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Die Grosse Pest von Marseille war der letzte grossere Ausbruch der Beulenpest in Westeuropa 1 2 Zeitgenossisches Gemalde von Marseille wahrend der Grossen PestOffentliche Bekanntmachung uber die Entsorgung von Leichen wahrend der Grossen Pest 1720Im Jahr 1720 starben im franzosischen Marseille und der umliegenden Provence an der Seuche bis zu ca 50 000 Menschen Marseille hatte Anfang 1720 etwa 90 000 Einwohner Die Zahl der Todesfalle variiert je nach Schatzung Bei einigen Historikern werden zwischen 30 000 und 35 000 Tote angegeben bei anderen 50 000 sowohl fur die Stadt als auch fur das Umland 3 4 Interessanterweise wurde dieser Bevolkerungsverlust in nur drei oder vier Jahren schnell ausgeglichen Dieses Phanomen erklart sich durch den Ruckgang der Sterblichkeit sowie durch den Anstieg der Geburtenrate der mit der Zunahme der Eheschliessungen zusammenhangt aber hauptsachlich durch die Zuwanderung aus den nahe gelegenen Regionen seit der Revolution das Departement Alpes de Haute Provence genannt oder von weiter her Die Einwanderung machte die meisten Verluste wieder wett Bis 1765 war die Population wieder auf dem Niveau von vor 1720 3 Die wirtschaftliche Aktivitat brauchte nur wenige Jahre um sich zu erholen da sich der Handel auf die Westindischen Inseln und Lateinamerika ausweitete Inhaltsverzeichnis 1 Stadt vor der Pest 1 1 Sanitatsrat 1 2 Quarantane 2 Ausbruch und Todesfalle 3 Neueste Forschung 4 Siehe auch 5 EinzelnachweiseStadt vor der Pest BearbeitenSanitatsrat Bearbeiten Am Ende der Pest von 1580 ergriffen die Menschen in Marseille drastische Massnahmen um zu versuchen die zukunftige Ausbreitung der Krankheit zu kontrollieren Der Stadtrat von Marseille richtete einen Sanitatsrat ein dessen Mitglieder sich aus dem Stadtrat und den Arzten der Stadt zusammensetzten Das genaue Grundungsdatum des Gremiums ist nicht bekannt aber seine Existenz wird erstmals in einem Text des Parlaments von Aix aus dem Jahr 1622 erwahnt Der neu gegrundete Sanitatsrat gab eine Reihe von Empfehlungen zur Erhaltung der Gesundheit der Stadt ab 1 2 Neben dem Schutz der Stadt vor ausseren Schwachstellen versuchte der Sanitatsrat eine offentliche Infrastruktur aufzubauen In dieser Zeit wurde auch das erste offentliche Krankenhaus von Marseille gebaut das mit einem vollwertigen Stab von Arzten und Krankenschwestern ausgestattet wurde Daruber hinaus war der Sanitatsrat fur die Akkreditierung lokaler Arzte zustandig Unter Berufung auf die zahlreichen Fehlinformationen die sich wahrend einer Seuche ausbreiten versuchte der Sanitatsrat den Burgern zumindest eine Liste von Arzten zur Verfugung zu stellen die man fur glaubwurdig hielt 5 Der Sanitatsrat war eines der ersten von der Stadt Marseille gebildeten Exekutivorgane Er wurde personell so ausgestattet dass er die wachsenden Verantwortlichkeiten des Gremiums unterstutzen konnte Quarantane Bearbeiten Der Sanitatsrat richtete ein dreistufiges Kontroll und Quarantanesystem ein Die Mitglieder des Ausschusses inspizierten alle ankommenden Schiffe und gaben ihnen eines von drei Gesundheitspapieren Das Gesundheitszeugnis bestimmte dann den Grad des Zugangs des Schiffes und seiner Ladung zur Stadt Eine Delegation von Mitgliedern des Sanitatsrats sollte jedes ankommende Schiff inspizieren Sie uberpruften das Logbuch des Kapitans in dem jede Stadt in der das Schiff gelandet war verzeichnet war und verglichen es mit der Hauptliste des Gesundheitsamtes von Stadten im ganzen Mittelmeer die Geruchte uber kurzliche Pestvorkommnisse hatten Die Delegation inspizierte zudem die gesamte Fracht die Besatzung und die Passagiere und suchte nach Anzeichen moglicher