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Dieser Artikel beschreibt den Begriff der Filtration Filtrierung in der Wahrscheinlichkeitstheorie Fur einen allgemeineren Begriff in der Mathematik siehe Filtrierung Eine Filtrierung auch Filtration ist in der Theorie der stochastischen Prozesse eine Familie von geschachtelten s Algebren Sie modelliert die zu verschiedenen Zeitpunkten verfugbaren Informationen zum Verlauf eines Zufallsprozesses Inhaltsverzeichnis 1 Definition 2 Beispiele 2 1 Erstes Beispiel 2 2 Zweites Beispiel 3 Spezielle Filtrierungen 3 1 Erzeugte Filtrierung 3 2 Filtrierung der vollstandigen Information 3 3 Stetige Filtrierungen 3 4 Filtrierung von Stoppzeiten 3 5 Augmentierte Filtration 3 6 Standardfiltration und die ublichen Bedingungen 3 7 Vergrosserte Filtration 4 Verwendung des Begriffes 5 Literatur 6 EinzelnachweiseDefinition BearbeitenSeien W A P displaystyle Omega mathcal A P nbsp ein Wahrscheinlichkeitsraum T R displaystyle T subseteq mathbb R nbsp eine Indexmenge und F t t T displaystyle mathcal F t t in T nbsp eine aufsteigend geordnete Familie von Unter s Algebren von A displaystyle mathcal A nbsp das heisst F t A displaystyle mathcal F t subseteq mathcal A nbsp fur alle t T displaystyle t in T nbsp undF s F t displaystyle mathcal F s subseteq mathcal F t nbsp fur alle s t T displaystyle s t in T nbsp mit s t displaystyle s leq t nbsp Dann heisst die Familie von s Algebren F F t t T displaystyle mathbb F mathcal F t t in T nbsp eine Filtration oder Filtrierung in A displaystyle mathcal A nbsp oder auf W A P displaystyle Omega mathcal A P nbsp Ist F F t t T displaystyle mathbb F mathcal F t t in T nbsp eine Filtrierung so wird W A F t t T P displaystyle Omega mathcal A mathcal F t t in T P nbsp filtrierter Wahrscheinlichkeitsraum genannt Analog lassen sich Filtrierungen auch fur beliebige halbgeordnete Indexmengen T displaystyle T nbsp definieren 1 Beispiele BearbeitenErstes Beispiel Bearbeiten Betrachtet man als Beispiel einen Wahrscheinlichkeitsraum Z P Z P displaystyle mathbb Z mathcal P mathbb Z P nbsp mit abzahlbarer Grundmenge Z displaystyle mathbb Z nbsp die standardmassig mit der Potenzmenge als s Algebra ausgestattet ist so ware eine mogliche Filtrierung beispielsweise F n s P n n displaystyle mathcal F n sigma mathcal P n dots n nbsp Sie modelliert die Informationen dass man bis zum n ten Zeitschritt sich bis zu n Schritte vom Ursprung entfernt hat und ware beispielsweise die passende Filtrierung fur einen einfachen symmetrischen Random Walk Zweites Beispiel Bearbeiten Die Filtration fur einen T displaystyle T nbsp fachen Munzwurf mit Wahrscheinlichkeitsraum 0 1 T P 0 1 T P displaystyle 0 1 T mathcal P 0 1 T P nbsp ergibt sich aus dem Ziel zu modellieren dass zum Zeitpunkt t displaystyle t nbsp die Ausgange der ersten t displaystyle t nbsp Munzwurfe bekannt sind wahrend T t displaystyle T t nbsp noch ausstehen Man erhalt zum Zeitpunkt t displaystyle t nbsp also F t P 0 1 t 0 1 T t A P 0 1 T A A 1 0 1 T t fur ein A 1 P 0 1 t displaystyle mathcal F t mathcal P 0 1 t times 0 1 T t A in mathcal P 0 1 T A A 1 times 0 1 T t text fur