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Genus proximum et differentia specifica ist die abgekurzte Form der scholastischen Formulierung der klassischen Definitionsregel definitio fi a t per genus proximum et differentiam specificam Diese auf Aristoteles zuruckgehende Regel nach der eine Definition durch Angabe der nachsthoheren Gattung und der spezifischen Differenz zu erfolgen hat war bis zur traditionellen Logik im 19 Jahrhundert kanonisch Noch bei John Locke 1632 1704 hiess es nicht anders A definition must consist of Genus and Differentia 1 Genus proximum steht dabei fur die nachste Gattung Gattungsbegriff differentia specifica fur den eigentumlichen Unterschied Artunterschied Gattung und Art bezieht sich dabei auf das zu wahlende Paar Oberbegriff Unterbegriff siehe Begriffstypen und nicht die in der Biologie gebrauchlichen Fachtermini Gattung und Art Beispiel Der Begriff Mensch lasst sich als vernunftbegabtes Lebewesen definieren Lebewesen steht hierbei fur die ubergeordnete Gattung Der Mensch gehort zu den Lebewesen vernunftbegabt fur den charakteristischen Unterschied Von allen Lebewesen besitzt nur der Mensch die Anlage zur Vernunft Demgegenuber ware die Definition des Menschen als auf zwei Beinen gehendes Lebewesen ungenau namlich zu weit da nicht nur Menschen sondern auch Vogel sofern sie sich am Boden fortbewegen auf zwei Beinen gehen Zu eng ware die Definition des Menschen als Staaten bildendes Lebewesen da sie nicht alle Menschen umfasste denn es gibt Menschen die in sozialen Verbanden zusammenleben die nicht den Charakter von Staaten besitzen Aristoteles Wort vom Menschen als einem zoon politikon ist insofern keine Definition sondern eine Wesensbeschreibung Es kommt bei dieser Weise des Definierens auf das Zusammenspiel von genus und differentia an Was genau genus proximum und differentia specifica wird hangt vom Diskursuniversum und der Verteilung der Merkmale uber die zu klassifizierenden Individuenmenge ab unter Umstanden gibt es mehrere Losungen am Beispiel des Menschen etwa ungefiederter Zweibeiner neben vernunftbegabtes Lebewesen Denn im Falle wo es keine denkenden Pflanzen intelligenten Pilze usw gibt reicht die Differenz vernunftbegabt hin um aus dem umfangreichen Genus Lebewesen einen Begriff herauszuschneiden der alle Menschen und nur Menschen umfasst Die klassische Gattung Artmerkmal Definition fuhrt zu einer hierarchischen Klassifikation oder setzt diese voraus Dies wird in der Arbor porphyriana veranschaulicht Gattung z B Lebewesen Art 1 z B Mensch artbildenderUnterschied z B vernunftbegabt Art 2 z B Tier Kritik der klassischen Definitionsregel BearbeitenVerschiedene Kritikpunkte wurden gegen diese Definitionsregel vorgebracht Exklusivitat Gegen die klassische Definitionsregel wird eingewandt dass sie nicht die einzige Definitionsart sei 2 Sie war aber schon fur Aristoteles nicht die einzige Moglichkeit der Definition 1 Relativitat Gegen die Gattung Artmerkmal Definition wird eingewandt dass es vom jeweiligen Wissensstand abhange was als nachsthohere Gattung anzusehen sei 2 Dies bedeutet aber zunachst nur dass man jede Definition hinterfragen muss und Definitionen vielfach perspektivische ideologische theorieabhangige Setzungen sind Diese Problematik betrifft andere Definitionsarten ebenso Unanwendbarkeit unabhangig von einer essentialistischen Metaphysik Ernst Cassirer wandte gegen die Aristotelische Definitionslogik ein dass sie in Bezug auf eine Menge von Objekten ihre gemeinsamen Merkmale herausgreife und