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Rinde der Gewohnlichen Rosskastanie Aesculus hippocastanum als Ersatz der Chinarinde Ab der Mitte des 17 Jahrhunderts wurde die bitter schmeckende Chinarinde in Europa zur Behandlung von Wechselfiebern verwendet Die Rinde war sehr teuer Die Apothekertaxen gaben einen deutlich hoheren Preis fur Chinarinden als fur einheimische Rinden an Augsburger Pharmacopoe 1734 1 Wurttembergische Pharmacopoe 1741 2 Frankfurter Pharmakopoe 1747 3 Chinarinde 16 Cruc Flor 12 Kr Loth 80 Creutzer LothEschenrinde 1 Cruc Flor 1 Kr Loth 1 Creutzer LothRosskastanienrinde 2 Cruc Flor 2 Kr Loth 1 Creutzer LothAus Christoph Wilhelm Hufeland Armen Pharmacopoe 1810 1836 Zwei Rezepte zum Ersatz der ChinarindeAuf der Suche nach einem preisgunstigen einheimischen Ersatz fur die Chinarinde wurden im 18 Jahrhundert vor allem Rinden einheimischer Baume untersucht und zwar die Rinde der Esche ab 1712 die Rinde der Rosskastanie ab 1733 und die Rinde der Weide ab 1757 4 5 Der Apotheker Jacopo Zannichelli 1695 1759 in Venedig berichtete 1733 34 uber erfolgreiche Anwendungen der Rosskastanienrinde bei Dreitagefiebern die der deutsche Arzt Paul Heinrich Gerhard Mohring 1736 in seiner Praxis bei der Behandlung von Viertagefiebern jedoch nicht bestatigt fand 6 7 8 1763 machte H W Peipers in seiner Dissertation De cortice Hippocastani bekannt dass sein Lehrer Johann Gottlob Leidenfrost in Duisburg ab 1752 wenigstens 20 Personen die an Dreitagefieber litten durch die Behandlung mit Rosskastanienrinden geheilt hatte Peipers selbst hatte nach der Methode von John Pringle die faulnishemmenden Wirkungen der Rosskastanienrinde und der Chinarinde verglichen und war dabei zum Schluss gekommen dass Abkochungen aus der Rosskastanienrinde frisches Rindfleisch gleich gut konservierten wie Abkochungen aus der Chinarinde Wilhelm Heinrich Sebastian Bucholz wiederholte 1769 Peipers Versuche und verwendete fur die nach der Methode John Pringles angesetzten Versuche essentielle Salze der Rosskastanienrinde und der Chinarinde die er nach der Methode des Grafen Claude Toussaint Marot de La Garaye hergestellt hatte Er kam zu dem Ergebnis dass die faulniswidrige Wirkung der essentiellen Salze der Rosskastanienrinde nur unwesentlich geringer sei als die faulniswidrige Wirkung der essentiellen Salze der Chinarinde Demnach besitze das aus Rosskastanienrinde bereitete Salz eine starke fiebervertreibende Kraft 9 10 11 Die Akademie der Wissenschaften in Lyon kronte 1776 eine Preisschrift die Jean Francois Coste 1741 1819 Arzt am Koniglichen Militarspital in Calais und Remi Willemet Apotheker in Nancy gemeinsam verfasst hatten Coste und Willemet berichteten darin u a uber ihre Erfahrungen bei der Verwendung der Rosskastanienrinde als Ersatz fur die Chinarinde Sie gaben die Rosskastanienrinde im fieberfreien Intervall des Wechselfiebers entweder als Abkochung mit Zusatz von Sussholzwurzel oder als Latwerge mit Zusatz von Tausendguldenkraut Haselwurz und Pfirsichblutensirup Von funfzehn Kranken mit Drei und Viertagefieber wurden elf innerhalb von acht bis zehn Tagen ohne Ruckfall geheilt Drei Viertagefieber widerstanden wovon zwei in Wassersucht und Tod ubergingen obwohl auch die Chinarinde eingesetzt wurde Ein Patient bei dem weder Rosskastanienrinde noch Chinarinde heilten wurde bloss durch Veranderung der Luft wiederhergestellt 12 Auch William Cullen in Edinburgh hatte beobachtet wie die Rinde der Rosskastanie neben der Rinde der Esche als Chinarindenersatz erfolgreich verwendet wurde 13 In der Preussischen Pharmacopoe 3 Ausgabe 1799 wurde die Rosskastanienrinde aufgefuhrt und im Kommentar zu diesem amtlichen Arzneibuch von Karl Wilhelm Juch 1805 als vorzuglicher Ersatz der Chinarinde angepriesen 14 Ab der sechsten Auflage des Preussischen Arzneibuches 1848 war die Rosskastanienrinde ausgeschieden 15 In zwei Rezepten von Hufelands Armen Pharmacopoe 1810 1836 wurde eine Kombination der Rosskastanienrinde mit der Weidenrinde Cortex Salicis sowie mit den Zusatzstoffen Kalmuswurzel Radix Calami Enzianwurzel Radix Gentiana und Nelkenwurz Radix Caryophyllatae als Ersatz fur die Chinarinde angepriesen 16 Jean Louis Alibert erwahnte die Rosskastanienrinde ab 1814 dritte Auflage in seinen Nouveaux elements de therapeutique et de matiere medicale In den grossen Pariser Krankenhausern so auch in dem von ihm geleiteten Hopital