ein A 1 in mathcal P 0 1 t nbsp Fur T 2 displaystyle T 2 nbsp und t 1 displaystyle t 1 nbsp ergibt sich F 1 0 0 0 1 1 0 1 1 0 0 0 1 1 0 1 1 displaystyle mathcal F 1 emptyset 0 0 0 1 1 0 1 1 0 0 0 1 1 0 1 1 nbsp Zum Zeitpunkt t 1 displaystyle t 1 nbsp liegt nur das Ergebnis des ersten Munzwurfes vor daher genugt das Ereignissystem F 1 displaystyle mathcal F 1 nbsp zur Abbildung dieser Information da z B das Ereignis 0 0 0 1 displaystyle 0 0 0 1 nbsp bedeutet dass sich beim ersten Munzwurf eine 0 ergab und beim zweiten Munzwurf irgendetwas ergibt also eine 0 oder eine 1 Das Ereignissystem fur T 2 displaystyle T 2 nbsp und t 2 displaystyle t 2 nbsp ist F 2 P 0 1 2 P 0 0 0 1 1 0 1 1 displaystyle mathcal F 2 mathcal P 0 1 2 mathcal P 0 0 0 1 1 0 1 1 nbsp und enthalt 16 Ereignisse neben dem unmoglichen Ereignis der leeren Menge die vier Elementarereignisse 0 0 0 1 1 0 1 1 displaystyle 0 0 0 1 1 0 1 1 nbsp die sechs zweielementigen Ereignisse 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 1 1 0 1 1 0 0 1 1 1 1 0 1 1 displaystyle 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 1 1 0 1 1 0 0 1 1 1 1 0 1 1 nbsp die vier dreielementigen Ereignisse 0 0 0 1 1 0 0 0 0 1 1 1 0 0 1 0 1 1 0 1 1 0 1 1 displaystyle 0 0 0 1 1 0 0 0 0 1 1 1 0 0 1 0 1 1 0 1 1 0 1 1 nbsp und das sichere Ereignis 0 0 0 1 1 0 1 1 displaystyle 0 0 0 1 1 0 1 1 nbsp Im Unterschied zum ersten Zeitpunkt sind jetzt vier Elementarereignisse zu berucksichtigen da die Ergebnisse des ersten und des zweiten Munzwurfes berucksichtigt werden mussen Spezielle Filtrierungen BearbeitenErzeugte Filtrierung Bearbeiten Ist X t t T displaystyle X t t in T nbsp ein stochastischer Prozess so wird das durch F t s X s A s t displaystyle mathcal F t sigma X s mathcal A s leq t nbsp d h der einhullenden minimalen s displaystyle sigma nbsp Algebra auf der Menge aller Bilder der Zufallsvariablen X s displaystyle X s nbsp der Elemente der s displaystyle sigma nbsp Algebra A displaystyle mathcal A nbsp fur alle bisher vergangenen Zeitpunkte s displaystyle s nbsp wobei s displaystyle sigma nbsp den s Algebren Operator bezeichnet erzeugte System F t t T displaystyle mathcal F t t in T nbsp als erzeugte Filtrierung kanonische Filtrierung oder naturliche Filtrierung des Prozesses bezeichnet Es ist also zu jedem Zeitpunkt t displaystyle t nbsp die vollstandige Information uber den vergangenen Verlauf des Prozesses bis einschliesslich zum Zeitpunkt t displaystyle t nbsp vorhanden Filtrierung der vollstandigen Information Bearbeiten Durch die Festlegung F t A displaystyle mathcal F t mathcal A nbsp fur alle t T displaystyle t in T nbsp wird die Filtrierung der vollstandigen Information definiert Hier ist also zu jedem Zeitpunkt t displaystyle t nbsp die vollstandige Information vorhanden Stetige Filtrierungen Bearbeiten Definiert man fur eine Filtrierung F F t t T displaystyle mathbb F mathcal F t t in T nbsp F t s gt t F s displaystyle mathcal F t bigcap s gt t mathcal F s nbsp und F t s lt t F s displaystyle mathcal F t bigvee limits s lt t mathcal F s nbsp sowie F F t t T displaystyle mathbb F mathcal F t t in T nbsp und F F t t T