschung 4 1 Forschungsgeschichte 4 2 Funde aus dem Schacht 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseEntstehung Bearbeiten nbsp Querschnitt des Heidenlochs Grau markiert sind vorgefundene Mauern Als oberer Abschluss noch das 1936 entfernte Gewolbe Wer das Heidenloch zu welchem Zweck angelegt hat ist unbekannt und auch aus den bisherigen Grabungsbefunden nicht eindeutig zu erklaren Eine verbreitete Vermutung ist dass man bereits in der vorgeschichtlichen oder spatestens in der romerzeitlichen Nutzung des Berges nach Wasser gesucht aber keines gefunden hat und dass man im Lauf der Zeit verschiedentliche weitere Grabungs und Ausbaumassnahmen am Schacht vornahm Auch eine Funktion als vorgeschichtlicher Opferschacht wurde diskutiert Allerdings sind bis heute nur mittelalterliche und neuzeitliche Fundstucke im Heidenloch zutage getreten und auch im baulichen Befund keine Hinweise auf eine Entstehung in der Antike oder fruher gefunden worden Daher ist beim aktuellen Forschungsstand die wahrscheinlichste Erklarung dass der Schacht zur Wasserversorgung des nahegelegenen Stephansklosters errichtet wurde 1 Bis zur fruhen Neuzeit war das Loch jedenfalls schon mehrfach verandert worden Unter anderem war es an der Schachtsohle mantelartig rund ausgemauert worden war es teilweise erst mit Geroll und spater mit Gegenstanden aus den Klostern verfullt worden war der Schachtkopf mit quadratischem Mauerwerk befestigt und war das Loch von einem Mauergewolbe bedeckt das nur noch eine kleine Offnung aufwies die spater bis zur Erforschung im 20 Jahrhundert auch noch stark vergittert war Fruhe Schilderungen und Legenden BearbeitenDer Heidelberger Geograf Sebastian Munster erwahnte 1548 wunderbarlich alt heidnisch gemauerte Locher und auch gefencknus auf dem Heiligenberg 2 Damals waren also verschiedene fruhere Brunnen oder Zisternen auf dem Heiligenberg sichtbar Davon sind heute noch drei bekannt von denen aber nur eines grossere Bekanntheit gewonnen hat 3 Der Kupferstecher Matthaus Merian fertigte im fruhen 17 Jahrhundert die erste genauere Abbildung dieses bedeutendsten Heidenlochs das er vor die Kulisse der Ruine des Michaelsklosters setzt 4 Im Begleittext beschrieb er wunderliche Hoelinen mit Mauern beschlossen und wie ein Gefaengnuss gemacht so man fur Romisch Gebaeu achtet thut Fruhneuzeitliche Autoren suchten ihre Erklarungen vielfach im Reich der Legende So wurde vielfach uber einen von der Bergspitze bis hinab zum Neckar fuhrenden Geheimgang spekuliert Beispielsweise vermerkte Froben Christoph von Zimmern Mitte des 16 Jahrhunderts Man sagt in der kirchen uf Allerhailigenberg sei ein loch ganz dief hinab ins ertrich da soll einest ein gans hinab gelassen sein worden die soll beim closter zu Newburg wider herausskommen sein Diss tief loch in der kirchen hat man hernach verworfen 5 Diese Geschichte bestatigte um 1600 der Geograph Matthias Quad der zudem angibt mit einem Zeitgenossen gesprochen zu haben der zweimal im Heidenloch gewesen sei Diesem zufolge gebe es dort unten einen Raum mit zwei Turen in dem eine Schatzkiste stehe und von zwei angeketteten Wachhunden beschutzt werde Quad beschreibt einen viereckigen oberen Einstieg zum Heidenloch und erklart dass die Sicht nur etwa 30 Meter tief reiche weil das Loch so voll Holz und Steinen von den Ruinen der Kirche gewesen sei Der Berner Pfarrer Johann Rudolf Rebmann schilderte 1605 in seinem Lehrgedicht Poetisches Gastmahl und Gesprach zweier Berge des Niesen und Stockhorn dass in dem Heidelberger Heidenloch einst der Satan gehaust und seine falschen Weissagungen verbreitet habe Quad und Rebmann nennen jedoch neben diesen fantastischen Berichten auch die Erklarung zur Funktion der Anlage dass sie gegraben worden sei um Wasser aus dem Neckar auf die Bergspitze zu bringen 6 Literarische Rezeption ab der Romantik BearbeitenDas Heidenloch blieb als halb legendares Bauwerk im offentlichen Gedachtnis prasent Der franzosische Dichter Victor Hugo schilderte einen Besuch um das Jahr 1840 als ihn ein nachtlicher Spaziergang uber den Heiligenberg zum Heidenloch fuhrte Wie ich so uber den Bergrucken ging bemerkte ich wenige Schritte von dem kaum erkennbaren Pfad entfernt unter Dornengestrupp eine