diese zu Eigenschaften der Gattung erklare Abseits der Biologie fuhre diese Art Begriffe zu definieren in die Irre etwa wenn man Fleisch und Kirschen unter dieselbe Gattung gruppiere weil es sich um saftige rote Lebensmittel handle Die Aristotelische Definitionslogik mache nur vor dem Hintergrund der Aristotelischen Metaphysik Sinn weil nur diese die Annahme eines Gattungswesens legitimiere unter das sich einzelne Falle als Arten gruppieren lassen Der Fall wird dann als Ausdruck oder Verwirklichung des Gattungswesens verstanden Man sieht dann in einzelnen Menschen Verkorperungen eines Gattungswesens das durch sie hindurch wirkt 3 Wegen der angeblichen Unhaltbarkeit von metaphysischen Wesensunterstellungen wurde der Aristotelische Essentialismus daher in grossen Teilen der Philosophie durch nominalistische Begriffsdefinitionen ersetzt Popper Kuhn Lakatos Rorty Mangelnde Objektivierbarkeit Gegen die Definitionsregel wird eingewandt dass sie einen abstrakten Begriff durch Bezugnahme auf noch abstraktere Begriffe fest lege 4 Sie stelle daher den Erkenntnisprozess nicht dar 4 Dagegen ist zu sagen dass die Gattung Artmerkmal Definition der Sache nach auf einer klassenlogische n Operation der Durchschnittsbildung 2 beruht und daher zu einer Prazisierung fuhrt Nicht ohne Grund beruhen umgangssprachliche Definitionen zumeist auf dem Gattungs Art Schema 5 Dass sie den Erkenntnisprozess nicht darstellt erscheint nicht als Mangel wenn man sie als zu begrundendes Ergebnis eines solchen auffasst Beschrankter Anwendungsbereich Der Definitionsregel wird entgegengehalten sie habe nur einen sehr beschrankten Anwendungsbereich 2 Sie soll allerdings in der Umgangssprache ganz vorherrschend sein Unexaktheit Die Definitionsregel sei vermutlich uberhaupt nicht anwendbar wenn man versucht den Begriffen genus und differentia einen exakten Sinn zu geben 2 Es durfte jedoch ausreichen diese als Oberbegriff und spezifisches Begriffsmerkmal zu interpretieren Bindung an die aristotelische Ontologie und Wesensauffassung Die Gattung Differenz Definition war fur Aristoteles eine metaphysische Realdefinition des Wesens einer Sache Dieser Interpretation muss man jedoch nicht folgen Eine Gattungs Artdifferenz Definition ist auch dann sinnvoll wenn man die Moglichkeit einer Wesensdefinition ablehnt Die klassische Definitionsregel ist trotz dieser Kritikpunkte als Grundmodell 6 weiterhin fur sehr viele Falle brauchbar 7 Literatur BearbeitenHartmut Westermann Unterschied spezifischer In Historisches Worterbuch der Philosophie Bd XI Schwabe Basel 2001 Sp 313 325 Einzelnachweise Bearbeiten a b Bernd Buldt genus proximum In Jurgen Mittelstrass Hrsg Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie 2 Auflage Bd 3 Metzler Stuttgart Weimar 2008 a b c d e Wilhelm K Essler Einfuhrung in die Logik Kroners Taschenausgabe Band 381 2 erweiterte Auflage Kroner Stuttgart 1969 DNB 456577998 S 249 f Cassirer Substanzbegriff und Funktionsbegriff 2 Auflage Berlin 1923 S 5 11 a b Reichenbach Grundzuge der symbolischen Logik 1999 S 21 Thomas Zoglauer Einfuhrung in die formale Logik fur Philosophen 1999 S 19 Alle umgangssprachlichen Definitionen haben die gleiche Struktur scilicet der Definition durch genus proximum und differentia specifica Fischer Kolleg Abiturwissen Deutsch 2002 S 166 Albert Menne Definition In Krings Baumgartner Wild Handbuch Philosophischer Grundbegriffe 1973 S 268 271 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Genus proximum et differentia specifica amp oldid 211471665