displaystyle mathbb F mathcal F t t in T nbsp so gilt F t F t F t displaystyle mathcal F t subseteq mathcal F t subseteq mathcal F t nbsp Ist F F displaystyle mathbb F mathbb F nbsp so heisst die Filtrierung eine rechtsstetige Filtrierung oder rechtsseitig stetig F F displaystyle mathbb F mathbb F nbsp so heisst die Filtrierung eine linksstetige Filtrierung oder linksseitig stetig F displaystyle mathbb F nbsp linksseitig und rechtsseitig stetig so spricht man von einer stetigen Filtrierung Weiter definiert man F t T F t t T F t t T F t displaystyle mathcal F infty bigvee t in T mathcal F t bigvee t in T mathcal F t bigvee t in T mathcal F t nbsp Filtrierung von Stoppzeiten Bearbeiten Eine Stoppzeit t W 0 displaystyle tau colon Omega rightarrow 0 infty nbsp bezuglich einer beliebigen Filtrierung F t t 0 displaystyle mathcal F t t in 0 infty nbsp erzeugt in Analogie zur naturlichen Filtrierung eine s Algebra die sogenannte s Algebra der t Vergangenheit F t A F t 0 A t t F t displaystyle mathcal F tau A in mathcal F infty mid forall t in 0 infty A cap tau leq t in mathcal F t nbsp mit F s t 0 F t displaystyle mathcal F infty sigma left bigcup t in 0 infty mathcal F t right nbsp Sei nun t j j J displaystyle tau j j in J nbsp eine geordnete Familie von Stoppzeiten mit P t i t j 1 displaystyle P tau i leq tau j 1 nbsp fur alle i j J displaystyle i j in J nbsp mit i j displaystyle i leq j nbsp dann ist die Familie F t j j J displaystyle mathcal F tau j j in J nbsp eine Filtrierung diese ist beim Studium von Stoppzeiten stochastischer Prozesse von Bedeutung In Analogie erzeugt man die rechtsstetige Version der Filtrierung F t j j J displaystyle mathcal F tau j j in J nbsp wobei F t A F t 0 A t t F t displaystyle mathcal F tau A in mathcal F infty mid forall t in 0 infty A cap tau leq t in mathcal F t nbsp und F t u t F u displaystyle mathcal F t bigcap u in t infty mathcal F u nbsp Es gilt immer F t F t displaystyle mathcal F tau subseteq mathcal F tau nbsp Augmentierte Filtration Bearbeiten Eine augmentierte Filtration 2 ist das Pendant einer Vervollstandigung eines Massraumes fur Filtrationen Ist W A P displaystyle Omega mathcal A P nbsp ein Wahrscheinlichkeitsraum und F F t t T displaystyle mathbb F mathcal F t t in T nbsp eine Filtration so definiert man N N W A A N A P A 0 displaystyle mathcal N N subset Omega mid exists A in mathcal A N subset A wedge P A 0 nbsp als Mengensystem der nicht notwendigerweise A displaystyle mathcal A nbsp messbaren Teilmengen von P displaystyle P nbsp Nullmengen Die augmentierte Filtration F displaystyle mathbb F nbsp von F displaystyle mathbb F nbsp bezuglich P displaystyle P nbsp wird dann definiert als F t s F t N displaystyle mathcal F t sigma mathcal F t cup mathcal N nbsp und F F t t T displaystyle mathbb F mathcal F t t in T nbsp Standardfiltration und die ublichen Bedingungen Bearbeiten Eine Filtration F displaystyle mathbb F nbsp heisst eine Standardfiltration 3 wenn sie mit ihrer augmentierten Filtration ubereinstimmt und rechtsstetig ist also wenn F F F displaystyle mathbb F mathbb F mathbb F nbsp gilt Man sagt dann auch dass die ublichen