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Ferdinand Flury 21 Juni 1877 in Wurzburg 6 April 1947 ebenda war ein deutscher Pharmakologe Toxikologe und Sanitatsoffizier Seine Beitrage zur Gewerbehygiene und seine Forschungen zu chemischen Kampfstoffen machten ihn international bekannt Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Kaiser Wilhelm Institut 1 2 Pharmakologie in Wurzburg 2 Ehrungen 3 Schriften Auswahl 4 Literatur 5 Weblinks 6 AnmerkungenLeben BearbeitenEine Lehrzeit und Praxis in Pharmazie leistete Flury von 1892 bis 1898 in Erlangen ab An der Friedrich Alexander Universitat Erlangen studierte er von 1898 bis 1902 Chemie Pharmazie und Naturwissenschaft 1899 wurde er Mitglied des Corps Onoldia 1 Er legte 1900 sein Staatsexamen ab und wurde 1902 in Pharmazie promoviert 1901 diente er als Einjahrig Freiwilliger Von 1902 bis 1905 arbeitete er als Assistent im Chemischen Laboratorium der Universitat Erlangen und legte 1904 seine Prufung als Lebensmittelchemiker ab 1905 kehrte er in den Militardienst zuruck wo er als Stabsapotheker in einem Garnisonslazarett bis 1910 tatig war Im gleichen Zeitraum studierte er von 1905 bis 1909 Humanmedizin an der Universitat Wurzburg 1910 promovierte er auch in Medizin und arbeitete anschliessend als Assistent am Pharmakologischen Institut der Universitat Wurzburg 1912 habilitierte Flury sich bei Edwin Stanton Faust fur Pharmakologie und Toxikologie Ab 1915 war er als a o Professor und ab 1920 als o Professor fur Pharmakologie an der Universitat Wurzburg tatig Kaiser Wilhelm Institut Bearbeiten Wahrend des Ersten Weltkrieges war Flury zunachst als Stabsapotheker eingesetzt und wechselte dann ans Kaiser Wilhelm Institut KWI fur Physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin Dahlem wo er von 1916 bis 1920 zusammen mit dem Leiter des Instituts Fritz Haber arbeitete und vor allem die Wirkungen von Kampfgasen untersuchte Hier ubernahm er schliesslich die Leitung der Abteilung E Toxikologie der Kampfstoffe Tierversuche und Gewerbehygiene Die Forschungen am KWI trugen wesentlich zur Entwicklung chemischer Kampfstoffe und zu den entsprechenden Schutzmitteln bei In seiner Abteilung wurden die Wirkungen neuer Kampfstoffe uberpruft und die chronische Schadigung deutscher Gasopfer des Ersten Weltkrieges untersucht Zu seinen Aufgaben gehorte die systematische Erforschung der Kampfstoffe mit dem Ziel geeignete und effektive Schutzeinrichtungen zu entwickeln Es gelang in seiner Abteilung durch das Zyklonverfahren Blausaure mittels eines Tragers zu stabilisieren Die gebundene Blausaure konnte so als Rattenbekampfungsmittel eingesetzt werden Unter dem Namen Zyklon B wurde an Kieselgur gebundene Blausaure zur Ungeziefervertilgung von allem von Lausen eingesetzt 2 Pharmakologie in Wurzburg Bearbeiten 1920 kehrte Flury als Professor an die Universitat Wurzburg zuruck Von 1920 bis 1945 hatte er dort den Lehrstuhl fur Pharmakologie inne und leitete das beim Juliusspital gelegene kleine pharmakologische Institut Zu seinen Mitarbeitern gehorten Wilhelm Neumann Mediziner 1898 Wolfgang Wirth Mediziner 1898 und als Privatgelehrter der Apotheker Franz Zernik Auch in der Zeit der Weimarer Republik nahm Flury eine zentrale Position bei der Koordinierung der Kampfstoff Forschung ein Er vertrat die Auffassung dass keine neuen Kampfstoffe mehr gefunden werden konnten so dass die Aufgabe der Wissenschaft die Verbesserung der vorhandenen chemischen Waffen sei Proben der zu prufenden Stoffe wurden in Flurys Pharmakologischen Institut auf ihre physiologische Wirkung in Grosstierversuchen getestet 1926 waren bereits 100 Substanzen in seinem Institut gepruft worden Auf einem Wissenschaftlertreffen am 28 April 1928 bilanzierte Flury die bisherigen Untersuchungsleistungen Danach seien insgesamt 1000 verschiedene Stoffe gepruft worden 200 in seinem Institut und 600 am KWI in der Zeit von 1916 bis 1918 Die 200 anderen Stoffe waren bereits vorher bekannt Als Aufgabe der Kampfstoff Forschung