Art Loch zu dem ich mich begab Es war eine ziemlich grosse rechteckige Grube von zehn oder zwolf Fuss Tiefe und acht oder neun Fuss Breite in die sich rotliche Brombeerstraucher senkten durch deren Gestrupp einzelne Mondstrahlen drangen Am Boden erkannte ich undeutlich ein Pflaster aus breiten Platten auf denen Regenpfutzen standen und an den vier Wanden sah ich ein machtiges Mauerwerk aus gewaltigen Steinen das unter den Grasern und dem Moos unformlich und hasslich geworden war Ich glaubte auf dem Grund ein paar grobe Skulpturen inmitten von Trummerwerk zu erblicken und unter diesen Ruinen einen dicken runden Block der leicht ausgebaucht war und in der Mitte ein kleines quadratisches Loch hatte es konnte ein keltischer Altar oder ein Kapitell aus dem 10 Jahrhundert sein Allerdings gab es keine Treppe um in die Grube hinabzusteigen Und in diesem Augenblick hore ich wie eine tiefe schwache Stimme hinter mir das Wort Heidenloch ausspricht Obwohl ich nur wenig Deutsch kann kenne ich dieses Wort Ich drehe mich um Niemand auf der Heideflache der Wind weht und der Mond scheint Nichts weiter Neben den historischen Autoren die in Reiseberichten und Schilderungen der Region Sagen um das Heidenloch sponnen hat der geheimnisvolle Schacht auch bis in die Gegenwart immer wieder Autoren inspiriert Ein jungeres Beispiel fur die literarische Rezeption des Heidenlochs ist der Autor Martin Schemm der daruber einen fantastisch mythologischen Roman verfasste der die alten Legenden und Sagen um diesen Ort aufgreift und daruber hinaus einen neuen Mythos bereithalt 7 Der Roman bietet viel Lokalkolorit und Informationen aus der Geschichte des Heiligenbergs und schildert in Aktenform vermeintliche Schrecknisse in deren Zentrum das Heidenloch steht Das Buch wurde in der Schriftenreihe des Stadtarchivs Heidelberg herausgegeben und im Jahr 2009 vom SWR als Horspiel vertont 2021 wurde ein Comic in der Reihe vorgestellt 8 Moderne Erforschung BearbeitenForschungsgeschichte Bearbeiten Die wissenschaftliche Erforschung des Heidenlochs begann 1936 als das Loch unter Leitung von Paul Herbert Stemmermann freigelegt wurde Nachdem sein Team ungefahr ein Jahr lang mit Leitern Gerustboden und Seilwinden Material aus dem Loch gehoben hatte wurde der Einsatz von schwererem Gerat zur Fortsetzung der Arbeiten notwendig wofur das historische Steingewolbe uber dem Loch entfernt werden musste Stemmermanns Team raumte den gesamten Schacht bis zur Sohle frei Selbst der Brunnenmantel von der Schachtsohle in 52 Metern Tiefe wurde gehoben um noch wenige Meter unter die darunter befindliche Bodenplatte zu gelangen 1938 wurden die Grabungsarbeiten eingestellt Die Steine vom Brunnenmantel wurden wieder in der Schachtsohle aufgestellt und der Schacht wurde mit dicken Holzbalken abgedeckt In der Nachkriegszeit widmete sich die archaologische Forschung auf dem Heiligenberg zunachst dem Michaelskloster Der Archaologe und Leiter der archaologischen Abteilung des Kurpfalzischen Museums der Stadt Heidelberg Berndmark Heukemes regte zwar auch die weitere Freilegung des Heidenlochs bei der Stadtverwaltung an blieb aber vorerst ungehort nbsp Blick in die Heidenloch Schutzhutte Foto von 2013Das Heidenloch hatte freilich weiterhin eine Anziehungskraft auf Touristen und Schaulustige Die Holz Abdeckung musste mehrfach erneuert werden Schliesslich errichtete man auch noch einen hohen Metallzaun um Neugierige abzuhalten Die 1973 gegrundete Schutzgemeinschaft Heiligenberg koordinierte die Freilegung und Konservierung der Ruinen Eine von ihr angeregte Ubung des Technischen Hilfswerks am Heidenloch ergab dass sich durch eingebrochene und hinabgesturzte Balken sowie die Unmengen an Unrat die Schaulustige immer wieder zwischen den Balken hinabgeworfen hatten eine kunstliche Barrikade im Schacht gebildet hatte Schliesslich legte die Schutzgemeinschaft in den 1980er Jahren die alteren Plane von Heukemes erneut vor der die Stadt nun zustimmte so dass das Heidenloch weiter freigelegt werden konnte Bei den im Mai 1987 begonnenen Arbeiten wurde der Schacht wieder komplett freigelegt Allein das Ausraumen dauerte etwa zwei Monate Die Steine des Brunnenmantels wurden erneut geborgen und kamen ins Kurpfalzische