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Das Finnsburg Fragment auch Finnsburglied ist ein nur bruchstuckhaft erhaltenes altenglisches Gedicht das von einem heroischen Kampf handelt in dem der Danenprinz Hnaef und seine sechzig Gefolgsleute versuchen die Burg des Friesenkonigs Finn vor ubermachtigen Angreifern zu verteidigen Nach den sprachwissenschaftlichen Studien der Germanisten und Mediavisten Felix Genzmer und Gerhard Eis ist der zeitliche und ortliche Ursprung im 8 Jahrhundert anzusetzen dem nach Genzmer ein friesisches Urlied des 5 Jahrhunderts vorausgegangen sein konnte 1 2 Der erhaltene Textabschnitt ist sehr kurz und voller heute schwer verstandlicher Andeutungen Der Vergleich mit anderen Texten der altenglischen Literatur insbesondere Beowulf legt jedoch nahe dass das Gedicht sich mit einem Konflikt zwischen Danen und Friesen im Friesland der Volkerwanderungszeit befasst und die Angreifer die Friesen um Anfuhrer Finn waren die ihre danischen Gaste attackierten Inhaltsverzeichnis 1 Quellenlage 2 Inhalt 3 Verbindung zum Beowulf Epos 4 Wissenschaftliche Einordnung 5 Religiose Aspekte 6 Literatur 6 1 Editionen und Ubersetzungen 6 2 Veroffentlichungen 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseQuellenlage BearbeitenDie Finnsburggeschichte findet sich einerseits als fruhes Liedfragment andererseits als Episode in das Jahrhunderte spater entstandene Grossepos Beowulf eingebettet Dabei vollzog sich nach Warwitz 3 eine Abmilderung der Kampfheroik So fehlt im Beowulf etwa die heldische Verteidigung der Halle die im Lied noch im Mittelpunkt steht Stattdessen rucken die tragische Frauengestalt Hildeburh mit ihrem Sippenkonflikt in den Vordergrund und der bruchige Waffenstillstand der Kriegsparteien Ebenso fehlt die eindrucksvolle Vorstellung und Darstellung der Einzelkampfer des fruhen Liedes Der heute bekannte Text ist die Abschrift eines losen Manuskriptfolios das einst in Lambeth Palace der Londoner Residenz der Erzbischofe von Canterbury aufbewahrt wurde Der britische Gelehrte George Hickes fertigte die Abschrift im spaten 17 Jahrhundert an und veroffentlichte den fragmentarischen Text im Jahr 1705 in einer Anthologie des Alt Angelsachsischen 4 Diese Anthologie enthielt auch die erste Bezugnahme auf das einzig bekannte Manuskript des Beowulf Epos In spaterer Zeit ging das Originalmanuskript verloren oder wurde gestohlen Inhalt BearbeitenDas Fragment ist nur etwa 50 Zeilen lang und lasst keine eindeutigen Ruckschlusse auf die Stammeszugehorigkeiten der Beteiligten zu Tolkien 5 und Klaeber 6 haben die Stamme der beteiligten Parteien aber als die Danen und die Friesen ausgemacht Der Text beschreibt einen Kampf in dem Hnaef Zeilen 2 und 40 aus anderen Texten als danischer Prinz bekannt an einem Ort namens Finnsborough also Finns Bollwerk oder Finns Burg Zeile 36 angegriffen wird Geht man hier vom Beowulf Epos aus ist dies offenbar der Sitz von Hnaefs Schwager Finn dem Herrscher der Friesen zu dem er gekommen ist um bei ihm den Winter zu verbringen Das Fragment beginnt mit Hnaefs Beobachtung das Licht welches er draussen sieht sei nicht die Morgenrote im Osten noch ist es der Flug eines Drachen noch sind die Giebel die brennen Was er sieht sind die Fackeln der nahenden Angreifer Hnaef und seine sechzig Gefolgsmanner halten die Tore des Gebaudes funf Tage lang ohne zu fallen Dann