Bedingungen gelten 4 Von jeder beliebigen Filtration kann zu einer Standardfiltration ubergegangen werden indem man zuerst zur rechtsstetigen und dann zur augmentierten Filtration ubergeht Vergrosserte Filtration Bearbeiten Filtrationen werden in der Finanzmathematik vergrossert engl enlarged um die zusatzlichen Informationen eines Insiders zu modellieren 5 Verwendung des Begriffes BearbeitenDer Begriff der Filtrierung ist unerlasslich um ausgehend vom Begriff des stochastischen Prozesses wichtige Begriffe wie Martingale oder Stoppzeiten einzufuhren Als Menge T displaystyle T nbsp wird wie bei stochastischen Prozessen meist R displaystyle mathbb R nbsp oder N 0 displaystyle mathbb N 0 nbsp gewahlt und t T displaystyle t in T nbsp als Zeitpunkt interpretiert s Algebren modellieren verfugbare Information Die Mengen der s Algebra F t displaystyle mathcal F t nbsp geben zu jedem Zeitpunkt t displaystyle t nbsp an wie viele Informationen zur Zeit bekannt sind Fur jedes Ereignis A W displaystyle A subseteq Omega nbsp bedeutet A F t displaystyle A in mathcal F t nbsp ubersetzt dass zum Zeitpunkt t displaystyle t nbsp die Frage ist w A displaystyle omega in A nbsp eindeutig mit ja oder nein beantwortet werden kann Dass die Filtrierung stets aufsteigend geordnet ist bedeutet demnach dass eine einmal erlangte Information nicht mehr verloren geht Ist ein stochastischer Prozess X t t T displaystyle X t t in T nbsp an eine Filtrierung F t t T displaystyle mathcal F t t in T nbsp adaptiert bedeutet dies also dass der Verlauf der Funktion s X s w displaystyle s mapsto X s omega nbsp im Intervall 0 t displaystyle 0 t nbsp zum Zeitpunkt t displaystyle t nbsp fur beliebiges aber unbekanntes w W displaystyle omega in Omega nbsp und in Hinsicht auf die durch Ereignisse A F s s 0 t displaystyle A in mathcal F s s in 0 t nbsp formulierbaren Fragen bekannt ist Der Begriff wird aufgrund seiner Bedeutung in den meisten fortgeschrittenen Lehrbuchern uber stochastische Prozesse definiert In einigen Lehrbuchern zum Beispiel im Buch Probability von Albert N Schirjajew wird der Begriff aus didaktischen Grunden zunachst umfassend fur Prozesse mit diskreten Werten in diskreter Zeit eingefuhrt Literatur BearbeitenDaniel Revuz Marc Yor Continuous Martingales and Brownian motion Springer Verlag New York 1999 ISBN 3 540 64325 7 A N Shiryayev Probability Springer Verlag New York 1984 ISBN 3 540 90898 6 David Meintrup Stefan Schaffler Stochastik Theorie und Anwendungen Springer Verlag Berlin Heidelberg New York 2005 ISBN 978 3 540 21676 6 doi 10 1007 b137972 Achim Klenke Wahrscheinlichkeitstheorie 3 Auflage Springer Verlag Berlin Heidelberg 2013 ISBN 978 3 642 36017 6 doi 10 1007 978 3 642 36018 3 Einzelnachweise Bearbeiten Klenke Wahrscheinlichkeitstheorie 2013 S 195 Meintrup Schaffler Stochastik 2005 S 390 Meintrup Schaffler Stochastik 2005 S 390 Klenke Wahrscheinlichkeitstheorie 2013 S 482 Hans Follmer Alexander Schied Stochastic Finance 3 Auflage De Gruyter 2011 ISBN 978 3 11 021804 6 S 286 287 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Filtrierung Wahrscheinlichkeitstheorie amp oldid 239466921