Museum Von Juli bis August 1987 wurde die Schutzhutte uber dem Heidenloch errichtet Eine Betonbrustung schutzt die Schaulustigen und gibt zu erkennen dass es sich nicht um die Rekonstruktion einer eventuellen historischen Brunnenbrustung sondern um ein neues funktionelles Brustungsbauwerk handelt Eine Beleuchtung des Schachts ermoglicht einen besseren Blick in die Tiefe Infotafeln erklaren den Schacht und die Forschungsgeschichte Funde aus dem Schacht Bearbeiten nbsp Brunnenmantel vom Grund des Heidenlochs errichtet um 1100 heute ausgestellt im Kurpfalzischen Museum HeidelbergBei der Freilegung des Schachts 1936 wurden zunachst behauene Steine und Teile von Saulen gefunden daneben eine Reihe metallener Gebrauchsgegenstande die vom Kloster stammten wie Schlussel Hufeisen Steigbugel und Messer Diese Funde enden in einer Tiefe von 26 Metern In etwa 22 Metern Tiefe ist das so genannte Frauenbildnis linienartig in die Wand des Schachts eingemeisselt Unterhalb von 26 Metern fand man nur Steine und Geroll ein Hinweis darauf dass diese Auffullung aus der Zeit vor Aufgabe des Klosters stammen mussen da keine Bauelemente mehr zu finden waren Erst in 52 Metern Tiefe schien der Brunnen zu enden doch stiess man hier auf eine abschliessende Bodenplatte sowie eine runde gemauerte Ummantelung Die Quader des Brunnenmantels zeigten eine Steinmetztechnik die mit den Steinmetzarbeiten an der Ostseite des Speyerer Doms ubereinstimmt Vermutlich hat man lombardische Steinmetze aus Speyer angeworben um den Brunnenschacht zu bauen Dadurch wurde eine Datierung des Mantels auf etwa 1100 n Chr moglich Der Brunnenmantel wurde entfernt und befindet sich heute im Kurpfalzischen Museum Als man die Abschlussplatte hob zeigte sich darunter eine zweite Sohle die aus moglicherweise romischen Ziegellagen bestand Aufgrund dieser Sohle wurden die Romer als die Erbauer des Schachtes vermutet Literatur BearbeitenBerndmark Heukemes Erneute Untersuchung des Heidenlochs auf dem Heiligenberg bei Heidelberg In Archaologische Ausgrabungen in Baden Wurttemberg 1987 Konrad Theiss Stuttgart 1988 ISBN 3 8062 0545 0 S 193 196 Renate Ludwig Peter Marzolff Der Heiligenberg bei Heidelberg 2 Auflage Theiss Stuttgart 2008 ISBN 978 3 8062 2261 6 S 100 103 Ludwig Merz Diether Frauenfeld Eberhard Scholl Erinnerungen an das uralte Heidenloch wie es war und wie es ist In Stadtteilverein Handschuhsheim e V Festschrift 1988 Heidelberg 1988 S 23 31 Wolfgang von Moers Messmer Der Heiligenberg bei Heidelberg Ein Fuhrer durch seine Geschichte und seine Ruinen 3 Auflage Heidelberg 1987 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Heidenloch Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Ratselhaftes Heidenloch Filmexpedition in die Tiefe auf YouTube Kurpfalzisches Museum Heidelberg nbsp Portal Heidelberg Ubersicht zu Wikipedia Inhalten zum Thema HeidelbergEinzelnachweise Bearbeiten Renate Ludwig Peter Marzolff Der Heiligenberg bei Heidelberg 2 Auflage Theiss Stuttgart 2008 ISBN 978 3 8062 2261 6 S 100 103 Wolfgang von Moers Messmer Der Heiligenberg bei Heidelberg Seine Geschichte und seine Ruinen Heidelberg 1964 S 8 Renate Ludwig Peter Marzolff Der Heiligenberg bei Heidelberg 2 Auflage Theiss Stuttgart 2008 ISBN 978 3 8062 2261 6 S 100 und 102 Peter Marzolff Die Ausgrabungen zu St Michael In Landesamt fur Denkmalpflege im Regierungsprasidium Stuttgart Hrsg Forschungen zum Heiligenberg bei Heidelberg Theiss Stuttgart 2012 ISBN 978 3 8062 2791 8 S 9 135 hier S 16 mit Fussnote 30 Froben Christoph von Zimmern Was seltzamer handlungen grave Froben Christoffen von Zimbern zu Speir und sonst begegnet auch von 10 dem reichstag daselbs In Wikisource 1550 abgerufen am 4 November 2022 Frieder Hepp Matthaeus Merian in Heidelberg Ansichten einer Stadt Heidelberger Verlagsanstalt Heidelberg 1993 ISBN 3 89426 064 5 S 90 f Martin Schemm Das Heidenloch Ein fantastisch mythologischer Roman 3 Auflage verlag regionalkultur Ubstadt Weiher 2004 ISBN 3 89735 165 X swr de SWR Aktuell Splatter Horror Comic aus Heidelberg vom 22 Juli 2021 abgerufen am 24 August 2021 49 419487 8 703385 Koordinaten 49 25 10 2 N 8 42 12 2 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Heidenloch Heidelberg amp oldid 233201017