wendet sich ein verwundeter Krieger vom Kampfgeschehen ab um seinen Anfuhrer zu sprechen es ist nicht klar auf welcher Seite und das Fragment endet Weder die Ursache noch das Ergebnis des Kampfes werden beschrieben Verbindung zum Beowulf Epos BearbeitenEine zweite Version der Geschichte um Finnsburg erscheint in einer Passage des Beowulf Epos und einige der Charaktere wie Hnaef werden in anderen Texten erwahnt Die Episode im Beowulf Zeilen 1068 bis 1158 ist etwa 90 Zeilen lang und wird bei einem Fest zur Feier von Beowulfs letzter Heldentat in Form eines Liedes von Konig Hrothgars Barden gesungen In diesem Lied wird Hnaefs letzter Kampf als eine Fres Wael Friesische Schlacht bezeichnet Die Episode ist voller Anspielungen und eindeutig fur ein Publikum bestimmt das die Geschichte bereits gut kennt 7 Es beschreibt die Trauer einer Dame namens Hildeburh nach einem Uberraschungsangriff der Friesen auf die Danen Bei Hildeburh handelt es sich um Hnaefs Schwester die mit Finn dem Anfuhrer der Friesen in dem Bemuhen um Frieden zwischen den zwei Stammen verheiratet wurde Dieser Versuch blieb erfolglos und wird heute von vielen Wissenschaftlern als Quelle fur die Tragodie in dem Stuck angesehen 8 Sie trauert um den Verlust ihres Bruders Hnaef dessen toter Korper gemeinsam mit dem ihres und Finns Sohnes auf einem Scheiterhaufen verbrannt wurde Nach der Schlacht schworen sich der siegreiche Finn und eine Figur namens Hengest einen Treue Pakt Hengest ist nun der Anfuhrer der uberlebenden danischen Krieger 9 Die weiteren Umstande sind unklar aber Hnaefs Manner bleiben fur den Rest des Winters in Finnsburg Den Friesen wird aufgetragen sie nicht dafur zu verhohnen dass sie nun Finn dem Morder ihres Herrn folgen Am Ende wird Hengest aber von Rachedurst ubermannt und metzelt Finn und seine Manner in ihrer eigenen Methalle nieder Er plundert die Halle und nimmt Hildeburh mit zuruck zu ihrem Volk nach Danemark 10 Besonders eindrucksvoll ist nach Heusler 11 im Lied die ausserst knapp gehaltene aber bildstarke Geste mit der Hunhaf schweigend das Schwert Hnaefs auf den Schoss des Nachfolgers legt und damit den Rachekampf fur den ermordeten Gefolgsherrn auslost Es gibt mehrere Unterschiede zwischen der Finn Episode im Beowulf und dem Finnsburg Fragment Im Finnsburg Fragment ist die Frauengestalt der Hildeburh noch nicht erwahnt In der Beowulf Episode ist sie ein integraler Charakter der von allen Handlungsaspekten des Stuckes betroffen ist Hildeburh hat die Rolle einer tragischen Figur inne 12 Sie muss uber den Verlust ihres Bruders Hnaef den ihres Sohnes und vieler Danen trauern denen sie aus Verwandtschaftsgrunden verbunden war Gleichermassen war sie aber auch den Friesen durch ihre Heirat zur Treue verpflichtet Ihre Ehe wird grosstenteils als eine Pflichtehe keine Verbindung aus Liebe gewertet weshalb ihr Bezug zu den Friesen sicher schwacher war als zu ihren danischen Verwandten 13 Hildeburh und Hengest haben fur den Handlungsverlauf in der Beowulf Episode wichtige Rollen Hengest ist ein Anfuhrer und steuert einen Grossteil der Handlung Er ist derjenige der den Friesen einen festen soliden Frieden versprach und dann Finn in seinem eigenen Haus totete 14 Er wird nur einmal in dem Fragment erwahnt und hier nicht in einer wichtigen Rolle In Zeile 17 heisst es dass Hengest danach eintrat und Hengest sylf hwearf ihm laste