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Die Bildung einer Gesamtstrafe ist die im deutschen und schweizerischen Strafrecht festgelegte Vorgehensweise wenn mehrere Taten die zueinander im Verhaltnis der Tatmehrheit stehen zu bestrafen sind Inhaltsverzeichnis 1 Deutschland 1 1 Voraussetzungen der Gesamtstrafenbildung 1 2 Bildung der Gesamtstrafe 1 2 1 Gesamtstrafenbildung durch Urteil 1 2 2 Nachtragliche Bildung der Gesamtstrafe 1 2 3 Nachholung der unterlassenen nachtraglichen Gesamtstrafenbildung 1 2 4 Jugendstrafrecht 2 Schweiz 3 EinzelnachweiseDeutschland BearbeitenVoraussetzungen der Gesamtstrafenbildung Bearbeiten Voraussetzung einer Gesamtstrafenbildung ist gemass 53 StGB dass mehrere Straftaten eines Taters gleichzeitig abgeurteilt werden Bei tateinheitlichen Taten stellt sich die Frage der Gesamtstrafenbildung daher nicht weil hier durch eine Tat mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzt sind sodass auch nur eine Strafe auszusprechen ist Bildung der Gesamtstrafe Bearbeiten Die Bildung der Gesamtstrafe ist im Einzelnen in 54 StGB geregelt Ist mindestens eine der Einzelstrafen die lebenslange Freiheitsstrafe so ist als Gesamtstrafe lebenslange Freiheitsstrafe zu verhangen Ubersteigt die Summe der verhangten Strafen 15 Jahre ohne dass eine lebenslange Freiheitsstrafe fur eines der abgeurteilten Delikte verhangt wurde so wird eine Gesamtstrafe gebildet die 15 Jahre nicht ubersteigen darf aber kurzer sein kann vgl unten Eine Gesamtgeldstrafe wird nach Tagessatzen nach dem gleichen Schema gebildet wie bei der Gesamtfreiheitsstrafe Sie kann bis zu 720 Tagessatze betragen Die Bildung einer Gesamtvermogensstrafe kommt wegen der Verfassungswidrigkeit der Vermogensstrafe nicht mehr in Betracht 1 Die Bildung der Gesamtstrafe erfolgt nach dem Asperationsprinzip durch angemessene Erhohung der hochsten Einzelstrafe sog Einsatzstrafe Welche Erhohung angemessen ist muss jeweils aufgrund der Umstande des Einzelfalles ermittelt werden wobei etwa die Personlichkeit des Taters und der Zusammenhang der einzelnen Taten eine Rolle spielen Die Gesamtstrafe darf gemass 54 Abs 2 Satz 1 StGB die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen Bestehen die Einzelstrafen aus Geldstrafen und Freiheitsstrafen ist die Gesamtstrafe Freiheitsstrafe ein Tagessatz Geldstrafe entspricht einem Tag Freiheitsstrafe 54 Abs 1 Satz 2 und Abs 3 StGB In der Praxis wird zur Berechnung der Gesamtstrafe haufig eine Faustformel angewandt Die Einsatzstrafe wird um die Halfte der Summe der weiteren Einzelstrafen erhoht Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ist es aber unzulassig die Gesamtstrafe rein rechnerisch zu ermitteln 2 Es kann also nicht ohne weiteres die Einsatzstrafe plus die Halfte vom Rest als Gesamtstrafe verhangt werden sondern es muss in jedem Einzelfall danach gefragt werden welche die angemessene Straferhohung ist Gesamtstrafenbildung durch Urteil Bearbeiten Grundsatzlich ist die Gesamtstrafe im Urteil zu bilden Dabei ist es gleichgultig ob das Gericht uber alle Einzeltaten zu befinden hat oder Strafen die durch fruhere rechtskraftig gewordene Urteile verhangt worden sind in die Gesamtstrafe einbezogen werden mussen 55 StGB Das Urteil weist im Urteilstenor zwar nur die Gesamtstrafe aus die Entscheidungsgrunde mussen jedoch erkennen lassen welche Einzelstrafen verhangt worden sind Nachtragliche Bildung der Gesamtstrafe Bearbeiten Die nachtragliche