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Das Freie Judische Lehrhaus war eine judische Einrichtung zur Erwachsenenbildung Es geht auf die 1920 gegrundete Judische Volkshochschule in Frankfurt am Main zuruck Erster Leiter dieser Einrichtung war Franz Rosenzweig der wie viele seiner judischen Zeitgenossen auf der Suche nach gemeinschaftsstiftenden Elementen fur die europaischen Juden war Anders als der Zionismus sah Rosenzweig die judische Kultur und nicht einen eigenen Staat als entscheidend an Diese Auffassung bildete die Grundidee des Freien Judischen Lehrhauses Das ubergeordnete Ziel war die selbstbewussten gebildeten Juden die ihre spirituelle und intellektuelle Heimat ausserhalb des Judentums hatten fur das Judentum zuruckzugewinnen sie wieder mit den metaphysischen und religiosen Hintergrunden des traditionellen Glaubens vertraut zu machen Geschichte Bearbeiten nbsp Vorlesungsverzeichnis des Lehrhauses vom 8 Januar bis zum 8 Marz 1923Rosenzweig gab der Judischen Volkshochschule kurz nach ihrer Grundung den Namen Lehrhaus angelehnt an traditionelle judische Religions und Sprachschulen Wichtigstes Lehrfach war die hebraische Sprache vermittelt anhand der Bibel und spaterer Texte Unter den weitgehend assimilierten deutschen Juden waren aber nur wenige Lehrer fur diese Themen zu finden Deshalb entwickelten Rosenzweig und seine Mitarbeiter Strukturen in denen Lernende und Dozenten gemeinsam und nicht im Frontalunterricht an den Texten arbeiteten Belehrung der Unwissenden durch die Unwissenden 1 Dieses neue padagogische Konzept wurde schnell popular so dass zahlreiche prominente Wissenschaftler als Dozenten an das Freie Judische Lehrhaus kamen unter ihnen Martin Buber Leo Lowenthal Benno Jacob aber auch Naturwissenschaftler wie der Arzt Richard Koch der Chemiker Eduard Strauss die Feministin Bertha Pappenheim und Siegfried Kracauer ein popularer Kulturkritiker der Frankfurter Zeitung Unter denen die spater beruhmt wurden waren S Y Agnon der den Nobelpreis fur Literatur erhielt und Gershom Scholem der Begrunder moderner Studien zur Kabbala Auch der expressionistische Schriftsteller Alfons Paquet der das Verhaltnis von Christentum und Judentum adressierte nahm an den Kursen teil nbsp Preisliste und Informationen zu den Rahmenbedingungen des Lehrhauses 1923Teilnehmer der Kurse waren anders als in deutschen Volkshochschulen vor allem Mitglieder des gehobenen Burgertums Die orthodoxen Juden die etwa ein Funftel der judischen Gemeinde Frankfurts bildeten boykottierten das Lehrhaus 1922 wurden 1100 Horer gezahlt Das waren etwa vier Prozent der gesamten Gemeinde die damals etwa dreissigtausend Mitglieder hatte Damit war das Freie Judische Lehrhaus eine der am starksten frequentierten Volkshochschulen dieser Zeit und wohl die wichtigste Einrichtung der judischen Erwachsenenbildung uberhaupt Daruber hinaus stellte es einen Ort fur programmatische Diskussionen zwischen den verschiedenen politischen Stromungen des europaischen Judentums dar Als nach einigen Jahren der Besuch des Lehrhauses wieder zuruckging lag dies auch im hohen Niveau der Kurse und Torah Studien begrundet Rosenzweig hatte aber bewiesen dass Judaismus nichts mit Obskurantismus und Ruckwartsgewandheit zu tun hatte Der Erfolg des Frankfurter Lehrhauses fuhrte in den 1920ern zur Grundung weiterer Lehrhauser in Deutschland in Berlin Breslau Koln Dresden Karlsruhe Mannheim Stuttgart und Wiesbaden Das Lehrhaus hatte entgegen seines Namens keine feste Adresse und versammelte sich an verschiedenen Orten hauptsachlich im Umfeld des Frankfurter Westends 1923 fanden Veranstaltungen beispielsweise in den Raumen der heute dort nicht mehr existierenden Elisabethenschule in der Borsestrasse 7 statt 2 1938 wurde das Freie Judische Lehrhaus vom NS Regime geschlossen Literatur BearbeitenEvelyn Adunka und Albert Brandstatter Hrsg Das Judische Lehrhaus als Modell lebensbegleitenden Lernens Passagen Verlag ISBN 3 85165 391 2 Wolfgang Schivelbusch Intellektuellendammerung Zur Lage der Frankfurter Intelligenz in den zwanziger Jahren Insel Frankfurt am Main 1982 Taschenbuch Suhrkamp TB 1121 Frankfurt am Main 1985 ISBN 3 518 37621 7 darin Auf der Suche nach dem verlorenen Judentum Das Freie Judische Lehrhaus S 35 51 Paul Mendes Flohr Freies judisches Lehrhaus In Dan Diner Hrsg Enzyklopadie judischer Geschichte und Kultur EJGK Band 2 Co Ha Metzler Stuttgart Weimar 2012 ISBN 978 3 476 02502 9 S 376 378 Martin Jay 1920 The Free Jewish School is founded in Frankfurt am Main under the leadership of Franz Rosenzweig In Sander L Gilman Jack Zipes Hrsg Yale companion to Jewish writing and thought in German culture 1096 1996 New Haven Yale Univ Press 1997 S 395 400 Berndt Schaller Das Lehrhaus als Sprechraum und Sprechzeit In Isabell Schulz Grave Hrsg Lernen im freien judischen Lehrhaus BIS Verlag 1998 ISBN 3 8142 0647 9 PDF Einzelnachweise Bearbeiten Ruth Fuhner Auf der Suche nach den kulturellen Traditionen In Deutschlandfunk 17 Oktober 2005 abgerufen am 26 August 2021 Franz Rosenzweig Freies Judisches Lehrhaus Viertes Lehrjahr Zweiter Lehrgang 8 Januar bis 8 Marz Programmheft Frankfurt am Main 1923 In ORKA Open Repository Kassel Abgerufen am 6 September 2023 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Freies Judisches Lehrhaus amp oldid 237145339