Diese Lesart kann zwar so interpretiert werden dass hier durchaus Wert auf Hengest Anwesenheit in der Schlacht gelegt wird er wird aber nicht eindeutig einer Machtposition zugeordnet Wissenschaftliche Einordnung BearbeitenJ R R Tolkien studierte die uberlieferten Texte und versuchte zu rekonstruieren was die ursprungliche Geschichte hinter der des Finnsburg Fragments und der Finn Episode im Beowulf gewesen sein konnte Diese Studie wurde schliesslich zu dem Buch Finn und Hengest ausgearbeitet Tolkien argumentierte dass die Geschichte sehr wahrscheinlich als historisch anzusehen ist und es sich um keine blosse Legende handelt Tolkien wies ausserdem darauf hin dass der Begriff Finnsborough wahrscheinlich ein Fehler von entweder Hickes oder seinem Drucker war da die Wortkonstruktion sonst nirgendwo vorkommt Das Wort musste eigentlich Finnsburg heissen 15 Es ist jedoch nicht klar ob dies der tatsachliche Name der Statte war oder nur eine spater von den Dichtern erfundene Beschreibung fur diese Wo genau Finns Siedlung sich befand ist nicht bekannt Tolkien ging offenbar davon aus dass die Siedlung sich im Raum Angeln befunden haben durfte 16 Alte Sagen aus der Gegend verbinden zudem den Namen von Bau einem Ort bei Flensburg mit Beowulf 17 18 Einzigartig fur die heute noch erhaltene altenglische Literatur ist dass das Fragment keine christlichen Bezuge enthalt Auch die Verbrennung des gefallenen Hnaef ist eindeutig heidnisch 19 Es ist zwar ein sehr kurzer Text der zudem von einer Schlacht handelt aber die beiden Fragmente des etwa zeitgenossischen Kampf Gedichtes Waldere schaffen es wiederum explizit christliche Inhalte auf kaum mehr Platz einzubinden Religiose Aspekte BearbeitenObwohl das Finnsburg Fragment selbst kaum religiose Elemente enthalt erwahnt der Text im Beowulf einige Hier mischen sich verwirrenderweise heidnische und christliche Symbolik In jungster Zeit haben mehrere Forscher Erklarungen fur diesen Konflikt angeboten Christopher M Cain wies besonders darauf hin dass der christliche Autor das Gedicht mit Parallelen zum Alten Testament ausstattete um die vorchristliche Welt zu symbolisieren in der die Handlung sich abspielt 20 Dieser Ansatz wurde erklaren dass Charaktere wie Beowulf und Hrothgar einerseits in einer Weise handeln die moralisch keineswegs christlich genannt werden kann und andererseits trotzdem positiv als Helden stilisiert werden Im Gegensatz dazu verfolgte C Tidmarsh Major einen anderen Ansatz und untersuchte den Zustand der Religion zu der Zeit in der das Gedicht wahrscheinlich geschrieben wurde Im fruhen Mittelalter war das Christentum noch nicht einheitlich ebenso wenig das germanische Heidentum 21 Der Beowulf sei ein literarisches Beispiel fur die Uberlagerung und Verschmelzung von heidnischen und christlichen Uberzeugungen wie sie einander damals auch im Alltag begegneten Beide Argumente sind uberzeugend und bieten mogliche Erklarungen dafur warum die scheinbar widerspruchlichen Theologien sich in dem Gedicht und der Beschreibung der Helden vermengen Literatur BearbeitenEditionen und Ubersetzungen Bearbeiten J Hill Hrsg Old English Minor Heroic Poems Durham 1983 D K Fry Hrsg The Finnsburh Fragment and Episode London 1974 Dobbie Hrsg Anglo Saxon Poetic Records Vol 6 Anglo Saxon Minor Poems New York 1942 S 3 4 Frederick Klaeber Klaeber s Beowulf and the Fight at Finnsburg 4 Auflage