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Ronald Godfrey Lienhardt 17 Januar 1921 in Bradford 9 November 1993 in Oxford war ein britischer Anthropologe und Religionswissenschaftler Er erforschte die Religion und Gesellschaft der Dinka und Anuak im Sudan Seine Erkenntnisse uber das Selbstverstandnis und die religiosen Vorstellungen der Dinka wurden als Grundlagen fur eine allgemeine Anthropologie verstanden und in dieser Richtung weiterentwickelt 1 Durch eine klare und verstandliche Sprache erreichte er auch uber sein Fachgebiet hinaus Aufmerksamkeit 2 Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werk 2 1 Untersuchung von Religion und Gesellschaft der Dinka 2 2 Sozialanthropologie 3 Werke 3 1 Einzelne Artikel 4 Einzelnachweise 5 WeblinksLeben BearbeitenDer deutsche Name Gottfried Lienhardt verweist auf die schweizerische Herkunft des Vaters seine Mutter war Englanderin Von 1939 bis 1941 studierte Lienhardt englische Literatur am Downing College der University of Cambridge Wahrend des Zweiten Weltkriegs war er als Leutnant der britischen Armee in Ostafrika stationiert Im Jahr 1947 erlangte er in Cambridge einen akademischen Grad in den Fachern Ethnologie und Archaologie Die Regierung des anglo agyptischen Sudan unterstutzte Lienhardt wie auch zuvor seinen Lehrer und Kollegen Edward E Evans Pritchard mit einem Stipendium fur Feldforschungen bei den Dinka in Sudsudan wo er in der Zeit von 1947 bis 1950 zwei Jahre verbrachte Seine Doktorarbeit veroffentlichte er 1952 unter dem Titel The Dinka of the Southern Sudan Religion and Social Structure Wahrend dieser Zeit war er auch Dozent fur Afrikastudien in Oxford In den Jahren 1950 1952 betrieb er mit einem Stipendium des International African Institute Feldforschung bei den Anuak im sudlichen Grenzbereich zwischen Sudan und Athiopien 1955 1956 richtete er an der Universitat Bagdad die Abteilung fur Soziologie und Sozialanthropologie ein In den folgenden Jahren war Lienhardt Mitglied der Forschungseinrichtung Queen Elizabeth House der Abteilung fur Internationale Entwicklung an der Universitat Oxford wo er 1961 sein Werk uber die Dinka Religion Divinity and Experience The Religion of the Dinka fertigstellte 1964 erhielt er eine Gastprofessur am Institut fur Afrikanische Studien der Universitat von Ghana in Accra Er kehrte anschliessend nach Oxford zuruck wo er 1967 in den Verwaltungsrat des Wolfson College berufen wurde in welchem er 1973 1975 den Vorsitz ubernahm Von der Northwestern University in Illinois wurde Lienhardt 1983 die Ehrendoktorwurde verliehen Die Universitat Oxford vergibt regelmassig ein seinem Gedachtnis gewidmetes Stipendium den Godfrey Lienhardt Memorial Fund fur Forschungsvorhaben im subsaharanischen Afrika Sein Bruder Peter Lienhardt lieferte Beitrage zur Geschichte des Islam in Arabien Agypten und in Sudan Als Lehrer in Oxford pflegte er einen personlichen Kontakt zu seinen Studenten Einige erinnern sich an abendliche Fachgesprache im Pub Werk BearbeitenUntersuchung von Religion und Gesellschaft der Dinka Bearbeiten Zu der Zeit als Lienhardt mit seiner Feldforschung bei den Dinka begann hatte Evans Pritchard bereits eine grundliche ethnographische Beschreibung der benachbarten und in vielem ahnlichen Nuer vorgelegt Eine ebenso ausfuhrliche Darstellung der Dinka Gesellschaft hatte womoglich Wiederholungen ergeben eine andere Interpretation der Ergebnisse