formulierte Flury Wir arbeiten auf offensivem und auf dem Schutzgebiet 3 1929 war Flury im Auftrag des Heereswaffenamtes an der Fertigung einer systematischen Zusammenstellung aller bekannten und gepruften Kampfstoffe beteiligt 1931 konnte er von 2000 in seinem Institut gepruften Stoffen lediglich funf als fur die Kampfstoffverwendung geeignet befinden In Betracht kamen aus seiner Sicht nur Senfgas Lost und Phosgen Die Forschung wurde auch nach 1933 kontinuierlich fortgesetzt Flury beantragte am 20 September 1937 die Aufnahme in die NSDAP und wurde ruckwirkend zum 1 Mai desselben Jahres aufgenommen Mitgliedsnummer 4 850 982 4 Auf Grund einer Anordnung des Oberkommandos der Wehrmacht im Herbst 1944 wurden samtliche Unterlagen uber die Entwicklung und Produktion chemischer Waffen systematisch vernichtet so dass auch uber die Rolle des Wurzburger Instituts fur Pharmakologie keine sicheren Erkenntnisse bestehen Der Nachfolger Flurys als Institutsleiter Wilhelm Neumann ausserte sich 1946 dazu wie folgt Bezuglich der Arbeiten des Pharmakologischen Instituts auf dem Kampfstoffgebiet die mir in allen Einzelheiten bekannt geworden sind erklarte ich Von den hieruber umlaufenden Geruchten ist der grosste Teil unbegrundet der Rest unrichtig Weder von Herrn Prof Flury noch von mir oder sonst einem Mitarbeiter des Instituts ist jemals ein Kampfstoff erfunden worden ebenso hat das Institut niemals Kampfstoffe hergestellt Unbegrundet ist auch die durch den militarischen Rang und die Auszeichnungen von Prof Flury entstandene Anschauung Prof Flury bzw das Institut waren auf dem Gebiet des sogen Chemischen Krieges leitend tatig gewesen Ende 1944 wurden Prof Flury und ich befragt ob wir glaubten dass ein Einsatz chemischer Kampfstoffe eine kriegsentscheidende Wirkung haben wurde Aus grundsatzlichen Erwagungen heraus haben wird diese Frage sofort verneint und betont dass dabei mit Sicherheit ein uberwaltigender und in seinen Folgen unabsehbarer Kampfstoffeinsatz der Gegenseite zu erwarten sei Dies Argument scheint nach der historischen Entwicklung zu urteilen bei der entscheidenden Stelle durchgedrungen zu sein Wir waren uns daruber klar dass wir mit diesem Dokument ein offenes Bekenntnis zu dem ablegten was man damals Defatismus nannte 5 In den gerichtlichen Vorermittlungen fur seinen Prozess Anfang der 1960er Jahre gab der arztliche Leiter der Aktion T4 also der organisierten Totung von Geisteskranken und Behinderten im nationalsozialistischen Deutschen Reich der Professor fur Psychiatrie und Neurologie an der Universitat Wurzburg Werner Heyde an Flury als Sachverstandigen fur die geeignetste Totungsmethode vorgeschlagen zu haben Von Bouhler und Brack wurden wir gefragt welches Totungsmittel am besten zu verwenden sei Dabei kam zu Ausdruck es musse rasch unfehlbar und schmerzlos wirken Wir erklarten daraufhin dass wir kein solches Mittel aus der gebrauchlichen Pharmakologie wussten und machten den Vorschlag es mochten Pharmakologen hierzu befragt werden Ich raume ohne weiteres ein dass ich hierfur Professor Flury Ordinarius in Wurzburg und gleichzeitig Lehrer an der Militararztlichen Akademie in Berlin in Vorschlag gebracht habe Es sind aber ausser diesem noch zwei weitere Pharmakologen um eine Stellungnahme angegangen worden Ich weiss nicht ob diese beiden noch am Leben sind und mochte deshalb ihre Namen nicht nennen Alle drei Pharmakologen kamen zum Ergebnis es komme nur ein Mittel in Frage das diesen Anspruchen genuge namlich Kohlenoxyd 6 Im Zweiten Weltkrieg war Flury im Sanitatsdienst als Oberstarzt eingesetzt und im April 1943 zum Generalarzt befordert worden 1945 wurde Flury als Vorstand des Pharmakologischen Instituts entlassen und in einem Kriegsgefangenenlager inhaftiert 7 Sein Nachfolger wurde nach einer Ubergangsfrist 1949 sein ehemaliger Privatassistent und spatere Dozent Wilhelm Neumann Am 6 April 1947 starb Ferdinand Flury an einem Schlaganfall 7 Er gilt als bedeutender Toxikologe und derjenige Wissenschaftler der