Saint Louis war die Rinde als Ersatz fur die Chinarinde ohne jeden Erfolg bei der Behandlung von Kranken mit leichtem Dreitagefieber erprobt worden Als Nebenwirkungen wurden Erbrechen Magenbrennen Darmkoliken Brennen beim Wasserlassen Gesichtsschwellungen und Beinodeme beobachtet 17 18 Einzelnachweise Bearbeiten Augsburger Pharmacopoe Augsburg 1734 Taxa S 32 Digitalisat Wurttembergische Pharmacopoe Stuttgart 1741 Taxa S 12 Digitalisat Taxa pharmaceutica universalis Nurnberg 1747 Digitalisat Friedrich August Fluckiger Die Chinarinden in pharmacognostischer Hinsicht dargestellt Gartner Berlin 1883 Digitalisat Friedrich August Fluckiger Name und Geschichtliches In Kohler s Medizinal Pflanzen Eugen Kohler Gera 1887 Band I No 79 Cinchona Digitalisat Gian Jacopo Zannichelli 1695 1759 Lettera intorno alle Facolta dell Ippocastano 31 Juli 1733 In Raccolta d Opuscoli scientifici Band 10 1734 S 185 213 200 Digitalisat Paul Heinrich Gerhard Mohring in Commercio literario Norimbergensi 1736 S 20 Albrecht von Haller Herausgeber Onomatologia medica completa oder Medicinisches Lexicon das alle Benennungen und Kunstworter welche der Arzneywissenschaft und Apoteckerkunst eigen sind deutlich und vollstandig erklaret Gaumische Handlung Ulm Frankfurt am Main Leipzig 1755 Spalte 336 Digitalisat H Wilhelm Peipers De cortice Hippocastani Duisburg 1763 Digitalisat Wilhelm Heinrich Sebastian Bucholz De cortice hippocastani eiusque sale methodo Garrayana parato In Nova Acta Physico Medica Academiae Caesareae Leopoldino Carolino Naturae Curiosum Band 4 1770 S 264 269 Digitalisat Abhandlung von der wilden Kastanienbaumrinde und dem daraus nach Garyischer Art bereiteten Salze In Neues hamburgisches Magazin oder Fortsetzung gesammleter Schriften aus der Naturforschung der allgemeinen Stadt und Landoekonomie und den angenehmen Wissenschaften uberhaupt 10 Band 55 Stuck 1771 S 431 452 Digitalisat Johan Andreas Murray Apparatus medicaminum tam simplicium quam praeparatorum et compositorum in praxeos adiumentum consideratus Dieterich Gottingae Band IV 1787 S 62 76 Digitalisat Ludwig Christian Seger Ubersetzer Des Herrn Joh Andr Murray D Ritters des konigl Schwed Wasaordens ord Prof der Medic und Intendanten des konigl botan Gartens zu Gottingen Arzneyvorrath oder Anleitung zur praktischen Kenntniss der einfachen zubereiteten und gemischten Heilmittel Furstliche Waisenhausbuchhandlung Band IV Braunschweig 1788 S 70 85 Digitalisat Jean Francois Coste 1741 1819 und Remi Willemet Essais Botaniques chimiques et pharmaceutiques sur quelques plantes indigenes substituees avec succes a des vegetaux exotiques auxquels on a joint des observations medicinales sur les memes objets Veuve Leclerc Nancy 1778 S 57 Du maronnier d Inde Digitalisat Coste s und Willemet s botanische chemische und pharmazeutische Versuche uber die vornehmsten einheimischen Pflanzen die man mit Vorteil statt der auslandischen in der Heilkunde angewendet hat nebst medizinischen Beobachtungen und Erfahrungen Eine von der Akademie der Wissenschaften zu Lyon gekronte Preisschrift Aus dem Franzosischen ubersetzt mit Anmerkungen und neuen Erfahrungen vermehrt Kohler Leipzig 1792 S 72 Der Rosskastanienbaum Digitalisat William Cullen Lectures on the materia medica Lowndes London 1772 S 217 Digitalisat Deutsch Johann Dietrich Philipp Christian Ebeling 1759 1795 Weygand Leipzig 1781 S 221 Digitalisat Pharmacopoea Borussica 1799 3 Ausgabe S 18 Cortex Hippocastani Digitalisat Karl Wilhelm Juch Pharmacopoea Borussica 3 Ausg 1805 S 37 Cortex Hippocastani Digitalisat Friedrich Mohr Kommentar zur Preussischen Pharmacopoe 1849 Band II S 477 Register Digitalisat Christoph Wilhelm Hufeland Armen Pharmacopoe 3 Ausgabe 1818 S 50 Decoctum Chinae factitiae Digitalisat S 60 Pulvis Chinae factitius Digitalisat Mehr dazu S 30 31 unter Cortex Chinae flavae s regiae Digitalisat Jean Louis Alibert Nouveaux elements de therapeutique et de matiere medicale Suivis d un nouvel essai sur l art de formuler Crapart Paris 3 Auflage 1814 Band I S 93 95 Digitalisat Wolfgang Schneider Lexikon zur Arzneimittelgeschichte Sachworterbuch zur Geschichte der pharmazeutischen Botanik Chemie Mineralogie Pharmakologie Zoologie Govi Verlag Frankfurt a M Band 5 1 1974 S 50 Aesculus Digitalisat Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gewohnliche Rosskastanie in der Medizingeschichte amp oldid 233296072