hatte zu einer Konkurrenz zwischen den Kollegen fuhren konnen Gesellschaftliche Strukturen besprach Lienhardt daher nur knapp und Heiratsregeln gar nicht stattdessen legte er den Schwerpunkt auf den symbolischen Gehalt der Religion Lienhardt gliederte die Dinka Religion nicht nach bestimmten Glaubensprinzipien sondern versuchte Religion als Ausfluss von alltaglichen und sozialen Erfahrungen zu erfassen Geister Gotter oder sonstige auf den Menschen Einfluss nehmende Machte sind vor allem Krafte die aus der Vorstellung aus Bildern images entstehen Es sind Bilder der Leidenschaften passion als einer aktiven Quelle durch die Dinka ergriffen werden und zu religioser Erfahrung gelangen Er stellte fest dass bei den Dinka eine inner agency etwa ein innerer Anstifter als Geist Gewissen Gedachtnis und als aktive Instanz fehlt sie dafur die Inhalte der Bilder als eigentliche Kraft wahrnehmen Diese Kraft ist ubermenschlich aber nicht ubernaturlich da sie nicht aus einer jenseitigen Welt heruberwirkt 3 Die Krafte sind sowohl ausserhalb Erscheinungen der Natur als innerhalb des Menschen wo sie Besitz ergreifen und stellen die Verbindung zwischen ausserer und innerer Erfahrung her 4 Fur dieses Prinzip der religiosen Erfahrung fuhrte Lienhardt den lateinischen Begriff passiones ein der seither in der Anthropologie oft zitiert wird als Beispiel sei Fritz Kramer genannt 5 Der westliche Mensch erinnert sich absichtlich an etwas Dinka werden von einer Macht erinnert Es ist ein Uberwaltigtwerden von Erinnerung 6 Sozialanthropologie Bearbeiten Lienhardt folgte den Grundsatzen der britischen Sozialanthropologie wie sie von Evans Pritchard formuliert wurden die Gesellschaften als moralische Systeme untersucht allgemeine Muster zu finden versucht und diese interpretiert 7 Die Dinka die Halbnomaden und Rinderzuchter sind und sich hauptsachlich um ihr Vieh kummern fand Lienhardt eher ungesellig im Vergleich zu den Ackerbau treibenden Anuak in deren Dorfgemeinschaften die Menschen dicht zusammenleben und wo er feine psychologische Strukturen im Wettbewerb um Macht die das Sozialgefuge pragen untersuchen konnte Machtverhaltnisse bei den Dinka beobachtete er als zwischen den beiden Clan Gruppen ausgeglichen der Clan der Speermeister war innerhalb der Gesellschaft fur die Rituale der Clan der Krieger war fur die Politik zustandig Eine subtile Unterscheidung traf Lienhardt zwischen der Ausdrucks und Wirkfunktion der Dinka Rituale also zwischen der symbolischen Handlung des Magiers und der Kontrollfunktion durch die menschliche Erfahrung Da somit der symbolische Anteil vom Ritual abgezogen war konnte er den magischen Kern als geringer zeigen An dieser Stelle gab es eine Fachdiskussion wie magisch primitive Religionen allgemein seien Mary Douglas brachte den Ausgleich indem sie dem hohen Anteil an Magie der anderswo in eng zusammenlebenden und hierarchischen Ackerbaugesellschaften beobachtet wurde die bei den Dinka wenig ritualisierte Religion einer verstreut lebenden und eher herrschaftslosen Viehzuchtergesellschaft entgegenhielt Sie folgerte daraus dass traditionelle Gesellschaften nicht notwendig religioser sein mussten als moderne 8 Werke BearbeitenDivinity and Experience The Religion of the Dinka Clarendon Press Oxford 1961 Reprint Oxford University Press 1988 ISBN 0 19 823405 8 Social Anthropology Oxford University Press London New York 1964 Reprint 1972 Einzelne