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Die Galerkin Methode auch Galerkin Verfahren bzw Galerkin Ansatz nach Boris Galerkin 1915 ist ein numerisches Verfahren zur naherungsweisen Losung von Operatorgleichungen wie beispielsweise partiellen Differentialgleichungen Sie stellt die gebrauchlichste Variante der Methode der gewichteten Residuen dar bei der das resultierende Residuum einer Naherungslosung minimiert wird Inhaltsverzeichnis 1 Kurzfassung 2 Herleitung 3 Zur variationellen Formulierung der Anfangswertaufgabe 4 Detailliertere Darstellung 4 1 Vorgehensweise 4 2 Beispiel 4 3 Anwendungsgebiet 5 Weiterfuhrende Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseKurzfassung BearbeitenJohn William Strutt und Walter Ritz haben die in Variationsproblemen gesuchte Funktion als Linearkombination von Basisfunktionen angesetzt und damit das Variationsproblem auf ein gewohnliches Problem der Optimierung einer Funktion von endlich vielen Parametern zuruckgefuhrt 1 Fur eine Operatorgleichung T f x 0 x I displaystyle T left f x right 0 quad x in I nbsp kann die gesuchte Funktion f displaystyle f nbsp ebenso angesetzt werden etwa als f x i c i F i x x I displaystyle f left x right sum i c i Phi i left x right quad x in I nbsp was substituiert in die Operatorgleichung auf der linken Seite des Gleichheitszeichens eine von den Koeffizienten c i displaystyle c i nbsp abhangige Funktion ergibt Nach der Methode der gewichteten Residuen wahlt man die freien Koeffizienten c i displaystyle c i nbsp so dass diese Funktion im Testraum der von gewissen Basisfunktionen PS j x displaystyle Psi j x nbsp aufgespannt wird verschwindet d h orthogonal zu diesen Basisfunktionen wird Damit erhalt man folgende Gleichungen fur alle Kombinationen i j displaystyle i j nbsp I PS j x T i c i F i x d x 0 displaystyle int I Psi j x T left sum i c i Phi i x right dx 0 nbsp zur Bestimmung der c i displaystyle c i nbsp Diese Bedingung wird auch Galerkin Orthogonalitat genannt Falls der Operator linear ist lassen sich diese Gleichungen als ein lineares Gleichungssystem A c 0 displaystyle A c 0 nbsp darstellen mit A j i I PS j x T F i x d x displaystyle A j i int I Psi j x T left Phi i x right dx nbsp Fur PS j x ϕ x x j displaystyle Psi j x phi x x j nbsp wobei ϕ displaystyle phi nbsp eine feste Funktion ist haufig eine Radiale Basisfunktion erhalt man ein Punkt Kollokationsverfahren Fur PS j x F j x displaystyle Psi j x Phi j x nbsp erhalt man das Galerkin Verfahren das vor allem in russischen Buchern auch Iwan Grigorjewitsch Bubnow 1911 1913 zugeschrieben wird dort also Bubnov Galerkin Verfahren heisst 2 Herleitung BearbeitenAusgangspunkt fur die Galerkin Methode ist eine sogenannte variationelle Formulierung der Anfangswertaufgabe 3 Sei also die Anfangswertaufgabe AWA gegeben mit u t f t u t u t 0 u 0 displaystyle u t f t u t u t 0 u 0 nbsp auf einem Intervall I t 0 t 0 T displaystyle I t 0 t 0 T nbsp Ausserdem nehmen wir die AWA als global Lipschitz stetig an D h dass eindeutige Losungen existieren Satz von Picard Lindelof Dann wird die Differentialgleichung der Anfangswertaufgabe nun zunachst mit einer Testfunktion ϕ displaystyle phi nbsp multipliziert und uber das Losungsintervall I displaystyle I nbsp integriert Wir erhalten aus der AWA u t f t u t u t ϕ t f t u t ϕ t I u t ϕ t d t I f t u t ϕ t d t displaystyle u t f t u t Rightarrow u t phi t f t u t phi t Rightarrow int I u t phi t dt int I f t u t phi t dt nbsp Diese Beziehung ist sinnvoll fur jede stetige und stuckweise stetig differenziertere Funktion u displaystyle u nbsp Der Vektorraum all dieser Funktionen sei ab hier mit V displaystyle V nbsp benannt Stuckweise bedeutet hier dass die Differenzierbarkeit nur bis auf endlich viele Ausnahmestellen in I displaystyle I nbsp gefordert wird Das linke Integral ist stuckweise als Summe von Teilintegralen zu verstehen 3 Jede Funktion u displaystyle u nbsp die die Anfangsbedingungen des Startwertes erfullt und der integralen Beziehung fur jede Testfunktion ϕ displaystyle phi nbsp genugt ist auch Losung der Anfangswertaufgabe