University of Toronto Press Toronto 2008 ISBN 978 0 8020 9567 1 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche George Hickes Linguarum Veterum Septentrionalium Thesaurus grammatico criticus et archaeologicus Band 2 Oxford 1705 S 192 Veroffentlichungen Bearbeiten Gerhard Eis Kleine Schriften zur altdeutschen weltlichen Dichtung Amsterdam 1979 ISBN 90 6203 418 7 Gerhard Eis Drei deutsche Gedichte des 8 Jahrhunderts Berlin 1936 Felix Genzmer Beowulf und das Finnsburgbruchstuck Stuttgart 1953 Felix Genzmer Vorgeschichtliche und fruhgeschichtliche Zeit In Geschichte der deutschen Literatur 1962 S 23 Andreas Heusler Lied und Epos in germanischer Sagendichtung Dortmund 1905 Nachdruck Darmstadt 1956 Johannes Hoops Hrsg Das Finnsburglied In Reallexikon der germanischen Altertumskunde Band 15 Verlag de Gruyter Berlin New York 2 Auflage 2000 S 24 F Klaeber Hrsg Beowulf and the fight at Finnsburg 3 Auflage 1950 Nachdruck 1968 W Laur Die Heldensage vom Finnsburgkampf In Z f d A 85 1954 S 107 ff G Nickel Hrsg Beowulf und die kleineren Denkmaler der altenglischen Heldensage Waldere und Finnsburg 1982 Jan de Vries Heldenlied und Heldensage Francke Bern 1961 ISBN 3 317 00628 5 Siegbert Warwitz Die altgermanische Heldendichtung und ihr Verhaltnis zur Heldensage Munster 1963 Gernot Wieland Finnsburg Fragment In Lexikon des Mittelalters LexMA Band 4 Artemis amp Winkler Munchen Zurich 1989 ISBN 3 7608 8904 2 Sp 483 mit weiterer Literatur Weblinks BearbeitenVeroffentlichungen zum Finnsburg Fragment im Opac der Regesta Imperii Veroffentlichungen zu Finnsburh im Opac der Regesta ImperiiEinzelnachweise Bearbeiten Felix Genzmer Vorgeschichtliche und fruhgeschichtliche Zeit In Geschichte der deutschen Literatur 1962 S 23 Gerhard Eis Drei deutsche Gedichte des 8 Jahrhunderts Berlin 1936 Siegbert Warwitz Das Finnsburglied In Ders Die altgermanische Heldendichtung und ihr Verhaltnis zur Heldensage Munster 1963 S 14 17 Hickes Linguarum Veterum Septentrionalium Thesaurus grammatico criticus et archaeologicus Band 2 Oxford 1705 S 192 ff J R R Tolkien Finn and Hengest The Fragment and the Episode Houghton Mifflin Boston 1983 Frederick Klaeber Klaeber s Beowulf 4 Auflage University of Toronto Press Toronto 2008 Fulk Six Cruces in the Finnsburg Fragment and Episode Camargo The Finn Episode and the Tragedy of Revenge in Beowulf Liuzza Beowulf Liuzza Beowulf Andreas Heusler Lied und Epos in germanischer Sagendichtung Dortmund 1905 Nachdruck Darmstadt 1956 Camargo The Finn Episode and the Tragedy of Revenge in Beowulf Albano The role of women in Anglo Saxon culture Hildeburh in Beowulf and a curious counterpart in the Volsunga Saga S 1 10 Liuzza Beowulf Tolkien Bliss Finn and Hengest The Fragment and the Episode Finn and Hengest In Michael D C Drout Hrsg J R R Tolkien Encyclopedia Scholarship and Critical Assessment 2007 S 210 Bauer Landstrasse In Flensburger Strassennamen Gesellschaft fur Flensburger Stadtgeschichte Flensburg 2005 ISBN 3 925856 50 1 Karl Mullenhoff Sagen Marchen und Lieder der Herzogthumer Schleswig Holstein und Lauenburg Kiel 1845 Einleitung sowie die besagte Sage Tolkien Bliss Finn and Hengest The Fragment and the Episode Cain Beowulf the Old Testament and the Regula Fidei Major A Christian Wyrd Syncretism in Beowulf Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Finnsburg Fragment amp oldid 236712106