Krankheiten Wenn das Team Anzeichen einer Krankheit sah durfte das Schiff nicht an einem Dock in Marseille landen 6 Wenn das Schiff diesen ersten Test bestanden hatte und es keine Anzeichen einer Krankheit gab die Reiseroute des Schiffes aber eine Stadt mit dokumentierter Pest Aktivitat umfasste wurde das Schiff in die zweite Quarantanestufe auf Inseln vor dem Hafen von Marseille geschickt Die Kriterien fur die Lazarette waren Beluftung um das was man fur das Miasma der Krankheit hielt zu vertreiben die Nahe zum Meer um die Kommunikation und das Abpumpen von Wasser zur Reinigung zu erleichtern sowie die Isolierung und leichte Zuganglichkeit 7 Selbst ein einwandfreier Gesundheitszustand der Menschen auf einem Schiff erforderte eine mindestens 18 tagige Quarantane am Standort vor der Insel Wahrend dieser Zeit wurde die Besatzung in einem der Lazarette untergebracht die rund um die Stadt gebaut wurden Die Lazarette wurden auch in Bezug auf die Gesundheitsbescheinigungen fur das Schiff und Einzelpersonen klassifiziert Mit einem sauberen Gesundheitszeugnis begab sich ein Besatzungsmitglied zur grossten Quarantanestation die mit Vorraten ausgestattet und gross genug war um viele Schiffe und Besatzungen gleichzeitig unterzubringen Wenn man glaubte dass die Besatzung der Moglichkeit einer Seuche ausgesetzt war wurde sie in die isolierte Quarantanestation geschickt die auf einer Insel vor der Kuste des Hafens von Marseille errichtet worden war Die Besatzung und die Passagiere mussten dort 50 bis 60 Tage lang warten um zu sehen ob sie Anzeichen einer Seuche entwickelten 6 Sobald die Besatzungen ihre Quarantane hinter sich hatten durften sie die Stadt betreten um ihre Waren zu verkaufen und sich vor der Abfahrt zu vergnugen Ausbruch und Todesfalle Bearbeiten nbsp Zeitgenossische Gravur von Marseille wahrend der Grossen PestDer grosse Ausbruch der Pest im Jahr 1720 war die letzte Wiederholung einer Epidemie der Beulenpest nach den verheerenden Episoden die Anfang des 14 Jahrhunderts begonnen hatten der erste bekannte Fall der Beulenpest in Marseille war die Ankunft des schwarzen Todes im Herbst 1347 8 9 1720 kam die Yersinia pestis aus der Levante mit dem Handelsschiff Grand Saint Antoine im Hafen von Marseille an Das Schiff war von Sidon im Libanon abgefahren nachdem es zuvor Smyrna Tripolis und das von der Pest heimgesuchte Zypern angelaufen hatte Ein turkischer Passagier war der Erste der infiziert wurde und bald starb gefolgt von mehreren Besatzungsmitgliedern und dem Schiffsarzt Dem Schiff wurde die Einfahrt in den Hafen von Livorno verweigert 10 Als die Grand Saint Antoine in Marseille ankam wurde sie von den Hafenbehorden umgehend im Lazarett unter Quarantane gestellt 11 Vor allem aufgrund des Monopols das Marseille auf den franzosischen Handel mit der Levante hatte verfugte dieser wichtige Hafen uber einen grossen Bestand an Importgutern in den Lagerhausern Ausserdem weitete er seinen Handel mit anderen Gebieten des Nahen Ostens und aufstrebenden Markten in der Neuen Welt aus Machtige stadtische Kaufleute benotigten die Seiden und Baumwollladung des Schiffes fur die grosse Messe in Beaucaire und setzten die Behorden unter Druck die Quarantane aufzuheben nbsp Die mur de la peste Pestmauer aus dem 18 Jahrhundert ProvenceWenige Tage spater brach die Krankheit in der Stadt aus Die Krankenhauser waren schnell uberfullt und die Bewohner gerieten in Panik und vertrieben die Kranken aus ihren Hausern und aus der Stadt Es wurden Massengraber ausgehoben die aber schnell gefullt wurden Schliesslich uberforderte die Zahl der Toten die Moglichkeiten der Stadt sich um das offentliche Gesundheitswesen zu bemuhen bis Tausende von Leichen