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Hasan at Turabi arabisch حسن الترابي DMG Ḥasan at Turabi 1 Februar 1932 in Kassala Sudan 5 Marz 2016 in Khartum 1 war ein sudanesischer Politiker sowie religioser Fuhrer im Sudan Er gehorte den islamisch fundamentalistischen Muslimbrudern an denen er im Sudan vorstand Hasan at Turabi Inhaltsverzeichnis 1 Ausbildung und Beginn der politischen Karriere 2 Politische Aktivitaten unter Numairi 1969 1985 3 Grundung der NIF und Zusammenarbeit mit al Baschir 1985 1999 4 Entmachtung und Streit mit al Baschir ab 1999 5 Religiose Uberzeugungen 6 Werke 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseAusbildung und Beginn der politischen Karriere BearbeitenTurabi wurde in Kassala im Osten des Sudan geboren Neben einer weltlichen Schulausbildung erhielt er auch religiose Unterweisungen Er machte 1955 seinen Abschluss in Rechtswissenschaft in Khartum 1957 erwarb er einen Masterabschluss in Jura in London darauf folgte eine zweijahrige Lehrtatigkeit in der sudanesischen Hauptstadt Von 1959 bis 1964 war er Doktorand an der Sorbonne in Paris Danach kehrte er an seine Heimatuniversitat in den Sudan zuruck und stieg dort wegen seiner Eloquenz und Weltlaufigkeit schnell auf 2 Er war 1964 an der Grundung eines politischen Ablegers der Muslimbruderschaft Ichwan der Islamic Charter Front ICF arabisch Dschabhat al mithaq al Islami fuhrend beteiligt und wurde deren Generalsekretar 3 Muslimbruder und ICF bildeten anfangs eine Front gegen die Militarregierung General Abbuds deren laxe Moral und autokratische Herrschaft Turabi anprangerte Aufgrund von Massendemonstrationen seiner Muslimbruder gegen die Kommunisten wurde die Kommunistische Partei im November 1965 durch das Parlament verboten Der damalige Premierminister Sadiq al Mahdi Turabis Schwager 4 unterstutzte Turabis Idee einer islamischen Verfassung Zu deren Umsetzung kam es nach dem Militarputsch von Numairi 1969 aber nicht Politische Aktivitaten unter Numairi 1969 1985 BearbeitenDas neue Regime verfolgte anfangs einen sozialistischen Kurs Turabis Ichwan und die Ansar Anhanger der Mahdi Partei gegnerische aber gleichermassen islamistische Gruppierungen fanden sich im Untergrund zusammen Verhandlungen Numairis mit der Opposition fuhrten im Juli 1977 zu einer nationalen Versohnung Turabi wurde im September 1977 in das Politburo von Numairis Partei Sudanese Socialist Union gewahlt weniger liberale Mitglieder der Opposition verurteilten diese Annaherung an den als korrupt geltenden Numairi 1979 erfolgte die Aussohnung und Turabi erlangte eine einflussreiche Position als Generalstaatsanwalt Es begann zugleich Numairis Hinwendung zum Islam Die Muslimbruder konnten ihren Einfluss auf die Regierung stetig ausbauen und 1983 wurde eine strenge Auslegung der Schari a als Gesetzesgrundlage eingefuhrt Septembergesetze Das Gesetz basierte auf fruheren Entwurfen von Turabi und wurde im November 1983 vom Parlament bestatigt Die Annahme der Schari a Gesetze gilt als personlicher Triumph Turabis Die Muslimbruder unterstutzten das Gesetz obwohl sie nicht direkt daran beteiligt waren 5 Turabi profitierte insbesondere von neuen Vorschriften fur die Banken Seit 1977 waren unter den 40 Prozent sudanesischen Eignern der Faisal Islamic Bank einige einflussreiche Muslimbruder die die Kreditvergabe an andere Muslimbruder steuerten Um Kredite fur Spekulationen besonders auf dem Getreidemarkt erhalten zu konnen grundeten Freunde Turabis auch neue Banken Die zunehmende wirtschaftliche Macht Turabis an der Spitze dieses Firmenimperiums fuhrte dazu dass Numairi ihn als Bedrohung ansah und im Februar 1985 inhaftieren liess 6 Im Zuge des Sturzes von Numairi kam er allerdings schon wenig spater wieder frei Grundung der NIF und Zusammenarbeit mit al Baschir 1985 1999 BearbeitenNoch 1985 grundete Turabi als neue Partei die Nationale Islamische Front NIF Sie wurde in den Wahlen vom April 1986 mit 20 Prozent der Sitze drittstarkste Kraft