Die Galerkin Methode bestimmt eine Naherungslosung u h displaystyle u h nbsp in einem endlich dimensionalen Teilraum V h V displaystyle V h subset V nbsp durch die Vorschriften des Startpunktes u h t 0 u 0 displaystyle u h t 0 u 0 nbsp und der Integralgleichung im Teilraum I u h t ϕ h t d t I f t u h t ϕ h t d t displaystyle int I u h t phi h t dt int I f t u h t phi h t dt nbsp fur ein beliebiges ϕ h W h displaystyle phi h in W h nbsp Der diskrete Testraum W h displaystyle W h nbsp ist in der Regel anders als V h displaystyle V h nbsp zu wahlen Wahle bspw V h v h I R v h C I v h t n 1 t n P 1 n 1 N displaystyle V h v h I rightarrow mathbb R v h in C I v h t n 1 t n in P 1 n 1 dots N nbsp W h ϕ h I R ϕ h t n 1 t n P 0 n 1 N displaystyle W h phi h I rightarrow mathbb R phi h t n 1 t n in P 0 n 1 dots N nbsp Man kann die integrale Bestimmungsgleichung auf jedes einzelne Teilintervall t n 1 t n displaystyle t n 1 t n nbsp einschranken da die Testfunktionen nur stuckweise stetig sein mussen 3 u h t n u h t n 1 t n 1 t n u h t d t t n 1 t n f t u t d t displaystyle u h t n u h t n 1 int t n 1 t n u h t dt int t n 1 t n f t u t dt nbsp u h t n u h t n 1 t n 1 t n f t u t d t displaystyle Rightarrow u h t n u h t n 1 int t n 1 t n f t u t dt nbsp Das bedeutet Die Galerkin Methode ist ein Zeitschrittverfahren 3 Wertet man bspw das Integral auf der rechten Seite mit der Trapezregel aus dann erhalten wir fur die Werte y n u h t n displaystyle y n u h t n nbsp y n y n 1 1 2 h n f t n y n f t n 1 y n 1 displaystyle y n y n 1 frac 1 2 h n f t n y n f t n 1 y n 1 nbsp Zur variationellen Formulierung der Anfangswertaufgabe BearbeitenAusgangspunkt sind wie im Abschnitt der Herleitung die AWA mit Lipschitz Bedingung und I t 0 t 0 T displaystyle I t 0 t 0 T nbsp Auftretende Funktionen konnen auch vektorwertig sein und lt gt displaystyle lt gt nbsp bezeichnet das euklidische Skalarprodukt Fur eine Funktion u C 1 I d displaystyle u in C 1 I d nbsp also eine einmal komplexwertig differenziertere Funktion mit Dimension d da jeder Fall hohere Ordnung auf den Fall erster Ordnung zuruckgefuhrt werden kann mit dem Anfangswert u t 0 u 0 displaystyle u t 0 u 0 nbsp ist die AWA und die aquivalente Formulierung in der Herleitung aquivalent zu I lt u f t u ϕ gt d t 0 ϕ C I d displaystyle int I lt u f t u phi gt dt 0 quad forall phi in C I d nbsp Da die Funktionen ϕ displaystyle phi nbsp beliebig variieren durfen wird diese Formulierung der AWA variationell genannt 4 Geometrisch ausgedruckt besagt die variationelle Formulierung der AWA dass das Residuum der Losungsfunktion u displaystyle u nbsp R u u f lt u gt displaystyle R u u f lt u gt nbsp bzgl des Skalarproduktes von L 2 I d displaystyle L 2 I d nbsp orthogonal zu allen Testfunktionen ϕ C I d displaystyle phi in C I d nbsp 4 Detailliertere Darstellung BearbeitenVorgehensweise Bearbeiten Das Residuum ist in dem betrachteten Gebiet verteilt Es wird mit geeigneten Wichtungsfunktionen gewichtet daher der Ausdruck gewichtete Residuen Das Integral des uber dem Gebiet gewichteten Residuums soll moglichst klein sein oder besser noch ganz verschwinden Die Wichtungsfunktionen haben Parameter deren Anzahl der Zahl der Freiheitsgrade des Systems entspricht Diese fuhren zu genauso vielen Gleichungen und damit zu dem gleichen grossen Gleichungssystem das aus der Finite Elemente Methode bekannt ist Bei der Galerkin Methode sind die Wichtungsfunktionen identisch mit den Ansatzfunktionen in den Elementen Beispiel Bearbeiten Sei D displaystyle D nbsp ein Differentialoperator Gesucht ist die Losung u x displaystyle u x nbsp der Differentialgleichung D u x f x 0 displaystyle D u x f x 0 nbsp Gleichung 1 mit einer vorgegebenen Funktion f x displaystyle f x nbsp und zusatzlich Randbedingungen fur u displaystyle u nbsp Dazu wird eine Naherungslosung v displaystyle v nbsp fur u displaystyle u nbsp angesetzt als Linearkombination von Basisfunktionen F i x displaystyle Phi i x nbsp aus einem Funktionenraum V displaystyle V nbsp v x i 1 N c i F i x displaystyle v x sum i 1 N c i Phi i x nbsp mit