verstreut und auf Haufen in der Stadt lagen 10 Zu den Versuchen die Ausbreitung der Pest zu stoppen gehorte ein Gesetz des Parlaments von Aix das die Todesstrafe fur jede Kommunikation zwischen Marseille und der ubrigen Provence verhangte Um diese Trennung durchzusetzen wurde auf dem Land eine Pestmauer mur de la peste errichtet Die Mauer wurde aus Trockenstein gebaut 2 m hoch und 70 cm dick mit von der Mauer zuruckgesetzten Wachposten Uberreste der Mauer sind noch heute in verschiedenen Teilen des Plateaus de Vaucluse zu sehen 12 Neueste Forschung Bearbeiten nbsp Opfer der Beulenpest in einem Massengrab von 1720 bis 1721 in Martigues Frankreich1998 wurde von Wissenschaftlern der Universite de la Mediterranee ein Massengrab von Opfern der Beulenpest ausgegraben 13 Die Ausgrabung bot die Gelegenheit mehr als 200 Skelette aus einem Gebiet im zweiten Arrondissement von Marseille zu untersuchen das als Kloster der Observanz bekannt ist Zusatzlich zu den modernen Laboruntersuchungen wurden auch Archivunterlagen ausgewertet um die Bedingungen und Daten der Nutzung dieses Massengrabes zu ermitteln Dieser multidisziplinare Ansatz brachte neue Fakten und Erkenntnisse uber die Epidemie von 1722 zutage Die Rekonstruktion des Schadels eines 15 jahrigen Jungen lieferte den ersten historischen Beweis fur eine Autopsie die auf das Fruhjahr 1722 datiert ist Die angewandten anatomischen Techniken scheinen mit denen identisch zu sein die in einem chirurgischen Buch aus dem Jahr 1708 beschrieben wurden 14 Siehe auch BearbeitenListe von Epidemien und Pandemien Justinianische Pest Moskauer Pestrevolte 1771Einzelnachweise Bearbeiten a b Paul 1843 1920 Auteur du texte Gaffarel Marquis de Auteur du texte Duranty La peste de 1720 a Marseille et en France d apres des documents inedits Paul Gaffarel et Mis de Duranty 1911 Online abgerufen am 28 April 2020 a b Contrucci Jean 1939 Marseille 2600 ans d histoire Fayard Paris 1998 ISBN 2 213 60197 6 a b Charles Carriere Negociants marseillais au XVIIIe siecle contribution a l etude des economies maritimes Institut historique de Provence Marseille 1973 Online abgerufen am 28 April 2020 Amargier Paul A Joutard Philippe Histoire de Marseille en treize evenements J Laffitte Marseille 1988 ISBN 2 86276 145 1 p 53 Francoise Hildesheimer a b Amargier Paul A Joutard Philippe Histoire de Marseille en treize evenements J Laffitte Marseille 1988 ISBN 2 86276 145 1 p 361 Roger Duchene et Jean Contrucci Duchene and Contrucci 2004 Chronology Marseille suffered from epidemics of the European Black Death in 1348 recurring intermittently until 1361 in 1580 and 1582 and in 1649 1650 Jean Astruc La Peste presente de la Provence amp du Gevaudan In Dissertation sur l origine des maladies epidemiques et principalement sur l origine de la peste ou l on explique les causes de la propagation et de la cessation de cette maladie Montpellier 1721 S 61 71 Digitalisat a b Lucenet Monique Les grandes pestes en France Aubier Paris 1985 ISBN 2 7007 0392 8 Duchene amp Contrucci 2004 pages 361 362 La peste et les lazarets de Marseille Memento des Originals vom 18 Februar 2022 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot mistraletnoroit free fr briefly noted in Simon Schama Landscape and Memory 1995 245f Signoli Seguy Biraben Dutour amp Belle 2002 Michel Signoli Isabelle Seguy Jean Noel Biraben Olivier Dutour Paul Belle Paleodemography and Historical Demography in the Context of an Epidemic Plague in Provence in the Eighteenth Century In Population English Edition 2002 Band 57 Nr 6 2002 ISSN 1634 2941 S 829 854 doi 10 2307 3246618 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Grosse Pest von Marseille amp oldid 237986032