im Parlament Die im Januar 1987 von Turabi im Namen der NIF prasentierte Sudan Charter war eine islamische Verfassung fur den gesamten Sudan die im Kern die Scharia generell festlegte aber parallel auf personlicher Ebene eine Art foderale Minderheitsgesetzgebung zuliess wobei bei Uberschneidungen das islamische Mehrheitsrecht als dominante Ideologie festgelegt war Dafur wurde er von beiden Seiten also der islamistischen und christlichen Seite kritisiert 7 Die Machtubernahme per Staatsstreich durch General al Baschir im Juni 1989 wurde von der NIF unterstutzt Seitdem beeinflussen die Muslimbruder massgeblich das politische Geschehen Um 1991 grundete er die Popular Arab Islamic Conference PAIC eine Gegenorganisation zur Organization of the Islamic Conference OIC Diese Dachorganisation vereinigte islamistische Organisationen aus der Region darunter der al Itihad al Islami aus Somalia der agyptischen Muslimbruder und einer eritreischen Oppositionsgruppe Ziel war die islamistische Agitation mit gewaltsamen Aktionen in der Region Der Sudan bot hierfur Trainingslager und nahm in den 1990er Jahren Mitglieder der al Qaida auf 8 Auf seine Einladung kam auch Osama bin Laden in den Sudan der wahrend seines Aufenthalts von etwa 1990 bis 1996 eine Nichte Turabis geheiratet haben soll 9 Die westlichen Staaten bekamen von Turabis Verbindungen zu terroristischen Gruppen zunachst nicht viel mit So wurde er noch 1992 in die USA eingeladen um bei einem Roundtable Gesprach zum Thema Islam und Demokratie zu sprechen 10 Im Marz 1996 wurde Turabi zum Parlamentssprecher gewahlt seine NIF besetzte die meisten Ministerposten und andere Schlusselpositionen Danach kam es zu Machtkampfen innerhalb des Staatsapparates Sichtbar wurde das 1998 an der Aufspaltung der NIF in die Kongresspartei NCP National Congress Party unter Vorsitz Bashirs und in die PCP Popular Congress Party unter Turabi Entmachtung und Streit mit al Baschir ab 1999 BearbeitenTurabi brachte 1999 ein Gesetz in die Nationalversammlung ein das die Macht des Prasidenten beschranken sollte Baschir reagierte im Dezember 1999 darauf indem er die Nationalversammlung aufloste den Notstand erklarte und die Unterstutzer Turabis aus der Regierung entliess Damit verlor Turabi seine Machtbasis im staatlichen System 11 Allerdings behielt er grossen gesellschaftlichen Einfluss So unterhielt er Verbindungen zu afrikanischstammigen Moslemgruppen von Darfur die sich benachteiligt fuhlten und die Justice and Equality Movement JEM grundeten eine von Darfur aus kampfende Rebellenorganisation 12 Turabi wurde mehrmals kurzzeitig verhaftet zum Vorwurf des Landesverrats fuhrte sein Bundnis mit der SPLA im Februar 2001 Er stand seit Marz 2004 unter Hausarrest nachdem ihm Plane zum Sturz der Regierung vorgeworfen worden waren 13 Im Mai 2006 erklarte Turabi vor Journalisten das Friedensabkommen von 2005 zwischen der Regierung und der SPLA fur illegitim es sei nur durch Druck der amerikanischen Regierung zustande gekommen der Bashir horig sei Beim Streit zwischen Bashir und Turabi ging es nicht um die grundsatzlichen Ziele einer islamischen Gesellschaftsordnung sondern um das strategisch richtige Vorgehen und um personliche Machtanspruche 14 Wie eine vorubergehende Festnahme 15 nach einem Angriff der JEM Rebellen auf Omdurman im Mai 2008 zeigte war das Verhaltnis zur Regierung weiterhin angespannt 16 nbsp Der tschadische Prasident Idriss Deby im Marz 2016 vor Turabis Privathaus in Schambat nach einer Trauerfeier fur den wenige Tage zuvor VerstorbenenIn der Auseinandersetzung mit dem Suden des Landes um die Olvorkommen in der Region Abyei setzte sich Turabi seit 2007 fur eine Aufteilung der Einnahmen ein 17 Wirtschaftliche Grunde waren die Hauptursache fur den langanhaltenden Burgerkrieg gewesen und die kompromisslose Haltung Turabis gegenuber dem Sudsudan hatte 1989 zu seiner Entlassung aus der Regierung Sadiq al Mahdis und daraufhin zum Sturz derselben gefuhrt Am 14 Januar 2009 