Gesamtstrafenbildung ist geregelt in 55 StGB Die Norm schafft einen Ausgleich dafur dass mehrere Taten nicht zusammen abgeurteilt wurden obwohl sie theoretisch gemeinsam hatten abgeurteilt werden konnen Der Vorteil bei gemeinsamer Aburteilung liegt fur den Tater darin dass eine Gesamtstrafe zu bilden ist 54 StGB und diese die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen darf Es gibt aber auch Konstellationen in denen sich die Bildung der Gesamtstrafe fur den Tater nachteilig auswirkt Voraussetzung fur die nachtragliche Gesamtstrafenbildung ist gemass 54 Abs 1 StGB eine fruhere Verurteilung Beispiel A bestiehlt B am 1 Januar 2009 Einen Monat spater am 1 Februar 2009 schlagt A den C Im Marz 2009 wird A wegen Korperverletzung angeklagt und zu einem Jahr auf Bewahrung verurteilt Im April 2009 findet der Prozess wegen des Diebstahls statt A wird wegen dieser Tat zu 6 Monaten auf Bewahrung verurteilt Waren beide Taten gemeinsam verhandelt worden so ware eine Gesamtstrafe zu bilden gewesen 53 StGB Diese hatte die Summe der Einzelstrafen also hier ein Jahr und sechs Monate nicht erreichen durfen Der Tater steht im geschilderten Fall also schlechter als in dem Fall in dem man beide Taten zugleich abgeurteilt hatte 55 StGB soll dieses Ergebnis verhindern Seine Voraussetzungen sind dass die fruhere Verurteilung die aus Marz 2009 weder vollstreckt noch verjahrt oder erlassen ist und der Angeklagte jetzt wegen einer Straftat verurteilt wird die er vor der fruheren Verurteilung begangen hat Diebstahl geschah im Januar und damit vor der Verurteilung der Korperverletzung im April Beide Voraussetzungen liegen im geschilderten Fall vor Allerdings gelingt auch unter Heranziehung von 55 StGB eine Gleichbehandlung der sukzessiven mit der gleichzeitigen Aburteilung nicht immer Gegebenenfalls ist im Rahmen der Strafzumessung dann ein Hartefall oder Nachteilsausgleich vorzunehmen Nachholung der unterlassenen nachtraglichen Gesamtstrafenbildung Bearbeiten Es kommt vor dass bei Ergehen eines Urteils das Gericht keine Kenntnis von der Existenz einer anderen rechtskraftig verhangten Strafe hatte sodass die Gesamtstrafenbildung unterbleibt obwohl die Voraussetzungen des 55 StGB vorgelegen hatten Fur diesen Fall sieht 460 StPO vor dass die verhangten Strafen nachtraglich auf eine Gesamtstrafe zuruckzufuhren sind Zustandig fur diese Entscheidung ist ublicherweise dasjenige Gericht das die hochste Einzelstrafe verhangt hat Waren fur diesen Fall mehrere Gerichte zustandig so fallt die Zustandigkeit dem Gericht zu dessen Urteil zuletzt ergangen ist 462a Abs 3 StPO Die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren durch Beschluss sie ist mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar Jugendstrafrecht Bearbeiten Im Jugendstrafrecht wird keine Gesamtstrafe sondern eine Einheitsstrafe 31 JGG verhangt was de lege ferenda selbst vom Bundesgerichtshof als vorzugswurdige Regelung bezeichnet wurde Schweiz BearbeitenNach schweizerischem Strafgesetz wird der Tater sofern er durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen fur mehrere gleichartige Strafen erfullt zur Strafe der schwersten Straftat verurteilt welche angemessen erhoht wird jedoch nicht mehr als um die Halfte Art 49 StGB Konkurrenz Einzelnachweise Bearbeiten vgl BVerfGE 105 135 u a BGH Beschluss vom 17 Januar 2008 Az GSSt 1 07 Volltext Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gesamtstrafe amp oldid 223851208