geprufte Grenzwerte fur potentiell schadliche Stoffe lieferte unterhalb derer korperfremde Stoffe keine Organismusschaden hervorrufen Sein Beitrag fur eine wissenschaftlich fundierte experimentelle Gewerbetoxikologie ist unbestritten Ehrungen BearbeitenAuswartiges Wissenschaftliches Mitglied der Kaiser Wilhelm Gesellschaft am KWI fur physikalische Chemie und Elektrochemie 1926 Wahl in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina 1932 Liebig Denkmunze 1934 Kriegsverdienstkreuz 1939 I Klasse mit Schwertern 1943 Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes mit Schwertern 23 September 1944 Schriften Auswahl Bearbeitenals Hrsg mit Franz Frisch Festschrift zum 46 Deutschen Arztetag in Wurzburg Sturtz Wurzburg 1927 Zur Entwicklungsgeschichte der Wurzburger Arzteschule Der Universitat Wurzburg zu ihrem 350jahrigen Bestehen In Munchener Medizinische Wochenschrift Band 6 1932 S 653 655 mit Franz Zernik Schadliche Gase Dampfe Nebel Rauch und Staubarten Berlin 1931 Tierische Gifte und ihre Wirkung In Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie Band 13 Berlin 1929 mit Heinrich Zangger Max Cloetta und Erich Hubener Lehrbuch der Toxikologie Springer Berlin 1928 Literatur BearbeitenFlury Ferdinand In Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft Band 1 A K Berlin 1930 DNB 453960286 S 460 Peter Fasel Beitrage zur NS Geschichte in Unterfranken Wurzburg 1996 Olaf Groehler Der lautlose Tod Einsatz und Entwicklung deutscher Giftgase von 1914 1945 Reinbek 1989 Dietrich Henschler Zur Entwicklung von Pharmakologie und Toxikologie in Peter Baumgart Hrsg Vierhundert Jahre Universitat Wurzburg Eine Festschrift Degener amp Co Gerhard Gessner Neustadt an der Aisch 1982 Quellen und Beitrage zur Geschichte der Universitat Wurzburg Band 6 ISBN 3 7686 9062 8 S 1030 1047 hier 1031 f und 1035 1034 Ernst Klee Ferdinand Flury Eintrag in ders Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 Aktualisierte Ausgabe Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 2005 ISBN 3 596 16048 0 Robert Kehoe Ferdinand Flury 1877 1947 The Journal of Industrial Hygiene and Toxicology 30 1948 Wilhelm Neumann Flury Ferdinand In Neue Deutsche Biographie NDB Band 5 Duncker amp Humblot Berlin 1961 ISBN 3 428 00186 9 S 264 f Digitalisat Holger Munzel Max von Frey Leben und Wirken unter besonderer Berucksichtigung seiner sinnesphysiologischen Forschung Wurzburg 1992 Wurzburger medizinhistorische Forschungen 53 S 181 Ferdinand Flury Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Ferdinand Flury im Katalog der Deutschen NationalbibliothekAnmerkungen Bearbeiten Kosener Corpslisten 1930 28 799 Bekannt wurde Zyklon B als Mittel zur Vergasung der europaischen Juden unter anderem im KZ Auschwitz Birkenau Protokoll der Jahresbesprechung der wissenschaftlichen Mitarbeiter fur Gaskampf und Gasschutz im Heereswaffenamt 28 April 1928 Bundesarchiv RH 12 4 v37 zitiert nach Dissertation Wilhelm Neumann Leben und Werk S 44 siehe Weblink Bundesarchiv R 9361 IX KARTEI 9161710 Erklarung Wilhelm Neuman bezuglich der Arbeiten des Pharmakologischen Instituts auf dem Kampfstoffgebiet 4 April 1946 Staatsarchiv Wurzburg Spruchkammer 7361 zitiert nach Dissertation Wilhelm Neumann Leben und Werk Seite 46 47 siehe Weblink Vernehmung Heydes vom 26 Oktober 1961 zitiert bei Ernst Klee Was sie taten Was sie wurden Arzte Juristen und andere Beteiligte am Kranken oder Judenmord 12 Auflage Frankfurt M 2004 ISBN 3 596 24364 5 S 279 a b Ernst Wilhelm Baader Hrsg Handbuch der gesamten Arbeitsmedizin Bd 2 Arbeitspathologie Berufskrankheiten Teilband 1 Urban amp Schwarzenberg Berlin 1961 S 56 Normdaten Person GND 11868406X lobid OGND AKS LCCN no2015071703 VIAF 271096846 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Flury FerdinandKURZBESCHREIBUNG deutscher Pharmakologe und ToxikologeGEBURTSDATUM 21 Juni 1877GEBURTSORT WurzburgSTERBEDATUM 6 April 1947STERBEORT Wurzburg Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ferdinand Flury amp oldid 235115974