wurde Turabi erneut verhaftet und ins Kober Gefangnis nach Khartum Nord gebracht nachdem er zwei Tage zuvor uber eine auslandische Nachrichtenagentur Prasident Bashir aufgefordert hatte er moge sich selbst dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag ausliefern um weiteren Schaden vom Sudan abzuwenden 18 Ende Januar wurde er ins Gefangnis von Port Sudan uberstellt 19 aus dem er am 9 Marz wieder entlassen wurde Nach Kritik an den ersten allgemeinen Wahlen im Sudan seit 24 Jahren im April 2010 wurde Turabi in der Nacht zum 16 Mai 2010 erneut verhaftet 20 Am 17 Januar 2011 erfolgte eine weitere kurzzeitige Verhaftung Ausloser war seine Aussage im Sudan stunden wie bei den Unruhen in Tunesien Proteste unmittelbar bevor 21 Turabi starb mit 84 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts Religiose Uberzeugungen BearbeitenIn Kommentaren zu al Buchari dessen Werk nach sunnitischer Tradition die verlasslichste Sammlung von Ausspruchen des Propheten Hadithe darstellt betonte er die Unsicherheiten und moglichen Irrtumer bei der Ubertragung dieser Texte bis in die heutige Zeit Das brachte ihm Kritik von konservativer Seite ein Naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Islam bezeichnete er als grundsatzlich gleichermassen wahr und richtig Wo sich zwischen beiden ein Gegensatz herausstelle konne es sich auf beiden Seiten um Fehlinterpretationen handeln Im Fall des Islam liege das Problem im Unterschied zwischen der koranischen Kernaussage und der Abweichung einer bestimmten kulturellen Tradition die sich daraus entwickelt hat In seinen Schriften und Interviews zeigte er sich nun reformorientiert betonte die Ideale der Demokratie und die Rolle der Frauen In einer Broschure von 1973 betonte er die aktive Rolle der Frauen im offentlichen Leben zur Zeit des Propheten und wunschte sich daher auch Frauen zur Armee zuzulassen 22 In Interviews betonte Turabi das islamische Prinzip der Schura Beratung Konsultation 23 Zu Beginn seiner Amtszeit bestand er darauf dass dieses wegen der rechtmassigen Vorherrschaft der Moslems fur das ganze Land einzufuhren sei Dazu hatten die unwilligen Minderheiten insbesondere die Christen im Suden diese islamische Gesetzgebung von sich aus anerkennen mussen Um das Dilemma einer freiwilligen Unterwerfung aufzulosen begann er Demokratie zu befurworten 24 Obwohl Turabis Demokratieverstandnis nicht mit dem westlichen Modell vereinbar ist nahm er dennoch Anleihen daraus Seine Politik richtete sich zwar gegen Nichtmuslime die er in jeder Hinsicht ausgrenzen wollte zugleich wollte er aber Frauen an politischen Entscheidungen beteiligen Er reagierte damit ab 1973 auf die Herausforderungen durch die sudanesische Frauenbewegung Viele Studentinnen und gebildete Frauen die vorher noch bei kommunistischen Demonstrationen teilgenommen hatten schlossen sich seiner Bewegung an 25 Er erklarte sich als Gegner der Todesstrafe bei Apostasie und verurteilte die Fatwa gegen Salman Rushdie 26 Turabis politische Stellungnahmen waren kontextabhangig und wurden in islamischen Landern teilweise kontrovers diskutiert Lange Zeit galt er als Papst der Islamisten demgegenuber handelte er sich durch ein Interview im April 2006 den Vorwurf der Haresie ein Er hatte erklart eine Frau konne auch nach ihrem Ubertritt zum Islam mit einem Nicht Moslem verheiratet bleiben ebenso konne er sich eine Frau als Vorbeterin in der Moschee vorstellen 27 Werke BearbeitenTaǧdid al fikr al islami Die Erneuerung des islamischen Denkens 1993Literatur BearbeitenAbdelwahab el Affendi Turabi s Revolution Islam and Power in Sudan Grey Seal London 1991 ISBN 1 85640 004 2 Millard Burr Revolutionary Sudan Hasan al Turabi and the Islamist State 1989 2000 Leiden 2003 ISBN 90 04 13196 5 Abdullahi A Gallab The First Islamic Republic Development and Disintegration of Islamism in the Sudan Ashgate Aldershot 2008 Tilman Seidensticker Islamismus Geschichte Vordenker Organisationen C H Beck Munchen 2014 ISBN 