noch zu bestimmenden Koeffizienten c i displaystyle c i nbsp Die Funktion v displaystyle v nbsp erfullt im Allgemeinen noch nicht die Differentialgleichung 1 es bleibt ein Residuum r x D v x f x displaystyle r x D v x f x nbsp In dem Raum V displaystyle V nbsp sei ein inneres Produkt h g displaystyle langle h g rangle nbsp definiert fur das gilt dass g 0 displaystyle g 0 nbsp ist falls h g 0 displaystyle langle h g rangle 0 nbsp fur alle Funktionen h displaystyle h nbsp aus V displaystyle V nbsp ist Das innere Produkt ist haufig definiert als h g h x g x d x displaystyle langle h g rangle int h x g x dx nbsp Haufig kann man nicht die exakte Losung bestimmen fur die w r displaystyle langle w r rangle nbsp fur jede Testfunktion w displaystyle w nbsp verschwindet und damit das Residuum auch sondern nur eine Naherungslosung fur die das innere Produkt des Residuums mit einer Menge ausgewahlter linear unabhangiger Gewichtsfunktionen w displaystyle w nbsp verschwindet w r 0 displaystyle langle w r rangle 0 nbsp Beim Galerkin Verfahren werden als Gewichtsfunktionen gerade die Basisfunktionen F j displaystyle Phi j nbsp j 1 N displaystyle j 1 dots N nbsp von V displaystyle V nbsp gewahlt so dass sich ein Gleichungssystem fur die Koeffizienten c i displaystyle c i nbsp ergibt F j D i 1 N c i F i f 0 displaystyle left langle Phi j D left sum i 1 N c i Phi i right f right rangle 0 nbsp Anwendungsgebiet Bearbeiten Die Galerkin Methode ist anwendbar wenn kein naturliches Extremalprinzip fur die Losung der Differentialgleichung existiert Sie ist somit eine Grundlage der Finite Elemente Methode und dehnt deren Anwendbarkeit auf weitere physikalische Problemstellungen Kontinuumsprobleme aus die ein solches naturliches Extremalprinzip nicht besitzen Beispiele dafur sind stationare oder instationare Stromungen Ein naturliches Extremalprinzip naturliches Variationsprinzip existiert dagegen z B bei mechanischen Problemen der Festkorpermechanik bei denen der Energieinhalt ein Minimum haben muss Nach Olgierd Cecil Zienkiewicz ist die Galerkin Losung identisch mit einer naturlichen Variationslosung oder lasst sich zumindest so interpretieren Die Finite Elemente Methode FEM ist ein spezielles Ritz Galerkin Verfahren 5 Weiterfuhrende Literatur BearbeitenH R Schwarz Methode der Finiten Elemente Leitfaden der angewandten Mathematik und Mechanik Band 47 Teubner Stuttgart 1984 ISBN 3 519 12349 5 Olgierd Cecil Zienkiewicz Robert Lee Taylor The Finite Element Method 4 Auflage Band 1 Basic Formulation and Linear Problems McGraw Hill Book Company London 1989 ISBN 0 07 084174 8 Junuthula Narasimha Reddy Energy Principles And Variational Methods In Applied Mechanics 2 Auflage John Wiley amp Sons New York 2002 ISBN 0 471 17985 X Leseprobe books google de Daniel S Weile Raymond A Wildman Greeshma Pisharody Anuraag Mohan Galerkin Method Rayleigh Ritz Method In Encyclopedia of RF and Microwave Engineering John Wiley Hoboken N J 15 April 2005 ISBN 0 471 65450 7 doi 10 1002 0471654507 eme142 Rolf Rannacher Numerik 1 Numerik gewohnlicher Differentialgleichungen Lecture Notes Mathematik Universitatsverlag Heidelberg 2017 ISBN 978 3 946054 32 0 S 9 10 doi 10 17885 heiup 258 342 Weblinks BearbeitenGalerkin method encyclopediaofmath org Methode der gewichteten Residuen tuwien ac at Galerkin s Method Memento vom 22 Marz 2014 im Internet Archive mathfaculty fullerton eduEinzelnachweise Bearbeiten Zienkiewicz The Finite Element Method 4 Auflage Band 1 S 35 Zienkiewicz The Finite Element Method 4 Auflage Band 1 S 215 a b c d Rolf Rannacher Numerik 1 Numerik gewohnlicher Differentialgleichungen Heidelberg 2017 S 9 10 a b Rolf Rannacher Numerik 1 Numerik gewohnlicher Differentialgleichungen Heidelberg 2017 S 151 f Finite Elemente Methode und Galerkin Methode In Guido Walz Hrsg Lexikon der Mathematik Band 2 Eig bis Inn Springer Spektrum Mannheim 2017 ISBN 978 3 662 53503 5 S 157 S 227 228 doi 10 1007 978 3 662 53504 2 archive org Normdaten Sachbegriff GND 4155831 5 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Galerkin Methode amp oldid 233245207