Artikel Bearbeiten Some Notions of Witchcraft among the Dinka In Africa 21 1 1951 S 303 318 The Shilluk of the Upper Nile In Daryll Forde Hrsg African Worlds Studies in the Cosmological Ideas and Social Values of African People International African Institute Oxford University Press 1954 S 138 163 Nilotic Kings and Their Mothers Kin In Africa Journal of the International African Institute 25 1955 S 29 42 Anuak Village Headmen I In Africa Journal of the International African Institute 27 1957 S 397 400 Anuak Village Headmen II Village Structure and Rebellion In Africa Journal of the International African Institute 28 1958 S 23 36 The Western Dinka In J Middleton und D Tait Hrsg Tribes without Rulers London 1958 The Situation of Death An Aspect of Anuak Philosophy In Anthropological Quarterly 35 2 1962 S 74 85 Spater in Mary Douglas Witchcraft Confessions and Accusations 1970 Neuauflage Routledge London New York 2004 S 279 291 Evans Pritchard A Personal View In Man The Journal of the Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland N S 9 1974 S 299 304 Getting Your Own Back Themes in Nilotic Myth In Godfrey Lienhardt und John Hugh Marshall Beattie Hrsg Studies in social anthropology Essays in memory of Edward E Evans Pritchard by his former Oxford colleagues Oxford 1975 S 212 237 Self Public Private Some African Representations in the Category of the Person In Michael Carrithers u a Hrsg The Category of the Person Anthropology Philosophy History Cambridge University Press Cambridge 1985 S 141 155 Einzelnachweise Bearbeiten Paul Heelas und Andrew Lock Hrsg Indigenous Psychologies The Anthropology of Self Academic Press London 1981 Jeremy MacClancy und Chris McDonaugh Popularizing Anthropology Routledge London New York 1996 Lienhardt gewidmet Klaus Neumann Das Fremde verstehen Grundlagen einer kulturanthropologischen Exegese Band 2 Lit Verlag Berlin Hamburg Munster 2000 S 763 Divinity and Experience S 148 Fritz Kramer Der rote Fes Uber Besessenheit und Kunst in Afrika Athenaum Verlag Frankfurt 1987 Peter J Braunlein Bildakte Religionswissenschaft im Dialog mit einer neuen Bildwissenschaft In Brigitte Luchesi und Kocku von Stuckrad Hrsg Religion im kulturellen Diskurs de Gruyter Berlin 2004 S 219 Edward E Evans Pritchard Theorien uber primitive Religionen Suhrkamp Frankfurt 1981 S 24 Mary Douglas Ritual Tabu und Korpersymbolik Sozialanthropologische Studien in Industriegesellschaft und Stammeskultur S Fischer Verlag Frankfurt 1986 S 33f Eine Unterschatzung der magischen Elemente kritisierte Robin Horton Divinity and Experience Rezension in Africa 32 1 S 78 Weblinks BearbeitenWerke von Lienhardt im Katalog der SUB Gottingen Southern Sudan Pitt Rivers Museum Ronald Godfrey Lienhardt 1921 1993 Kurzbiografie Southern Sudan Pitt Rivers Museum Lienhardt in Dinkaland Fotografie von Lienhardt in Sudsudan um 1950 Southern Sudan Pitt Rivers Museum von Lienhardt in den 1950er Jahren in Sudan aufgenommene Fotos Normdaten Person GND 124704352 lobid OGND AKS LCCN n87932711 NDL 00523836 VIAF 91525545 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Lienhardt GodfreyALTERNATIVNAMEN Lienhardt Ronald GodfreyKURZBESCHREIBUNG britischer Anthropologe und ReligionswissenschaftlerGEBURTSDATUM 17 Januar 1921GEBURTSORT BradfordSTERBEDATUM 9 November 1993STERBEORT Oxford Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Godfrey Lienhardt amp oldid 234247644