9783406660702 2 Aufl 2015 ISBN 340666069X 3 Pragende Exponenten 5 Hasan at Turabi Pate des islamistischen Sudan S 66 68 Weblinks BearbeitenHassan Abdalla Al Turabi Women in Islam and Muslim Society Sound Vision Foundation USA 2008 Schrift von Turabi zur sozialen und rechtlichen Stellung der Frauen in der islamischen Gesellschaft von 1973 Hassan al Turabi Sudan Tribune Sudan s Turabi Muslim women can marry Christian or Jew Sudan Tribune 13 April 2006 Sudan s Turabi considered apostate Sudan Tribune 24 April 2006 Sudan s Turabi accuses Islamic clerics of misunderstanding Sudan Tribune 2 Juni 2006 mit Interview Sudan s Turabi calls for popular uprising Sudan Tribune 19 Mai 2006 Next Sudan s president could be Christian Turabi Sudan Tribune 6 Juni 2006Einzelnachweise Bearbeiten Sudan s opposition leader Hassan al Turabi dies aljazeera com 5 Marz 2016 abgerufen am 5 Marz 2016 Tilman Seidensticker Islamismus Geschichte Vordenker Organisationen Munchen 2014 S 64f Gallab 2008 S 103 Marina Peter Zur Rolle der Religionen In Bernhard Chiari Wegweiser zur Geschichte Sudan Ferdinand Schoningh Paderborn 2008 S 155 Olaf Kondgen Die Kodifikation des islamischen Strafrechts im Sudan seit Beginn der 80er Jahre In Sigrid Faath Hanspeter Mattes Wuquf 7 8 Beitrage zur Entwicklung von Staat und Gesellschaft in Nordafrika Hamburg 1993 S 224 228 Vgl Gallab 2008 S 92 Vgl Gallab 2008 S 106 Annette Weber Machtstrukturen und politische Lager In Bernhard Chiari Wegweiser zur Geschichte Sudan Ferdinand Schoningh Paderborn u a 2008 S 77f Syed Saleem Shahzad Bin Laden uses Iraq to plot new attacks Memento des Originals vom 13 Mai 2011 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www atimes com Asia Times 23 Februar 2002 Vgl Gallab 2008 S 106 Vgl Gallab 2008 S 147 Martin Plaut Who are Sudan s Darfur rebels BBC 5 Mai 2006 Sudanese opposition leader arrested over coup plot Guardian 31 Marz 2004 Hanspeter Mattes Hasan al Turabi ein sudanesischer Religionsgelehrter mit zu grossen politischen Ambitionen PDF 63 kB wuquf de Marz 2001 Sudan releases Islamist leader al Turabi Sudan Tribune 12 Mai 2008 Bin Laden host Hassan al Turabi held after rebel raid on Khartoum The Times 13 Mai 2008 South Sudan could secede unilaterally if Abyei unresolved Turabi Sudan Tribune 12 November 2007 Andrew Heavens Sudan detains opposition leader after Bashir remarks Reuters 14 Januar 2009 Sudan opposition leader reportedly transferred to Red Sea prison Sudan Tribune 26 Januar 2009 Sudanese security arrests opposition Hassan Turabi Sudan Tribune 16 Mai 2010 Johannes Dieterich Das ganze Land ist bewaffnet Frankfurter Rundschau 18 Januar 2011 abgerufen am 19 Januar 2011 Liv Tonnessen Anne Sofie Roald Discrimination in the Name of Religious Freedom The Rights of Women and Non Muslims after the Comprehensive Peace Agreement in Sudan Chr Michelsen Institute Bergen Norwegen 2007 S 25 Vgl Gallab 2008 S 137 Mervyn Hiskett The Course of Islam in Africa Edinburgh University Press 1994 S 88 Sean Gabb An Introduction to Dr Hassan Al Turabi s pamphlet On the Position of Women in Islam and in Islamic Society Memento vom 17 Februar 2009 im Internet Archive Islam for Today Sudanese Scholar amp Islamist Leader Hassan Al Turabi on Al Arabiya TV Women Should Cover Chest Not Face Women Can Be Imams amp Political Leaders No Punishment Sanctioned for Drinking Alcohol at Home MEMRI 21 April 2006 Imam Mohamed Imam Asharq Al Awsat Interviews Sudanese Islamist leader Dr Hassan Turabi Memento vom 25 Dezember 2015 im Internet Archive Asharq al Awsat 24 April 2006Normdaten Person GND 119126532 lobid OGND AKS LCCN n82120537 VIAF 96954773 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Turabi Hasan at ALTERNATIVNAMEN Turabi Hasan alKURZBESCHREIBUNG sudanesischer Politiker und religioser FuhrerGEBURTSDATUM 1 Februar 1932GEBURTSORT Kassala SudanSTERBEDATUM 5 Marz 2016STERBEORT Khartum Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hasan at Turabi amp oldid 227925481